Wiederaufbau nach 45 und wünschenswerte Rekonstruktionen

  • Zitat von "Henry"

    Ich kann nur aus meinen Erinnerungen sprechen die aus der Honecker-Ära stammen und die enthalten runtergekommene Altstädte,
    welche früher oder später geräumt worden wären, weil einfach kein Geld für die Sanierung da war. Es gab Ausnahmen aber die waren nicht die Regel.

    Die Häuser der runtergekommenen Altstädte waren aber größtenteil in privatem Besitz und die Vermieter konnten die Häuser nicht nur wegen des Baustoffmangels, sondern auch wegen fehlendem Geld nicht sanieren. Bei 25 bis 50 DDR-Mark Miete für eine Wohnung kann man keine Rücklagen für den Gebäudeerhalt bilden.


    Zitat von "Henry"

    Sicher muß man unterscheiden zwischen der Bilderstürmerei der Ulbricht-Ära und dem finanziellen Unvermögen der Honecker-Ära .
    Der Altbausubstanz hat aber beides nicht gutgetan und für den Großteil des Bestands kam die Rettung in "letzter Sekunde" durch die Wende.

    Der Verfall der Städte kam in der Tat durch finanzielles Unvermögen der Honecker-Ära und wie ich finde auch durch eine falsche Wohnungspolitik zustande. Anstatt dem Bau der vielen Neubau-Siedlungen auf der grünen Wiese hätte man lieber den Hausbesitzern der verfallenden Altbauten in den Innenstädten finanzielle Anreize zur Sanierung und Modernisierung ihrer Häuser geben sollen.

    Die Wende war daher ganz sicher die Rettung für einen großteil des verfallenden Altbaubestandes.

    Der Bauende soll nicht herumtasten und versuchen. Was stehenbleiben soll, muß recht stehen und wo nicht für die Ewigkeit doch für geraume Zeit genügen. Man mag doch immer Fehler begehen, bauen darf man keine. (Johann Wolfgang von Goethe)

  • Interessante Diskussion, aber wenn alles klar ist wie es die Altbausubstanz nach dem Krieg in Ost und West vergangen ist (und auch beachtet werden soll das "Grün" wie im wunderbaren Leipziger Film aus 1934 eine wichtige Rolle spielt) wichtiger erscheint mich wie man denn von heute ab weiter geht mit dieser Städtelandschaft: was wird von heute ab schöner in Potsdam, Würzburg, Berlin und Dresden?? Werden die Reko's von einige wunderbaren verschwunden Altbauten doch noch kommen? Und wie wird denn das ganze "Alles-durch-einander" Aussehen??

    Was kann bewusst gemacht werden um die schwer angeschlagen Städte wieder attraktiv zu machen? Demokratisch wird dan gewählt für Modern einerseits, Alt andersseits, Kompromiss-Misschungen uws. Aber ist das Endeffekt denn schön???

    Wie seht ihr dass?

  • Nun ich denke ein Gesamtkunstwerk wie es Dresden vor dem Krieg war, wird es nicht mehr geben. Meiner Meinung nach muß sich
    an der jeweilig vorhandenen Bebauung orientiert werden was ja z.B. in der Dresdner Neustadt ganz gut funktioniert. Dort werden
    neue Füllbauten meistens zurückhaltend gebaut und daher wirken die Straßenzüge wie aus einem Guss obwohl jedes Haus individuell ist.

    Schönheit liegt ja im Auge des Betrachters. Was aber ganz bestimmt nicht sein darf sind eben Gewandhäuser auf Neumärkten.
    Hier sollte mit dem Jahrhunderte alten Ästhetikempfinden der Europäer, welches sich aus dem antiken Griechenland gründet, in einer
    unverzeihlichen Art und Weise gebrochen werden.

  • Henry hat vollkommen Recht, wie ich meine. Der DDR fehlte in erster Linie das Geld für den Abriss und natürlich die kulturelle Bildung seiner "Elite".

    Wenn es nach den Kommunisten gegangen wäre, dann könnten wir heute z.B. nicht durch das historische Görlitz spazieren! Es mangelte der DDR jedoch an Geld für die Demolierung und Neubebauung Görlitz nach "sozialistischem" Habitus. Dennoch muss man heute sagen, dass aus heutiger und vor allem baulicher Sicht es besser war, dass z.B Görlitz nicht im Westen lag. Wir wissen weshalb. Und, dass die Führung der DDR wirtschaftlich so absolut, unvergleichlich unfähig war. Diese beiden Parameter sind mitverantwortlich dafür, dass Görlitz wohl die schönste deutsche Stadt ist.

    Jedoch: Wenn die Paulinerkirche oder die Sophienkirche im Westen gestanden wären, dann wären sie den sozialistischen Verbrechern 100% nicht zum Opfer gefallen. Dresden würde heute im Zentrum auch sicher ganz anders aussehen. Kleinteilig bebaut, vielleicht auch auf dem alten Grundriss und mit etwas mehr Altbausubstanz gesegnet. Nach dem Terrorangriff gingen bekanntlich einige Dresdner bereits daran, ihre Häuser wieder aufzubauen...jedoch machten sie die Rechnung ohne die neue "Führung"...welche hierauf die Altstadtbereiche rigoros sperren ließ, damit dies unterbunden wird, um einen Aufbau zu verhindern und vor allem die massenhafte, kriminelle Enteignung vorzubereiten. Auch von diesem nachträglichen Aderlass hat sich Dresden leider nicht mehr erholt.

    Ich frage mich seit 10 Jahren, weshalb ein bewiesenermaßen Verbrecher Wiesenwalter noch immer die Ehrenbürgerliste der Stadt Dresden beschmutzt?!

  • Zitat

    [...] gingen bekanntlich einige Dresdner bereits daran, ihre Häuser wieder aufzubauen...jedoch machten sie die Rechnung ohne die neue "Führung"...welche hierauf die Altstadtbereiche rigoros sperren ließ, damit dies unterbunden wird, um einen Aufbau zu verhindern und vor allem die massenhafte, kriminelle Enteignung vorzubereiten.

    Das ist freilich nichts DDR-spezifisches (wenn es da auch vielleicht häufiger vorkam). In Frankfurt a.M. ist die Geschichte unter dem ersten Nachkriegs-OB Walter Kolb ganz genauso gelaufen.

  • Zitat von "Miwori"

    Wobei - Havanna hat aber auch seine Reize.
    Und wirkt trotz des allgegenwärtigen Verfalls lebendiger als manche sterilen Sanierungsgebiete hierzulande.

    Diese Lebendigkeit hat aber nicht viel mit baulicher "Patina" oder schönem Farbanstrich zu tun, sondern allenfalls mit dem Klima und der Mentalität der Bewohner. Als wir vor ein paar Jahren den "Jahrhundertsommer" in Frankfurt hatten, sagte mir ein Freund: "Die ganze Stadt verändert sich." Das stimmte, denn auf einmal fand viel auf der Straße statt, Menschen flanierten, alles vibrierte und wurde lebendig - vor allem nachts. Bei Minus 1 Grad dürfte Havanna kaum mehr Reize entwickeln, als ein deutsches Sanierungsgebiet.

    Aber, wie gesagt, dieses Thema wäre dann eher etwas für ein Salsa- oder Reise-Forum, denn eines für Architektur. :banane:

  • Zitat von "memet"

    Warum wohl sind die Groß-Städte im Osten so viel schöner als die Großstädte im Westen? Weil auch die DDR das bauliche Erbe geschützt hat bzw. wiederaufgebaut hat. Es ist nicht nur zerstört worden! Wer hat den die Straße "Unter den Linden" wieder aufgebaut? Wenn diese Straße im Westen gelegen wäre, würde sie wahrscheinlich aussehen wie eine 0815-Straße à la Zeil /Frankfurt oder Königstraße/Stuttgart!

    Manche mitteldeutsche Großstädte wie [lexicon='Leipzig'][/lexicon], Halle und insbesondere Erfurt sehen primär deswegen besser aus als z. B. Stuttgart, Frankfurt oder Köln, weil sie schlichtweg in einem deutlich geringen Maße zerstört wurden. In einem aussagefähigen Vergleich müsste man sie Großstädten in der alten Bundesrepublik mit einem zumindest ansatzweise vergleichbaren Zerstörungsgrad gegenüberstellen, also z. B. Lübeck, Augsburg, Wiesbaden, Heidelberg oder Regensburg. In Wahrheit haben sowohl die Bundesrepublik als auch die DDR beim Wiederaufbau letztlich versagt.

    In der DDR wurde zwar bisweilen bei Neubauten noch am ehesten ein Stil entwickelt, der an die örtliche Bautradition anschloss (vgl. z. B. einige Bauten in der Rostocker Altstadt oder am Altmarkt in Dresden), insgesamt betrachtet aber nur äußerst selten zur Anwendung kam. In der Bundesrepublik wurde beim Wiederaufbau manchmal zumindest das alte Straßennetz und die Parzellenstruktur weitgehend beachtet und die Häuser monoton, aber gemäßigt und angepasst wiederrichtet (vgl. Würzburg und Nürnberg). Der Versuch, die Altstädte zerstörter Großstädte zumindest äußerlich zur Straßenseite hin wieder großflächig zu rekonstruieren (vgl. Warschau oder Danzig), blieb dagegen hier wie dort aus.

    Ursächlich für diesen großen Fehler waren weder die Raumnot in der unmittelbaren Nachkriegszeit - nur ein winziger Bruchteil der Bevölkerung einer Großstadt lebt im kunsthistorisch wertvollen Altstadtbereich, die übergroße Mehrheit in den gründerzeitlichen Erweiterungen - noch eine immer wieder behauptete Geldnot - die DDR, der reichste Staat des Ostblocks, war zumindest wohlhabender als Polen, die alte Bundesrepublik wurde mit rasender Geschwindigkeit steinreich.


    Zitat von "Exilwiener"

    Es mangelte der DDR jedoch an Geld für die Demolierung und Neubebauung Görlitz nach "sozialistischem" Habitus. Dennoch muss man heute sagen, dass aus heutiger und vor allem baulicher Sicht es besser war, dass z.B Görlitz nicht im Westen lag. Wir wissen weshalb. Und, dass die Führung der DDR wirtschaftlich so absolut, unvergleichlich unfähig war. Diese beiden Parameter sind mitverantwortlich dafür, dass Görlitz wohl die schönste deutsche Stadt ist.

    Auch die Vorstellung, alte Bausubstanz sei in der DDR besser aufgehoben gewesen als in der Bundesrepublik ist irrig. Man denke nur an die stetigen Verluste an Fachwerkhäusern in Halberstadt, die geradezu einer zweiten Zerstörung gleichkamen, an Abriss und Plattenneubau in Greifswald etc. Läge Görlitz im Westen sähe es heute kaum anders aus. Die zahlreichen erhaltenen Klein- und Mittelstädte im Westen legen diesen Schluss zumindest nahe (Bamberg, Passau, Dinkelsbühl, Tübingen, Goslar usw.).

    Zitat

    Jedoch: Wenn die Paulinerkirche oder die Sophienkirche im Westen gestanden wären, dann wären sie den sozialistischen Verbrechern 100% nicht zum Opfer gefallen. Dresden würde heute im Zentrum auch sicher ganz anders aussehen. Kleinteilig bebaut, vielleicht auch auf dem alten Grundriss und mit etwas mehr Altbausubstanz gesegnet.

    Stimmt. Diesen paranoiden Radikal-Antiklerikalismus gab es in der Bundesrepublik selbstverständlich nicht. Ohne die deutsche Teilung sähe Dresden heute mit sehr, sehr viel Glück vielleicht ähnlich wie München aus. Es hätte jedoch wahrscheinlich einen weitaus stärkeren Modernisierungsdruck auf den Leipziger Gründerzeitbestand gegeben. Durch Entstuckung sterilisierte Fassaden und Innenbereiche wären viel häufiger.

    "Meistens belehrt uns der Verlust über den Wert der Dinge."
    Arthur Schopenhauer

  • Exilwiener schrieb:
    "Dresden würde heute im Zentrum auch sicher ganz anders aussehen. Kleinteilig bebaut, vielleicht auch auf dem alten Grundriss und mit etwas mehr Altbausubstanz gesegnet."

    nein, das ist mE ganz zu verneinen, das ist eine krasse Beschönigung der BRD-Verhältnisse. Wurde etwa in Nürnberg das Pellerhaus wiederaufgebaut (das besser dran war als irgendeine Dresdner Altstadtfassade)?
    Was die Kirchenabrisse betrifft, so war der Leipziger Fall natürlich ein Skandal ohnegleichen. Abrisse à al Sophienkirche hingegen gab es auch in der BRD (schon mal waas von St Ansgari gehört?)
    Grundsätzlich ist GF beizupflichten, dass beide deutsche Staaten beim Wiederaufbau versagt haben, jeder auf seine Weise.
    Jedoch für Dresden war der DDR-"Wiederaufbau" im schrecklichen 20. JH zweifelsohne das größte Glück. Ohne DDR-Brache kein Neumarkt! In welcher dichtbebauten BRD-Stadt wurde oder wird so ein Projekt durchgezogen?
    Und dass die heutige BRD-Politik grundsätzlich munter weiter versagt, sieht man abseits des NMes überall. Was wird denn sonst Großartiges errichtet? Ein Supermarkt neben dem anderen, Einkaufspassagen...
    Dass die Städte im Osten allerdings tatsächlich schöner sind, liegt an den DDR-Verhältnissen (keinerlei Privatinitiativen, Desinteresse, kein wirtschaftlicher Druck auf Stadtzentren, vor allem dieser letztgenannte Faktor darf nicht unterschätzt werden).

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • @ursus sympathicus

    Was Dresden anbelangt, kann ich Dir sagen, dass Du zumindest teilweise irrst. Lies bitte unbedingt "Abschied vom alten Dresden" von Matthias Lerm. Sehr empfehlenswert. Es gab nach dem Terrorangriff ein enormes Bestreben der alten Dresdner ihre Stadt - in kleinen Teilen - wieder aufzubauen. Viele grandiose Gebäude wären so ganz sicher gerettet worden. Der brutale Hass einzelner Fanatiker hat jedoch extrem viel verhindert. Außerdem bestand die Dresdner Altstadt nicht nur aus dem Neumarkt. Dieser war/ist nur ein ganz kleiner %-Satz dessen, was Dresden nun dank DDR-Wiesen- und Plattenbauhorror nun ausmacht.

  • ja, das trifft sicher zu. Natürlich waren da Ignoranten am Werk.
    Allerdings darf man das der DDR als solcher nicht zum Vorwurf machen.
    Wurde etwa (von den Großbauten abgesehen, die auch in DD wiederehergestellt wurden) irgendwas in Nürnberg oder würzburg wiederaufgebaut? Und DD war schlimmer dran. In der Altstadt blieb kein Haus bestehen. Die Frauenkirche war ein Totalverlust. Was sollten da die paar vereinzelten Fassadengerippe? Dazu kam in DD bei 15 km² Totalzerstörung tatsächlich ein gewaltiges Wohnungsproblem.
    Sicher war die rigide Trümmerbereinigung ein Fehler, vor allem in der einigermaßen erhaltenen Neustadt.
    Aber wie gesagt, ohne DDR-spezifische Brache kein heutiger Neumarkt. Man sieht schmerzlich, dass bei bestehenden Bauten (KP, Wohnblöcke, Moritzgasse, Palais de Saxe, mein erklärter Liebling) alle Rekobestrebungen enden.
    Ein fiktives BRD-Dresden hätte schon um 1960 die alten Grundrisse wiederhergestellt sowie an der Frauenkirche herumgebastelt. Der Neumarkt wäre dann so wunderhübsch wie die Hauptmärkte in Würzburg oder Nürnberg. Sag bloß nicht, dass du den Umstand, dass dies nicht eingetreten ist, bedauerst...
    Sogar der heutige Altmarkt ist schöner als der Würzburger Markt.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • @ Karpatenbär

    Hierzu hatte ich mal eine böse kleine Zeichnung gemacht - die 1948-63 wiederaufgebaute Frauenkirche samt Glaskastenanbau vom Gewandhaus aus gesehen - flankiert vom Besten, was Kassels und Essens Innenstädte so hergeben. Auf historischem Grund, natürlich.

    Das soll jedoch nicht heißen, daß das DDR-System weniger schädlich für das Kulturerbe war, selbst wenn man die erweiterten Wiederaufbaumöglichkeiten nach ihrem Ableben mit einbezieht. Gegen das Kulturerbe, die Interessen des Volkes und die deutsche Kultur an sich geriet es um ein vielfaches bösartiger, als es selbst die SPD-Gutmenschen und Müslifussel unterwegs sein konnten.
    Nürnberg wäre z.B. nicht die relaiv aufenthaltsfreundliche Stadt, als sie wir kennen. Das Pellerhaus hätten sie womöglich sogar wiederaufgebaut - als Solitär inmitten einer abstoßenden sozialistischen "Städtelandschaft", die eine Mixtur aus Rostocks Langer Straße, Halberstadt und Magdeburg wäre. Ja....Magdeburg paßt wohl am besten. Vielleicht hätten sie sogar die Lorenzkirche wegbekommen..........

    Nein, die werden gedünstet

  • Zitat von "Heimdall"


    Diese Lebendigkeit hat aber nicht viel mit baulicher "Patina" oder schönem Farbanstrich zu tun, sondern allenfalls mit dem Klima und der Mentalität der Bewohner.


    Ja. Die Mentalität der Bewohner.
    Am Dienstagabend waren 26.000 Menschen auf dem Neumarkt vor der Frauenkirche zur Christvesper. Und das Jahr für Jahr am 23.12.
    Absolut unvergleichlich. Gibt es so in keiner anderen deutschen Großstadt.

  • Wissmut schrieb: Das Pellerhaus hätten sie womöglich sogar wiederaufgebaut - als Solitär inmitten einer abstoßenden sozialistischen "Städtelandschaft", die eine Mixtur aus Rostocks Langer Straße, Halberstadt und Magdeburg wäre.

    Da gehn die Meinungen (oder Geschmäcker) auseinander.
    ich sage: die derzeitige Nürnberger Realität ist nicht überbietbar- es gibt nur Gleich-Häßliches, aber nicht Häßlicheres.
    Eine fiktive DDR-Realität mit Pellerhaus wäre daher - Dank Pellerhaus 1:0 für DDR.

    Kannst die Zeichnung vom 60er-Jahre-NM mal einstellen?

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Da wirst du dich gedulden müssen, bis ich zu Semesterbeginn wieder in Erfurt bin, wo sich mein Skizzenbuch befindet.

    Aber ich verstehe dennoch nicht, weshalb du Nürnberg so abstoßend findest. Klar, die einzelnen Altstadtersatzhäuser stellen jetzt keinen architektonischen Höhenflug dar, aber solide und ausbaufähige(!) Strukturen. Die DDR hätte stattdessen ein Finis Norimbergae eingeläutet. Denn eines konnte eine zerblasene Oststadt nicht: Nach der Wiederkehr des richtigen Wirtschaftssystems dem plötzlichen enormen Investitionsdruck standhalten - ohne daß Abstriche bei der architektonischen Qualität weiter Bauflächen gemacht werden müssen. Siehe Halberstadt, dessen "Ganz Okay"-Nachwendezentrum noch eines der gelungensten Großinvestitionen gewesen ist.
    Dresden ist für die allgemeine Entwicklung das beste Beispiel - abgesehen von der winzigen und dennoch heiß umstrittenen Neumarktfläche tobte sich überall die Investitionsmoderne aus. Dresden hatte da als Stadtdenkmal europäischer(!) Bedeutung noch am ehesten Chancen, über Rekonstruktionen und angepaßte Neubauten sein bauhistorisches Weichbild wiederzugewinnen.

    Mit Nürnberg als der ehedem "deutschesten aller Städte" wäre der Kulturkampf um ein vielfaches größer und die Chancen für eine Rückgewinnung umso niedriger gewesen.

    Zudem: Was hätte man mit der stalinzeitlichen Bebauung angefangen ? In Dresden ist sie schon ein arger Brocken und nur durch ihre außergewöhnlich hohe ornamentale Qualität erhaltenswert. Nürnberg hätte eher eine Rostocker Lange Straße mit schlechten neu-spätgotischen Aufsätzen geblüht - und das nicht etwa in einer bereits orthogonalen Straßenstruktur (Standard in der Germania Slavica), sondern reingehackt in ein Gewirr kleiner, geomorpher Gassen und Stadtplätze. Ganz sicher stünden die gewaltigen Teile heute unter Denkmalschutz - der Hauptmarkt wäre ebenso zum "Zentralen Platz" mit einem Kulturpalast mutiert wie sein Gegenstück in Dresden. Eine verbindende ultrabreite "Demonstrationsachse"(vierspurig?) darf hierbei keinesfalls fehlen.

    Von den Unterschieden ost- und altdeutscher Straßenführungen hätten sich die Kommunisten jedenfalls nicht beeindrucken lassen, auch nicht was die Rigorosität der jeweiligen "Generalpläne" anbelangt, die im Siebenjahresabstand völlig neue und immer härtere Ausbauten vorschreiben. Ebenso wie Dresden hätte hernach rein gar nichts zusammengepaßt; Stalinriegel neben uniformen 5-Geschossern a la Borsbergstraße, Punkthochhäusern u. sonstigen Platten, wahrscheinlich auch in IBS-85. Die kriegst du hernach nicht mehr weg - weil zu beliebt und einfach zu sanieren. Erfurt-Augustinerstraße sag ich nur.

    Und irgendwo dazwischen...das Pellerhaus. Ganz großes Kino. Und zu Republik's Geburtstag spendiert Berlin mal eine Kaiserburg.
    Nach der Wende braucht Zoninürnberg dringend Kohle und Kaufhäuser und Eventcenter und Sanierungen. Ein Hundertwasser täte liebend gern den Genius Loci für eine Spielplatzburg reflektieren, Herr Libeskind schaut mal vorbei und setzt seinen Haufen, außerdem wollen die großen Ketten schnell rin ins Zentrum - und für ihr Maßstabsdenken sind die Stalinriegel schonmal eine gute Vorgabe, was die Dimensionierung z.B. der Nürnberg-Arcaden angeht. Selbstverständlich mit spannender Fassadengestaltung. Ich halte es sogar für möglich, daß ein Vorschlag ins Gespräch gebracht worden wäre, eine Zeitachse zwischen "Alt"-Nürnberg und den NS-Ruinen draußen zu schaffen, vielleicht mit einem ambivalent gestalteten Kulturgebäude.

    Nein, die werden gedünstet

  • Mensch Wissmut, Du schaukelst Dich ja auf marc!´schen Zynismus hoch... :zwinkern:
    Aber jetzt kommt doch mal wieder auf den Punkt, der da heißt Bausituation und führt dieses zugegebenermaßen interessante Gespräch in einem eigenen Fred weiter.
    PS: In Dresden ist im Kaiserreich etliches unschön verlaufen, im Dritten erst verschont vor Gauforum, dann gänzlich mittig pulverisiert, in der Dederä hat leider der Geschmack der jeweils Herrschenden gesiegt und nach do Wände gabs ooch Licht und Schatten. So, das fasst die jüngere Baugeschichte Dresdens zusammen und trifft eigentlich objektiv betrachtet auch auf etliche ost- und westdeutsche Städte zu. Worüber streiten wir uns eigentlich?

  • Zynismus schaut bei mir noch mal ganz anders aus, das willst du nicht wissen.*fg* Aber du hast recht - wenn's dem Moderator(einer hier griffbereit?) genehm ist, sollte die ewige Schlacht um die größere Systemminderwertigkeit in einem anderen Strang fortgeführt werden.

    Nein, die werden gedünstet

  • Zitat von "Georg Friedrich"

    In der DDR wurde zwar bisweilen bei Neubauten noch am ehesten ein Stil entwickelt, der an die örtliche Bautradition anschloss (vgl. z. B. einige Bauten in der Rostocker Altstadt oder am Altmarkt in Dresden), insgesamt betrachtet aber nur äußerst selten zur Anwendung kam. In der Bundesrepublik wurde beim Wiederaufbau manchmal zumindest das alte Straßennetz und die Parzellenstruktur weitgehend beachtet und die Häuser monoton, aber gemäßigt und angepasst wiederrichtet (vgl. Würzburg und Nürnberg). Der Versuch, die Altstädte zerstörter Großstädte zumindest äußerlich zur Straßenseite hin wieder großflächig zu rekonstruieren (vgl. Warschau oder Danzig), blieb dagegen hier wie dort aus.

    Ursächlich für diesen großen Fehler waren weder die Raumnot in der unmittelbaren Nachkriegszeit - nur ein winziger Bruchteil der Bevölkerung einer Großstadt lebt im kunsthistorisch wertvollen Altstadtbereich, die übergroße Mehrheit in den gründerzeitlichen Erweiterungen - noch eine immer wieder behauptete Geldnot - die DDR, der reichste Staat des Ostblocks, war zumindest wohlhabender als Polen, die alte Bundesrepublik wurde mit rasender Geschwindigkeit steinreich.

    Nun, Anfang der 80iger Jahre war die DDR bereits pleite und konnte nur durch den Milliardenkredit von Strauss vor dem Bankrott gerettet werden,
    welcher erkannte dass die Zeit für eine Wende auf Grund mangelnder Versorgungslage in der DDR einfach noch nicht reif war. In Moskau regierte Bresnew
    als Betonkopf und Solidarnocs in Polen war erst am Anfang. Selbstverständlich war Geldnot ein Faktor, welcher Abriß von Altbausubstanz und Neubau nach
    sozialistischem Vorbild oder Sanierung entgegenstand.

    Der Aufbau der Danziger und Warschauer Altstadt erfolgte in den 50iger Jahren, eine Zeit in der die DDR garantiert nicht das reichste Land im Ostblock war.Reparationen in Mrd. an die UdSSR mußten gezahlt werden. Und sicher auch an Polen, welche u.a. damit die Altstädte wieder aufbauen konnten.

    So nun weiter mit Bausitutationen in Dresden. :D

  • Guten Morgen,
    ich möcte nur daran erinnern, dass die DDR in Dresden zunächst einen großen Platz in Form eines großen roten Sterns im Zentrum errichten wollte. An der reko oder dem Wiederaufbau hatte sie kein Interesse. Erst das Eingreifen beherzter Dresdner konnte das verhindern. Das Nikolaiviertel in Berlin und die Wiederaufstellung der Figuren auf der Schlossbrücke waren Zugeständnisse nach westdeutschen Wirtschaftshilfen. Eigentlich sollte alles abgerissen werden.
    Nürnberg hätte als grosse Brache ala Halberstadt geendet.Aber vielleicht hätte die DDR das reichsparteitagsgelände weitergenutzt und ausgebaut, als Ernst-Thälmann Forum oder so!? 8)

  • Ernst-Thälmann-Forum, das ist echt ned schlecht...*feix*

    Aber wann hatte die SED einen sternförmigen Platz in DD geplant ? Mir sind die meisten "Generalpläne" bekannt, auch aus der unmittelbaren Nachkriegszeit. Es waren wirklich kranke Kopfgeburten darunter; aber ein Sowjetstern ?

    Wundern täte mich ein solcher Gedanke nicht, aber sind die dazu gehörigen Pläne irgendwo einsehbar ?


    @ Henry

    Die Rekonstruktionswelle in Polen ging ja selbst in den Sechziger und Siebziger Jahren weiter, ungeachtet der allgemeinen baupolitischen Vorgaben aus Moskau. Rein ökonomisch gesehen, wäre die "DDR" in den Fünfzigern durchaus in der Lage gewesen, zumindest die Sicherungsmaßnahmen durchzuführen und vereinzelten Wiederaufbau - außerhalb der Stadtkerne waren, wie von G.F. bereits gesagt, ausreichend Flächen zum "sozialistischen Wohnungsbau" vorhanden.

    Aber wenn man bedenkt, wie lange bereits um die Altmarktriegel und das Turmhochhaus gerungen und wieviel Zeit dabei verschenkt wurde - und das rein aus politischen Gründen, weil man unbedingt etwas Ultragroßes, Demonstratives zur Ehr' von Partei und Staat schaffen wollte...

    Nein, die werden gedünstet