Im Wikipediaartikel zum ehemaligen Kino Metropol in Bonn habe ich vor einigen Tagen etwas interessantes gelesen:
Das Urteil verkündete das Verwaltungsgericht Köln am 12. Oktober 2007. Darin wird die Klage der neuen Eigentümerin des Metropol auf Löschung des Gebäudes aus der Denkmalliste abgewiesen. Die Richter entschieden, dass der Denkmalschutz nicht durch nachträgliche bauliche Veränderungen des Gebäudes erloschen ist. In der Zeit nach dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts NRW vom 14. April 1987, mit dem die Klage der Voreigentümerin der Klägerin gegen die Eintragung des Metropol in die Denkmalliste rechtskräftig abgewiesen wurde, sind nach Auffassung des Gerichts keine die Denkmaleigenschaft beeinflussenden Veränderungen am Metropol vorgenommen worden. Die Richter führten hierzu aus, die nach dem genannten Urteil des Oberverwaltungsgerichts NRW genehmigten Veränderungen (im Wesentlichen: Abriss und Rekonstruktion von Bühnenrahmen und Brüstung der Empore, Erneuerung des Bodenbelages im Foyer, Sanierung der Fassade, Einbau des Behindertenaufzugs) hätten nicht dazu geführt, dass der Gesamteindruck und die Identität des Gebäudes verloren gegangen seien. Vielmehr habe die unter enger Beteiligung und nach den Vorgaben der Denkmalpflege erfolgte detailgetreue Restaurierung der ersetzten Bauteile dazu geführt, dass dieser Gesamteindruck heute dem Original aus dem Jahre 1928 näher sei als vor Beginn der genannten Veränderungen. Die geänderten Bauteile stünden daher dem Denkmalwert des Gebäudes nicht nur nicht entgegen, sondern nähmen an der Denkmaleigenschaft des gesamten Gebäudes teil.
de.wikipedia.org/wiki/Metropol_(Bonn)
In der Denkmalliste der Stadt Frankfurt gibt es soweit ich weiß sechs Gebäude (möglicherweise mehr), bei denen es sich um Rekonstruktionen mit einem sehr geringen bis nicht vorhandenen Anteil an Originalsubstanz handelt. Neben dem Goethehaus sind das die Hauptwache, der Südbahnhof, der Schönbornsche Hof, das Willemerhäuschen und die Villa Leonhardi.
Es wäre interessant zu wissen, ob sie schon zur Zeit ihrer Neuerbauung oder erst später in die Denkmalliste eingetragen wurden. In den Fällen der Hauptwache, des Südbahnhofs und des Schönbornschen Hofs waren bereits die zuvor abgerissenen Gebäude Baudenkmale, vermutlich ist die Denkmaleigenschaft auf die Neubauten übertragen worden. Auch das Fragment des Portikus der Villa Leonhardi, das vorher im Clubhaus des ehemaligen Tennisclubs im Palmengarten eingebaut war, war bereits als Einzelbauteil denkmalgeschützt, soweit ich weiß erstreckt sich der Denkmalschutz heute aber auf das gesamte Gebäude.
Sowohl am Beispiel Metropol als auch etwa am Beispiel Schönbornscher Hof sieht man, wie das Argument der Originalsubstanz zur Zerstörung von Baudenkmalen verwendet werden kann. Im einen Fall versucht ein Investor, in Verdrehung der Position der Denkmalpflege, unter Berufung auf Änderungen an der Originalsubstanz den Abriß eines größtenteils erhaltenen Baudenkmals zu erreichen. Beim Schönbornschen Hof liegt der Fall umgekehrt, hier legitimierte die Verwendung von Originalsubstanz bei der Rekonstruktion dreier Hoffassaden den Abriß eines der letzten, bis ins Mittelalter zurückgehenden, Bürgerhäuser der Frankfurter Altstadt. Die Rekonstruktion mag dem barocken Zustand näher sein als der mehrfach umgebaute und im Krieg beschädigte Altbau, dahinter verbergen sich Siebziger-Jahre-Bürogeschosse.
Wo sich die ‚positivistische’ Denkmalpflege auf den Wert als geschichtliche Information bezieht, hat auch eine Rekonstruktion in diesem Sinn einen Wert als geschichtliche Information. Der qualitative Unterschied liegt in der Art, der Aussagekraft und dem Umfang dieser Information. Das Goethehaus als Rekonstruktion sagt mehr über das bürgerliche Frankfurt des achtzehnten Jahrhunderts aus als ein paar Sandsteinreste des Schönborner Hofs an der Fassade eines Bürogebäudes. Auch wenn es sich um Originalsubstanz handelt, ihr Informationsgehalt ist praktisch nicht mehr vorhanden sobald sie aus ihrem Zusammenhang gerissen wird, abgesehen von der Zerstörung des restlichen Gebäudes und des damit einhergehenden Verlusts an Geschichtszeugnissen.
Aus dem Vorangegangenen folgt also sowohl daß Rekonstruktionen im Sinne der Denkmalpflege einen Denkmalwert besitzen und daß die Ausweitung des Denkmalbegriffs auf Rekonstruktionen oder einzelne Bauteile das Denkmal als Gesamtheit erhalten oder zumindest in Teilen wiedererfahrbar machen kann, als auch daß die Befürchtungen der Denkmalpflege begründet sind und dieselbe Ausweitung des Denkmalsbegriffs zu einem willkürlichen Umgang mit dem Denkmal und im schlimmsten Fall seiner weitgehenden Zerstörung führen kann.