Hoy,
die Kaiser-Wilhelm Gedächtniskirche ist natürlich Geschmackssache, sie war besser als alles was heutige Kirchenbauer hinbekommen, aber für den Anspruch der damaligen Zeit finde ich die Nebentürme waren zu klein und zu zahlreich um eine stimmige Gesamtkomposition zu erreichen. Auch der Hauptturm wirkte nicht wie ein selbstständiger Turm sondern eher wie ein großer Dachaufsatz auf dem Kirchenschiff. Die heutige Ruine mit dem abgebrochenen Dach wirkt auf mich romantischer und stimmiger, vergleichbar mit dem Heidelberger Schloss, dessen Wiederaufbau zum Glück nicht umgesetzt wurde.
Was mich stört sind die Betonklötze davor und dahinter. Ich hätte es besser gefunden man hätte den Turm als Ruine gelassen und ein schlichtes unauffälliges Kirchenschiff mit Satteldach angesetzt, was für einen Gottesdienst genüge tut und dem Turm das Hauptaugenmerk belässt. Oder die ursprünglichen Umrisse mit Pflastersteinen auf dem Boden markiert und an Stelle des Kirchenschiffs einen Wald mit Bänken gepflanzt, in dem im Sommer Freiluftgottesdienste stattfinden können.
Das Argument mit dem Mahnmal finde ich totalen Quatsch, als ob Rekonstruktionen ein Erinnern verhindern würden. Erinnern kann nur stattfinden, wenn Orte der Vergangenheit sichtbar bleiben.
Dieses Argument wird immer gebracht um Rekonstruktionen zu verhindern oder hässliche Neubauten zu bauen, meist von Seiten der Architekten und Investoren, die bei dem Argument an ihren eigenen Profit denken. Nach diesem Argument hätte man den Polen verbieten müssen Warschau wieder aufzubauen, weil sie damit das Gedenken an ihre Vorfahren beleidigen, die so sehr gelitten haben.
Ganz offensichtlich ad absurdum geführt wird diese Theorie der Brüche bei Synagogen: Weshalb werden diese nicht wieder rekonstruiert? Stattdessen wird auf Synagogen ganz verzichtet oder es werden möglichst hässliche aus der Umgebung herausstechende Betonbunker hingesetzt um zu mahnen. Überspitzt ausgedrückt: "Eure schönen Synagogen haben wir niedergebrannt, ein Recht auf Geschichte habt ihr nicht mehr". Dabei wäre eine Rekonstruktion ein viel deutlicheres Statement, um zu zeigen, dass das Judentum eine jahrtausendealte deutsche Tradition hat, das nicht ausgelöscht bleiben darf, sondern ein Recht hat an dieser Vergangenheit anzuknüpfen. Und zwar auch ohne die von den Nazis aufgezwungenen Brüche.
Ein schönes Gebäude der Vergangenheit zu sehen macht einen neugierig, sich über diesen Ort, dieses Gebäude zu informieren. Liest man dann die angebrachten Geschichtstafeln und stellt fest, dass das Gebäude kein Original ist, wird einem erst bewusst welche Kulturgüter durch Idiotien der Geschichte zerstört wurden und was in Zukunft anders laufen muss, um die wiedergewonnene Schönheit, den wiedergewonnenen Frieden zu erhalten.