Das lässt aus, dass Stadtzentren (zumindest bis vor Kurzem) essentielle Stadträume der Warenversorgung, des sozialen Miteinanders, und des informationellen Austausches waren. Sowas über viele Jahre brach liegen zu lassen würde im Umkehrschluss bedeuten, dass man Alternativen anderswo geschaffen hätte und dann später ein totes Zentrum (ob mit oder ohne Bebauung) vorzufinden hätte.
Das halte ich ganz entschieden für verfehlt. Das war einmal. Die alten Stadtzentren waren schon längst obsolet geworden bzw wirtschaftlich nur ein Klotz am Bein, dessen man sich aus Pietät bis Denkmalschutz nicht entledigen konnte (obwohl man wohl gar nicht so selten und gar nicht so leise davon geträumt hatte). Selbstverständlich hätten in einer Übergangszeit Alternativen ausgereicht bzw Städte sogar ohne pulsierendes Zentrum funktioniert, dafür gibt es reelle Beispiele, ganz abgesehen vom Schluss, dass ein nicht vollständiges bebautes Zentrum wirklich bar SÄMTLICHER Funktionen sein muss. Das mit dem "späten toten Zentrum" stimmt auch nicht, wie der Neumarkt zeigt und der Potsdamer Alte Markt zeigen wird (eine vernünftige wirtschaftliche Entwicklung vorausgesetzt). Die wirklich lebenswichtigen Einrichtungen befanden sich spätestens seit 1900 außerhalb der Altstädte (Bahnhöfe, Krankenhäuser, Wasserwerke), was auch sozusagen "agorale" Funktionsverschiebungen brachte - Bahnhöfe als Treffpunkte und kleine Wirtschaftszentren. Ich meine, es wäre entschieden klüger und weitersichtig gewesen, gewisse Aussparungen vorzunehmen, anstatt sich, wie es schien, die alten und allerwertvollsten Gegenden einem umso frühen und hohen Erschließungsdruck auszusetzen, dh die fetten Pfründe dermaßen voreilig zu verteilen. Damit diente man auch keineswegs immer dem nun mal unbestreitbar vorhandenen Wohnbedürfnis. Hier ist E.C. also unbedingt rechtzugeben, wobei das mit den 2 km2 wären natürlich übertrieben erscheint, so groß waren ja überhaupt die wengisten Altstädte. Im Osten ist das auch gegangen (wenngleich zT eher unfreiwillig).
Darüber hinaus ist das Reflektieren auf die Nachkriegsnot in diesem Zusammenhang unredlich. Schließlich war der erste frühe 50er Jahre Wiederaufbau, also noch zu schlechteren Zeiten der weitaus beste, was man sogar in Wien beobachten kann. Mein Vater berichtete mir von einer 50er Jahre Reise nach Nürnberg, die er sehr positiv beurteilte. Nürnberg wird wieder schön, meinte er. Als er in den 80ern dort war, war er vom Ergebnis entsetzt. Die unbestreitbare wirtschaftliche und menschliche Not der späten 40er und ganz frühen 50er steht mit dem Ergebnis kaum in Kausalverhältnis.
Das ist doch weltfremd!
Nun... ist erster Linie ist es in meinen Augen weltfremd bzw präzise gesagt realitätsverweigernd, gewisse Dinge schönzureden. Wir müssen hier natürlich auch folgende Überlegung betrachten, so schmerzhaft sie für dich auch sein mag: Was haben Dresden, Potsdam, Berlin, Leipzig, Hildesheim, Mainz, Braunschweig, Lübeck, Frankfurt/M (ich lasse Ulm aus, um nicht zu polemisieren, obwohl ich es dazu zählen würde) im Vergleich zu (in alphabetischer Reihenfolge) Augsburg, Nürnberg, Würzburg (ich nehme hier München aus, obwohl es auch in diese Liste passen würde) gemeinsam?
Die geographische Lage und daneben den schlichten Umstand, dass in der erstgenannten Gruppe seit den 1980er Jahren ganz unterschiedliche, aber nicht unwesentliche Stadtbildverbesserungen vorgenommen wurden (über das Anbringen von Spolien oder die Teilergänzung eines Innenhofs hinaus, bevor mir jemand wieder damit kommt). Was hat das eine mit dem anderen zu tun? mE eine gewisse mentalitätsmäßige Selbstzufriedenheit und Selbstgefälligkeit, die sich in diesen ewig wiederkehrenden Diskussionen manifestiert (daher hab ich München ausgenommen, weil dort wirklich Grund zu einer gewissen Zufriedenheit besteht). Nehmen wir Freund Heinzer (und nicht nur ihn), wie hart der mit seiner Stadt Bremen ins Gericht geht, obwohl das Schlechte dort wirklich nicht schlechter ist als anderswo. Es ist mE sehr wohl dieser Mentalität und dem fehlenden Bewusstsein eines gewissen Handlungsbedarfes geschuldet.
Und dann immer das: Leute, wacht auf, völlig unrealistisch etc. Das ist ein Forum, in dem es eben um genau das geht. Und, Zeno, keine Angst, woanders IST man aufgewacht, teilweise schon in den 80ern und ist daran gegangen, alte Fehler zu mildern. So wird das bei euch nie etwas werden. Die neue FFer Altstadt wäre mit dieser Einstellung unmöglich gewesen. Eben deshalb sind wir da, wo wir sind, weil alles a) eh unvermeidlich gewesen und b) letztlich eh ganz schön ist, dass gewisse maßgebliche Leute sagen: Nürnberg ist ein Flächendenkmal aus den 50er und 60er Jahren, an dem nichts geändert werden soll. Weiß nicht, ob das jemand schon von Würzburg behauptet hat. Aber zweifellos ist es so: Weil man eh alles richtig gemacht hat, muss man diesen erfolgreichen Weg weiterbeschreiten und klotzt noch vor die letzte wirklich schön gebliebene (wenngleich ahistorische) Marktseite das unsäglich schiache Petrini-Haus, damit auch die charmante Sicht auf die Festung versaut ist. Würzburg ist wirklich die einzige zerstörte Stadt, in der sich absolut nichts zu Besseren gewendet hat. Als i-tupfen noch der Verbindungsbau zwischen Dom und Neumünster, damit auch diese schöne Ecke hin ist.
Die Hoffnung auf einen Bewusstseinswandel hege ich trotzdem. Sonst wäre ich ja nicht in diesem Forum.
Richtig. Aber hier bei gewissen Städten kann man darob verzweifeln. Das Ärgerliche ist ja, dass man mit relativ wenig relativ viel bewirken könnte.
ich weiß noch, wie erschüttert ich angesichts der Bilder der zerstörten Städte war, die ich damals sah. Das war für mich fast schon traumatisch und ich konnte es kaum fassen.
Wirklich wahr, das ist mir genauso gegangen. Ich glaubte schon, der einzige zu sein, der so verrückt ist.