• . .

    Gesamtansicht und Mittelrisalit der Straßenfassade, Mittelrisalit der Hoffassade

    Der Darmstädter Hof, Stadtpalais und Poststation der Landgrafen von Hessen, wurde als der neben dem Palais Thurn und Taxis bedeutendste Barockbau Frankfurts angesehen. Er wurde zwischen 1753 und 1757 anstelle des Hauptbaus des Brommschen Hofs, eines mittelalterlichen Patrizierhauses dessen Seitenflügel bis zum Abriß des gesamten Gebäudekomplexes 1899 erhalten blieben, errichtet.
    Bereits damals kaufte die Stadt die Ziersteine der barocken Straßen- und Hoffassaden und der mittelalterlichen Seitenflügel, um das Gebäude an anderer Stelle wiederzuerrichten. In den zwanziger Jahren wurden die Steine an einen Steinmetz nach Miltenberg verkauft, auf Drängen Fried Lübbeckes dann aber wieder zurückgekauft. Wieder wurde diskutiert, sie für einen Wiederaufbau zu verwenden. Über die nächsten Jahrzehnte wanderten sie von einem städtischen Bauhof zum nächsten, wobei sie beschädigt wurden und teilweise verlorengingen. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde wieder einmal diskutiert, sie für einen Wiederaufbau zu verwenden. 1952 schließlich wurden sie in den Stadtwald gebracht, da ihr Lagerplatz für eine Erweiterung des Heizkraftwerks in der Gutleutstraße benötigt wurde. In den sechziger Jahren wurden sie zu Steinhaufen zusammengeschoben, der damalige Bürgermeister Menzer war ein Anhänger der Mufflonjagd und wünschte für sein importiertes Wild eine künstliche Felsenlandschaft. 2002 schließlich geriet ihre 'Wiederentdeckung' in die Schlagzeilen, Folgen hat sie bisher noch nicht gehabt.
    Der Zustand der Steine wird wahlweise als sehr gut und vollkommen unbrauchbar beschrieben, ich hatte noch keine Gelegenheit, sie mir selbst anzusehen. Es kann ihnen vermutlich aber nur schaden, beständig der Witterung ausgesetzt zu sein.

  • Danke für die Zusammenfassung, Frankfurter, gut recherchiert! Das waren die Fassadenteile im Stadtwald, über die ich in der FAZ was gelesen hatte.

    Wenn man die doch mal wiederverwenden würde (sofern noch brauchbar)...

  • Heute konnte ich in Erfahrung bringen, wo die Steine des Darmstädter Hofs liegen und habe sie mir angesehen. Sie sind zu drei großen Haufen aufgeschichtet, nach dem ersten Eindruck müssen noch mindestens zwei Drittel von ihnen vorhanden sein. Die Steine selbst sind größtenteils in gutem Zustand, die Oberflächen sind aber teils stark verwittert, an einigen Stellen sind neue Abplatzungen, die aus diesem Winter stammen müssen. Auch durch die Transporte und die Planierraupen sind teils Stücke abgebrochen.
    Von einigen Schmucksteinen habe ich Bilder gemacht, bei anderen war es nicht möglich, da sie umgekehrt liegen oder unter anderen Steinen begraben. Es gibt auch noch etliche einfachere bearbeitete Steine, Teile von Architraven, Säulen, Pilastern, Pedimenten und Bossen.

    Die folgenden Steine stammen aus der oben gezeigten Straßenfassade,

    .

    der linke Löwe aus dem Giebelfeld, das Kapitell eines der Pilaster,

    .

    ein Stück Laibung von einem der Ochsenaugen, das Trophäenrelief unter dem rechten Ochsenauge,

    .

    einer der äußeren Fensterstürze, eine der Rocaillekonsolen unter den äußeren Pilastern,

    .

    eine der Löwenkonsolen unter dem Balkon und der Kopf der Minerva über der Durchfahrt.

    Andere Steine stammen offensichtlich von der Hoffassade,

    .

    ein Relieffeld mit Musikinstrumenten und scheinbar ein Teil einer Brüstung mit Blumengirlande.

    Einige gotische Fragmente stammen womöglich von einem anderen Gebäude, ich erinnere mich nicht, daß die mittelalterlichen Seitenflügel so aufwendig verziert gewesen wären,

    .

    ein Stück Maßwerk und ein Teil eines Dreipaßfrieses.

    Ich würde mich nicht beschweren, wenn die Steine für eine Rekonstruktion verwendet würden, leider ist auf dem alten Standort auf der Zeil erst vor wenigen Jahren ein neues Kaufhaus gebaut worden. Zumindest sollten die Steine erst einmal in Sicherheit gebracht und restauriert werden, das wär doch was für eine der Bürgerinitiativen...

  • Was wurde denn nach dem Abriß auf dem alten Standort gebaut? Doch nicht etwa das C&A-Gebäude das vor kurzem abgerissen wurde (daran hab ich zuerst gedacht als du meintest dass dort jüngst ein neues Kaufhaus entstand).

    Wo die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten
    Karl Kraus (1874-1936)

  • .

    Das Geschäftshaus 'Hessischer Hof', das 1899 anstelle des Darmstädter Hofs errichtet wurde, und die heutige Bebauung, ganz links die Baustelle von 'Frankfurt hoch vier'

    Nicht der alte C&A, der ist auch erst in den zwanziger Jahren gebaut worden, sondern das ehemalige Kaufhaus M.Schneider hat dort gestanden (für Ortsunkundige, das war zwischen der Hauptpost und der Stiftstraße). Nach dem Abriß des Darmstädter Hofs ist 1899 erst einmal was neorenaissancistisches hingekommen, nach dem Krieg kam eine Erweiterung vom M.Schneider hin und die gesamte Ecke wurde vor vielleicht sieben, acht Jahren durch einen Glaskasten, in dem unter anderem der Douglas drin ist, ersetzt.

  • Es ist schlimm, wie diese wertvollen barocken und gotischen Fragmente völlig ungeschützt gegen Diebstahl und Vandalismus im Wald herumliegen! Kann man noch schäbiger mit seinem Kulturerbe umgehen? Diese Geschichtszeugnisse gehören in ein Lapidarium, z. B. im Historischen Museum.

  • Das Lapidarium im Historischen Museum quillt über, einer der Konservatoren hat mir einmal die Anzahl der Stücke genannt, ich habe sie schon wieder vergessen aber es waren Tausende. In den Fünfzigern wurden als weniger bedeutsam angesehene Stücke aussortiert und vor dem Dominikanerkloster vergraben, ich weiß allerdings nicht, ob sie noch immer dort liegen.
    In so einem Fall halte selbst ich eine Rekonstruktion für angebracht (im eigentlichen Wortsinn ist auch nur eine Wiederaufrichtung des ursprünglichen Materials eine Rekonstruktion, alles andere ist eine Nachbildung), ein gutes Beispiel ist die Rekonstruktion der Villa Leohnardi im Palmengarten, wo die erhaltenen Steine des Portikus wieder in ihrem ursprünglichen Kontext zu sehen sind.
    Es sollte aber nicht dasselbe passieren wie im Fall der Hauptwache, wo nach vorangegangenem Abriß beim Wiederaufbau beschlossen wurde, ein Großteil der ursprünglichen Steine wäre zu unansehnlich und müßte ersetzt werden.

  • Ein gutes Beispiel wie Frankfurt mit seinem architektonischen Erbe umgeht - die Teile werden irgendwo in den Wald gekippt, um dort langsam zu verrotten. Ich frage mich, wie soetwas sein kann. Sehe ich es richtig, dass sich an der Stelle außerdem im Prinzip jeder bedienen kann, oder ist das ein abgezäuntes Gelände?

    Das Gleiche macht man wahrscheinlich auch mit der geretteten Fassade des Salzhauses - vielleicht ein feuchter Keller?

  • Lapidarien sind dann sinnvoll, wenn es um eine vorübergehende Sicherung wertvoller Reste von Baudenkmälern geht. Wenn aus dem Provisorium ein Dauerzustand wird, werden sie zum Ärgernis. Erhaltene und in Kellern weggesperrte Zeugnisse jahrhundertealter Frankfurter Geschichte sind Teil auch der heutigen Stadt. In deren Alltags sollten sie wieder präsent sein. Alle Bürger haben ein Recht darauf, und nicht nur einige wenige Kenner, erhaltene Kulturzeugnisse wie z. B. die weggesperrte kostbare Salzhausfassade zu erleben. Für die Frage möglicher Rekonstruktionen sollten die Lapidariumsbestände daher eine wichtige Rolle spielen. Zumindest sollten einzelne Fragmente mit Hinweistafeln an den derzeitigen Fassaden eingebaut werden. Allerdings sollte das nicht so lieblos und geradezu brutal geschehen wie mit den Fragmenten an der U-Bahn-Station am Römer.

  • Restitutor Orbis hat es ja bereits im "Wiederaufbau der Frankfurter Altstadt"-Thread angesprochen, die Frankfurter Neue Presse nun auch einen Artikel zum Thema herausgegeben:

    http://www.rhein-main.net/sixcms/list.php?page=fnp2_news_article&id=3934203\r
    http://www.rhein-main.net/sixcms/list.p ... id=3934203

    Erstmal zur Geschichte des Darmstädter Hofs / Hessischen Palais, Text um 1900 aus dem Buch "Das alte Frankfurt":

    Und ein Bild um 1880 (Carl Friedrich Mylius):

    Ich war am Tag der Begehung des Freiluft-Spolienlagers dabei, und was soll man sagen? Auf der einen Seite ist die Art und Weise, wie man hier mit einem bedeutenden Barockbau umgeht, symptomatisch für das bis heute anhaltende (wenn auch langsam umschlagende) Verhältnis der Stadt zu ihrer Vergangenheit. Andererseits muss man sagen, dass es sich hier nicht um eine Kriegsruine handelt, sondern um einen Abriss aus dem Jahr 1888, als man das Gebäude durch einen Gründerzeitler ersetzte (siehe auch Text oben). Die Ruinen lagen wohl nicht immer, sondern, soweit ich es verstanden habe, "erst" seit 60 Jahren im Stadtwald, davor in verschiedenen, teils geschlossenen, teils Freiluft-Depots.

    Die nachfolgenden Bilder lasse ich einmal unkommentiert, abgesehen noch von dem Hinweis auf die gotischen Teile, die vermutlich noch von Gewölben des Vorgängerbaus und wenigstens aus dem 16. Jahrhundert stammen dürften. Dass sofort gehandelt werden muss, wenn man mit den Teilen noch jemals wieder etwas anfangen will, dürfte anbetrachts des Zustandes schnell deutlich werden - noch abgesehen davon, dass man sich bei Kenntnis des Ortes und mit geringem materiellen Aufwand hier Teile besorgen kann, für die auf dem schwarzen Kunstmarkt nicht unerhebliche Preise erzielt werden können.

    http://rma2k2.servepix.com/Frankfurt_Stadtwald/thumbnails.html\r
    rma2k2.servepix.com/Frankfurt_St ... nails.html

  • Im Prinzip bräuchte man nur mit einem Bagger und einem kleinen LKW kommen und die Sachen mitnehmen. Säubern und erstmal im eigenen Garten aufstellen. :zwinkern:

  • Unglaublich, eine wunderschöne Fassade einfach in den Stadtwald gekippt. Sollte er einmal wiederkommen, dann an oder nahe dem Originalstandort an der Zeil. Je mehr solche "Spolien" an verschiedenen Stellen (wennmöglich Originalstandorte) eingebaut werden, desto mehr ein Stadtbild gewinnt und historisch glaubwürdiger wird, wie man in Nürnberg bei der Arbeit der Altstadtfreunde sehen kann.

    VBI DOLOR IBI VIGILES

  • Ich weiß nicht - die Trümmer sehen auf den Bildern schon arg verschlissen aus. Vielleicht ist der Zustand zumindest einiger Stücke besser, als es aussieht, wenn sie entmoost sind, aber was das für eine Arbeit wäre, und offenbar fehlen ja bereits welche. Ich frage mich, ob sich das wirklich lohnt - und der Originalstandort ist ja nun leider besetzt.

    Da ist eben schon vor Jahrzehnten eine Riesenchance vertan worden. Aber grundsätzlich fände ich es in Ordnung, wenn die Fassade irgendeinem Neubau vorgeblendet würde, auch wenn der Standort nicht stimmt (von mir aus am Roßmarkt oder am Goetheplatz). Es müßte dann aber wirklich eine äußerlich originalgetreue Reko werden. Die Fassadenteile als Blickfang vor einer viel größeren Glasfassade zur Schau gestellt wie bei dem Nouvel-Bau am Steinweg - nein danke...!

  • Gibt es hier eigentlich irgend etwas Neues, oder kann man sich darauf einstellen, dass die Steine auch die nächsten Jahre im Wald verrotten?

    Prinzipiell bin ich zwar stark gegen Translozierungen eingestellt, da der Originalstandort aber auf längere Sicht "besetzt" ist und das Gebäude ohnehin schon lange nicht mehr existent war, könnte ich mich auch mit einem Wiederaufbau an anderer Stelle anfreunden.

    Meiner Meinung nach, hätte sich ein Aufbau an das Palais Thurn und Taxis anschliessend angeboten.

    Wie seht Ihr die Sache, seht Ihr wenigstens Chancen die Steine in absehbare Zeit zu sichern?

  • Es ist wie immer das liebe Geld. Es bräuchte Geld, die Steine zu sichern, es bräuchte Geld, eine überzeugende Visualisierung zu liefern, wie toll das wiederaufgebaute Gebäude an der Zeil aussehen würde. Es bräuchte sehr viel Geld, die Steine völlig zu überarbeiten, was anbetrachts des Erhaltungszustandes wohl nötig wäre. Und es bräuchte sehr sehr viel Geld, das Gebäude wieder aufzubauen. Andererseits werden historische Gebäude, wie man z.B. in Braunschweig oder beim Thurn & Taxis-Palais sehen kann, bei Investoren zunehmend als Objekte einer exklusiven Vermarktung rezipiert. Einen solchen Investor mit einer Person an der Spitze, die sich à la Jürgen Schneider für historische Bauten auch privat begeistern kann, bräuchte es hier.

  • Ein Fragment der Fassade des Darmstädter Hofes (Foto: oben rechts) hängt nun am Neubau des Historischen Museums auf dem Römer, hinter der Nikolai Kirche - am besten selbst anschauen gehen, habe zZ nur dieses schlechte Foto: