Berlin - einst und jetzt

  • Also der Spittelmarkt und der Alex sind wirklich total verloren :weinenstroemen: das alles ähnelt mehr einer französichen Banlieue als einer Hauptstadt !

    Jedoch hat das Nikolaiviertel schon noch Chancen für eine Stadtreparatur, denn die "DDR-Altstadt" ist eine gute Basis.

    Am Besten finde ich kann man um die Parochialkirche wieder alte Wunden heilen, da hier noch Einiges steht. Vorallem die kleinen zweistöckigen altberliner Häuser in der Waisenstraße, neben den bereits rekonstruierten Lokal "Zur Letzen Instanz" und den Resten der alten Stadtmauer sollte man als ganzen Straßenzug wiedererrichten, das würde dann eine wirkliche "Altstadtatmosphäre" neu entstehen lassen!

  • Der Köllnische Fischmarkt ist eigentlich heute nicht mehr vorhanden, sondern Teil der Magistrale Leipziger Straße - Grunerstraße.

    Hier einige Gegenüberstellungen, beginnend mit der Nordseite Nr. 1 - 3:

    2016:


    Blick nach Westen mit dem ehemaligen Köllnischen Rathaus, 1890:

    Nach dem Abriss entstand hier ein Geschäftshaus:

    Nun entsteht hier ein Hotel, wie in einem anderen Strang heftig diskutiert:


    Auf der Südseite wird sich wohl bald auch etwas tun, hier aber zuerst zwei Bilder von dieser Seite:

    Das Derfflingerhaus, Foto: Georg Bartels, um 1888:


    Köllnischer Fischmarkt 4-6, mit Derfflingerhaus und Leineweber, 1935:


    Situation heute:

  • Dorotheenstraße (Nordseite) um 1900, vorne die Markthalle IV, später Postscheckamt.

    Bildquelle: http://www.bildindex.de

    2016, der Komplex beherbergt das Bundespresseamt.

    Dorotheenstraße um 1900, Villa Kamecke und Haus der Loge Royal York, errichtet nach Plänen von Andreas Schlüter.

    Bildquelle: http://www.bildindex.de


    Bildquelle: http://www.bildindex.de


    Bildquelle: http://www.bildindex.de

    Und 2016. Der Bau wurde 2000 fertiggestellt - ist es eine umgebaute Platte?

    Überblick im Straubeplan, die Hausnummern an der Dorotheenstraße wurden wohl schon weit vor dem Krieg neu vergeben.

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

    Einmal editiert, zuletzt von Mantikor (26. April 2016 um 23:05)

  • Das erste Bild von der Dorotheenstraße ist auf keinen Fall von um 1900, die Autos und auch die Kleidung der Passanten, besonders der Frauen, lässt auf die 20er Jahre schließen.

  • Damit sollst du wohl recht haben.
    Ich habe übrigens oben nochmals zwei Nachkriegsbilder eingefügt. Während die Villa komplett vernichtet war, scheint der seitliche Anbau leidlich wiederaufbaufähig gewesen sein.

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

  • Der barocke ursprüngliche Bau der Villa Kamecke legte Zeugnis von der hohen Begabung des Baumeisters Andreas Schlüter ab. Es war ein Bauwerk von großer Eleganz, einer beschwingten Fassade von graziler Leichtigkeit und Schönheit, die sich weit über das erhob, was man gemeinhin von barocken Landhäusern gewohnt war. Jammerschade, dass man dieses köstliche Juwel nach dem Kriege nicht wieder errichtet hat, es wäre ein Glanzstück für Berlin geworden.

    Einmal editiert, zuletzt von Villa1895 (26. April 2016 um 23:27)

  • Hier noch ein paar interessante Vergleichsbilder:

    Blick in die Fischerstraße 1969. Es ist noch viel von der historischen Bebauung erhalten:

    und der gleiche Blick heute. Die Straße existiert nicht mehr:

    Blick auf die Fischerinsel 1969:

    und heute:

    Blick vom Schloßplatz über die rathausbrücke 1966. Einige alte Häuser sind noch vorhanden:

    Der gleiche Blick heute:


    Die Ecke Luisenstraße Charitestraße 1965:

    Das schöne Eckhaus wurde stak modernisiert:

  • Das Völkerkundemuseum an der Ecke Stresemannstraße ca. 1890. hinten links ist der Martin Gropiusbau zu erkennen:

    innen:

    Es hatte den Krieg leicht beschädigt überstanden. Der Martin Gropius Bau ist stärker zerstört:
    Hier ein Foto von ca. 1960

    ab 1961 wurde es abgerissen.
    heute:

  • Ein Statement zum innerstädtischen Bauen von der von vielen Stadtbild-Foristen geschätzten Senatsbaudirektorin wurde gestern im Tagesspiegel-"causa" aus der Reihe:
    "Wie soll Berlin wohnen? Wohnungsbau zwischen Ästhetik und Profit " veröffentlicht.

    In ihrem Beitrag stellt auch Frau Lüscher fest, dass Nüchternheit ein Merkmal der Berliner Kultur sei.
    Ich vermute mal, dass ihr da die meisten Stadtbild-Mitglieder nicht wirklich widersprechen würden? :thumbup:

    https://causa.tagesspiegel.de/nuchternheit-i…ins-kultur.html

  • Nüchternheit muss man sich auch bewahren, weil die Entscheidungen, die Frau L. trifft in Bezug auf die Berliner Architekturlandschaft, speziell des historischen Stadtkerns unter dem Einfluss von alkohol getroffen wurden. X(

  • Es hatte den Krieg leicht beschädigt überstanden. Der Martin Gropius Bau ist stärker zerstört:

    Hier ein Foto von ca. 1960

    Danke für die schönen Bilder. Wieder weiß ich etwas mehr über das alte Berlin. Bin da erst vor ein paar Wochen langgegangen. Und ich habe gelesen, daß der Gropiusbau im Zuge der 750-Feier wiederaufgebaut worden sei. Tja. Was hat die Leute bloß in den 60er Jahren geritten, diesen tollen Altbau abzureißen? Da war der Reichstag ja stärker beschädigt. Das ist wirklich unfaßbar.

    Und das Schlimme: Ich kann die Leute immer besser verstehen, wenn ich mir die Zeitumstände zusammenreime. Das Gebäude lag ja dicht an der Mauer, und dann war man damals ja noch richtig besessen von futuristischer Modernität und ahnungslos, wie trist und trostlos selbige in der Masse ist. :)

    Ein Faktor ist auch noch die umfassende Zerstörung der Stadt und das Ruinen-Feeling. Da hatte man einfach kein Gefühl mehr für die Würde und Wichtigkeit der traditionellen Architektur. Was spricht eigentlich gegen eine Rekonstruktion dieses Gebäudes?

    Es gibt doch so unzählige Millionäre und Milliardäre auf dieser Welt, wir haben an sich so viel Geld, daß man da durchaus mal etwas springen lassen könnte. Ich bin sogar überzeugt davon, daß das größtenteils der einfache Bürger stemmen könnte. Es müssen halt nur genug Leute mitmachen. Bei einem Spendenvolumen von 500€ müßten halt ca. 100000 Leute etwas spenden. Dann kämen nach meiner Rechnung 50 Millionen Euro zusammen.

    Und 500€ sind nun wirklich nicht viel, wenn ich mir überlege, was der Deutsche alles an Billionen auf dem Sparkonto hat. Ich glaube, das wäre alles gar nicht so schwierig. Das Hauptproblem ist die Mobilisierung, eine Kampagne, enthusiastische Leute mit Erfahrung. Letztlich ist das wohl hauptsächlich ein organisatorisches Problem.

  • Das stimmt schon, dass die Berliner nach dem Krieg andere Sorgen hatten, als sich um das ruinöse Stadtbild zu kümmern. Auch, die Wertschätzung alter Architektur war nach dem Krieg bis ca. 1970 gar nicht vorhanden.

    Das Völkerkundemuseum wiederaufbauen? Keine schlechte Idee, da der Bauplatz noch frei ist.
    Aber direkt dahinter (neben dem Martin Gropius Bau) befand sich noch eine architektonische Perle, die gut durch den Krieg gekommen war:
    Das Kunstgewerbemuseum:
    Vor dem Krieg:

    Nach dem Krieg:

    im Hintergrund der zerstörte Martin Gropius Bau:

    und heute:

    Der Martin Gropius Bau nach dem Krieg:

    und heute:

    Ein Verein, der Spendengelder sammelt, um besondere Bauwerke zu rekonstruieren wenn der Bauplatz dies zulässt (z.B. Brachland) wäre sicher eine gute Idee. Ich würde sicher regelmäßig spenden.
    denn es gäbe in Berlin unzählige Gebäude, die es verdienen rekonstruiert zu werden.

    Hier noch ein interessanter Vergleich. Blick in die altstädtische Simeonstraße:

    Der gleiche Blick nach dem Krieg. Nur der Kirchturm im Hintergrund steht noch:

    und heute. Die Straße existiert nicht mehr:

  • Aber mal ganz ehrlich. Warum hat man diese eigentlich noch völlig intakten bauten damals abgerissen. Das verstehe ich nicht. War es weil die Exponate nicht mehr da waren und man sie Museen nicht mehr befüllen konnte oder woran lag das?

    APH - am Puls der Zeit

  • Das Nachbargebäude des ehemaligen Kunstgewerbemuseums, des heutigen Martin-Gropius-Baus, der Erweiterungsbau der Kunstgewerbeschule (eine Planung des Baubeamten Oskar Hoßfeld) in der Prinz-Albrecht-Straße 8 (heute Niederkirchnerstraße) aus dem Jahr 1905, diente der Gestapo als Zentrale. Die Kellerräume, in denen Gegner des Regimes gefoltert wurden, sind freigelegt und in die Topographie des Terrors einbezogen. Auch steht hier noch ein Rest der Berliner Mauer. Ein Wiederaufbau des Gebäudes erscheint mir angesichts dieser Gedenkstättenfunktion problematisch, zumal er baugeschichtlich auch nicht herausragend war.
    Eine Rekonstruktion des Völkerkundemuseums wäre hingegen eher denkbar, seriös aber nicht für 50, sondern wohl eher für 500 Millionen Euro zu haben.

    Einmal editiert, zuletzt von aldilette (1. Juni 2016 um 15:51)

  • Aber mal ganz ehrlich. Warum hat man diese eigentlich noch völlig intakten bauten damals abgerissen. Das verstehe ich nicht. War es weil die Exponate nicht mehr da waren und man sie Museen nicht mehr befüllen konnte oder woran lag das?


    Der Abriss ist wohl erfolgt, weil diese unmittelbar an der Sektorengrenze und dann der Mauer lagen. Das Kunstgewerbeschule hatte darüber hinaus die von aldilette angesprochene Vergangenheit, an die man wohl nicht ständig erinnert werden wollte.

    Die Exponate der Museen sind zumindest zum Teil noch vorhanden. Das Kunstgewerbemuseum war allerdings bereits in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg ins Stadtschloss gezogen.

    Wenn man die Bilder so sieht, können wir allerdings sehr froh sein, dass zumindest das von Gropius entworfene Gebäude des Kunstgewerbemuseums wieder aufgebaut wurde (war aber auch wohl lange umstritten).

    Einmal editiert, zuletzt von Andreas (1. Juni 2016 um 13:37)

  • Es ist trotzdem schon echt krank. Nicht nur was hier für kulturelle Werte vernichtet wurden. Auch wenn man bedenkt was solche Fassaden heute kosten sind da auch ungeheure wirtschaftliche Werte einfach zerstört worden. Und das teilweise noch zehn oder fünfzehn Jahre nach Ende des Krieges. Unglaublich.

    APH - am Puls der Zeit

  • Hallo Wisssen.de,

    die Ursache, warum nach dem 2. Weltkrieg erbarmungslos selbst hochwertigste Bausubstanz abgerisen wurde, ist m. E. in der seit dem Bauhaus herrschenden Lehre zu sehen. Alles was nach dem Klassizismus geschaffen wurde, Historismus, Gründerzeit und Jugendstil, galt in der offiziellen reinen Lehre, als völlig wertlos, als der letzte Dreck. Das wurde Generationen von Architekten an den Universitäten so eingetrichtert. Das, was ab Mitte des 19. Jh. geschaffen worden war, bis hin zu den Bauten kurz vor dem 1. Weltkrieg, das sollte möglichst alles weg und wo immer möglich, durch Betonklötze und Schuhschachteln (mit Flachdach) ersetzt werden. Damit hatte man dann auch gleich das verhasste Ornament , die Fassadengliederung und den Zierrat entsorgt. Und das, obwohl doch schon in den Bombennächten und Feuerstürmen des 2. Weltkriegs so unendlich viel zu Grunde gegangen war. Diese Abrissorgien wurden mit deutscher Gründlichkeit durchgeführt. Was danach neu errichtet wurde wird heute zurecht als kalt und seelenlos und nicht ortstypisch und austauschbare 0815-Bauten empfunden.

    Ein Umdenken hin zum Erhalt von Gebäuden aus dem Historismus, der Gründerzeit und dem Jugendstil setzte erst Mitte/Ende der 1970 er Jahre zögernd ein. Dass die Architektenlobby heute so verbissen gegen Rekonstruktionnen polemisiert ist uns allen hier im Forum bekannt. Dennoch, die Sehnsucht der Menschen nach der alten Schönheit ihrer Städte, nach Identifikation damit und damit einher gehend der Wunsch nach Rekonstruktionen ist längst erwacht wird den Sieg davon tragen. Fast 100 Jahre Diktatur des Bauhauses sind mehr als genug. Wo immer möglich, sollten schöne Bauwerke rekonstruiert werden.