Ja, es gibt in der Tat diese motivische Verwandtschaft - eine schöne Beobachtung, vielen Dank! Ich hatte das gar nicht auf dem Schirm!
Wobei hier natürlich auch noch die Tradition der liegenden Sarkophagfigur hineinspielt: Sie hat etruskische Ursprünge, die Florentiner sahen sich als Nachfahren der Etrusker, ob Michelangelo diese Gräber kannte, weiß ich allerdings nicht.
Jedenfalls fand dieser Typus Eingang in die römische Sepulkralkunst ...
und von dort zu den Liegefiguren (gisants) der mittelalterlichen Grabkunst.
Was Michelangelo bereits vorwegnimmt, ist das dialektische Verhältnis zwischen den beiden Figuren. Das ist dann ja auch bei Bernini und Schlüter so: An Portal V hält der eine Genius eine Trompete nach unten, der andere einen Palmzweig nach oben; der eine blickt zum Wappen hin, der andere blickt nach außen, der eine hat den Kopf erhoben, der andere gesenkt, beim einen reicht der Flügel bis hinter den Wappenschild, beim anderen knickt er vom Schild weg. Am ausgefeiltesten ist diese Dialektik bei Bernini, und an Portal V wiederum ist sie besser als an Portal IV.
Was mich überhaupt an der alten Kunst, gerade auch am Hochbarock, beeindruckt, ist die Fähigkeit, verschiedene Bildtraditionen und Bildmotive zu synthetisieren bzw. sie zu etwas Neuem zusammenzuführen, ohne in einen Eklektizismus zu verfallen. Das 19. Jahrhundert konnte das schon nicht mehr so gut.