Museumsinsel Berlin - Neues Museum

  • Ich habe mir dieses neue Buch zum Museum angeschaut, in dem der Zustand nach der Sanierung und Vorher-Nachher-Vergleiche der meisten Räume gezeigt und die Techniken erklärt werden. Ich muss sagen, die erhaltenen Wandgemälde, Mosaikböden etc. sind in ihrem jetzigen - teilw. sogar ergänzeten - Zustand eigentlich recht akzeptabel. Es dürfte jedenfalls keine große Angelegenheit sein, diese eines Tages wirklich zu ergänzen. Und wie gesagt, die neuen Einbauten sind für sich gesehen eigentlich ganz ok, aber kein Ersatz für die Originale und bestimmt nur durch Abriss zu korrigieren :rolleyes:...

  • Benni: wenn aus Geldmangel momentan keine Rekonstruktionen finanzierbar gewesen wären und mit nur geringen Mitteln das Museum hätte saniert werden müssen, dann wäre ich durchaus mit der derzeitigen Sanierung zufrieden. Aber neben der Tatsache, dass Chippi ursprünglich mit dem Vorschlag einer Totalrekonstruktion im entscheidenden Architektenwettbewerb aufgetreten war, ist der eigentliche Skandal, dass der ganze Spaß 233 Mio Euros kostet. Auch wenn wir das schon mehrfach diskutiert haben, rege ich mich immer wieder darüber auf.

    Erwartungsgemäß loben die meisten Feuilletonisten natürlich diese Glanzleistung Chippis sich mit modernen Mitteln ohne Disneylandattitüden der Sanierung gewidmet zu haben. Eine der wenigen Ausnahme findet sich in der WELT, in der (wieder einmal) Dankwart Guratzsch das Museum als das bezeichnet, was es leider geworden ist: ein „zusammengeklebter Trümmerrest.“
    http://www.welt.de/kultur/article…uemmerrest.html

  • Ja, wir haben es schon mehrmals diskutiert. Und wir sollten uns (vorerst) damit abfinden und das beste draus machen, weil es jetzt nun mal ist, wie es ist. Sich immmer wieder von vorne über verschüttete Milch aufzuregen führt auch zu nichts. Ich gehe zu diesem Tag der offenen Tür und überzeuge mich mal selbst von der Lage. Beim letzten Mal war noch zu viel mit Planen verhangen und mit Gerüsten verstellt.

  • Meine Herren: dies fand ich eine sehr treffende Aussage über die "Narren" der Denkmalschutz in D. die Chippie unterstützt haben beim "angeglebten Trümerresten" des für € 233 Mi "restaurierte" und betonnierte Neues Museums:

    Zitat

    Denkmalschutz wollte nach der Niederlage, die sie mit ihrem Einspruch gegen den Wiederaufbau der Frauenkirche in Dresden erleiden musste, ein Exempel für "korrekten" Denkmalschutz statuieren - und steht nun vor einem Desaster. Der eitle Anspruch, die "Erfahrung von Geschichte" zu vermitteln, hat sich erledigt. Den passenden Kommentar dazu mag man aus einer Notiz Schinkels herauslesen. Immer dann, wenn die "Unregelmäßigkeit eine Anordnung gemissbraucht" habe, so stellte er in seinem unvollendeten Architektonischen Lehrbuch fest, habe sie nichts zustande gebracht, als "die Aussicht in eine Wüste und in ein Chaos zu verwirren".

    Ich weiss schon nun was ich da sagen soll, wenn ich dieses Museum besuchen könnte: "schade dass diese Perle der Architektur in Berlin nur HALB restauriert worden ist. Wann fängt man an weiter zu restaurieren??

    Schick doch mal die verantwortungsbewussten Restauratören der Frauenkirche nach Berlin........

    Das Neues Museum war doch eine der schönste klassische Bauten des ehemaligen Berlin oder??? Welches Gebäude ist noch schöner??? Kenne nur das Schauspielhaus Schinkels, das noch schöner ist aber für mich kommt das Neues Museum am 2. Stelle.

  • Benni, du hast natürlich recht. Ich werde tief durchatmen und auf deinen Bericht vom Tag der offenen Tür warten :zwinkern:

  • "Die Schrift an der Wand" in der FAZ vom 02. März.

    Bartetezko war schon drinnen,sprüht vor Begeisterung und schwelgt in höchsten geschwollenen Tönen.

    Zitat

    "[...] atemberaubende neue Treppe ... dekorlos, aber in kostbaren Materialien [...]"
    "[...] Ein Sisyphos aller Beteiligten...hat der Architekt von Saal zu Saal...zwischen Konservierung, Nachschöpfung und Neuem entschieden.[...]

    Ich dachte immer Sisyphos ist ein Inbegriff der Vergeblichkeit und Sinnlosigkeit des Schaffens :?:

    Zitat

    "[...] Der "Griechische Hof" umgibt den ramponierten Pompejifries mit distinkter Moderne, der dekorlos nachgemauerte südliche Kuppelsaal überwältigt mit einer zeitgenössischen Wucht, die spätrömisches Zyklopentum evoziert. [...]

    Ein Musterbeispiel, warum ich als Sprachliebhaber gewisse Auswüchse der Feuilletonsprache verachte. Was soll bloß solch ein Geschwurbel?

    Die Anhänger lückenloser Rekonstruktion haben nach Einschätzung von Bartezko bislang übrigens gegiftet und gegeifert.
    Ganz entspannt bleiben, Didi. 8)


    Und dann noch dies: Langes Interview mit dem großen Meister
    http://www.morgenpost.de/kultur/article…tik_umgeht.html

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

  • ^ Ein Haufen Grütze in diesem Interview. Aber nicht nur wie gewohnt vom Herrn Chipperfield, sondern auch von der Morgentoilette...

    Zitat

    Morgenpost Online: Viel im neu aufgebauten Berlin erinnert an Disneyland. Gerade für die ernsten Deutschen wirkt das luxuriös rekonstruiert, in seinem Glanz fast frivol. Eine List der Geschichte?


    Was soll denn das?


    Daraufhin dann aber überraschende Lichtblicke aus des Chippies Munde..

    Zitat

    Chipperfield: Ich glaube, dass wir uns manchmal auf sehr emotionale Weise für unseren Verlust entschädigen wollen, und das ist oft anspruchslos. Ab und an funktioniert diese Strategie. Man ist dankbar, dass Warschau zwar vollständig rekonstruiert, aber gar nicht so schlecht wieder aufgebaut wurde. Es gibt viele solche Stadtzentren. Münster zum Beispiel. Im Schatten des Krieges war es irgendwie leichter zu rekonstruieren. Das ist das Komische. Wenn etwas abbrennt, würde man es nicht einfach am nächsten Tag wieder aufbauen?

    Morgenpost Online: Ja, schon.

    Chipperfield: Wahrscheinlich. Es gibt Momente, in denen ein simpler Wiederaufbau, selbst wenn nicht mehr viel übrig ist, absolut gerechtfertigt ist. Er bewahrt Kontinuität. Das ist nicht unbedingt anspruchslos. Vielleicht ist der Wiederaufbau nicht so schön wie das Original, aber das ist möglicherweise nicht die Frage. Ich bin nicht per se gegen alle historischen Rekonstruktionen. Selbst bei der Frauenkirche in Dresden versteht man das Bedürfnis, beispielsweise die Stadtsilhouette wiederzugewinnen. Ich saß sowohl in der Jury für [lexicon='das Berliner Schloss'][/lexicon] als auch in der für den Potsdamer Landtag. Ich war also ausge-Schloss-en in den letzten beiden Monaten. Ich bin jetzt wahrscheinlich Experte für den Wiederaufbau barocker Schlösser in Brandenburg und Berlin.

    Dann kommt aber noch mal was nettes von der MoPo - auch wenn sicher anders gemeint, als wir das hier interpretieren ;)

    Zitat

    Morgenpost Online: Warum lernen die Architekten nicht Kalender zu lesen und sich von ihrem Künstlerdasein zu verabschieden?

  • Ähm... Indem eines unserer Argumente schlicht "hässlich" lautet, bewerten wir es doch auch emotional, oder? Das pseudo-akademische kommt doch immer von denen...

    A propos pseudo! In dem Bericht aus der MoPo vom 27.02. sagt Chippy: "Das Unesco-Weltkulturerbe habe besseres verdient als einen nachgebauten Pseudo-Stüler, begründet der Brite (...)".

    Wie bitte definiert er (oder ihr) Pseudo-Stüler bzw. wie definiert er den echten Stüler? Besteht der Anteil Stülers an diesem Bau nicht "nur" in den Plänen, der Idee? Was wär denn daran "pseudo", wenn man sich an diese hält? Wenn, dann wär ne Reko doch eher ein Pseudo-Max Mustermann, weil der schließlich das Gebäude in seiner Substanz geschaffen hat...

  • Heute abend brachten ZDF-heutejournal und ARD-Tagesthemen Berichte zum "Neuen Museum".
    In der ARD durchaus auch kritisch. Herr Wendland vom Verein Historisches Berlin kam auch zu Wort.
    Auf heute.de ein Artikel , der immerhin auch die Kritik am Ruinenfetischismus erwähnt. Zugegeben, es hat schon was Faszinierendes die Geschichte des Bauwerkes an den erhaltenen Zerstörungsspuren abzulesen. Doch wurde es hier extrem in einen Kult gesteigert unter Verlust der architektonischen und künstlerischen Gesamtwirkung des Bauwerkes.

    Hier der Artikel, dort ein link zu 360°-Bildern:
    http://www.heute.de/ZDFheute/inhalt/4/0,3672,7529700,00.html
    Oder gleich hier zu den 360°-Bildern:
    http://linpop.zdf.de/3dview/neues-m…rame.html?1-big

  • Ein weiteres Interview im staatlichen Rundfunk enthält dies:

    Zitat

    Meyer: Es gab ja erheblichen Widerspruch von denen, die sich gewünscht haben, dass dieses Neue Museum rekonstruiert wird in der Gestalt, die es einmal hatte im 19. Jahrhundert. Dieser Widerspruch wurde sehr vehement vorgetragen. Wie hat dieser Widerspruch Sie beeinflusst bei der Arbeit hier?

    Chipperfield: Man hört auf solche Einwände, die da vorgebracht werden, wir haben das getan, wir haben auch diskutiert, auch übrigens mit unseren Kritikern, über diese zwölf Jahre. Man muss solchen Kritikpunkten wirklich entgegentreten und sie erwägen. Es ist auch wirklich nachzuvollziehen. Ich verstehe diese Leute, die das alles zurückhaben wollen. Ich wünschte, es wäre möglich. Aber man kann nicht einfach die Vergangenheit zurückbringen.

    Also ist die eigentliche Frage, was macht man? Eine Art synthetisch-künstliche Kopie des Gebäudes, wie es einmal war, um den Preis dessen, dass man die originalen Materialien verliert, oder versucht man, die originalen Materialien zu bewahren und zu ergänzen durch etwas Neues. Bei der ersten Wahl hätte man dann ein eindeutiges, glänzendes Bild oder eben, so wie wir das gemacht haben, ein zusammengefügtes, facettenreicheres Bild.

    Quelle:http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/thema/929787

    Wenn man gemäß den ursprünglichen Bauplänen rekonstruiert, verliert man originale Materialien und wenn man nach eigenem Gutdünken ergänzt und weglässt, erhält man also die originalen Materialien. :kopfschuetteln:

    Ich will dem Mann ja gar nicht seinen vielleicht vorhandenen guten Willen absprechen, aber zweifellos hat der Kerl einen an der Waffel...

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

  • Das Moderatorengerede vorhin im Radio klang nicht sehr begeistert. Die eine gab dem Gebäude gleich den Spitznamen "Nofretetes Rumpelkammer". Nur so nebenbei...

  • Wer von Chippys Gelabere nichts gehört hat, wird beim ersten Anblick des Museums wahrscheinlich denken, dass man nicht genug Geld hatte, das Museum vernünftig zu renovieren. Würde mich nicht wundern, wenn Besucher nachfragen, ob man irgendwo für die Sanierung des Gebäudes spenden kann. :zwinkern:

  • die Treppenhalle sieht sehr ruinös aus. Ich kann nicht wirklich glauben, dass ein Architekt mit so einer "Rekonstruktion" zufrieden sein kann. Wenn seine Aufgabe allerdings die bloße Sicherung ruinöser Substanz ist, dann hat er seine Aufgabe erfüllt.