Ich verstehe ehrlich gesagt nicht die Aufregung an dieser Stelle. Wir versuchen mit vollkommen demokratischen Mitteln herauszufinden, warum ein denkmalgeschütztes Gebäude – zudem ein Wahrzeichen Berlins – abgerissen wurde......
Warum der Bahnhof abgerissen wurde? Eigentlich wollte ich mich aus der "amüsanten" Debatte heraushalten. Aber ich möchte doch einfach mal meinen Eindruck als alter Berliner, der sich vor allem auch in der Historie meiner Heimatstadt auskennt, kundtun, dass hier von einigen Diskussionsteilnehmern plötzlich Aspekte der (politischen) Realitäten Berlins in den Jahren zwischen 1945 und 1990 in einer Naivität außer Acht gelassen werden, die zu Vermutungen und falsche Einschätzungen führt, die mich zum Lachen reizen.
Ich habe in den bisherigen Jahren meiner Mitgliedschaft in diesem Forum sicherlich keinen Hehl daraus gemacht, wie schmerzlich ich die im Krieg zerstörten oder hinterher abgerissenen Schätze vermisse und wie verzeifelt ich bin ob der vielen vertanen Chancen in den letzten 3 Jahrzehnten, was besonders den Innenstadtbereich im ehemaligen Ostsektor angeht, aber natürlich auch die Zeit davor in den Westsektoren.
Schon als Schüler träumte ich vom Fall der Mauer, ersann in der Phantasie Wiederaufbaupläne anhand alter Fotos, damals noch analog in Bildbänden.
Natürlich gehörten die alten Berliner Kopfbahnhöfe zu diesen Träumen. Aber gleichzeitig sagte mir die nüchterne Seite in mir, dass eben vieles ein Traum bleiben muss, einfach in der Erkenntnis, dass die Welt sich dreht und man bestimmte Dinge akzeptieren muss.
Kommen wir nun speziell zum Anhalter Bahnhof, der im Laufe dieser Diskussion in den Ostsektor verortet wurde und West-Berlin als Teil der Bundesrepublik Deutschland, die zudem als Rechtsnachfolger der sogenannten "DDR" bezeichnet wurde, was genauso falsch ist. Darauf will ich gar nicht an dieser Stelle eingehen, außer die Bemerkung hinzusetzen, dass laut Potsdamer Abkommen auch der Ostsektor von Berlin kein Bestandteil der "DDR" hätte sein dürfen.
So, nun konkret zum Anhalter Bahnhof bzw. der Situation des Eisenbahnverkehrs in Groß-Berlin. Ich habe mal vor gar nicht langer Zeit gelesen (leider wieß ich nicht mehr wo), dass die Westallierten sich mit den Sowjets geeinigt hätten, den Eisenbahnbetrieb auch in den Westsektoren von der Reichsbahn abwickeln zu lassen, weil sie (vor allem Amerikaner und Briten) keine Ahnung davon hatten, wie eine staatliche Eisenbahnverwaltung arbeitet.
Im Zuge der Entwicklung der Abgrenzung West-Berlins vom Umland wurde 1952 von der Reichsbahn (selbstverständlich auf Weisung der SED) beschlossen den in den Westsektoren gelegenen Anhalter Bahnhof wie auch schon ein Jahr zuvor den Görlitzer Bahnhof für den Personenverkehr zu schließen.
Im Laufe des Jahrzehnts schritt die Teilung Berlins schon vor dem Mauerbau voran. Telefonversbindungen wurden gekappt und andere Einrichtungen der Infrastruktur. Durch Ausnutzung bundesdeutschen Arbeitsrechts, dass auch in West-Berlin Anwendung fand, wurde erzwungen, dass der Straßenbahnverkehr über die Sektorengrenzen gekappt werden musste, indem von der BVG auch weibliches Fahrpersonal eingesetzt wurde, was im Westen zu dieser Zeit nicht erlaubt war. So mussten die Fahrgäste aussteigen und hinter der Sektorengrenze in eine andere Bahn mit der gleichen Liniennummer steigen.
Die Situation verhärtete sich weiter und weiter, Gleichzeitig hielt aber auch das "Wirtschaftswunder" in Berlin (West) in abgeschwächter Form Einzug, wozu auch die Steigerung des privaten PKW-Verkehrs gehörte.
Was also tun mit einem Bauwerk, das einmal ein Bahnhof gewesen war, aber seit fast 7 Jahren vor sich hinrottete. Von einer Wiedervereinigung wurde zwar geträumt, aber sie rückte in weite Ferne und es dauerte noch 30 Jahre, wie wir heute wissen.
Platz war aber knapp auf der Insel West-Berlin. Sicherlich ist es kein Ruhmesblatt des damaligen Verkehrssenators Schwedler, der von einer Stadtautobahn mit der Bezeichnung Südtangente träumte. Auch der noch existente Görlitzer Bahnhof fiel zwischen 1961 und 1967 diesem Plan zum Opfer. Aber die Motorisierung breiter Massen war das Zeichen der Zeit. Da waren sich Politiker und Bevölkerung einig.
Ich bin im heute sogenannten Wrangelkiez aufgewachsen und kann mich gut erinnern, wie noch Ende der 60er Jahre in unserer Straße die Menschen befürchteten, dass die Häuser in der Falckensteinstraße abgerissen werden würden.
Und unabhängig von der Tatsache,ob der Anhalter Bahnhof in den 30er Jahren unter Denkmalschutz gestellt wurde oder nicht. Er war seit 1952 ohne Funktion, die er auch so bald nicht oder vermutlich nie wieder erlangen würde und warum hätte man ihn damals wiederaufbauen sollen? Berlin war und ist keine Modellbahnanlage.
Und dann lese ich hier, dass ein paar Leute die Überlegung anstellen, ob der Abriss rechtens war und ob man nicht erzwingen könnte, dass der Bahnhof wieder aufgebaut wird.
Ich habe oberflächlich versucht, einen Hinweis zu finden, ob man den Denkmalschutz vor dem Abriss aufgehoben hat oder ob er überhaupt noch bestand. Kann für eine Ruine Denkmalschutz geltend gemacht werden? Ich habe nur die Aussage gefunden, dass der Senat von Berlin (West) den Abriss beschlossen hat.
Auch der Lehrter Stadtbahnhof stand unter Denkmalschutz. Aber dann fiel die Mauer, die Bedürfnisse änderten sich schlagartig. Berlin brauchte ein leistungsfähiges Eisenbahnkonzept um vom Abstellgleis zurück zum internationalen Schienenverkehr zu kommen und der Denkmalschutz wurde aufgehoben.
Die 90er Jahre wurde darüber diskutiert und heraus kam der neue Lehrter Bahnhof (=Hauptbahnhof), zusätzlich Gesundbrunnen und Südkreuz (anstelle von Papestraße).
Die Kopfbahnhöfe waren letzendlich auch ein Relikt des 19.Jahrhunderts, als die engen Städte es nicht zuließen, dass man die Züge in und durch die Städte führte. In Berlin wurde erst mit der Anlage der Stadtbahn 1882 ein neues Kapitel aufgeschlagen, als man den alten Festungsgraben zuschüttete und auf einem Viadukt die Eisenbahn quer durch Berlin und Charlottenburg führte.
Wie gesagt, ob der Denkmalschutz für den "Anhalter" von 1935 aufzuheben war oder gar nicht mehr gültig war, konnte ich nicht herausfinden.
Aber der demokratisch gewählte Senat von West-Berlin hat die (vermutlich) demokratisch legitimierte Entscheidung zum Abriss getroffen.
Ich bin wahrlich kein Freund moderner/heutiger Architektur. Aber wenn ich es mir richtig überlege ist die Kombination zwischen dem Rest des Portikus (der wohl aber auch dringend einer Sanierung bedarf) und dem geplanten Museum wirklich nicht schlecht. Es erweckt in seiner Größe einen ganz guten Eindruck der optischen Wirkung der monumentalen Bahnhofshalle.
So, das war mir ein Bedürfnis, meine Gedanken zu dem Thema loszuwerden.
Jetzt könnt ihr über mich herfallen oder (dem gerade beendeten Karfreitag angemessen) steinigen und kreuzigen. 