München - die Kirchen (Galerie)

  • Die ursprüngliche Deckengestaltung von 1709-11 war so, wie auf den verlinkten Stichen von Diesel überliefert, also so wie sie nach dem 2. Weltkrieg rekonstruiert wurde (abzüglich der beiden modernen Deckenbilder); das große Deckenfresko stammte ja erst von 1772-74. Es ist natürlich sehr schade um dieses Fresko, aber man traute sich nach der Zerstörung keine Rekonstruktion dieses riesigen Freskos zu (es existieren davon auch keine Farbaufnahmen) und im Falle eines künstlerisch unbefriedigenden Ergebnisses wäre die gesamte Decke kompromittiert gewesen; die Alternative eines den gesamten Deckenspiegel füllenden modernen Freskos wie in den beiden kleinen Feldern wäre nicht im Sinne des traditionellen Wiederaufbaus gewesen. Die Rekonstruktion der ursprünglichen Stuckdecke von 1709-11 war somit sowohl eine historisch "korrekte" Lösung als auch viel einfacher durchführbar, wie ja Stuckdecken immer einfacher zu rekonstruieren sind als Malereien.

    "In der Vergangenheit sind wir den andern Völkern weit voraus."

    Karl Kraus

  • Wenn ich mir die zwei kleineren, modernistischen Deckengemälde außerdem anschaue, bin ich froh, dass man das nicht in groß über die gesamte Decke so umgesetzt hat. Bin kein großer Freund davon.

  • Dreifaltigkeitskirche

    Pacellistraße 12
    Erbaut 1711-18
    Filialkirche der Dompfarrei Zu Unserer Lieben Frau
    Typus: überkuppelter Zentralbau mit tonnengewölbten Kreuzarmen

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    In der leichten Seitenansicht von links sieht man den im Krieg beschädigten Kirchturm, der nach dem Krieg mit einem einfachen Zeltdach eingedeckt wurde:

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    Ansicht vor dem Krieg noch mit seinem schönen Zwiebelturm: https://www.bildindex.de/document/obj22…m616222/?part=0

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    Blick in Richtung Lenbachplatz, links der erhaltene Renaissance-Turm der alten Maxburg, in der Mitte das Palais Bernheimer:

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    Baugeschichte:

    - 1705 Gelübde der drei Stände (Klerus, Adel, Bürgerschaft) zur Rettung der Stadt aus Kriegsgefahr eine Dreifaltigkeitskirche zu bauen
    - 1711 nach langer Standortsuche der Beschluss, die Dreifaltigkeitskirche beim Karmelitinnenkloster in der Kreuzstraße (später Pfandhausgasse, heute Pacellistraße) zu bauen sowie Grundsteinlegung; Entwurf von Giovanni Antonio Viscardi; Bauleitung Johann Georg Ettenhofer
    - 1713 Tod Viscardis, Übernahme der Bauaufsicht durch Enrico Zuccalli
    - 1714 Fertigstellung der Kuppel, Aufführung der Turmobergeschoße; 1714/15 Stuckierung: Johann Georg Bader, Freskierung: Cosmas Damian Asam; 1716 Marmorbalustraden: Simon Pußfeger; 1717 Portal: Simon Pußfeger; Theresienaltar (rechter Querarm): Kistlerarbeiten Johann Neumayr, Statuen und Dekor Franz Ableithner, Altarblatt Johann Degler, 1718 Josephsaltar (linker Querarm): Kistlerarbeiten Johann Neumayr, Statuen Andreas Faistenberger zugeschrieben, Dekor Franz Ableithner, Altarblatt Joseph Ruffini
    - 1718 Fertigstellung und Weihe
    - 1726/27 Michaelsstatue an der Fassade: Joseph Fichtl, Guß: Adam Hämmerl, Vergoldung Stephan Haaß
    - 1730/40 zwei Engel seitlich der Altarmensa Johann Georg Greiff zugeschrieben
    - um 1760 Tabernakel mit Emmausrelief von Johann Baptist Straub
    - 1854-57 Renovierung der Altäre und Kanzel
    - 1877 Abbruch des Klostertrakts an der Pfandhausstraße
    - 1905 Restaurierung des Innern
    - 1944 nur relativ leichte Kriegsschäden: Verlust der Turmbekrönung und Fassadenobelisken
    - 1952 Restaurierung der Fassade, 1958 Innenrestaurierung
    - 1972 Restaurierung der Fassade, Wiederanbringung der Zierobelisken
    - 1983-85 erneute Renovierung
    - 1999/2000 Restaurierung der Fassade


    Die Dreifaltigkeitskirche geht auf ein Gelübde während des Spanischen Erbfolgekriegs zurück: nach der verlorenen Schlacht bei Donauwörth am 2. Juli 1704 lief München Gefahr, von den kaiserlichen Armeen gebrandschatzt zu werden. In dieser bedrohlichen Situation hatte die Bürgerstochter Anna Maria Lindmayr die Vision, dass München verschont bliebe, wenn es geloben würde, zur Verehrung der allerheiligsten Dreifaltigkeit eine Kirche zu bauen. Dieses Gelöbnis wurde dann auch am 17. Juli 1704 von den drei Ständen Klerus, Adel und Bürgerschaft in der Frauenkirche abgelegt, woraufhin München wundersamerweise tatsächlich verschont und im Gegensatz zu vielen anderen Gegenden Bayerns weder belagert noch von der Pest heimgesucht wurde. In der fertigen Kirche findet sich deshalb auch folgende Inschrift:

    Dies Denkhmahl dan verbleibe,
    In aller Hertzen schreibe:
    Die Stadt läg in dem Grund,
    Wan dise Kirch nit stund.

    Der Baubeginn verzögerte sich dann noch einige Jahre, hauptsächlich weil man lange keinen geeigneten Standort finden konnte. Schlussendlich erfolgte 1711 der Beschluss, die Kirche in der Kreuzgasse, der späteren Pfandhaus- und heutigen Pacellistraße, schräg gegenüber der bereits bestehenden Karmeliterkirche und der Maxburg zu errichten. Neben der Kirche sollte auch das neue Kloster für die unbeschuhten Karmelitinnen gebaut werden, die auf Initiative von Anna Maria Lindmayr 1711 von Prag nach München geholt wurden.
    Der Architekt Giovanni Antonio Viscardi beabsichtigte ursprünglich, die Fassade der Kirche quer zur Kreuzgasse, die damals an dieser Stelle recht eng war und wenige Meter weiter in einem Verbindungsbogen zwischen Maxburg und Ballhaus endete, zu stellen, so dass sie zum Promenadeplatz gezeigt hätte. Diese städtebaulich äußerst reizvolle Lösung wurde zwar von der Baukommission einstimmig angenommen, aber leider vom Bischof aus dem Grunde verwehrt, dass der Chor der Kirche somit direkt an das laute Ballhaus angestoßen wäre, was einer Kirche unwürdig gewesen wäre; so wurde die Kirche schließlich wie oben beschrieben in die Straßenflucht gegenüber der Karmeliterkirche eingebettet. Aufgrund dieser Situation gestaltete Viscardi die Fassade in für Münchner Verhältnisse ungewohnt plastischer Form mit einem weit in den Straßenraum vorspringenden mittleren Fassadenteil, so dass sie für einen von rechts, also vom Promenadeplatz, kommenden Besucher deutlich in Erscheinung tritt und wie aufgeklappt wirkt.

    Die Bayerische Denkmaltopographie schreibt über die Kirche:

    Viscardis Spätwerk nimmt typologisch wie künstlerisch in der Entwicklungsgeschichte des barocken Zentralbaus in Bayern einen hervorragenden Platz ein; der Architekt „greift eigene früher formulierte Baugedanken (Freystadt) wieder auf und entwickelt sie unter dem Einfluss des römischen Hochbarock und Enrico Zuccallis weiter“ (Ramisch 1986). Der nach Norden gerichtete, maßstäblich intime Bau von 23,5m Länge zeichnet sich durch eine originelle, aufwendig gestaltete und reich instrumentierte Schaufront aus, deren guarineske Zusammenhänge Erich Hubala (1972) aufgezeigt hat (vgl. Fassadenprojekt für S. Filippo Neri, Turin). Vor allem in Hinblick auf ihre in der einst schmalen Pfandhausgasse kaum frontale, in erster Linie von der Seite mögliche Einsehbarkeit konzipierte Viscardi eine umgewöhnlich plastische, raumgreifende Fassadenkomposition, die den borrominesken konkav-konvexen Typus in eckig gebrochener Form abwandelt und kraftvoll dramatisiert.“

    Auch das überraschend weiträumige Innere wird nicht von glatten Wandflächen, sondern von Säulen geprägt, die als „Angeln einer gelenkigen Verschränkung der sich durchdringenden Zentral- und gerichteten Kreuzstruktur des Raums fungieren" (Friedrich Naab). Friedrich Naab weiter: „Die Wirkung der Säulen als freibewegliche Gelenke beruht vor allem auf ihrem besonderen Verhältnis zu den Wandfeldern. Sie sind vollrund gebildet, treten aber nicht frei vor die Wand, sondern stehen fast zur Hälfte in Kehlungen, deren dunkle Schatten sie von den Wandstreifen daneben optisch isolieren. Die Wandstreifen selbst sind nicht nur von den Säulen abgesetzt, sondern auch leicht hinter die Ebene des Gebälks zurückgeschoben, so daß sie, durch eingetiefte Rahmungen geschient und in ihrer plastischen Substanz verdeutlicht, als selbständige, massive Tafeln wirken.
    Man hat nicht den Eindruck einer einheitlich-kompakten Mauermasse, aus der der Raummantel mit seinen Gliederungen herausmodelliert ist, sondern den eines beweglich zusammengefügten, gerüstartigen Systems aus Sockeln, Säulen, Wandtafeln und Gebälk, das den Raum umstellt und den Wölbungsorganismus trägt.“

    Die Kuppel verzichtet auf einen Tambour und bindet die Kuppelschale somit direkt in den Zentralraum ein, was zusammen mit den gelenkigen Verschränkungen der Raumstrukturen einen einheitlichen Raumeindruck schafft, der für die weitere Entwicklung des Kirchenbaus im bayerischen Barock (und vor allem im späteren Rokoko) bestimmend sein wird.
    Die Dekoration und Ausstattung stammen einheitlich aus der Erbauungszeit der Kirche und verbinden sich zu einem harmonischen Gesamtbild. Wegweisend ist hierbei auch die Stuckierung von Johann Georg Bader, die sich im Gegensatz zur wesentlich plastischeren italienischen Stuckierung der Theatinerkirche im Hintergrund hält und zart und leicht wirkt. Diese feine, fast zeichnerische Art der Stuckierung wird in der darauffolgenden Zeit nicht nur typisch für Innenstuckaturen, sondern auch für Fassadenstuckaturen im ganzen altbayerischen Raum.

    Die Deckenbilder, darunter natürlich hauptsächlich das Kuppelfresko, sind frühe Hauptwerke von Cosmas Damian Asam aus den Jahren 1714/15, der hier seine in den Jahren zuvor in Italien erworbenen Kenntnisse virtuos zur Schau stellt. Das vielfigurige Kuppelfresko zeigt die Huldigung der heiligen Dreifaltigkeit durch die himmlischen Chöre der Engel, Apostel und Heiligen; am unteren Bildrand stößt der Erzengel Michael Luzifer in den Abgrund, der plastisch über den Freskorand hinaus fällt; leicht schräg links davon sieht man den Fassadenplan der Kirche, der der Dreifaltigkeit entgegengebracht wird und rechts neben dem Fenster, welches sich an den aus dem Bild herausfallenden Luzifer anschließt, findet sich ein Selbstportrait von C.D. Asam.

    Im 2. Weltkrieg blieb die Dreifaltigkeitskirche wundersamerweise fast unversehrt, obwohl das direkte Umfeld fast durchgehend schwer zerstört wurde; zusammen mit der Salvatorkirche ist sie die einzige Kirche in der Münchner Altstadt, die nur relativ leichte Beschädigungen erlitt. Die Zierobelisken, die auf die Straße gefallen waren, wurden nach dem Krieg wieder angebracht, kleinere Wasserschäden der Asamfresken konnten ohne Substanzverlust behoben werden; der einzige wirkliche Verlust ist die Turmhaube mit Laterne, die nach dem Krieg durch ein einfaches Zeltdach ersetzt wurde. Der Turm tritt allerdings von der Straße aus kaum in Erscheinung, er steht um einiges weiter nördlich und man sieht ihn nur kurz durch die enge Rochusstraße bzw. aus dem hinter der Kirche gelegenen Innenhof, so dass man den Verlust der ursprünglichen Turmhaube verschmerzen kann. Entscheidend hingegen ist, dass der Innenraum der Kirche mit allen Details vollständig original erhalten ist und somit eines der wenigen unveränderten Zeugnisse der Barockzeit in der Altstadt Münchens darstellt: ein oft unterschätztes Juwel, das vielen Leuten leider eher unbekannt ist, weil die Kirche normalerweise nur bis zum Absperrungsgitter geöffnet ist und sich ihre Großartigkeit erst von der Mitte des Kirchenraums aus wirklich entfaltet.

    Ansicht nach den Kriegszerstörungen der umliegenden Häuser: https://www.bildindex.de/document/obj22…2246b07/?part=0

    Innen:

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    Die Rückseite mit der Orgel, die wie ein Schwalbennest angeheftet scheint:

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    Das ganze Gewölbe:

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    "In der Vergangenheit sind wir den andern Völkern weit voraus."

    Karl Kraus

  • Wow, mir war die Pracht des Inneren gar nicht bekannt! :schockiert:
    Als ich anfing deinen Beitrag zu lesen, und die Außenansichten sah, hab ich insgeheim die Daumen gedrückt, dass das Innere hoffentlich nicht all zu stark in Mitleidenschaft gezogen oder nur vereinfacht wieder aufgebaut wurde.
    Bei den ersten Innenansichten klappte mir dann wortwörtlich der Kiefer runter. Warum wusste ich bisher nichts von dieser Pracht?

    Umso unverständlicher ist es aber, dass man den Turm nie wiederhergestellt hat. Warum? Das könnte man sich sicher leisten, es wäre kein gigantischer Aufwand, und schon hätte man dieses wertvolle, historische Juwel wieder komplettiert. Schon irgendwie verrückt...

  • Ja, wäre sicher nicht allzu schwierig; allerdings sieht man ihn von der Pacellistraße wirklich nur aus einem bestimmten Winkel (oder aus dem Innenhof, siehe meine weiteren Fotos auf Flickr), von daher dachte man wahrscheinlich, dass es nicht unbedingt nötig ist.

    Ja, die Dreifaltigkeitskirche ist wunderschön innen, eine meiner Lieblingskirchen! Sehr schade, dass sie fast nie offen ist, nur zur Messe jeden Tag um 7 Uhr früh...

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    Karl Kraus

  • Dann wird wohl das lächerliche kleine Tischle vor den Hochaltar plaziert... Ich schätz mal, dass in 90 % der deutschen katholischen Kirchen der Hochaltar nur noch als schöne Staffage "genutzt" wird (s. Foto "der Hochaltar")... Manchmal ist das neue umrundbare Altärchen wenigstens wie hier stilistisch ein bisschen angepasst. Manchmal aber ist moderner "Kontrast" erwünscht... SEHR schöne Galerie hier! Bin gespannt auch auf die Kirchen außerhalb der Altstadt.

  • Das mit den Kirchen außerhalb der Altstadt wird noch geraume Zeit dauern... erstens sind wir mit der Altstadt noch ein bisserl beschäftigt und zweitens hab ich von den Kirchen außerhalb der Altstadt bisher nur einige wenige fotografiert. Aber irgendwann kommen wir auch dazu :)

    "In der Vergangenheit sind wir den andern Völkern weit voraus."

    Karl Kraus

  • Damenstiftkirche St. Anna

    Damenstiftstraße 1
    Filialkirche der Pfarrei St. Peter
    Erbaut 1732-35
    Typus: kreuzförmiger, leicht längsgerichteter Zentralraum mit zwei Hängekuppeln und kurzen tonnengewölbten Querarmen

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    Damenstiftkirche mit ehem. Damenstiftgebäude rechts:

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    Das Portal mit den rekonstruierten Türflügeln:

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    Baugeschichte:

    - 1690 Beginn eines Klosterneubaus für die Salesianerinnen nach Plänen von Giovanni Antonio Viscardi
    - 1732 Grundsteinlegung als Kirche der Salesianerinnen durch Kurfürst Karl Albrecht, Pläne Johann Baptist Gunetzrhainer, Bauleitung Ignaz Anton Gunetzrhainer, Stuck und Altäre Ägid Quirin Asam, Fresken Cosmas Damian Asam, Altargemälde Joesph Ruffini (Hochaltar), Balthasar August Albrecht (rechter Seitenaltar, Hochaltarauszug), Georges Desmarées (linker Seitenaltar)
    - 1733-40 Klosterbau zu Ende geführt
    - 1735 Kirchweihe
    - 1784 Verlegung der Salesianerinnen nach Indersdorf, 1785 Übergabe der Kirche an den Sankt-Anna-Damenstiftorden, Umbau des Stiftsgebäudes durch Matthias Widmann
    - 1944 Zerstörung von Kirche und Stift bis auf die Umfassungsmauern, Ausstattung größtenteils zerstört
    - 1946-52 erste Aufbauphase unter Bauleitung von Erwin Schleich: Restaurierung der Fassaden, neuer Dachstuhl und Rekonstruktion der Gewölbe in alter Form, 1948 Gründung eines Kirchenbauvereins, der sich eine originalgetreue und vollständige Rekonstruktion aus des Inneren zum Ziel setzt
    - 1952-65 Rekonstruktion des Inneren mitsamt Ausstattung; Decken- und Altarbilder von Josef Lorch und Franz Xaver Marchner in sepiafarbener, monochromer Grisaillemalerei nach Schwarzweißfotos in Ermangelung einer Farbfotodokumentation; Altäre mit Stuckmarmorsäulen von Jakob Schnitzer; Stuckfiguren von Hans Ladner und Anton Gogl; Stuckdekor von Wilhelm Maile, Hans Ladner und Anton Gogl
    - 1965 Altarweihe und offizielle Wiedereröffnung
    - bis 1980 Fortführung der Rekonstruktion der Ausstattung, u.a. Orgelempore und Seitenaltäre, 1967 Pfeilerfigur Maria unter dem Kreuz von Walter Bidlinger, 1972 Hochaltartabernakel von Josef Schnitzer, 1976 Kanzel von Anton Gogl; 1964 und 1975 Fassaden abermals restauriert, 1980 neue Torflügel
    - das ehem. Damenstift wurde, nachdem es bis auf die Fassade zerstört worden war, abgeräumt, die stehengebliebene Fassade neu hinterbaut und seitdem als Schule genützt


    Bereits im 15. Jh befand sich an dieser Stelle das Indersdorfer Klosterhaus mit einer 1440 erbauten und der hl. Anna geweihten Kapelle, bevor diese 1496 durch eine neue Kapelle (Baumeister Lukas Rottaler) ersetzt wurde. 1667 wurde diese Kapelle von den durch die Kurfürstin Henriette Adelaide nach München geholten Salesianerinnen übernommen, für die dann ab 1690 ein neues Kloster neben der Kapelle und ab 1732 eine neue Kirche anstelle der alten Annakapelle errichtet wurde. Nachdem 1783 die Salesianerinnen nach Indersdorf übersiedelt waren, wurde das Kloster dem neugegründeten Sankt-Anna-Damenstiftorden übergeben; seitdem wird die Kirche Damenstiftkirche genannt.
    Die Damenstiftkirche steht architektonisch in der Nachfolge der Dreifaltigkeitskirche, von der sie den kreuzförmigen Zentralraum übernimmt, aber im Gegensatz zu dieser zwei Kuppeln statt einer besitzt (wobei es sich hier um Flachkuppeln ohne Tambourfenster handelt): eine über dem Hauptraum, eine über dem Altarraum.
    Die Innenausstattung war ein glänzendes Beispiel der Zusammenarbeit zwischen den beiden Asam-Brüdern: Egid Quirin schuf den Stuck, die Altäre mitsamt Figuren und die Kanzel, Cosmas Damian die Deckenfresken. Norbert Lieb bezeichnete die Kirche als „einen der malerisch prunkvollsten Räume der Sakralbaukunst Münchens“, Dehio bescheinigte ihr ein „glückliches Zusammenklingen von Raum, Architekturform, Beleuchtung und Ausstattung“ und Friedrich Naab schrieb über sie: „Das Thema der Raumkunst seiner Zeit, die Verbindung von Langraum und Zentralität, verwirklicht Gunetzrhainer in der Abwandlung der Grundform des griechischen Kreuzes durch variierende Raumwiederholung. Die Einheit der Raumkomposition gewinnt er im Aneinanderfügen einfacher, klar abgegrenzter und gestalteter Teile und ihrer gleichmäßigen Verklammerung durch das konsequent durchgeführte Gliederungssystem. (…) Nachdem Viscardi in der Dreifaltigkeitskirche die Säulenwand gerüstartig zerlegt und ihre Elemente beweglich verschränkt hatte, und während Johann Michael Fischer zur gekurvten Verschleifung vielfältig sich durchdringender Grund- und Aufrißelemente gelangt, bleibt Gunetzrhainer bei der eindeutigen Raumbegrenzung durch eine kontinuierliche, kompakte Säulenwand, der Wandstruktur der Theatinerkirche. Lediglich die plastisch-schwere Materialität scheint der Wand und der Gliederung genommen, besonders deutlich im Stuckdekor; alles wirkt leichter, linearer, zu einer eleganten Klassizität entspannt.“

    Im 2. Weltkrieg wurde die Damenstiftkirche mitsamt dem Großteil ihrer Ausstattung bis auf die Umfassungsmauern zerstört (siehe Baugeschichte), danach aber auch innen fast vollständig originalgetreu rekonstruiert. Ein interessanter Aspekt dieser Rekonstruktion sind die Deckenfresken und Altarbilder: da es hiervon keine Farbdokumentationen, sondern nur Schwarzweißfotos gab, entschied man sich dafür, sie in sepiafarbener, monochromer Grisaillemalerei nachzuempfinden. Diese Entscheidung gab der Kirche einen etwas zurückhaltenderen Farbakkord, über den man sicher diskutieren kann; meiner Meinung nach ist das Ergebnis aber sehr stimmig und elegant und auf jeden Fall einer modernen freien und polychromen Neuschöpfung vorzuziehen, da auf diese Weise wenigstens der Stil, die Feingliedrigkeit und der Schwung der Asamschen Malerei beibehalten wurde.
    Die Themen der Deckenbilder sind folgende: im Hauptraum der Zug der Jungfrauen zum verklärten Lamm auf dem Berg Sion nach der Vision des Apostels Johannes, in der Altarwölbung Gottvater von Engeln umgeben und über der Orgel ein Engelskonzert. Die Themen der Altarbilder: auf dem Hochaltar die hl. Anna mit Engelschören, Auszugsbild hl. Augustinus, Seitenaltar links Mariä Heimsuchung und Seitenaltar rechts hl. Margareta Maria Alacoque.
    Eine Besonderheit der Ausstattung ist die links im Altarraum aufgestellte Abendmahlgruppe, eine lebensgroße gefasste Holzfigurengruppe aus der 1. Hälfte des 18. Jh., die das letzte Abendmahl szenisch darstellt.

    Insgesamt ist die Wiedergewinnung dieses völlig zerstörten Kirchenraumes meiner Meinung nach eine Meisterleistung, die gerade auch in den vielen Details zu überzeugen weiß und für die man dem planenden Architekten Erwin Schleich und den beteiligten Kunsthandwerkern äußerst dankbar sein muss: auch wenn diese eher kleine und in der Altstadt Münchens etwas periphere Kirche angesichts einer überwältigenden Konkurrenz an bedeutenden Kirchen nicht sonderlich wichtig erscheinen mag, so besitzt sie doch eine ganz besondere Aura. Hinzu kommt, dass sie seit vielen Jahren die Heimat von präkonziliaren, tridentinischen Messen ist, die eine treue Gefolgschaft haben und der Kirche regen Zulauf bescheren.
    Im Gegensatz zum prächtigen Interieur ist das Äußere für eine Barockkirche eher schlicht gehalten und wirkt fast schon frühklassizistisch, was aber sehr gut mit der rechts anschließenden klassizistischen Fassade des Damenstifts harmoniert.

    Leider ist die Kirche seit einiger Zeit geschlossen, da sich Stuck- und Putzteile der Decke gelöst haben und heruntergefallen sind; die Sanierung wird gerade geplant, die Dauer der Arbeiten ist noch nicht absehbar.


    Ansichten vor der Zerstörung:

    - https://www.bildindex.de/document/obj22…medium=fm615422
    - https://www.bildindex.de/document/obj22…dium=mi02244a14
    - https://www.bildindex.de/document/obj22…dium=mi07393e05
    - https://www.bildindex.de/document/obj22…medium=fm615424
    - https://www.bildindex.de/document/obj22…dium=mi07393e06

    Nach der Zerstörung:

    Blick zum Chor:

    - https://www.bildindex.de/document/obj22…medium=fm202012
    - https://www.bildindex.de/document/obj22…dium=mi02244b02

    Blick nach hinten: https://www.bildindex.de/document/obj22…medium=fm202013

    Linke Seite:

    - https://www.bildindex.de/document/obj22…medium=fm202014
    - https://www.bildindex.de/document/obj22…dium=mi02244a13

    Heute:

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    "In der Vergangenheit sind wir den andern Völkern weit voraus."

    Karl Kraus

  • Die Orgelempore:

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    Die in Sepia- und Grisaillemalerei nachempfundenen Fresken:

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    Zum Vergleich das ursprüngliche zentrale Fresko vor der Zerstörung:

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    Der linke Seitenaltar:

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    Auch die Kanzel ist völlig rekonstruiert:

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    Die beiden Kronen über den Seitenaltären:

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    Weitere Fotos der Damenstiftkirche hier: https://www.flickr.com/photos/1619455…177720313297646

    "In der Vergangenheit sind wir den andern Völkern weit voraus."

    Karl Kraus

  • Diese Entscheidung gab der Kirche einen etwas zurückhaltenderen Farbakkord, über den man sicher diskutieren kann; meiner Meinung nach ist das Ergebnis aber sehr stimmig und elegant und auf jeden Fall einer modernen freien und polychromen Neuschöpfung vorzuziehen, da auf diese Weise wenigstens der Stil, die Feingliedrigkeit und der Schwung der Asamschen Malerei beibehalten wurde.

    Dazu muss man sagen: der Raum sieht in echt besser aus als auf deinen Bildern (bitte das nicht als Kritik misszuverstehen, gewisse Dinge lassen sich halt phototechnisch nicht 100%ig wiedergeben), die sogar in einem Maße, dass dieser Reko kraft dieses gold- silbergrauen Timbres ev. sogar eine besondere Qualität zuerkennen könnte. Dennoch würde ich der Bewertung des zweiten Halbsatzes in dieser rigorosen Form ("unbedingt") nicht "unbedingt" zustimmen, denn natürlich wäre es möglich, dass der Rekonstrukteur eigene künstlerisch-ästhetische Entscheidungen getroffen und damit das Richtige getroffen hätte.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Mit dieser sepiafarbenen Grisaillemalerei wirkt der Raum doch sehr apart! Gefällt mir! Mal nicht so ein bunter "Gewölbehimmel". Sehr vornehm nun in der Wirkung. Es ergibt sich ein harmonischer Zusammenklang mit den Stuckaturen und den Vergoldungen. Es wirkt auch ruhiger, meditativer. Auf jedem Fall ein Besuchsziel für mich auf einer zukünftigen Münchentour!

    Das Foto von der Orgelempore (selbst die Orgel in historischem Gehäuse rekonstruiert!) mit dem Lichtstrahl, mystisch!

  • Ja, ich finde auch, dass sich diese Sepia- und Grautöne sehr harmonisch mit dem Gold mischen und zusammen mit den Rotakzenten der Altäre einen elegant-distinguierten Raumeindruck erzeugen, der vielleicht in der originalen Fassung gar nicht so da war, die ja durch ihre Farbigkeit wesentlich lebendiger und vielleicht "aufdringlicher" gewesen sein muss. Aber das ist natürlich pure Spekulation, weil ich das unzerstörte Innere leider nie kennengelernt habe...

    Das Wort "unbedingt" hab ich gar nicht verwendet, wo hast Du das gelesen? Was ich gemeint habe, war, dass eine freie und moderne Neuschöpfung der Fresken wie z.B. in der Bürgersaalkirche auf dieser viel größeren Fläche mit ziemlicher Sicherheit nicht so gut gelungen wäre, weil nach dem 2. Weltkrieg fast niemand mehr da war, der so etwas mit dem nötigen stilistischen Einfühlungsvermögen und dem malerischen Können hingekriegt hätte... und eine freie, neu erfundene Deckenmalerei in neobarocken Stil hätte man zwar im 19. Jh selbstverständlich gemacht (siehe z.B. das riesige Deckenfresko in der Murnauer Kirche, das 1893-95 von Waldemar Kolmsperger völlig neugeschaffen wurde), aber im 20. Jh mit seiner Hinwendung zu einer möglichst "korrekten" Denkmalpflege leider nicht mehr.

    "In der Vergangenheit sind wir den andern Völkern weit voraus."

    Karl Kraus

  • Leonhard, ich bin begeistert von Deiner Galerie hier! Ich bedanke mich ausdrücklich für die fantastische Arbeit, für die exzellente Bebilderung und die kompetenten Beschreibungen! Keine andere Galerie hat mir zuletzt mehr Freude bereitet (wobei ich nicht die Beiträge anderer schmälern will), aber ich freue mich jedes mal, wenn ein neuer Beitrag von Dir auftaucht!

    Ich muss unbedingt bald nach München, zu dem ich seit Kindheitstagen eine tiefe, auch familiäre, Verbindung habe. Es nötigt mir größten Respekt ab, wie zumindest bei den allermeisten hier gezeigten Beispielen, die Stadt den Wiederaufbau nach dem Krieg in Angriff genommen hat.

    Aber zum Schluss möchte ich mich nochmals ganz herzlichst für Deine überragende Arbeit, Leonhard, hier bedanken!

    "Mens agitat molem!" "Der Geist bewegt die Materie!"

  • Was ich gemeint habe, war, dass eine freie und moderne Neuschöpfung der Fresken wie z.B. in der Bürgersaalkirche auf dieser viel größeren Fläche mit ziemlicher Sicherheit nicht so gut gelungen wäre, weil nach dem 2. Weltkrieg fast niemand mehr da war, der so etwas mit dem nötigen stilistischen Einfühlungsvermögen und dem malerischen Können hingekriegt hätte...

    Das ist eh auch meine Frage, woher kamen die Meister, Handwerker und die Künstler für die erste Phase der Münchner Rekonstruktionen!? Ist es ein bayerischer Sonderfall, da diese Gewerke traditionell in Bayern mehr verbreitet und verwurzelt waren als anderswo in Deutschland und die bayerische Hauptstadt aufgrund eines bürgerlichen Lokalpatriotismus das künstlerische und bauhandwerkliche Können aus den ganzen Land wie magisch anzog? Es ist doch schon erstaunlich, daß es möglich war bereits Ende der 40iger und die 50iger hindurch wesentliche Wiederaufbauleistungen zu vollbringen. Es war ja auch eine finanzielle Frage! Wie wurden die vielen Aufbauprojekte finanziert? Sicher spielt auch der damals noch vitale Katholizismus eine Rolle.

    Und das, nach Deinen Darstellungen durchaus auch in hoher Qualität. Ich bin geneigt das als "Münchner Wiederaufbauwunder" zu benennen.

  • Gmünder : vielen herzlichen Dank für das Lob! Ich arbeite ja seit Jahren daran, habe immer wieder Fotos unter verschiedenen Lichtbedingungen gemacht, teilweise Termine ausgemacht, um in gewisse Kirchen reinzukommen, viel Literatur zum Thema gesammelt und gelesen; ich stecke seit Jahren viel Zeit und Herzblut in dieses Thema. Von daher freut es mich natürlich sehr, dass meine Galerie hier auf so großes Interesse stößt!

    Ich wollte ursprünglich die Kirchen nur für mich festhalten und besser kennenlernen, dabei ist mir dann aber aufgefallen, wie wenig dieser Kirchenreichtum letztendlich bekannt ist und so habe ich mich entschlossen, eine Galerie daraus zu machen. Die Geschichte der Zerstörung und des Wiederaufbaus ist dabei natürlich besonders interessant und vieles, was einem von kleinauf als selbstverständlich erscheint, lernt man erst bei näherer Betrachtung wirklich kennen und schätzen. Ich hatte aber auch als Kind einen persönlichen Bezug zu einem kleinen Teil Münchner Rekonstruktionsgeschichte: meine Familie war mit dem damaligen Pfarrer von St. Peter, dem inzwischen verstorbenen Msgr. Herbert Kuglstatter, befreundet und ich kann mich erinnern, wie er uns einmal Ende der 80er in den Alten Peter geführt, auf das damals noch weiße Gewölbe des Langhauses gezeigt und gesagt hat, dass er sich dafür einsetzen möchte, dass die Deckenbilder rekonstruiert würden. Ende der 90er Jahre war's dann soweit und heute strahlt die Kirche wieder wie früher! Das war meine erste Begegnung mit Rekonstruktion und sie hat mich bis heute nicht losgelassen :)

    "In der Vergangenheit sind wir den andern Völkern weit voraus."

    Karl Kraus

  • Der Umfang in die Qualität des Wiederaufbaus der Kirchen in München ist wirklich bemerkenswert. In Deutschland ist wohl nur der Wiederaufbau der Kirchen in Köln damit vergleichbar. Natürlich gibt es hier und da ähnliche Fälle (Frauenkirche Dresden, Skt. Peter in Mainz (Link), Clemenskirche in Münster), aber nirgendwo so viele wie in München. Ich frage mich, ob es Europaweit was ähnliches gibt? Warschau vielleicht?

    Unsere große Aufmerksamkeit für die Belange des Denkmalschutzes ist bekannt, aber weder ökonomisch noch kulturhistorisch lässt es sich vertreten, aus jedem alten Gebäude ein Museum zu machen. E. Honecker

  • Das ist eh auch meine Frage, woher kamen die Meister, Handwerker und die Künstler für die erste Phase der Münchner Rekonstruktionen!? Ist es ein bayerischer Sonderfall, da diese Gewerke traditionell in Bayern mehr verbreitet und verwurzelt waren als anderswo in Deutschland und die bayerische Hauptstadt aufgrund eines bürgerlichen Lokalpatriotismus das künstlerische und bauhandwerkliche Können aus den ganzen Land wie magisch anzog? Es ist doch schon erstaunlich, daß es möglich war bereits Ende der 40iger und die 50iger hindurch wesentliche Wiederaufbauleistungen zu vollbringen. Es war ja auch eine finanzielle Frage! Wie wurden die vielen Aufbauprojekte finanziert? Sicher spielt auch der damals noch vitale Katholizismus eine Rolle.

    Und das, nach Deinen Darstellungen durchaus auch in hoher Qualität. Ich bin geneigt das als "Münchner Wiederaufbauwunder" zu benennen.

    Das sind sehr interessante Fragen, die meines Wissens noch nicht in ihrem Gesamtzusammenhang aufgearbeitet wurden. Das wäre mal eine schöne Aufgabe für einen Kunsthistoriker :)

    Auf jeden Fall war, wie Du richtig sagst, der damals gerade in Bayern noch sehr vitale Katholizismus eine der Hauptantriebsfedern, weil dieser einen Großteil der Bevölkerung einte und Glaubensdingen einen Vorrang einräumte. Dazu kam eine gewisse Sehnsucht nach dem alten München, das vor allem vor dem 1. Weltkrieg für Gemütlichkeit, Heiterkeit und ausgelassene Feste stand (dem sogenannten "lieben München") und zu dem man nach der Katastrophe des Nationalsozialismus irgendwie zurückkehren wollte. Dann gesellte sich aber noch der Gedanke des Tourismus hinzu, den der Stadtbaurat Meitinger bereits 1946 in seiner Wiederaufbauschrift "Das Neue München" formuliert hatte: trotz der verheerenden Zerstörungen hatte man vor, die Stadt wieder zu einer Fremdenverkehrsstadt zu machen und dazu gehörten natürlich vor allem die Monumente und Kirchen.

    Was die Kunsthandwerker betrifft, so gab es tatsächlich in Bayern und Tirol eine ungebrochene Tradition der Holzschnitzerei, vor allem im sakralen Bereich, z.B. in Oberammergau und in Südtirol, mit dem von jeher enge Beziehungen bestanden. Auch die Stuckateurskunst war noch einigermaßen verbreitet, wahrscheinlich noch aus der Gründer- und Jugendstilzeit. Am wenigsten bewahrt war die traditionelle Malerei, aber es fand sich schließlich in Karl Manninger ein Freskomaler, der sich in die alten Techniken hineinarbeitete und im Laufe der Jahrzehnte zusammen mit seinem Schüler Hermenegild Peiker viele Kirchen und Schlösser wieder mit Deckengemälden ausstattete (neben München z.B. auch in Bruchsal).

    Und dann gab's natürlich durch die frühe Wiederherstellung von St. Peter und nicht zu vergessen die gleichzeitig stattfindende, rasant fortschreitende Rekonstruktion der Münchner Residenz auch einen gewissen Optimismus für die Möglichkeit der Wiedergewinnung verlorener Bauwerke.

    Wie das Ganze finanziert wurde, müsste man im Einzelnen untersuchen; es waren aber wohl schon viele Privatfinanzierungen dabei.

    "In der Vergangenheit sind wir den andern Völkern weit voraus."

    Karl Kraus