Weil das Fugenthema hier immer wieder (kritisch) angesprochen wird, sollte mann das vielleicht mal genauer diskutieren, bevor es in diesem schönen Thread viral wird.
Ich mache mal den Anfang.
Die Kritikpunkte sind:
1. Warum sind die Fugen zwischen den Sandsteinelementen so breit? Kann man das nich enger oder fugenlos versetzten?
2. Warum sind einige Fugen in den Kartusche etwas windschief?
Zu Punkt 1:
Sandstein hat wie jedes Material einen thermischen Ausdehnungskoeffizienten. Dieser liegt je nach Sorte etwa zwischen 3,3-14,5x10-6/K. Hier gilt: je quartzhaltiger, desto höher dieser Wert.
Stark verkieselte und damit sehr quartzhaltige, fast schon in Richtung Quartzit gehende Sorten wie der Reinhardtsdorfer liegen hier eher im oberen Bereich.
Sandstein, als poröses Sedimentgestein hat aber noch eine weitere Materialeigenschaft: Der sogenannte "hygrische Dehnungskoeffizient". Dieser ist wesentlich komplexer und schwieriger zu fassen, als der thermische Dehnungskoeffizient und verläuft alles andere als linear.
Kurz gefasst: Der poröse Sandstein kann sich mit Wasser vollsaugen und dehnt sich dabei etwas. Granit ist nicht porös und hat deswegen diese Materialeigenschaft nicht.
Die hier verwendeten fein- bis mittelkörnigen Sandsteine haben übrigens einen hohen Anteil sogenannter Haarkapillaren (Porengrösse ca. 0,1-0,01 mm). Hier veläuft das Vollsaugen mit Wasser über den Kapillareffekt besonders schnell und effektiv (Bis zu 50 cm pro Stunde bei anstehendem Stauwasser).
Bei Sandstein kommt noch eine weitere Eigenschaft dazu: Er ist im Gegensatz zu Granit sehr empfindlich gegenüber Zugspannungen.
Was würde nun passieren wenn man Sandstein fugenlos oder mit zu engen Fugen versetzen würde:
Das ganze würde am Anfang recht schön aussehen.
Sobald das Bauwerk im Sommer aufgeheizt wird, oder nass wird, dehnt sich das Material, es kommt zu gewaltigen internen Drücken und aufgrund der immer vorhandenen Temperatur- bzw. Feuchtigkeitsgradienten auch zu grossen Zugspannungen. Strukturelle Schäden wie Risse und Abplatzungen wären die Folge. Über diese könnte im Herbst Wasser eindringen, im Winter auffrieren, es käme zu weiteren Schäden. Das ganze würde sich im nächsten Jahreszyklus am nun vorgeschädigten Stein wiederholen, die Schäden potentieren sich....
Nach wenigen Jahrzehnten wäre das Ganze so brüchig und marode, das man es schon aus Sicherheitsgründen wieder abreissen könnte.
Dies alles ist natürlich schon längst bekannt. Der Reinhardtsdorfer und schlesische Sandstein wurden schon im Barock am ursprünglichen Schloss verbaut. Es ist aus dieser langen Baupraxis und durch unzählige materialwissenschaftliche Untersuchungen längst bekannt, mit welcher Mindestfugenbreite man welche Sandsteinart mit der Blockgrösse xy zu versetzen hat.
Als Letztes zu diesem Punkt: Insgesamt sind die Fugen tatsächlich um ein Mehrfaches breiter als die maximal zu erwartende Dehnung (Faktor ca. 5-10x).
Hier ist neben einigen statischen Überlegungen vor allem folgender Grund:
Die Fugen müssen zwingend gegen Wassereintritt (Stichwort Frostsprengung) abgedichtet werden, sprich; man muss sie verfugen.
Sind die Fugen zu eng, kann der Fugenmörtel die Dehnbewegung des Steines irgendwann mal nicht mehr abfedern. Es kommt erneut zur Kraftschlüssigkeit. Ausserdem ermüdet der Fugenmörtel in einem solchen Szenario schnell, wird brüchig und muss unverhälnismässig oft ausgebessert oder ausgetauscht werden.
Nun zu Punkt 2: Warum is´n die eine Fuge in der Kartusche da schief? Ist das nicht schlampig?
Nun, ich würde sagen, das ist das Ergebnis ungenauen Arbeitens, wie es im Kunsthandwerk nun einmal vorkommt.
Der grosse Unterschied zwischen den Kartuschenblöcken und den maschinell exakt geschnittenen Quadern der Pfeiler ist nämlich, dass Erstere Bildhauerarbeiten tragen.
Selbst der beste und erfahrenste Steinbildhauer setzt mal eine Struktur wenige Millimeter zu hoch, oder zu tief.
Man kann deshalb diese Kartuschenblöcke von vornherein nicht exakt auf die Endgrösse zuschneiden, sondern muss einen gewissen Überschuss belassen (Die paar Millimeter, die man dem Steinbildhauer an Ungenauigkeit einräumen muss.
Anschliessend wird dann, in der Regel innerhalb einer Probesetzung im Werk, teilweise auch an der Baustelle angearbeitet.
Das heisst, alle 4 Seiten aller 16 (oder so) Blöcke, aus denen so eine Kartusche besteht, müssen so abgetragen werden, dass alle Übergänge zusammenpassen, und die Mindestbreiten der Dehnungsfugen eingehalten werden.
Das ist eine verdammt schwierige Aufgabe, die wahnsinnig viel Erfahrung und Augenmass erfordert.
Wenn man dieses schwere dreidimensionale Puzzle dann nur so am Besten lösen kann, dass mann die eine oder andere Fuge etwas schief belässt, dann ist es halt so.
Man sieht die Fuge am Ende sowieso fast nicht mehr.
Ob´s die alten Meister Zu Eosanders Zeiten besser konnten, kann ich nicht beurteilen. Aber auch für die waren solche grossen, zusammengesetzten Bildwerke sicher nicht alltäglich.