Kaliningrad - Königsberg

  • Das ist ja keine entweder-oder Frage!

    98% of everything that is built and designed today is pure shit. There's no sense of design, no respect for humanity or for anything else. Frank Gehry

  • Ic h kann grundsätzlich beiden Positionen was abgewinnen. Allerdings habe ich überhaupt kein Vertrauen bzw keine Erwartung, dass hier etwas Sinnvolles und dem Rekogedanken Dienliches wiedererstehen könnte.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Da stimme ich ursus zu. Ich hab zwar keine persöhnliche Verbindung zu Königsberg, meine Familie ist seit über 150 Jahren im Raum Dresden/Görlitz, Pommern und Sudeten beheimatet. Dennoch sehe ich das so wie Aedificium, dass Königsberg ein...

    ...wichtiger Raum und Teil deutscher Kultur und Geschichte...

    ist. Einzig allein die politische Realität versperrt den Weg dahin.

    Es gibt eine Architektur, die zur Landschaft gehört, sowie eine andere, die sie zerstört.

  • Zitat von ursus carpaticus

    (...) Allerdings habe ich überhaupt kein Vertrauen bzw keine Erwartung, dass hier etwas Sinnvolles und dem Rekogedanken Dienliches wiedererstehen könnte.


    Ja genau. Stichwort "Russenkitsch".

    Ehrlich gesagt, bin ich ganz zufrieden mit dem heruntergekommenen Kaliningrad. Ich würde mich wahrscheinlich ärgern, wenn es ein wunderschönes und vorbildlich wiederaufgebautes Königsberg gäbe, das aber eben nicht mehr zu Deutschland gehört.

    So fällt der Schmerz über den Verlust der Stadt etwas leichter.

  • Zitat von Neußer

    Ehrlich gesagt, bin ich ganz zufrieden mit dem heruntergekommenen
    Kaliningrad. Ich würde mich wahrscheinlich ärgern, wenn es ein
    wunderschönes und vorbildlich wiederaufgebautes Königsberg gäbe, das
    aber eben nicht mehr zu Deutschland gehört.


    So fällt der Schmerz über den Verlust der Stadt etwas leichter.


    Der Wiederaufbau von Breslau und Danzig sind aber auch wirklich ärgerlich, da kann man sich als Deutscher garnicht richtig drüber freuen :augenrollengruen::kopfschuetteln: muß wirklich ein seltsames Gefühl sein, gut daß mich sowas nicht beschleicht.

    Einmal editiert, zuletzt von Kaoru (24. Juni 2016 um 12:14)

  • Der Wiederaufbau von Breslau und Danzig sind aber auch wirklich ärgerlich, da kann man sich als Deutscher garnicht richtig drüber freuen

    Queen Victoria regiert nicht mehr, das Empire ist passe´, in Königsberg, Breslau und Danzig regieren wir nicht mehr, Preußen ist auch passe´. Zu sehr in Ex-Staatsgebieten an Ex-Städten mit Ex-Stadtbildern festhalten sollte man sich abgewöhnen, es sei denn, man wird sehr reich, zieht nach dort um und baut nach Herzenslust. Es kann sein, daß die persönlichen Vorstellung dort unter Umständen nicht immer auf fruchtbaren Boden fallen.

  • Ja genau. Stichwort "Russenkitsch".

    Ehrlich gesagt, bin ich ganz zufrieden mit dem heruntergekommenen Kaliningrad. Ich würde mich wahrscheinlich ärgern, wenn es ein wunderschönes und vorbildlich wiederaufgebautes Königsberg gäbe, das aber eben nicht mehr zu Deutschland gehört.

    So fällt der Schmerz über den Verlust der Stadt etwas leichter.

    Ärgern würde ich mich darüber (wie bei Danzig, Breslau & Co) allenfalls dann, wenn eine völlig zerstörte Stadt von Deutschen originalgetreu wiederaufgebaut und erst dann von der Sowjetunion bzw. Polen annektiert worden wäre. Wenn aber die "neuen" Herren selbst die Städte so wiederaufbauen, ist es doch gut und schön. Wie die Danziger Rechtstadt heute aussähe, wenn sie nach 1945 zur Bundesrepublik gehört hätte, ist fraglich - vielleicht wie die Altstadt von Köln oder eher wie die von Frankfurt? Königsberg sähe vielleicht - auch wenn weit weniger gesprengt worden wäre - heute aus wie Hannover oder gar Stuttgart, je nachdem, was für Ideologen dort das Sagen gehabt und die Oberhand behalten hätten. Was mit den genannten Städten passiert wäre, wenn ein Walter Ulbricht sich dort ausgetobt hätte, möchte man sich erst recht nicht ausmalen.

  • Zu sehr in Ex-Staatsgebieten an Ex-Städten mit Ex-Stadtbildern festhalten sollte man sich abgewöhnen

    Auch ich versuche, mit der Vergangenheit meinen Frieden zu machen. Aber, auch an dieser Kontroverse sieht man, dass stets auch viel geschichtliche Erfahrung in den Menschen mitgeschleppt wird und ihre Verarbeitung findet. Aus der Sicht eines familiären Hintergrunds, der in Westfalen oder der Pfalz oder Rheinhessen liegt, urteilt man wahrscheinlich weit gelassener über die Historie des deutschen Ostens, als jemand, der einen stärker von den historischen Geschehnissen betroffenen familiären Hintergrund besitzt. Bei letzteren ist das Hadern weit stärker, und es ist alles vorhanden: Der noch nicht verglimmte Hass, der zwecklose Versuch der Verdrängung, der doch immer wieder durch den auflodernden Schmerz zunichte gemacht wird, der Wunsch einen Teil der alten Heimat zu bewahren, diese (und damit die Geschichte) womöglich zu heilen. Das dürfte aber z.B. für einen eingefleischten Meenzer Bub schwer zu verstehen sein, man schaut dann auf die mit sich ringenden Vertriebenen-Kinder und -Enkel womöglich mit etwas Verwunderung, Befremden oder gar Sarkasmus. Die Geschichte ist eben stets auch ein Teil der Gegenwart.

  • Zitat von Kaoru

    Der Wiederaufbau von Breslau und Danzig sind aber auch wirklich ärgerlich,...


    Ja, so in der Art. Ich weiß, das ist keine besonders noble Charaktereigenschaft von mir. Aber ich bin wirklich etwas neidisch, wenn ich das schöne Danzig sehe. (Meine Oma stammt zufällig daher).

    Und es ärgert mich, daß es nicht mehr zu uns gehört. Würde Danzig aussehen wie Köln oder Pforzheim, würde ich mich mit meiner Schadenfreude besser fühlen.

    Daher ist mir jegliche geplante Wiederaufbauleistung in Königsberg ziemlich gleichgültig. Die Stadt liegt halt im Ausland. Und ich liebe Deutschland.

  • Danzig finde ich eigentlich gar nicht so toll. Klar, am Langen Markt und 2-3 weitere Straßen gibt es nur ziemlich bis sehr schöne Fassaden, aber gleich dahinter fängt die Wüste schon an. Mehr ist das heutige Danzig nicht (mehr).

    Und bez. Königsberg: diese (einstige) Stadt kann jetzt fast schon als vorderasiatisch betrachtet werden. Und dabei war Königsberg auch niemals so schön wie Danzig oder auch Elbing... Also, was kann daraus überhaupt noch werden!?!?

  • schöne Fassaden, aber gleich dahinter fängt die Wüste schon an. Mehr ist das heutige Danzig nicht (mehr).

    Das ist das seltsame an Danzig - die geniale Altstadtinsel, aber rundherum gibt es eigentlich gar keine richtige Stadt mehr, fast nur noch Brachen und Plattenbauten. Zu Ostpreußen habe ich seltsamerweise auch keinerlei inneren Bezug, obwohl ich immerhin zu 25 % Ostpreuße bin. Das Projekt finde ich aber dennoch hochinteressant, dessen ungeachtet...

  • Karous Einwand ist natürlich höchst relevant. Man kann sagen, dass er den Finger auf die Wunde legt, denn natürlich freue ich mich über den Rynek in Wroclaw, der zweifelsohne schöner ist, als es der Breslauer Ring anno sagen wir 1932 war, um nur ja jegliches politische Gift auszublenden. Allerdings bin ich nicht übermäßig antipolonistisch oder wie immer man das nennen will, eingestellt. Ehrlich gesagt finde ich es besser, dass dieses Musterbeispiel ostdeutschen Zentralmarktsystems erhalten geblieben ist bzw wiederhergestellt wurde, als das genaue Gegenteil davon. Ich habe nicht den Hass in mir, um zu sagen: besser ein Nichts als ein polnisches Wroclaw. Damit ist keine Billigung eines Potsdamer Abkommens oder der Vertreibung verbunden.
    Gleiches würde auch für Königsberg gelten. Allerdings fehlen mir die Voraussetzungen dafür. Königsberg hatte keinen ähnlichen glamorösen Stadtraum wie den Brerslauer Ring. Wroclaw besaß im Vergleich zu Kaliningrad eine dezidiert großbürgerliche Schicht (ua aus Lwów), somit unvergleichlich günstigere Voraussetzungen. Ich hab nichts gegen Russland, und erst recht nichts gegen Putin-Russland. Dennoch scheint mir die Sinnhaftigkeit dieses Wiederaufbauprojektes zu fehlen.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Da hab ich was losgetreten. Liegt vielleicht daran, dass ich seitens meiner Vorfahren zu 75% ostpreussisch bin (Elbing- eigentlich Westpreussen, Königsberg und Masurenj.
    Sicher sehe ich auch die in Kaliningrad lebenden Bewohner vorrangig in der Pflicht ihre Stadt zu bauen.
    Allerdings sind sie aus vielerlei Gründen willens, aber nicht in der Lage dazu das Stadtbild aufzupolieren.
    Sie sind sich jedoch gleichfalls nicht zu fein nach Rat zu fragen, und so kam es bislang zu mehreren Architektur-Wettbewerben, zu denen auch deutsche Stadtplaner bittend hinzugezogen wurden.
    Wer kann eine vom Grundriss her deutsche Stadt besser beurteilen als die Deutschen selbst.
    Da ist die russische Seele sehr pragmatisch.
    Kurzum, natürlich haben wir im heutigen Deutschland noch genug zu tun, die Narben des letzten Krieges und die Fehler danach zu korrigieren, aber wenn wir gefragt werden, dann können wir zumindest antworten.

    Einmal editiert, zuletzt von Berkowitz (24. Juni 2016 um 18:04)

  • Den Wiederaufbau Danzigs und Breslaus (um deren Schwächen ich weiß) habe ich ins Feld geführt weil deren Wiederaufbaufbau immer noch unendlich viel besser ist als das, was aus Königsberg wurde; ich glaube da würde mir jeder zustimmen.

  • Königsberg wurde demontiert, um Kaliningrad aufzubauen.
    Ein polnisches Karolowiec hätte sicher einen Wiedererkennungswert von über 75%.
    Der mögliche Wiederaufbau eines deutsch verwalteten Königsbergs hätte sich je nach politisch-ideologischer Grundstimmung mit Kiel oder Rostock messen können.
    Immerhin stehen in Kaliningrad aus deutscher Zeit unter anderem noch beide großen Bahnhöfe, an denen mein 1942 in Königsberg gestorbener Großvater mitgebaut hat, die Börse, die Stadthalle, das Stadttheater und die Neue Universität, die von aussen modern, im Kern aber noch der Altbau ist.
    Von der Situation der Kirchengebäude erging es der Stadt ähnlich dem Schicksal der Kirchen in Magdeburg.
    Vieles hat den Krieg teils nur leicht beschädigt überstanden, und wurde dann durch Achtlosigkeit, langsamen Verfall, oder geplanter Vernichtung beseitigt.
    Das heutige Stadttheater ist allerdings gefälliger durch seinen nach dem Krieg hinzugefügten Anbau ans Foyer im Stil des Bolschoi in Moskau.

    Einmal editiert, zuletzt von Berkowitz (24. Juni 2016 um 18:38)

  • Ja, der Zustand Kaliningrads ist eines Russlands nicht würdig. Wer wollte immer ein Fenster nach Europa? Wer hat es, putzt es aber nicht blank? Wer die bessere Gesellschaft verkörpern will, muss hier investieren und den alten Glanz zurückholen. Russland bleibt diese Führungsaufgabe aber bis heute schuldig.

  • Hier Berichte über ein Haus Kants, das renoviert werden soll...

    aus Deutschlandradiokultur vom Donnerstag...

    http://www.deutschlandradiokultur.de/kaliningrad-re…:news_id=641963


    Kaliningrad renoviert Haus von Immanuel Kant
    Der Philosoph hatte jahrelang dort gelehrtDie russische Ostseestadt Kaliningrad (Königsberg) renoviert ein Haus des deutschen Philosophen Immanuel Kant, ihres wohl berühmtesten Sohnes. In dem seit Jahren leerstehenden Gebäude habe Kant von 1748 bis 1751 gelehrt, sagte ein Behördensprecher heute der Agentur Interfax zufolge. Seit Kants Zeiten sei das mittlerweile stark heruntergekommene Haus zwar umgebaut worden, aber viele Originalteile seien erhalten. In der Vergangenheit hätten zahlreiche Touristen vor allem aus Deutschland den Ort besucht, hieß es. Hauptanziehungspunkt sei für die meisten Kants Grab am Dom.


    und zwei Berichte russischer Medien

    http://de.sputniknews.com/panorama/20160…stauration.html

    Russlands Präsident Wladimir Putin hat verfügt, das Wohnhaus des deutschen Philosophen Immanuel Kant (1724 - 1804) im Gebiet Kaliningrad wiederherstellen. Das inzwischen zur Ruine verkommene Gebäude soll für 46,3 Millionen Rubel (mehr als 650.000 Euro) restauriert werden, die Putin aus seiner Präsidentenreserve bereitgestellt hat.

    Mit dem Projekt wurde das Kulturministerium betraut, heißt es in der Verordnung des Präsidenten.

    Das Haus im Dorf Wessjolowka (deutsch Judtschen, von 1938 bis 1946 Kanthausen) ist seit Jahren baufällig. Der junge Immanuel Kant lebte dort von 1747 bis 1750.

    Lokale Medien berichteten 2013, dass das historische Gebäude von Asozialen und Obdachlosen bewohnt werde. Im Frühjahr vergangenen Jahres schmierten Vandalen „Kant Loch“ (deutsch „Kant ist ein Trottel“) an eine Wand des Gebäudes. Die beleidigende Aufschrift erregte viel Aufsehen bei der örtlichen Presse.Es wird erwartet, dass das Haus nach der Restaurierung zu einer Touristenattraktion wird.

    in einem findet sich auch ein Bild des jetzigen Zustandes des Hauses...der traurigen Ruine, wohl von 2014

    http://kaliningrad-domizil.ru/portal/informa…in-kaliningrad/

  • Es scheint langsam loszugehen mit dem Beginn des Wiederaufbaus des Westflügels des altehrwürdigen Königsberger Schlosses:

    Grünes Licht für das Königliche Schloss:
    Königsberger Express Nr.8 2016

    Ich glaub allerdings erst dran, wenn die Fassade steht!

    Einmal editiert, zuletzt von Berkowitz (15. August 2016 um 15:53)