Posts by Gartenfreund

    Grauenhaft, Augenkrebs provozierend... Ich fürchte, viele Einwohner sind noch stolz darauf, dass es mitten in ihrem Städtle jetzt auch mal ein par "moderne" Bauten gibt, so schön glatt - und auch noch als neue "Giebelhäuser" an die Umgebung doch angepasst. Und dann noch die schönen bodentiefen Fenster - die Räume dahinter "lichtdurchflutet"...Da wird´s sicher noch einige "Nachfolger" geben... Genug leer stehende Häuser gibt´s doch in Ehingen. Da wird wohl manche Sanierung ganz "unzumutbar" sein...

    Anhalter: Ich gebe zu, bei dem von Ihnen zitierten Satz musste ich auch erst mal schlucken. Natürlich: da steht immerhin "aus architektonischer Sicht" - aber trotzdem... Ich schlage vor: wir verzeihen die etwas verrutschte und sicher nicht zynisch gemeinte Formulierung. Zum Thema "Geringschätzung des Historismus". Es ist halt so, dass die Wertschätzung bestimmter Stile geschichtlich gesehen sich immer geändert hat. Ich bedauere z.B., dass viele innen barockisierte Kirchen im 19. Jhdt. regotisiert wurden, aber bei der Wertschätzung bestimmter Architekturstile ist halt immer auch viel Subjektivität und Zeitgeschmack ausschlaggebend. Wenn ich z.B. das zweite Gebäude von rechts auf dem Foto der Breiten Straße ansehe - das wurde früher als "Zippel-Zappel-Stil" verhöhnt, andere würden´s als schlicht skurril bewerten, heute wär´s angesichts der baulichen Ödnis um uns herum unbedingt erhaltenswert... Als die evangelische Kirche ( erbaut ca. 1850) in meinem Heimatdorf in den Sechziger Jahren purifiziert wurde, fand ich das damals ganz in Ordnung. Wenn ich heute alte Fotos anschaue, denke ich ganz anders darüber...

    "Anti-Abriss-Allianz" - klingt zunächst irgendwie gut, aber ob wir das hier "schon lange fordern"? Ich meine, das sollte man schon genau angucken. Wie hätte diese "Allianz" wohl regiert, als es z.B. darum ging, den in einigen Augen ganz wunderbaren "Palast der Republik" abzureißen. Ich wäre auch durchaus nicht degegen. das Potsdamer Rechenzentrum "zurückzubauen" :smile:

    @Manuuu/ Filmchenbeitrag

    Unerträgliche Architektensprachsülze - da "schmiegt sich" angeblich was "an"... Klassisches Beispiel dafür, wie Architekten ihr Machwerk anpreisen. Eigentlich fast schon Satire!

    tegula: "Ich frage mich, welche Botschaft man damit aussenden wollte." Die großen, z.T. prächtigen Synagogen Deutschlands wurden ja überwiegend im deutschen Kaiserreich errichtet, einer Zeit z.T. des erstarkenden Antismitismus`, aber auch eines aufstrebenden bürgerlich liberalen Judentums, das Deutschtum und Judentum verbinden wollte. Typisch hierfür 1893 die Gründung des "Centralvereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens", der nur Juden deutscher Staatsangehörigkeit aufnahm (später verspottet - ich glaube von Tucholsky - als "Centralverein jüdischer Staatsbürger deutschen Glaubens"!). Natürlich war dieses bürgerlich liberale Judentum Träger und Geldgeber der großen Synagogen (oft von nichtjüdischen Architekten entworfen). Logischerweise orientierte man sich dann stilistisch zeitgemäß - ich formulier´s mal so: am stilistischen Angebot der Kaiserzeit!

    tegula: "...frage ich mich, was eine jüdische Gemeinde geritten hat, ihre Synagoge in Anlehnung an eine frühchristliche Basilika zu errichten. Das will inhaltlich so gar nicht passen..."

    Die Frage kann man vielleicht stellen - aber doch nicht nicht derart scharf formuliert! Wie nur konnten sich die Christen ihre Gotteshäuser in Anlehnung eben gerade an die heidnisch-römischen Basiliken errichten? Was hat die Christen da "geritten"? Was hat denn die christlichen Römer "geritten", das heidnische Pantheon einfach als Kirche weiter zu benutzen? Was hat denn die Franzosen "geritten", eine Madeleine-Kirche wie einen griechischen Tempel zu bauen? Die jüdischen Gemeinden in Deutschland haben sich halt sehr oft an der Architektur orientiert, die sie in Deutschland vorfanden. Wenn sie irgendwie "orientalisch" bauten (in Ulm z.B.), wurde ihnen das prompt von ihrer christlichern Umgebung als fremd, exotisch, eben undeutsch vorgeworfen. "Wie man´s macht, ist´s falsch"... Die konnten´s einfach nicht richtig machen...

    Angesichts der z.T. grauslichen anderen Entwürfen ist in meinen Augen der "Sieger" immer noch mit Abstand der azeptabelste.

    Das ist doch mal hocherfreulich, dass der Verein Stadtbild Deutschland medial gehört wird und - vielleicht - auf diesem Weg sogar auch was erreichen kann! Vielleicht könnten auf diesem Hintergrund manche unnötigen Kabbeleien hier etwas abflauen...

    buarque Freundliche Zustimmung - mit Einschränkungen. Wer nur die Innenstadt besucht, kann - natürlich mit Ausnahme des Schlossplatzes - einen eher gemischten Eindruck bekommen. Zu Stuttgart gehören natürlich auch die Vororte und die immer noch schöne Hangbebauung. Dass die Gründerzeitviertel "mäßig erhalten" wären, kann ich so nicht bestätigen. Im Gegensatz zu Berlin, München usw. sind die Gründerzeitfassaden nicht stuckiert, sondern meistens in Sandstein errichtet und im Stuttgarter Westen und Süden noch umfangreich erhalten und nicht "entstuckt". Vielleicht war Stuttgart vor hundert Jahren "spießig" - "was immer das heißen soll" (Prinz Charles) - wer das heute so formuliert, plappert´s halt anderen nach. Vorurteile haben oft ein sehr langes Leben (vor allem in beschränkten Köpfen...).

    Frank-W: "Stuttgart ist ja hier bei uns - zumindest in meinem Bekanntenkreis - das Sinnbild für spießige Mittelmäßigkeit"

    Na ja - einer schreibt´s vom andern ab (vor allem wenn er noch nie dort war). Ich hab sowas noch nie verstanden - sonst müsste ich hier mit dem ersten (und schönsten) Fernsehturm der Welt anfangen - und dazu hab´ ich keine Lust. Möge jeder seine Vorurteile eifrig weiter pflegen.

    Oh wären doch mehr solche harmonischen 50er-Jahre-Bauten errichtet worden bzw. noch erhalten...

    Die geplante Neubebauung wirkt wie mit einer gigantischen Pumpe fast bis zum Platzen aufgeblasen, das verbliebene Restportal wie das Feigenblättchen des schlechten Gewissens. Ganz elende Entwicklung - und das in einer Stadt, die (zurecht!) stolz ist auf den wieder errichteten Altstadtrest!

    "Beim Wiederaufbau der Kirchen wirkte dieser Stolz aber noch." Na ja - der erfolgte doch wohl in den 50er Jahren und bezog sich ja bei weitem nicht auf viele andere aufbaufähige Kirchen, die halt nicht im damals hochgeschätzten romanischen Stil erbaut waren. Wenn man sich das Postkartenfoto mit den fünf kleinen Häuschen ansieht, dem armseligen Restchen einer früheren Bebauung, ist schwer zu begreifen, dass der "Stararchitekt" Böhm sich ausgerechnet diesen Auftrag krallen muss. Der kann sich doch anderswo austoben...

    Das, was Sie hier schreiben, ist sicher alles richtig. Ich bin allerdings nicht ganz sicher, ob neben ästhetischen Gründen nicht auch der angestrebte Brandschutz hier eine Rolle spielte. Es war wohl nicht nur der Geschmack des Hausbesitzers, der den Ausschlag zur Verputzung gab, sondern in vielen Fällen auch der Befehl "von oben". Ob die Verputzung Brände wesentlich verhinderte, weiß ich nicht. Die Frage, die hier diskutiert wird, ist doch in erster Lnie die, ob man das heutige meist vorhandenen weißen Fensterholz noch "passend" finden soll. "Ahistorisch" ist doch vieles, was wir heute schätzen. Die nachträgliche Barockisierung einer gotischen Kirche würden wir heute doch nicht mehr wie im 19. Jhdt. purifizieren. In ästhetischer Hinsicht gibt es sicher auch eine Art Gewöhnungseffekt.

    Klingt schon "irgendwie" logisch - aber eben "irgendwie". Die Freilegung des Fachwerks erfolgte ja schon länger - zu einem erheblichen Teil schon vor WK II, d.h. mehrere Generationen haben sich an den "normalen" Anblick: Fachwerk/ weiße Fensterrahmen gewöhnt. Ich meine, in vielen Altstädten mit Fachwerk sind so gut wie alle Fensterrahmen weiß lackiert - mich hat das ehrlich gesagt noch nie gestört. Großglotzscheiben in einem schönen Fachwerkhaus sind da schon ein völlig anderes Kaliber.

    "Ehrlich gesagt ist das Graffiti der einzige Blickfang an dem Gebäude, einem typischen Vertreter der NDT ("Neue deutsche Trostlosigkeit"). Ich heiße solche Beschädigung von Eigentum deswegen natürlich noch lange nicht gut, aber es entbehrt nicht einer gewissen Ironie."


    Volle Zustimmung. Aber bitte: G r a f f i t o (Singular!)

    Hier in Stuttgart sind die Sprayer auch aktiv - das Problem hier ist noch gravierender dadurch dass hier viele Gründerzeitbauten keine Stuckfassaden, sondern echte Sandsteinfassaden haben, auf denen gesprayte Farben natürlich noch mehr anrichten. Hier konnte ich folgendes beobachten: an der Ecke eines schön restaurierten Gründezeithauses, an dem ich oft vorbeifahre, hatte sich ein Sprayer betätigt. Ganz kurze Zeit später wurde der Schaden überstrichen. Dann ging´s wieder weiter: Sprayer/ Überstreichung usw. Irgendwann gab der Sprayer auf. Ich als Hausbesitzer würde sofort reagieren - irgendwann hört´s dann doch auf. Ich wundere mich schon, wie lange die Sprayer ihre "Kunstwerke" bewundern dürfen.

    Gründe gibt es für sowas immer. Was heißt "verständlich"? "Verständlich" muss ja nicht heißen "akzeptierbar" für alle. Auf jeden Fall ist die Purifizierung des Raumes und die Möblierung in Form eines Stuhlkreises eine zunächst optisch drastische Abkehr von der Tradition. Es ist bereits ein Unterschied, ob der Priester wie früher gemeinsam mit der Gemeinde nach Osten betet oder ob er hinter dem neu aufgestellten Klein-Altar stehend seine Schäfchen die ganze Zeit anguckt, wie es heute schon der katholische Normalfall Ist (der lutherische durchaus nicht überall). Wie er das hier allerdings macht, ob er sich im Stuhlkreiszentrum langsam um sich selber dreht, weiß ich nicht... Natürlich hat das auch tiefere theologische Gründe, die Seinsheim bereits dargelegt hat. Die kann man akzeptieren - oder auch nicht. Mir soll´s hier eher um die Ästhetik gehen. Da ist die Schließung des Riesenlochs schon ein Gewinn. Die kalt-geschleckt sterile Atmosphäre wäre sicher milder, wenn man bei dieser Gelegenheit wenigstens die korinthischen Säulenkapitelel wieder hergestellt hätte. Für mich jedenfalls ist sicher: dem großen Friedrich hätte "seine" Kirche in dieser Form nicht gefallen! Und an den hätte man ja nebenbei ruhig auch ein bisschen denken können...

    Als nur gelegentlicher Besucher hier bin ich etwas erstaunt über die aktuelle Diskussion im Zshg. "Hedwigskathedrale". Mein Lieblingszitat aus der Luther-Bibel: "In meines Vaters Hause sind viele Wohnungen..." lässt diese Schärfe hier eigentlich nicht zu. Ich glaube, wer etwas gelassener an die Dinge herangeht, kann weder die 200jährige Kirchengeschichte unrealistisch verklären ("mystische Verbindung über Zeit und Raum hinweg"), noch die extreme Purifizierung der Hedwigskirche bejubeln. Jetzt haben wir halt das Berliner Ergebnis: einen protestantisch-prunkvollen "Dom" mit gar nicht so dürrer Liturgie und eine blendend-weiß- sterile "Kathedrale", die natürlich eher ans Pantheon in Rom erinnert als an eine Kirche. Stilistisch passt dieses von einem schwul-atheistischen Aufklärer gestiftete Bauwerk nicht gerade zur Erzeugung der von Seinsheim bewunderten "unio mystica" über Zeit und Raum hinweg. Als Bischofskathedrale war er ja nie vorgesehen. MIr allerdings ganz unverständlich, warum man nicht wenigstens die korinthischen Säulen wieder hergestellt hat.