Berlin - Parochialkirche

  • @grammostola
    Bei den Löwen handelt es sich um Treibarbeiten in Kupferblech, der andere Farbton kommt zustande, weil die Oberfläche patiniert und gewachst wurde.
    bereits 1839 wurde ein Gipsmodell von Kopf, Brust und Vordertatzen angefertigt, die man nach dem Krieg in den Gruftgewölben fand und nun als Grundlage diente. Früher waren die Löwenkörper aus Bleiguss, Später aus Zinkguss. 1839 fiel ein Löwenkörper auf die Straße. Die Seitenteile sind nur als Blende ausgeführt, sie sind gespreizt und gehen nach hinten deutlich auseinander, um aus der Betrachterperspektive gekonnt die Schattenfuge zur Turmpyramide zu schließen.

    @Manometer
    Aussichtsplattform ist das falsche Wort. Es gibt eine kleine Ebene, auf der man stehen kann. Es ist extrem eng dort oben.

    Wen man Handwerker/Künstler hat, die solch phantastische Treibarbeiten herstellen können, müsste es einen um die Schönheit unserer Städte wirklich nicht bange sein;

    nur können die momentan leider nicht so, wie sie wahrscheinlich gerne wollten :rolleyes:

  • @Cocceji, entschuldige die ständige Ausfragerei, aber weiß du wie hoch der Turm der Parochialkirche genau ist, also von Bodenniveau bis/inklusive Sonne?
    Man findet wenig und viel widersprüchliches im Internet. Generell findet man wenig über die Höhe der Berliner Türme. Ich suche noch heute nach der Höhe des Stadthausturms und vom Berliner Dom sagt jeder etwas anderes. Meist wird noch immer behauptet, er wäre 116m hoch, wobei das allerdings die Höhe der Ursprünglichen Kuppel war und ganz sicher nicht die der neuen...

  • @Treverer
    Fragen werden gerne beantwortet. Ab Messpunkt Gehweg bis einschließlich Sonne beträgt die Höhe 65,20m, heute und auch historisch. Bei den anderen Turmhöhen werde ich mich mal schlau machen. Es ist in der Tat vieles widersprüchlich

  • Erstaunlich. Sie wirkt viel höher als das. Auf den ersten Fotos die wir hier gesehen haben, kam mir der Turm auch unerwartet schlank vor. Also wird die neue/alte Stadtschlosskuppel, wenn man davon ausgeht, dass sie einschließlich Kreuz etwa 70m hoch ist, sogar noch höher als die Parochialkirche sein. Hätte ich nicht erwartet.
    Und wie immer vielen Dank für die Auskunft! :)

  • Deutschland spendet Tausenden Milliarden für ganz unwichtige Sachen, warum nicht 1% für Rekonstruktionen des vernichteten Erbe ausgeben um wieder etwas Qualität im täglichen Leben zu schaffen???

    Es gibt gewiss noch 1000 Objekten (oder sind es 10.000?) in ganz D. die einfach um Zurückkehr schreien und wunderbare Effekten auf das Leben der Menschen ausüben könnten...... wie herrlich sind heute Neumarkt, Potsdam, [lexicon='Leipzig'][/lexicon] verglichen mit der Wüste von 20 Jahren zurück. Es könnte auch in das leeren Herz der ehemalige Hauptstadt stattfinden oder an vielen fehlende schöne Vorkriegs Plätze und Strassen, aber dann muss und soll die Gesellschaft das endlich fordern und wird es auch geschehen...... in noch immer unerkennbar verunstalltete Duisburg, Kassel, Mannheim, Köln, Nürnberg, Frankfurt, Magdeburg, Chemnitz, Dresden und Berlin!!!

    Du sprichst mir aus dem Herzen. Aber ich denke, Projekte wie dieses werden die Köpfe der Menschen positiv beeinflussen. Jede Rekonstruktion weckt den Wunsch nach weiteren. Viele Menschen sind einfach nur nicht informiert. Sie wissen nicht, dass eine andere Stadtgestaltung machbar und finanzierbar wäre. Aber sobald sie solche Beispiele sehen und überrascht feststellen, dass es Rekonstruktionen sind und keine Originale wird das ihre Wünsche nach mehr beflügeln. Jeder Mensch sehnt sich nach Ästhetik, viele Menschen haben nur nicht die nötige Reflektion und das nötige Bewusstsein, zu erkennen, was verändert werden müsste um schöne Stadträume zu schaffen. Diese Menschen brauchen Beispiele wie die Parochialkirche oder das Stadtschloss um ihnen die Augen zu öffnen.

    Lustigerweise hatte ich im Internet vor einigen Jahren einen Untersuchungsbericht im Auftrag der Bundesregierung gefunden der sich mit der Frage befasste, weshalb in Deutschland viele Bürgerinitiativen entstehen, die Rekonstruktionen fordern und moderne Stadtentwicklung verweigern. Es ging dabei um die Frage wie die Menschen mit der modernen Architektur versöhnt werden können, bzw was den Menschen fehlt, was die moderne Architektur ihnen nicht geben kann. Sie sind noch nicht soweit zu dem Schluss gekommen, dass Rekonstruktionen die Lösung der Zukunft sein könnten, aber dieser Bericht hat mir gezeigt, dass das Problem von der Politik zumindest erkannt wurde und dass die Regierung sehr genau beobachtet, was sich da tut in der Bevölkerung. Ich finde das macht Hoffnung.

    :dichter: Erst gestalten wir unsere Städte, dann gestalten die Städte unsere Gesellschaft :dichter:
    :opa: Aus Plattenbauten ist selten Gutes hervorgegangen :opa:

  • Aber ich denke, Projekte wie dieses werden die Köpfe der Menschen positiv beeinflussen. Jede Rekonstruktion weckt den Wunsch nach weiteren. Viele Menschen sind einfach nur nicht informiert. Sie wissen nicht, dass eine andere Stadtgestaltung machbar und finanzierbar wäre.

    Also ich denke (und da spreche ich in erster Linie von mir selbst, aber das dürfte auch bei vielen anderen Menschen der Fall sein), dass man sich als Unkundiger nicht vorstellen kann, das soetwas überhaupt möglich ist. Alle Rekos sind Gebäude von vor 1945. Für die meisten sind das Welten, die man sicht im Kopf nicht vorstellen kann und maximal von Bildern aus Geschichtsbüchern kennt: es wirkt irreal. Und dann tauchen Gebäude auf, die man von diesen Bildern gesehen hat. Sie sind auf einmal real und man begreift das nicht so richtig. Das ist schon ein überwältigendes Gefühl und kann der Funken einer Bewegung sein. :)

    Die Menschen brauchen Beispiele wie die Parochialkirche oder das Stadtschloss, um ihnen die Augen zu öffnen.

    Es gibt eine Architektur, die zur Landschaft gehört, sowie eine andere, die sie zerstört.

    2 Mal editiert, zuletzt von Fusajiro (4. Juli 2016 um 07:34)

  • Man muss sich vergegenwärtigen, dass die Wiedererrichtung des Turmes der Parochialkirche ein Sonderfall darstellt, weil eine besondere Konstellation den Erfolg des Bauvorhabens erst möglich machte: Ein Architekt, der seit zwanzig Jahren die Idee des Wiederaufbaus verfolgt, ein Verein, der sich ebenfalls dieser Aufgabe verschrieben hat, hinter dem ein Mäzen steht, eine Kirchengemeinde, die als Eigentümerin des Bauwerks die Bauherrenschaft abgegeben hat, ein Landesdenkmalamt, das sich mehr oder weniger heraushält, (es ist keine denkmalpflegerische Maßnahme sondern ein Neubau) und last but not least, ein erfolgreicher Lottoantrag, mit dem der Hauptteil der Finanzierung (= öffentliche Gelder) gedeckt war.

    Diese besondere Konstellation hat bewirkt, dass der Bau in für Berliner Verhältnisse kurzer Zeit entstanden und einigermaßen im finanziellen Rahmen geblieben ist.

    Bei aller Euphorie darf man aber nicht vergessen, dass man sich diese quasi Punktlandung erkauft hat, in dem Abstriche in Form undQualität der handwerklichen Ausführung hingenommen wurden.

    Dies will ich an einem Beispiel belegen: Die architektonischen Grundrisse der einzelnen Turmebenen waren jeweils eine Kreisform, die an vier Seiten verkröpft ist. (ein wichtiges Vorbild waren hier übrigens die Türme der Kirche St. Agnese in Agone.) Das machte die Einmaligkeit und Charakteristik des Originalturmes aus.

    Aus Kostengründen, auch weil es schneller und einfacher herzustellen ist, sind bei der Reko die Grundrisse nun jeweils polygonale Vielecke. (vgl. die letzten beiden Aufnahmen im Beitrag 259) Die Gesimsprofile, z.B. unter der Löwenebene oder unter dem Uhrengeschoss sind segmentweise gekantet. Historisch waren sie rund. Das hat Auswirkungen auf die Gesamtwirkung, die nun etwas unruhig wirkt.

    Vielleicht fällt das dem ungeübten Betrachter nicht auf, aber man muss auf diese Vereinfachungen hinweisen.Eine vollständig bis ins letzte Detail authentische Außenhaut hätte die Projektkosten verdoppelt.

    Auch hier muss man noch einmal auf die besondere Konstellation des ganzen Bauvorhabens erinnern.Dem Verein „Denkmal an Berlin“ als Bauherr mit H. Wall im Hintergrund waren andere Schwerpunkte wichtiger als Authentizität und Detailgetreue, etwa das Glockenspiel, das extrem viel Geld verschlungen hat.

  • Schade zu hören, dass man es nicht so genau genommen hat und "günstiger" gearbeitet wurde. :( Das Glockenspiel hätte man ja auch ruhig erst in den nächsten Jahren angehen können. Das läuft ja nicht weg...

    Hat nicht auch die Bauwert AG, die nebenan die Klostergärten baut, das Projekt bezuschusst? Hatte im Gedächtnis so etwas gelesen zu haben.

  • @Treverer
    das ist auch uneingeschränkt meine Haltung. Ein Gesamturteil wird man aber erst dann fällen können, wenn der Bau endgültig fertig ist.

    Meines Wissens hat Bauwert AG nicht bezuschusst. H. Wall hat in den letzten zwei Jahren Finanzierungslücken mit seinem Privatvermögen geschlossen. Das ist hoch anzurechnen, führt dann aber eben dazu, dass Prioritäten anders gesetzt werden können.

  • Aus Kostengründen, auch weil es schneller und einfacher herzustellen ist, sind bei der Reko die Grundrisse nun jeweils polygonale Vielecke.

    Ja ich hab's gesehen. Ich finde es ist noch ok so. Immerhin legte man die Knicke an die Kupferfalzungen dran - da fällts nicht so auf.
    Du bist wohl dort im Förderverein mit tätig?
    Der Turm ist ein tolles, beeindruckendes und bewegendes Werk.....

  • Da hast Du Recht. Man muss noch zusätzlich erwähnen, dass das Vorhabe nicht möglich gewesen wäre, wenn nicht Klaus Wowereit für die nötigen Lottomittel gesorgt hätte. Der Lottotopf ist ja in Berlin so etwas wie die Kriegskasse der Landesregierung.

  • Man muss sich aber auch vor Augen halten. In der BRD und auch in der DDR wurden nach dem Krieg viele Gebäude rekonstruiert. Aufgrund von Geldmangel (z. B. Berliner Dom) hat man aus Kostengründen diese Rekonstruktion vereinfacht dargestellt.

    So eine vereinfachte Bauweise hat man auch bei der Parochialkirche angewendet, wo ich aber keinen Nachteil sehe. Korrekturen können zu einem späteren Zeitpunkt immer vorgenommen werden. I

    Ich möchte den Spendern, dem Verein, der Lottogesellschaft und dem Mäzen einfach mal Danke sagen für die tolle und hervorragende Engagement :) .

  • (...) Das will Héloïse Bricchi-Duhem. Ich will es nicht. ... Der Denkmalschutz gibt sich gerne als unfehlbare Instanz, doch folgen die dort versammelten Experten ja auch nur der Mode der Zeit und entscheiden also willkürlich. (...)


    Volle Zustimmung! Und genau das kotzt mich am Denkmalschutz so an. Die "Experten" entscheiden nur nach persönlichem Geschmack. Das kann einfach nicht sein.

  • @Neußer, @Vulgow
    Da muss ich doch mal was zu sagen: Die Kolumne von Schupelius ist, wenn überhaupt, denkbar schlecht recherchiert. Er beruft sich allein auf Héloïse Bricchi-Duhem. Wer ist diese Frau? Es ist eine Praktikantin im Landesdenkmalamt gewesen, die eine Publikation (meine eigene) rezensiert hat und in ihrem Text noch einiges zur Denkmalpflege an der Kirche zum Besten gegeben hat bzw. versucht hat, sich beiden Themen zu nähern und das sehr unbeholfen. Sie ist keine Denkmalpflegerin.

    Man kann über den Innenraum der Parochialkirche trefflich streiten , muss aber einige grundlegende Dinge auseinanderhalten und nicht alles in einen Topf werfen:

    1. Der Verein Denkmal an Berlin hat sich allein um den Wiederaufbau des Turmes bemüht und hat mit dem Innenraum nichts zu tun.
    2. Die Kirche, die bis zur Wende mehr oder weniger eine Ruine war, wurde von 1990 bis 2004 aus Mitteln der Gemeinde, des Landesdenkmalamtes, des kirchlichen Baumamtes u. a. für sehr viel Geld saniert. Der lange Zeitraum kam auch zustande, weil immer wieder das Geld ausging. Der Innenraum wurde, zu allererst aus finanziellen Gründen, zunächst nur konservatorisch gesichert. Später hat man das dann auch konzeptionell vertreten.
    3. In den nächsten Jahren wird der Innenraum weiter barbeitet, er wird in Kürze eine Fußbodenheizung bekommen, die Decke wird geschlossen und der Kirchenraum wird ein dauerhafter Ausstellungsort für die Kunstwerke der Landeskirche werden.

    Es ist schade, wenn solche Kolumnen, die sicherlich gut gemeint sind, solche Recherche- und Informationslücken beinhalten.

  • ^ Das ändert aber leider alles nichts an der Tatsache, daß der Innenraum weiterhin, sehr unwürdig, wie eine Ruine aussieht. Die Decke wird geschlossen. Das ist gut. Die Heizung im Boden sieht kein Mensch. Ganz schlimm ist aber dieses unverputzte Gemäuer. Und das war ja wohl eine Entscheidung des Denkmalamtes.

    Der Schreiber des Artikels hat, meiner Meinung nach, völlig Recht damit, daß man die barocke Form auch mit glatten und gestrichenen Mauern noch erkennen könnte. Das sollte ein Minimum an Ästhetik sein.

  • Es wäre schon geholfen, wenn die Innenwände verputzt und weiß gestrichen wären. Aber wie ein Forumsmitglied schon geschrieben hat, dafür bleibt ja noch Zeit. Jetzt wird erstmal eine Fußbodenheizung eingebaut.

  • Alles Schritt für Schritt. Als Erstes wäre es gut, hier einmal historische Photographien des Innenraumes zu sammeln und zu zeigen, damit eine Meinungsbildung erfolgen kann und Journalisten sich z.B. daran orientieren können, wenn Sie über dieses Thema schreiben möchten.