• Mal etwas Anders: Ich habe jetzt bereits mehrfach gelesen, dass im Pleicherviertel ein recht beachtlicher Bestand an
    Altbauten das Bombardement überdauert haben soll. Allerdigs wäre es bis in die jüngste Zeit noch zu Abbrüchen gekommen ?!? Kann mir ein Würzburger genaueres zu der heutigen Situation (Bestand an Altbauten und Zustand) des Viertels sagen?

  • Ja, Zeno, Bilder wären toll!

    lg

    "Ich denke an Wien, so wie Sie an Brüder, an Freunde denken, die jetzt an der Front sind. Nun sind sie fern von Ihnen und Sie wissen sie in Gefahr, ohne ihnen beistehen, ohne diese Gefahr teilen zu können" - Stefan Zweig 1940

  • christine: die von Dir gezeigten Häuser in der Domstrasse waren wunderschön. Es gab noch etwa drei verputzten Fachwerkhäuser darunter, so scheint mir. Eines der Älteren Häuser hat sehr feinen Barock- oder Rokokoschmuck.
    Was dort heute steht ist dagegen banale Allerweltsware ohne Ortsbezug.

    VBI DOLOR IBI VIGILES

  • Danke für die Bilder, Zeno. Das wird ein absoluter Pflichtbesuch bei meiner nächsten Würzburg-Reise. Schande über mich, dass ich diese Häuser bisher völlig übersehen hatte, ich glaubte, Würzburg ganz gut zu kennen. :peinlich:

    Der Link hier:

    Freunde mainfränkischer Kunst und Geschichte e.V. Würzburg

    ...ist echt absolutes Pflichtprogramm! Wer es noch nicht germerkt hat: im Außenpanorama kann man auf die Tür des Hauses klicken und dieses dann in weiteren Panoramen komplett durchwandern. :schockiert:

  • Zeno, das erste Bild zeigt das Gasthaus "Zur Stadt Kitzingen". Die Gaststätte wurde einfach irgendwann geschlossen und steht noch genauso herum - mit der kompletten Inneneinrichtung. Leider ist der Artikel dazu in der Mainpost passwortgeschützt.

    Auf dem nächsten Bild sieht man das Handwerkerhaus. Dabei handelt es sich um das älteste erhaltene Bürgerhaus Würzburgs, wenn man mal davon absieht, dass in Heidingsfeld ein noch älteres Haus steht.

    Brandmauer: Ja, die Domstraße muss eine wahre Prachtstraße gewesen sein. Unvorstellbar, dass man nach dem Krieg die noch stehenden Fassaden einfach weggerissen hat. Wenn ich mir für Würzburg was wünschen dürfte, wäre es die Domstraße. Leider findet man im Netz nur sehr wenige alte Aufnahmen.

    Ach ja, Würzburg kriegt noch eine neue Straßenbahnlinie und fährt dann direkt vor der Residenz vorbei.

    Und dann zwinge ich mich immer mal, nach oben zu schauen. Was ich da sehe, sind viele vergammelte Nachkriegsfassaden, aber auch immer wieder alte Häuser. Nur gehen die oft in diesem Nachkriegseinerlei unter. Irgendwann werde ich mich mit gezückter Kamera auf den Weg machen.

  • Fakt ist: technische Alternativen zu Oberleitungen bei Straßenbahnen gibt es.

    So ein System hat man in der Altstadt von Bordeaux errichtet, die Fahrzeuge erhalten ihren Strom über eine Stromschiene in der Mitte des Gleiskörpers, die nur dann unter Spannung gesetzt wird, wenn sich ein Fahrzeug auf diesem Abschnitt befindet. Somit ist das System für Fußgänger ungefährlich. Das Ganze ist aber technisch nicht wirklich ausgereift und führt zu regelmäßigen Problemen.

    Und für einen kurzen Streckenabschnitt rechnen sich technische Sonderlösungen nicht.

    Es ist aber heute auch möglich Oberleitungssysteme filigraner zu konstruieren als mit den plumpen Betonmasten der vergangenen Jahrzehnte.

    Wenn die Straßenbahn genauso stört wie die Autos, welche Lösung sollte es dann geben?

    Vorstellen könnte ich mir höchstens eine Tunnellösung, aber das würde an anderer Stelle Rampenbauwerke erfordern, welche wiederum viel störender auf das Stadtbild wirken können.

  • Da hat sich wieder mal ein moderner Architekt ausleben können, weil die Stadtplaner über keinerlei Geschmacksnerven verfügen. Absolut grauselig und ohne jegliches Einfühlungsvermögen.

  • Bei solchen Schulgebäuden wundern einen schlechte PISA-Ergebnisse nicht, ebensowenig eine steigende Gewalt und Kriminalität auf dem Schulhof.

    Ich bringe hiermit den Begriff "Gewaltarchitektur" ins Spiel, den ich in Verbindung mit Bauten einer düsteren braunen Epoche kennengelernt hatte, aber auf die rücksichtslos in gewachsene Stadtgebiete gestellten Klotz- und Bunkerbauten der Moderne trifft er genauso zu.

    Ich meine wie wärs mit einer Ausstellung über solche Bauten - unter dem Titel "Faszination der Gewalt" denn der Würzburger Altstadt wurde damit Gewalt angetan.

  • Nun, dieses Viech hat wenigstens Mut zur Hässlichkeit und daher gewissermaßen Charakter.
    Es zu beklagen, kommt mir wie ein Geschrei um Symptome vor. In der Tat verschandelt es nichts, und genau hier liegt das Problem: In der völligen Ästhetik. und Konzeptlosigkeit des sog "Wiederaufbaus".
    In Wahrheit sind die es umgebenden Supermärkte ua Gebrauchs'architektur', die das Stadtbild gründlich ruiniert haben bzw erst gar kein solches aufkommen ließen. Aber diese 'Bauten' sind halt schön bunt und sauber und erregen daher bei sensibleren Ästheten kein besonders ausgeprägtes Missfallen.
    Erst jetzt, da dies schmucke, freundlich-aufgelockerte Wirtschaftswunder-Ensemble zerstört ist, kommt Unmut auf. Dieser wäre insofern ja verständlich, als man sich auf dessen ästhetische Werte berufen würde. Aber mit 'Altstadt' oä sollte man nicht daherkommen, das wäre eine absolute Themenverfehlung.
    Auch nicht mit dem gegenüberliegenden Barockensemble - das ist ohnehin hoffnungsloser Solitär, wie in derart aufgebauten Städten üblich.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Zitat von "ursus carpaticus"

    Nun, dieses Viech hat wenigstens Mut zur Hässlichkeit und daher gewissermaßen Charakter.

    Es fällt mir bisweilen schwer, mich in die Gedankenwelt von "ursus carpaticus" hineinzuversetzen. Einerseits ein Freund der krummbalkigen Vormoderne des Barock oder Mittelalter, andererseits offen gegenüber noch so brutaler Moderne. Schwarz und weiß, Feuer wie Eis finden auf irgendeine Weise sein Wohlgefallen. Nicht hingegen jenes Dazwischen, jener Kompromiß, äußerte er sich nun etwa in historistischem Neobarock oder schlichtem Nachkriegs-Heimatstil.
    Übertragen: Würde er etwa zwischen Frauen wählen müssen, so käme wohl nur eine weißblonde Finnin oder Schwedin in Betracht oder eine Bantu. Der einen würde sich mit bewundernder Zärtlichkeit genähert, der anderen mit dem ambivalenten Schauder ob ihrer urtümlich-exotischen Anziehungskraft. Eine Brunette oder etwa eine mediterranen Typus hätte hingegen mit keinerlei Wohlgefallen zu rechnen. Wie gesagt, dies nur übertragen gemeint.
    Ich hingegen bevorzuge, nun mal wieder auf das Architektonische rückübertragen, zurückhaltende Bauten, die das Stadtbild nicht so stark kontrastieren, die Stadträume nicht negativ dominieren, die Elemente des Traditionellen in sich tragen, die spätere Stadtreparatur und schrittweise Verbesserung ermöglichen. Wenn man so will, setze ich auf das Evolutionäre und das Machbare, während "ursus" scheinbar auf den "großen Knall" hofft. :?:

  • Ich würd ja gar nicht sagen, dass du mit deiner Einschätzung grundsätzlich so unrecht hast, heimdall. Tatsächlich, Anpassung um jeden Preis liegt mir nicht und ist für mich nur in jenen Fälle, in denen tatsächlich Anpassenswertes vorliegt, also eher selten, zu begrüßen. Und die Qualität des Kontrastes würd ich prinzipiell auch nicht in Abrede stellen.
    Aber das sind Themen, die wir etwa beim Neuen Gewandhaus in DD diskutieren könnten - hier mit Sicherheit nicht.
    Worum es mir hier ging: Man kann keine Mülldeponie verunreinigen. Man kann Wü oder N (von ein paar ausgewählten Stellen vielleicht abgesehen) nicht verschandeln.
    Deine Überlegungen über meine geschmacklichliche Abartigkeit in Ehren (was übrigens Frauen betrifft, so bin ich leider von hoffnungslos konservativem ästhetischem Empfinden) - hier greifen sie nicht, diese Stelle ist derart jenseitig, dass von Ästhetik ohnehin keine Rede sein kann.
    Daher kann dieser neue Bau nicht stören.
    Alle Überlegungen darüber sind für mich a priori hinfällig.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Ich bitte es auch nicht als Angriff, sondern eher als Versuch des Hineinversetzens in eine fremde Person zu verstehen. Ich unterscheide mich da stark. Für mich ist jedes einzelne Fleckerl heilig und ich versuche überall kleine Verbesserungen vorzunehmen. Wenn ich Arzt wäre wohl so: "Herr XY, sie haben zwar Lungen-, Darm- und Magenkrebs. Aber gegen die Bandscheibenschmerzen und die Akne können wir etwas machen..." Insofern erscheint mir auch diese Zeller Straße, zumindest was ich davon sehe, nicht hoffnungslos verloren. Hätte man ein anderes Gebäude dort an die Straße gebaut, eventuell passend zur barocken Bebauung der gegenüberliegenden Seite, so wäre womöglich eine passable Situation entstanden.

  • einfach nur großartig!

    so wenig positives ich dem Wiederaufbau in WÜ oder eben auch in N abgewinnen kann, aber auf sowas, noch dazu in Schwarz (getreu dem Motto: "i wear black on the outside because black is how I feel on the inside"), reagiere ich noch allergischer und in historischen Stadträumen noch etliche x mehr...
    "Stuttgarter Verhältnisse", Gewaltarchitektur, zum Schreien, Davonlaufen oder wie auch immer...
    War letztens mal wieder 1h in der "Altstadt" N und habe nicht nur auf der Fleischbrücke gestanden und 1x mehr die großartige Wiederaufbauleistung nicht nur an diesem einst so schönen Orte bewundert, zum ...siehe oben... Zum Glück war die U-Bahnstation Lorenzkirche nahe...

  • Der schlechte Wiederaufbau einer so schönen Stadt ist schwer zu ertragen. Mir ist aber eine Sache eingefallen als ich meine Reise in Franken gemacht habe. Nämlich der Zustand der Sakralarchitektur.
    Alle Kirchen in Würzburg sind leer und hässlich innen. Der Dom ist ein Albtraum, die Augustinerkirche und Stift Haug sind fast ohne Innenausstattung. Die Neumünsterkirche hat geschmacklose moderne 'Kunst' innen. Das ist der größte Verlust!
    Warum alle Kirchen in München perfekt wiederhergestellt wurden und in Würzburg nicht?

  • Zitat von "Mithridate"

    Warum alle Kirchen in München perfekt wiederhergestellt wurden und in Würzburg nicht?

    Eine Frage die ich mir auch schon des öfteren und bei jedem Besuch Würzburgs gestellt habe. In München gibt es zwar auch einige ärgerliche Kriegsverluste, so Sankt Jakob oder die Herzogspitalkirche, aber der Innenzustand vieler Würzburger Kirchen, neben den genannten noch die Kirchen St. Michael, St. Peter und St. Stephan, ist irgendwie absolut unbefriedigend. Auch in Augsburg sind etliche Kirchen im Altstadtbereich innen heute modern oder einfach leer, so Sankt Moritz, St. Maximilian, St. Stephan oder die kath. Hl.-Kreuzkirche, erfreulicherweise wurden aber die Deckengemälde von Sankt Michael (durch Spenden) vor kurzem rekonstruiert.

  • Man schreibt immer “eine umstrittene Kombination von modernen und historischen Elementen” und es gibt immer neue kontroverse Projekte. Der Würzburger Dom ist das beste Beispiel, weil man die barocken Elemente sehen kann und dazu das romanische Langhaus und der Effekt ist absolut unbefriedigend. Und die leeren Kirchen die so traurig aussehen.
    Der Wiederaufbau in Würzburg hatte kein Konzept und war so fehlerhaft. Augsburg scheint nicht so schlecht, aber die Kirchen bleiben verstümmelt. Vielleicht in der Zukunft wird man verstehen, dass die wertvolle Innenasstattung nicht so einfach ersetzbar ist und die oben erwähnten Kirchen werden gerettet.

  • Zitat von "Mithridate"

    Der schlechte Wiederaufbau einer so schönen Stadt ist schwer zu ertragen. Mir ist aber eine Sache eingefallen als ich meine Reise in Franken gemacht habe. Nämlich der Zustand der Sakralarchitektur.
    Alle Kirchen in Würzburg sind leer und hässlich innen. Der Dom ist ein Albtraum, die Augustinerkirche und Stift Haug sind fast ohne Innenausstattung. Die Neumünsterkirche hat geschmacklose moderne 'Kunst' innen. Das ist der größte Verlust!
    Warum alle Kirchen in München perfekt wiederhergestellt wurden und in Würzburg nicht?

    Gerade die Augustinerkirche scheint doch noch eine gewisse Innenausstattung zu haben?

    http://fotowelt.chip.de/k/reisen-archi…erzburg/344734/

    Ansonsten hast du aber Recht. Aber zumindest stehen die Hüllen noch - da kann man später rekonstruieren.

    Unsere große Aufmerksamkeit für die Belange des Denkmalschutzes ist bekannt, aber weder ökonomisch noch kulturhistorisch lässt es sich vertreten, aus jedem alten Gebäude ein Museum zu machen. E. Honecker

  • Neumünster auch. Gefiel mir von den Innenstadtkirchen weitaus am besten.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Stift Haug braucht nur Innenausstattung, Peterskirche auch ihre Deckengemälde. In Augustinerkirche fehlen Deckengemälde von F.A. Ermeltraut und viele Stukaturen… und die ganze Innenausstattung.
    Neumünster ist am besten, in der Kirche fehlen nur wenige Elemente, aber es gibt immer mehr moderne Kunst innen und das ist problematisch.
    Ich habe alle Fotos auf Bildindex genau angesehen und es wäre schön diese Kirche in voller Pracht zu sehen. Unglücklicherweise werden die Kirchen immer renoviert, aber niemand scheint interessiert die Innenausstatung wiederherzustellen. Und es gibt keine Informationen über solche Pläne.