München - die Kirchen (Galerie)

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    Jesuitenkirche St. Michael, erbaut 1583-97

    Die Kirchen Münchens

    Neben den Schlösserkomplexen Residenz, Nymphenburg und Schleißheim sind es sicher die zahlreichen Kirchen, die den größten architektonischen Reichtum Münchens ausmachen: München besitzt eine Kirchenlandschaft, die an Umfang, stilistischer Vielfalt und künstlerischer Qualität im deutschsprachigen Raum wohl nur noch durch Wien übertroffen wird.

    Ich möchte in diesem Faden im Laufe der Zeit die wichtigsten historischen Kirchen Münchens vorstellen; ich bin seit Jahren damit beschäftigt, alle alten Kirchen und Sakralräume der Stadt umfassend fotografisch zu dokumentieren und ausführliche Informationen zu ihrer Baugeschichte und ihrer kunsthistorischen Einordnung zu sammeln. Der von mir abgedeckte Zeitraum geht dabei von der Spätgotik bis zum 1. Weltkrieg: auf der einen Seite fallen aufgrund des relativ jungen Alters der Stadt München (erste urkundliche Erwähnung 1158) frühere Baustile wie die Romanik praktisch aus und der uns überlieferte Bestand beginnt mit der Spätgotik, auf der anderen Seite interessieren mich die Kirchenbauten nach dem 1. Weltkrieg aus ästhetischen Gründen nur sehr wenig (wobei auch festzustellen ist, dass nach dem 1. Weltkrieg im Grunde nichts mehr gebaut wurde, was an Anspruch und Bedeutung den großen Kirchenbauten vor 1914 gleichkäme). Der Höhepunkt dieser jahrhundertelangen Entwicklung des Münchner Kirchenbaus wird sicherlich in der Renaissance und dem Barock erreicht, weswegen den Kirchen dieser Epochen am meisten Aufmerksamkeit geschenkt werden soll. Ich beginne mit sämtlichen Kirchen der Altstadt (in chronologischer Reihenfolge) und werde dann im weiteren Verlauf die wichtigsten Kirchen der Vorstädte präsentieren. Mit inbegriffen sind die (wenigen) profanierten Kirchen und Kapellen.
    Es war alleine ein riesiges Unterfangen, alle 20 Kirchen der Altstadt ausführlich zu fotografieren: es haben sich sehr viele Fotos angesammelt, die ich nicht alle hier einstellen kann, weswegen ich nur einige wenige direkt in die Beiträge einbinden, den großen Rest aber in meinem Flickr-Account präsentieren werde, so dass man sich dort bei Interesse ein umfassendes Bild der jeweiligen Kirche machen kann (und die Fotos auch in größerer Auflösung betrachten kann). Dazu werde ich, soweit bekannt, eine ausführliche Baugeschichte und einige kunsthistorische Einschätzungen anfügen; die Informationen hierzu stammen ausnahmslos aus der Fachliteratur und sind nicht etwa aus Wikipedia abgeschrieben, ich habe sie nach bestem Wissen und Gewissen zusammengetragen. Da dies natürlich trotzdem keine wissenschaftliche Abhandlung ist, erlaube ich mir darüber hinaus auch persönlich-subjektive Eindrücke einzuflechten.
    Die Fotos stammen aus den Jahren seit 2018 und bilden den heutigen Zustand ab, der nach vielen Jahrzehnten des Wiederaufbaus der im 2. Weltkrieg größtenteils stark beschädigten bis zerstörten Kirchen wieder erreicht wurde; dieser Aspekt des Wiederaufbaus soll, den Interessen dieses Forums gemäß, in den Beiträgen zu den einzelnen Kirchen dann auch ausreichend beleuchtet werden. Die meisten Kirchen sind darüber hinaus sehr gut restauriert und befinden sich somit in einem Zustand, der sich für ein Resümee anbietet; inwiefern dieser gute Zustand bei der momentanen Entwicklung der Gesellschaft, die sich immer mehr vom christlichen Glauben abwendet, aufrecht erhalten werden kann, bleibt abzuwarten. Auch dies war und ist für mich ein Grund, die Münchner Kirchen ausführlich fotografisch zu dokumentieren - ich bin leider eher skeptisch, ob in Zukunft noch, wie bisher selbstverständlich geschehen, in allen Fällen die nötigen Gelder für Restaurierungen bereitgestellt werden. Auf keinen Fall glaube ich, dass eine so umfangreiche und über viele Jahrzehnte sich hinziehende exakte Rekonstruktion verlorener Kirchenräume, wie in München nach dem Krieg oftmals durchgeführt, heute noch einmal in Angriff genommen würde. Es gab nach dem Krieg in München noch eine breite gläubige Gesellschaftsschicht, die der Motor für diese unglaubliche Wiederaufbauleistung war und die heute leider größtenteils verschwunden ist; außerdem war die Bevölkerung zu einem guten Teil noch wirklich in der Kultur der Stadt verwurzelt, während heute die meisten zugereist sind und im Grunde mit der Stadt, ihrer Kultur und Geschichte nichts zu tun haben.
    Sei es wie es sei, die Wiederherstellung der vielen Kirchen war sicherlich neben derjenigen der Residenz die größte Wiederaufbauleistung in München und dürfte auch deutschlandweit mit an der Spitze stehen, vor allem was die Wiedergewinnung der Innenräume betrifft. Man kann hier letztendlich von zwei Verdiensten sprechen: einerseits der Kulturleistung, die Kirchen ursprünglich gebaut zu haben, andererseits der Wiederaufbauleistung, diese Kirchen nach den verheerenden Zerstörungen des 2. Weltkriegs größtenteils in altem Glanz wiedererstehen zu lassen.


    Inhaltsverzeichnis:

    1. Geschichtlicher Überblick

    Kirchen der Altstadt:

    2. St. Peter („Alter Peter“), gotisch, barockisiert
    3. Heiliggeistkirche, gotisch, barockisiert
    4. Münchner Dom Zu Unserer Lieben Frau („Frauenkirche“), spätgotisch
    5. Augustinerkirche St. Johannes der Täufer und St. Johannes Evangelist, gotisch, barockisiert, profaniert
    6. Allerheiligenkirche am Kreuz („Kreuzkirche“), spätgotisch, barockisiert
    7. Salvatorkirche, spätgotisch, inzwischen griechisch-orthodox
    8. Jesuitenkirche St. Michael, Renaissance
    9. Hofkapelle Residenz, Renaissance
    10. Reiche Kapelle Residenz, Renaissance
    11. Karmelitenkirche St. Nikolaus, Frühbarock, klassizistisch umgestaltet, profaniert
    12. Theatinerkirche St. Kajetan, Hochbarock
    13. St. Stephan, Spätrenaissance/Frühbarock
    14. Bürgersaalkirche, Barock
    15. Dreifaltigkeitskirche, Spätbarock
    16. Damenstiftkirche, Spätbarock
    17. St. Johann Nepomuk („Asamkirche“), Spätbarock
    18. Allerheiligen-Hofkirche, neobyzantinisch, profaniert
    19. St. Willibrord, neugotisch, alt-katholisch
    20. Herzogspitalkirche, Nachkriegsmoderne (ursprünglich Renaissance)
    21. St. Jakob am Anger, Nachkriegsmoderne (ursprünglich romanisch, dann gotisch, dann barockisiert)

    Einige abgegangene Kirchen der Altstadt:

    22. Josephspitalkirche, Barock, im 2. Weltkrieg zerstört
    23. Kapelle des Instituts der Englischen Fräulein, Barock, im 2. Weltkrieg zerstört
    24. St. Lorenz am Alten Hof, gotisch, 1816 abgebrochen
    25. Franziskanerkirche, gotisch, später im Renaissancestil umgestaltet, 1802/03 abgebrochen

    Kirchen der Vorstädte:

    26. Klosterkirche St. Anna im Lehel, spätbarock
    27. Pfarrkirche St. Anna im Lehel, neoromanisch
    26. Spitalkirche St. Elisabeth (Ludwigsvorstadt), spätbarock


    Übersichtskarte der Kirchen in der Altstadt:

    Altstadt-Plan.jpeg(Daten von OpenStreetMap - Veröffentlicht unter ODbL)


    Bevor wir zu den einzelnen Kirchenporträts kommen, sehen wir uns als kleine Vorschau ein paar Fotos einiger Münchner Kirchen an und verschaffen uns dann eine allgemeine Übersicht über die geschichtliche Entwicklung des Kirchenbaus in München.

    "In der Vergangenheit sind wir den andern Völkern weit voraus."

    Karl Kraus

  • Eine Auswahl von Innenansichten Münchner Kirchen

    St. Peter, erbaut 1329-86, barockisiert im 17. und 18. Jh:

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    Münchner Dom Zu Unserer Lieben Frau "Frauenkirche“, erbaut 1468-94:

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    Heiliggeistkirche, erbaut 1327-92, barockisiert im 18. Jh:

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    Damenstiftkirche St. Anna, erbaut 1732-35:

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    Dreifaltigkeitskirche, erbaut 1711-18:

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    St. Johann Nepomuk "Asamkirche", erbaut 1733-46:

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    Reiche Kapelle Residenz, erbaut ca. 1600-07:

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    Salvatorkirche, erbaut 1493-99:

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    Theatinerkirche St. Kajetan, erbaut 1663-92:

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    St. Anna im Lehel, erbaut 1727-39:

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    Ludwigskirche, erbaut 1829-44:

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    "In der Vergangenheit sind wir den andern Völkern weit voraus."

    Karl Kraus

  • Geschichtlicher Überblick

    Anmerkungen: die folgende Übersicht müsste, wenn ich nichts übersehen habe, alle bekannten Kirchenbauten auf dem heutigen Stadtgebiet Münchens von Anbeginn bis zum 2. Weltkrieg enthalten. Bei Jahreszahlen ohne weitere Angaben handelt es sich um den jeweiligen Baubeginn.

    - Die erste Pfarrkirche Münchens war St. Peter (1181 Grundsteinlegung, 1190 Weihe), dann kam die Spitalkirche Heiliggeist (1208 Gründung eines Pilgerhauses mit einer Katharinenkapelle, 1250 Vergrößerung von Spital und Kirche, 1327 Neubau nach Stadtbrand), darauf die Frauenkirche (um 1230 Baubeginn der romanischen Frauenkirche als zweiter Pfarrkirche der Stadt nach St. Peter, 1271 Weihe; ab 1468 spätgotischer Neubau anstelle des romanischen Baus, 1494 Weihe).

    - In der ab 1250 gebauten Kirche St. Jakob am Anger waren bis zur Zerstörung im 2. Weltkrieg noch Reste einer romanischen Kapelle vorhanden, ansonsten gab und gibt es keine romanischen Überreste in der Altstadt Münchens mehr. Auf dem heutigen Stadtgebiet dürfte die alte Pfarrkirche St. Martin in Moosach die älteste Kirche sein, sie ist im 12. Jh entstanden, ihre Grundmauern und Teile der Apsis sind noch romanisch.

    - Die zwei Pfarreien St. Peter und Zu Unserer Lieben Frau teilen sich seit alter Zeit die Stadt auf: alles nördlich der Achse Neuhauser Straße, Kaufinger Straße, Marienplatz, Tal gehört zur Frauenkirche, alles südlich davon zu St. Peter; diese Aufteilung besteht bis heute. Beide Kirchen sind gemäß altem bayerischen Stadtwesen von der Hauptachse abgerückt. St. Peter war eher bürgerlich geprägt, die Frauenkirche bekam durch die Anlage einer Fürstengruft durch Ludwig den Bayern den Vorrang.

    - Die Heiliggeistkirche ist das erste Beispiel einer oberbayerischen Wandpfeilerkirche; spätere Beispiele sind Polling, Andechs und die spägotische Münchner Frauenkirche. Die Frauenkirche übernimmt von Heiliggeist das dreischiffige System mit Chorumgang und steigert es zu monumentaler Größe. Charakteristiken sind das Durchflutetsein mit Licht sowie die Einheitlichkeit und Einfachheit der Gestaltung. Die charakteristischen Kuppeln, die sogenannten “welschen Hauben”, kommen erst 1524, nachdem man 1492 den Bau ansonsten abgeschlossen hatte.

    - Durch die Verbindung von Ordensansiedlungen und Fürstentum kommt es immer wieder zum Bau von Kirchen, erste Beispiele hiervon sind die Franziskanerkirche und die Augustinerkirche: 1284 Franziskanerkirche St. Antonius am späteren Max-Joseph-Platz (1802 Abbruch), um 1294 Augustinerkirche St. Johann Baptist und Evangelist, im 14. Jh Kirche des Püttrich-Regelhauses St. Christophorus Ecke Residenz-/Perusastraße (1806 Abbruch)

    - Die erste wirkliche Hofkirche Münchens ist St. Lorenz am Alten Hof (erbaut 1319-24), die, längst schon funktionslos geworden, 1816 abgebrochen wird.

    - Weitere Kirchenbauten von Ende des 13. bis Mitte des 15. Jhs: Wieskapelle St. Salvator am Petersbergl (1880 Abbruch), Nikolauskapelle am Petersbergl (1807 profaniert und überbaut, 1898 entfernt), St. Nikolaus in Englschalking, St. Johann Baptist in Johanneskirchen, St. Martin in Riem, Heilig Kreuz in Fröttmaning, St. Nikolaus in Freimann, Kirche des Ridler-Regelhauses St. Johann Baptist und Evangelist am Max-Joseph-Platz (1803 Abbruch), St. Maria in Ramersdorf, Mariae Himmelfahrt in Thalkirchen, Heilig Kreuz in Forstenried, St. Georg in Obermenzing, St. Johann Baptist in Solln, Gruft- oder Neu-Stiftkirche “Unsere Liebe Frau in der Gruft” in der Gruftstraße (heute Marienhof; 1806 profaniert, 1944 zerstört).

    - Ende des 15. Jhs Bau der beiden Friedhofskirchen in der Altstadt: Allerheiligenkirche am Kreuz (1478, zu St. Peter gehörig) und St. Salvator (1493, zur Frauenkirche gehörig). Die beiden Friedhofskirchen beziehen sich aufeinander; der aus Niederbayern stammende Architekt von St. Salvator, Lukas Rottaler, bringt den lebhaft-grazilen Stil der Landshuter spätgotischen Schule nach München, der einen Gegenakzent setzt zum oberbayerisch-gewichtigeren, rustikaleren Stil von Frauenkirche und Allerheiligen am Kreuz.

    - Weitere spätgotische Kirchenbauten ab Mitte des 15. Jhs: St. Quirin in Aubing, St. Wolfgang in Pipping, Kirche des Leprosenhauses St. Nikolaus in Schwabing, Schlosskapelle Blutenburg, St. Martin in Untermenzing, St. Georg in Milbertshofen, St. Stephan in Baumkirchen, St. Philippus und Jakobus in Daglfing, Heilig Kreuz in Freiham, St. Nikolai am Gasteig, St. Peter in Großhadern, St. Michael in Lochhausen, Maria Trost (Winthirkirche) in Neuhausen, Mariae Geburt in Pasing, St. Sylvester in Schwabing, Kapelle des Benediktinerstiftes Ebersberg St. Sebastian am Anger (1814 abgebrochen).

    - Im 16. Jh kommt es zu einem Stillstand im Kirchenbau: einerseits waren die dringendsten Aufgaben erfüllt, andererseits war durch den Konfessionsstreit eine große Unsicherheit entstanden. Nur drei Kirchen aus der zweiten Hälfte des 16. Jhs sind zu vermerken: die Herzogspitalkirche von 1555, die zwar noch spätgotische Reminiszenzen aufweist, aber schon der Renaissance zugehört (im 2. Weltkrieg zerstört), die Hofkapelle St. Georg in der Neuveste von 1559 (1750 beim großen Residenzbrand vernichtet) und die Friedhofskapelle St. Salvator vor dem Sendlinger Tor von 1576 (1638 abgebrochen).
    München und das Herzogtum Baiern bleiben katholisch und werden auf Betreiben der Wittelsbacher Herrscher zur wichtigsten Bastion der Gegenreformation, protestantische Sympathisanten werden streng verfolgt und des Landes verwiesen.

    - 1583 dann der Baubeginn der Jesuitenkirche St. Michael, dem wichtigsten Kirchenbau des späten 16. Jh und der Renaissance in ganz Deutschland. Die Michaelskirche ist kirchlich-staatliche Triumpharchitektur der Gegenreformation, einendes Symbol des katholischen Glaubens, eine Wandpfeilerkirche mit riesigem Tonnengewölbe, die immer wieder als Vorbild für den Kirchenbau in Süddeutschland diente. Sie ist die Verbindung von Fürstentum und religiösem Bekenntnis, welche Bayern mehrere Jahrhunderte zutiefst prägen sollte. Zusammen mit dem benachbarten Jesuitenkolleg ist sie ein Beispiel für den aus Rom importierten Kirchen-Palastbau der Renaissancezeit - eine geistlich-geistige Residenz.

    - In den Jahren danach weitere Renaissance-Kirchen und Kapellen: 1588 Wartenbergische Kapelle St. Sebastian im Rosental (1807 Abbruch), 1592 Heilig-Kreuz-Kapelle auf dem Friedhof vor dem Sendlinger Tor (1830 Abbruch), 1593 Hofkapelle der Wilhelminischen Veste (spätere Herzog-Max-Burg) Maria Immaculata (1944 zerstört), um 1600 die beiden Kapellen in der Residenz: Hofkapelle und Reiche Kapelle, 1601 Kapuzinerklosterkirche St. Franciscus Seraphicus am heutigen Lenbachplatz (1802 Abbruch), 1603 Spitalkirche St. Rochus in der Rochusgasse (Abbruch Anfang des 19. Jhs), 1623 Paulaner-Klosterkirche St. Karl Borromäus in der Au (1902 Abbruch), 1629 Wallfahrtskirche Mariahilf in der Au (nach Vollendung der neuen Mariahilferkirche 1839 abbgebrochen), 1645 Kapelle des Gregoriushauses St. Maria und Gregorius in der Neuhauser Straße (1806 Abbruch), 1660 St. Nikolai am Gasteig.

    - Die 1657-60 erbaute Karmeliterkirche St. Nikolaus leitet den Übergang zum Barock ein. Mit dem Bau der Theatinerkirche 1663-1692 wird dann die volle Ausbildungsstufe des Barock erreicht: nach dem Salzburger Dom ist sie die zweite überkuppelte Saalkirche mit Abseiten auf kreuzförmigem Grundriss auf deutschem Boden. Außerdem ist sie das erste Beispiel der italienischen plastischen Stuckkunst in Altbayern, die begeisterte Nachfolge finden wird.

    - Zwischen dem Bau der Theatinerkirche 1663 und dem von St. Georg in Bogenhausen 1766 erstreckt sich das große barocke Zeitalter der Kirchenkunst in München: charakteristisch sind die Einheit aller Stände in Stadt und Umland bis hinein in die Bräuche des kirchlichen Jahresablaufs, ein großer Optimismus im Glauben und die Begründung von starken Traditionen in der Ausstattung der Kirchen, in Altarbau, Deckenmalerei, Stuckaturen und Skulptur. Zu Beginn des 18. Jhs werden die italienischen und Graubündner Künstler durch reif gewordene einheimische Kräfte abgelöst und der italienische Barock in eine eigenständige, dekorativere und freie Form, in ein bewegtes und farbiges Raumbild umgewandelt.
    Die barocken Kirchenneubauten in München zu dieser Zeit:
    - 1663 Theatinerkirche
    - 1665 Kapelle St. Joseph im Appartement der Kurfürstin Henriette Adelaide in der Residenz (1944 zerstört)
    - 1669 Kapelle St. Katharina in der Residenz (1750 beim Residenzbrand zerstört)
    - 1674 Friedhofskirche St. Stephan
    - 1680 St. Lorenz in Oberföhring
    - 1682 Josephspitalkirche (1944 zerstört)
    - 1691 Kapelle des Instituts der Englischen Fräulein Maria Immaculata an der Weinstraße; in der 1692 geweihten Kapelle findet sich das erste Werk sakraler Deckenfreskomalerei im Münchner Barock durch Hans Georg Asam, dem Vater der Brüder Asam (1944 zerstört).
    - 1701 Kapelle des Benediktinerinnenklosters am Lilienberg Maria Immaculata in der Au (nach 1803 abgebrochen)
    - 1702 Schmerzhafte Kapelle an der Kapuzinerstraße
    - 1704 Kapelle des Paulanerinnenklosters im Lilienthal Maria Immaculata in der Au (nach 1802 abgebrochen)
    - 1708 St. Peter und Paul in Allach
    - 1709 Bürgersaalkirche
    - 1711 Dreifaltigkeitskirche
    - 1711 St. Margaret in Sendling
    - 1714 Hofkapelle St. Magdalena im Schloss Nymphenburg
    - 1725 Magdalenenklause St. Magdalena im Schlosspark Nymphenburg
    - 1727 St. Anna im Lehel, die erste Rokokokirche Bayerns
    - 1728 St. Michael in Perlach
    - 1732 Damenstiftkirche
    - 1733 Asamkirche
    - 1734 Klosterkirche der Chorfrauen de Notre Dame im Ostflügel von Schloss Nymphenburg (1944 zerstört)
    - 1738 St. Michael in Berg am Laim
    - 1742 Nockherspitalkirche in der Blumenstraße (1895 abgebrochen)
    - 1750 Spitalkirche der Barmherzigen Brüder St. Max in der Ziemssenstraße (1809 abgebrochen)
    - 1753 St. Anna in Harlaching
    - 1757 Cäcilienkapelle in der Residenz (1944 Vernichtung der Ausstattung)
    - 1758 Elisabethspitalkirche in der Mathildenstraße
    - 1766 St. Georg in Bogenhausen

    Zusätzlich werden mit Ausnahme von St. Salvator alle alten Kirchen der Altstadt im 18. Jh barockisiert: dabei stechen heraus St. Peter und die Heiliggeistkirche. Auch die Frauenkirche wird umgestaltet: nachdem kurz nach 1600 schon der Bennobogen und ein neuer Hochaltar eingebaut worden war, wird sie nun gemäß des höheren Lichtbedürfnisses ausgeweißelt und werden die gotischen Glasmalereien entfernt; außerdem ersetzt man die Portale, die Kanzel und das Chorgestühl. Auch in der Peripherie von München kommt es ab Ende des 17. Jhs zu Barockisierungen: u.a. 1672 Heilig Kreuz in Forstenried, 1675 St. Maria in Ramersdorf, 1680 St. Peter in Großhadern, 1695 St. Maria in Thalkirchen, um 1700 St. Johann Baptist in Haidhausen, 1723 Mariahilf in der Au.
    Insgesamt entsteht in jener Zeit ein enormer kirchlicher Reichtum, ein Ausdruck von tiefer, warmherziger Religiosität.

    - Ende des 18. Jh. gibt es in München und den unmittelbaren Vorstädten Au und Lehel bei insgesamt 38000 Einwohnern 46 Kirchen und Kapellen, in der Pfarrei St. Peter 40 und in der Pfarrei Zu Unserer Lieben Frau 27 Hauskapellen sowie 9 Männer- und 11 Frauenklöster; dies ergibt für München insgesamt 113 Kirchen und Kapellen sowie 20 Klöster (Lorenz Westenrieder kommt in seiner Beschreibung Münchens von 1782 auf 112 Kirchen). Dazu kommen 37 Kirchen und Kapellen der später eingemeindeten Vororte. Mitte des 18. Jhs gibt es in St. Peter 16 und in der Frauenkirche 30 Altäre, an denen teilweise gleichzeitig zelebriert wird; 554 Priester, 361 Weltgeistliche und 193 Ordenspriester, zelebrieren täglich gestiftete Messen. Die Durchdringung von Religion und alltäglichem Leben ist auf dem Höhepunkt, das komplette Leben der Münchner Bürger von Glauben und Kirche geprägt.

    - 1770 kommt es zu einem ersten Einschnitt durch einen kurfürstlichen Erlass, dass neue Kirchen ab sofort in einer „reinen und regelmäßigen Architektur“ zu erbauen seien und für ihre Ausstattung eine „edle Simplizität“ unter Verzicht auf alle „überflüssigen, öfters ungereimten und lächerlichen Zieraten“ angestrebt werden solle. Diese Bauvorschrift hat allerdings zunächst keine direkte Auswirkung auf München, da es mit Ausnahme der 1808 anstelle der vorherigen Spitalkirche St. Max in der Ziemssenstraße erbauten neuen Krankenhauskapelle St. Maximilian zwischen 1770 und 1826, dem Baubeginn der Allerheiligen-Hofkirche, keine Kirchenneubauten in München geben wird. Es kommt nach 1770 aber zu ersten Aufhebungen von Klöstern und Kollegien (z.B. Jesuitenkolleg), zu einer Einschränkung der Fronleichnamsprozession und zur Einstellung anderer kirchlicher Umzüge.
    Der noch größere und grausamere Einschnitt geschieht 1802/03 durch die Säkularisation: es werden alle Klöster aufgehoben und folgende 11 Kirchen und Kapellen abgebrochen: St. Lorenz am Alten Hof, Franziskanerkirche, Kapuzinerkirche, Kirche des Püttrich-Regelhauses, Kirche des Ridler-Regelhauses, Wartenbergische Kapelle im Rosental, Spitalkirche St. Rochus, Kapelle des Gregoriushauses, Kapelle des Benediktinerstiftes Ebersberg St. Sebastian am Anger, Kapelle des Benediktinerinnenklosters am Lilienberg in der Au, Kapelle des Paulanerinnenklosters im Lilienthal in der Au. Dazu werden die Salvatorkirche, die Augustinerkirche, die Gruftkirche, die Wieskapelle und die Nikolauskapelle profaniert sowie die Karmeliterkirche purifiziert. Anstelle der alten bilderreichen katholischen Glaubensvermittlung tritt ein „Aufklärungsklassizismus“.

    - Mit der Ankunft der pfälzischen Wittelsbacher 1799 wird auch die ausschließliche Katholizität Münchens aufgegeben: der neue Kurfürst Max IV. Joseph ist selbst zwar katholisch, seine Gemahlin Karoline von Baden aber evangelisch. Am 2. Juni 1799 findet in Schloss Nymphenburg der erste protestantische Gottesdienst Münchens statt, es dauert aber noch bis 1827, bis die erste öffentliche evangelische Kirche in München, die Matthäuskirche am Karlsplatz, gebaut werden wird (1938 abgebrochen). 1824 wird übrigens auch die erste Synagoge in der Westenrieder Straße gebaut, nachdem die Juden im Mittelalter aus der Stadt vertrieben worden waren.

    - Unter Ludwig I. kommt es zu einer Rückkehr der katholischen Sakralarchitektur: 1826 Allerheiligen-Hofkirche, 1829 St. Ludwig, 1831 Mariahilf in der Au, 1835 St. Bonifaz. Ludwig I. erstrebt eine neue humane Allianz von Thron und Altar: „Die Religion soll nicht nur im Innern wohnen, sondern auch äußerlich geübt werden“ - d.h. in der Kunst. Vor allem St. Ludwig tritt nicht nur als stilistisch bedeutsamer romantisch-nazarenischer Schlüsselbau, sondern auch als städtebaulich prägender Fixpunkt an der Ludwigstraße in Erscheinung.

    - Im Laufe des 19. Jhs entsteht durch das große Wachstum der Stadt die Notwendigkeit, neue Kirchen in den Vorstädten zu bauen - eine Aufgabe, die nun in verschiedenen historistischen Stilen gelöst wird. Die bereits erwähnte Mariahilferkirche in der Au (1831-39) gilt dabei als erste neugotische Kirche Deutschlands. Mit Ausnahme der anglikanischen Kirche St. Georg (heute altkatholische Kirche St. Willibrord) in der Blumenstraße am Rande der Altstadt werden alle ab nun entstehenden Kirchen in den Vorstädten gebaut; daraus ergibt sich, dass es in der Altstadt bis heute keine evangelische Kirche gibt.
    Folgend eine Aufzählung aller Kirchen und Kapellen, die von diesem Zeitpunkt bis zum Ende des 1. Weltkriegs gebaut werden:
    1837 Klosterkirche der Barmherzigen Schwestern St. Vinzenz von Paul in der Ludwigsvorstadt, 1841 Klosterkirche der Frauen vom Guten Hirten in Haidhausen, 1849 St. Paulus in Perlach (evangelisch), 1851 Loretokapelle in Berg am Laim, 1853 St. Johann Baptist in Haidhausen (anstelle der alten gleichnamigen Kirche), 1861 Kapelle im Gasteig-Spital Mater dolorosa (Ende der 1970er Jahre zusammen mit dem Gasteig-Spital abgerissen), 1865 Marienklause in Harlaching, 1866 Heilig Kreuz in Giesing (anstelle der alten, erst 1888 abgerissenen Heiligkreuz-Kirche), 1866 St. Emmeram in Oberföhring (anstelle der alten, 1821 abgerissenen Emmeramskapelle), 1869 Klosterkirche der Niederbronner Schwestern Herz Jesu in der Isarvorstadt (nach völliger Zerstörung im 2. Weltkrieg ab 1953 neugebaut), 1873 St. Markus in der Maxvorstadt (evangelisch), 1878 St. Benedikt im Westend, 1879 Hauskapelle der Josephsanstalt St. Joseph in Haidhausen, 1883 Hauskapelle der Marienanstalt Maria vom Trost in der Maxvorstadt, 1884 Synagoge am Lenbachplatz, 1887 Pfarrkirche St. Anna im Lehel, 1888 St. Benno in Neuhausen, 1890 Hauskapelle der Maria-Ludwig-Ferdinand-Anstalt Maria Königin in Neuhausen, 1890 Hauskapelle des Instituts der Englischen Fräulein Königin des hl. Rosenkranzes in Pasing, 1892 St. Paul in der Ludwigsvorstadt, 1892 Hauskapelle des St. Martinspitals St. Martin in Obergiesing, 1893 St. Lukas im Lehel (evangelisch), 1893 Kapuzinerklosterkirche St. Anton in der Isarvorstadt, 1894 St. Ursula in Schwabing, 1895 St. Maximilian in der Isarvorstadt, 1895 Hauskapelle des Mathilden-Pensionats St. Mathilde in der Ludwigsvorstadt, 1896 Hauskapelle des Städtischen Waisenhauses Heilige Schutzengel in Neuhausen (1944 zerstört), 1898 St. Joseph in der Maxvorstadt, 1899 Erlöserkirche in Schwabing (evangelisch), 1900 Christuskirche in Neuhausen (evangelisch), 1901 St. Ruppert im Westend, 1902 Neue Pfarrkirche St. Margaret in Sendling (anstelle der alten Kirche St. Margaret, die bestehen bleibt), 1902 Kirche des Vicentinums Maria Immaculata im Lehel, 1903 Himmelfahrtskirche in Pasing (evangelisch), 1904 St. Johann Baptist in Solln, 1904 Kirche des neuen Heiliggeistspitals in Neuhausen, 1905 Maria Schutz in Pasing, 1906 Kirche des Schwabinger Krankenhauses Heilig Kreuz, 1910 Neue Kirche St. Georg in Milbertshofen, 1910 Hauskapelle des Bürgerheims von Dall’Armi Mariae Himmelfahrt in Nymphenburg, 1910 Kirche der Universitätsfrauenklinik St. Maria in der Ludwigsvorstadt, 1911 Kirche des Dritten-Ordens-Krankenhauses St. Elisabeth in Nymphenburg, 1913 Anglikanische Kirche St. Georg (heute Altkatholische Kirche St. Willibrord) in der Blumenstraße, 1912 St. Ulrich in Laim (unter Einbeziehung des spätgotischen Chors und des barocken Turms der Vorgängerkirche), 1912 St. Johannes in Haidhausen (evangelisch), 1915 St. Wolfgang in Haidhausen (im 2. Weltkrieg zerstört und nachher durch einen Neubau ersetzt).
    1902 kommt es infolge von schweren Brandschäden bedauerlicherweise zum Abbruch der 1623 gebauten Paulaner-Klosterkirche St. Karl Borromäus in der Au, auf der anderen Seite wird 1906 die abrissbedrohte Augustinerkirche in der Neuhauser Straße gerettet.
    Auch wenn der historistische Kirchenbau in München insgesamt sehr umfangreich und mitunter auch durchaus prachtvoll ausfällt (z.B. St. Paul, St. Lukas, Heilig-Kreuz, St. Benno oder St. Margaret), so steht er letztendlich sowohl in der Gunst der Bevölkerung als auch im Urteil der Kunsthistoriker doch deutlich im Schatten der älteren Kirchenbauten der vorherigen Jahrhunderte, die in München einfach zu übermächtig und identitätsstiftend sind. Auffällig ist, dass stilistisch meist auf die Romanik oder Gotik zurückgegriffen wird, zwei Stile, die aufgrund des relativ jungen Alters der Stadt München im vorhistoristischen Kirchenbau entweder gar nicht oder nur in begrenztem Umfang vorgekommen waren.

    - Nach dem 1. Weltkrieg werden unvermindert viele neue Kirchen in den Vorstädten gebaut, nachfolgend alle zwischen dem 1. und 2. Weltkrieg entstandenen Kirchen und Kapellen:
    1922 Karmeliterklosterkirche St. Theresia in Neuhausen, 1922 St. Barbara in Neuhausen, 1922 Hauskapelle des Ottilienkollegs St. Ottilie in der Königinstraße in Schwabing, 1922 Neue Pfarrkirche St. Martin in Moosach, 1922 St. Clemens in Neuhausen, 1923 Leiden Christi in Obermenzing, 1924 St. Korbinian in Sendling, 1924 Votivkapelle Patrona Bavariae im Fasangarten, 1925 St. Canisius in Großhadern, 1925 St. Franziskus in Giesing, 1925 Franziskanerklosterkirche St. Gabriel in Bogenhausen, 1925 Kirche des Altersheims St. Joseph, 1926 Martin-Luther-Kirche in Giesing (evangelisch), 1926 St. Christoph in Fasanerie-Nord, 1927 St. Achaz in Mittersendling, 1927 Allerseelen in Schwabing, 1928 St. Sebastian in Schwabing, 1928 Christkönig in Nymphenburg, 1929 Friedenskirche in Trudering (evangelisch), 1930 St. Raphael in Hartmannshofen, 1930 Auferstehungskirche im Westend (evangelisch), 1930 Heilige Familie in Harlaching, 1931 St. Pius in Berg am Laim, 1932 Epiphaniaskirche in Allach (evangelisch), 1932 Dominikanerkirche St. Albert in Freimann, 1932 Friedhofskirche auf dem Waldfriedhof St. Anastasia, 1932 Christi Himmelfahrt in Waldtrudering, 1932 St. Emmeram in Englschalking, 1933 Mariae Heimsuchung im Westend, 1933 Kirche des Krescentia-Stifts Maria Immaculata in der Isarvorstadt, 1934 Gustav-Adolf-Kirche in Ramersdorf (evangelisch), 1934 St. Heinrich in Sendling-Westpark, 1934 Heilig Blut in Bogenhausen, 1934 Namen Jesu in Neufriedenheim (1971 bis auf den Turm abgerissen), 1934 Kirche der Armen Schulschwestern St. Augustinus in der Au, 1935 Vierzehn Nothelfer am Hart, 1935 St. Franz Xaver in Trudering (1967 abgebrochen), 1935 St. Peter und Paul in Trudering (Neubau anstelle der mittelalterlichen Vorgängerkirche, von der der Turm beibehalten wurde), 1936 Dreieinigkeitskirche in Bogenhausen (evangelisch), 1936 Stephanuskirche in Nymphenburg (evangelisch), 1936 Maria Königin des Friedens in Giesing, 1938 Adventskirche in Neuaubing (evangelisch).

    - Im 2. Weltkrieg bleiben von den 33 Kirchen und Kapellen der Innenstadt (d.h. der Altstadt und der unmittelbar angrenzenden Viertel) nur die Pfarrkirche St. Anton und die Schmerzhafte Kapelle völlig unversehrt (beide werden aber leider in den Jahrzehnten nach dem Krieg innen purifiziert und umgestaltet); relativ geringe Schäden erleiden außerdem nur die Dreifaltigkeitskirche, die Salvatorkirche und die Lukaskirche. Alle anderen Kirchen werden schwer beschädigt oder zerstört; von diesen stark beschädigten oder zerstörten 28 Kirchen werden nach dem Krieg zwölf sowohl außen als auch innen fast vollständig originalgetreu wiederhergestellt bzw. rekonstruiert (Alter Peter, Asamkirche, Bürgersaalkirche, Damenstiftkirche, Heiliggeistkirche, Ludwigskirche, Klosterkirche St. Anna im Lehel, Pfarrkirche St. Anna im Lehel (leider später innen purifiziert), St. Michael, Theatinerkirche, Hofkapelle und Reiche Kapelle der Residenz), sechs außen vollständig und innen vereinfacht wiederhergestellt (Allerheiligenkirche am Kreuz, Augustinerkirche, Frauenkirche, St. Paul, St. Stephan, St. Willibrord), drei nur außen (Allerheiligen-Hofkirche der Residenz, Elisabethspitalkirche, Karmeliterkirche), drei außen und innen nur teilweise bzw. vereinfacht (St. Bonifaz, St. Joseph und St. Maximilian), eine außen und innen stark vereinfacht (Markuskirche), zwei abgerissen und in neuem Stil wiedererrichtet (Herzogspitalkirche, St. Jakob am Anger) und eine abgerissen und gar nicht wiedererrichtet (Josephspitalkirche).
    Auch anhand des Wiederaufbaus kann man feststellen, dass den Kirchenbauten des 19. Jhs weniger Wert beigemessen und dementsprechend meistens nur ihr Außenbau wiederhergestellt wird, während die kunst- und kulturhistorisch bedeutenden älteren Kirchen der Innenstadt überwiegend auch innen originalgetreu rekonstruiert werden, so dass sich diese Kirchen heute nur in wenigen Details vom Vorkriegszustand unterscheiden.

    "In der Vergangenheit sind wir den andern Völkern weit voraus."

    Karl Kraus

  • Vielen Dank für diesen vorzüglichen Überblick über Münchens Sakralbauten und die sicher noch folgenden guten Aufnahmen dazu. Erlaube mir aber bitte einen Bau herauszugreifen, der für ganz Süddeutschland überregionale Bedeutung hatte:

    - 1583 dann der Baubeginn der Jesuitenkirche St. Michael, dem wichtigsten Kirchenbau des späten 16. Jh und der Renaissance in ganz Deutschland. Die Michaelskirche ist kirchlich-staatliche Triumpharchitektur der Gegenreformation, einendes Symbol des katholischen Glaubens, eine Wandpfeilerkirche mit riesigem Tonnengewölbe, die immer wieder als Vorbild für den Kirchenbau in Süddeutschland diente. Sie ist die Verbindung von Fürstentum und religiösem Bekenntnis, welche Bayern mehrere Jahrhunderte zutiefst prägen sollte. Zusammen mit dem benachbarten Jesuitenkolleg ist sie ein Beispiel für den aus Rom importierten Kirchen-Palastbau der Renaissancezeit - eine geistlich-geistige Residenz.

    St. Michael als Jesuitenkirche sucht als Wandpfeilerkirche seine Vorbilder im römischen Barock, genauer in der Mutterkirche der Jesuiten "Il Gesu". Zwar verhaftet die Fassade von St. Michael noch in Gestaltungsprinzipien der Renaissance, aber der Raum ist seiner Zeit in Deutschland weit voraus und muss wohl eher dem Barock zugerechnet werden. Es ist die erste Wandpfeilerkirche auf deutschem Boden und wurde in der Folge für fast 200 Jahre vorbildwirkend für viele süddeutsche Bauten gleichen Typus, wobei dieser erheblich weiterentwickelt wurde. Ohne St. Michael ist die gesamte Abfolge des süddeutschen Sakralbaus im Barock nicht erklärbar. Insofern ist der Bau stilbildend und in der allgemeinen Wahrnehmung eher zu gering als zu hoch eingestuft. Aus kunsthistorischer und entwicklungsgeschichtlicher Sicht ist es der bedeutendste Sakralbau in München. Das ist nur im Kontext mit der Gegenreformation in Deutschland zu verstehen.

    Kunsthistoriker, Historiker, Webdesigner und Fachreferent für Kulturtourismus und Kulturmarketing

    Mein Bezug zu Stadtbild Deutschland: Habe die Website des Vereins erstellt und war zeitweise als Webmaster für Forum und Website verantwortlich. Meine Artikel zu den Themen des Vereins: Rekonstruktion / Denkmalschutz / Architektur / Kulturreisen

  • Absolut, vielen Dank für die zusätzliche Erläuterung und Einordnung! Ich werde in meinem Porträt der Michaelskirche noch genauer auf ihre Architektur und ihre Bedeutung eingehen, sie ist wahrlich ein epochaler Bau. Bzgl. der stilistischen Einordnung ihres Innenraumes wird sie von den meisten Kunsthistorikern aber als noch der Spätrenaissance zugehörig angesehen (wie auch Il Gesù), weil sie zwar in ihrer Haltung in den kommenden Barock weist, aber in ihrer Tektonik und ihren stilistischen, dekorativen Elementen noch nicht barock ist (abgesehen von einigen barockisierten Seitenkapellen). Als wirklich barock im italienischen Sinne wird meistens das Schema "überkuppelte Saalkirche mit Abseiten auf kreuzförmigem Grundriss" angesehen, wie es im Salzburger Dom oder in der Münchner Theatinerkirche realisiert wurde (und in der Mutterkirche des Theatinerordens "Sant'Andrea della Valle" in Rom), nicht so sehr die Wandpfeilerkirche. Aber darüber kann man sicher geteilter Meinung sein. Auf jeden Fall ist sie, wie Du richtig schreibst, der bedeutendste Sakralbau Münchens.

    "In der Vergangenheit sind wir den andern Völkern weit voraus."

    Karl Kraus

  • St. Peter („Alter Peter“)

    Petersplatz 1
    Erbaut 1329-86
    Typus: dreischiffige Basilika mit Dreikonchenchor

    Ansicht vom Viktualienmarkt:

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    Ansicht vom Rindermarkt:

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    Baugeschichte:

    - 1181 Grundsteinlegung der ersten romanischen Basilika, 1190 Weihe
    - 1329 Neubau einer gotischen Basilika, 1368 Weihe, 1377-86 Turmbau
    - 1490 spätgotischer Hochaltar von Erasmus Grasser und Jan Polack, 1520 Kruzifixus von Veit Stoß (jetzt in St. Martin (Jengen/Ostallgäu)
    - 1607-21 neuer Turmbau, 1630-36 Neubau des Chors, 1642-44 neuer Hochaltar von Heinrich Schön d.J. und Marx Schinnagl, 1653-54 Umbau des Langhauses, 1654-76 neue Seitenaltäre
    - 1730-34 Umgestaltung des Chors durch Ignaz Anton Gunetzrhainer, neuer Hochaltar nach Entwurf von Nikolaus Gottfried Stuber, 1733 Vollendung der Hochaltarskulpturen durch Ägid Quirin Asam, 1750 Chorgestühle von Joachim Dietrich und J. Greiff, 1753 Umgestaltung des Langhauses durch Ignaz Anton Gunetzrhainer (Architekt) und Johann Baptist Zimmermann (Freskant und Stuckateur), 1754-67 diverse Seitenaltäre von J. B. Straub und Ignaz Günther
    - 1944-45 weitgehende Zerstörung, die einzigen unzerstörten Räume sind die beiden Kapellen in den Turmuntergeschoßen
    - 1949 Sicherung und Wiederaufbau des Chores, 1950-54 Wiederherstellung der gesamten Kirche
    - 1985 Rekonstruktion des Chorgewölbefreskos durch Karl Manninger (beim ersten Wiederaufbau war dort ein einfacher Wolkenhimmel aufgemalt worden), 1998-2000 Rekonstruktion der Deckenbilder im Langhaus durch Hermenegild Peiker


    Architektonisch sicherlich nicht herausragend, ist St. Peter aber trotz weitgehender Zerstörung im 2. Weltkrieg inzwischen wieder eine der am reichsten ausgestatteten Kirchen Münchens, vor allem die Altäre und der Dreikonchenchor sind von großer Bedeutung. Der Anblick des prächtigen Hochaltars beherrscht das Mittelschiff auf beeindruckende Weise.
    Im Alten Peter, wie die Kirche im Volksmund heißt, wird sehr viel Wert auf Tradition gelegt, z.B. wurde die Vorgabe des 2. Vatikanischen Konzils, einen Volksaltar aufzustellen und die Messe mit Blick auf die Gemeinde zu zelebrieren, nie umgesetzt - noch heute zelebriert der Priester am Hochaltar, zum Allerheiligsten gewandt. Der Figur des Hl. Petrus, die aus dem spätgotischen Hochaltar in den von Berninis Cathedra Petri im römischen Petersdom inspirierten barocken Hochaltar übernommen wurde, wird noch heute beim Tod eines Papstes die Krone abgenommen und bei der Krönung des Nachfolgers wieder feierlich aufsetzt. Vor allem aber ist der Alte Peter ein schönes Beispiel einer bürgerlichen Kirche, die im Laufe der Jahrhunderte immer wieder mit großem Einsatz und Aufwand umgebaut und neu ausgestattet wurde und in der sich Stolz und Schönheitssinn einer tief religiösen Bürgerschaft ausdrückt.

    Schäden und Wiederaufbau:

    St. Peter war eine der ersten wiederhergestellten Kirchen in München und wurde dadurch Vorbild für die Wiederherstellung anderer Münchner Kirchen, weswegen wir hier exemplarisch ausführlicher auf die Geschichte ihres Wiederaufbaus eingehen möchten.
    Zuerst die Situation bei Kriegsende: Chor und Turm waren größtenteils ausgebrannt, aber die Außenmauern erhalten; das Langhaus war schwer zerstört und seine Mauern in Teilen eingestürzt.
    Zunächst wollte man das Langhaus abreißen und als Diözesanmuseum neu errichten (die Sprengung war schon vorbereitet), doch dann entschloss man sich auf Engagement des Pfarrers Max Stritter doch zu einer Rettung der verbliebenen Bausubstanz und schließlich zu einem kompletten Wiederaufbau. Für den Wiederaufbau wurde auch in der Bevölkerung gesammelt, die Spendenbereitschaft war dabei trotz der allgemein herrschenden Not erstaunlich groß. Was die Wiederherstellung des Langhauses und die wandfeste Gestaltung des Innenraumes betrifft, so lehnte das Landesamt für Denkmalpflege eine mehr oder weniger originalgetreue Wiederherstellung ab und verwies auf den für vorbildlich gehaltenen Wiederaufbau von St. Moritz in Augsburg, bei der die überkommene Bausubstanz im wesentlichen erhalten, der Innenraum aber bewusst schlicht nach zeitgemäßem Empfinden neu gestaltet wurde. Der inzwischen neue Pfarrer von St. Peter, Max Zistl, besuchte daraufhin St. Moritz, wurde dadurch aber nur abgeschreckt und in seiner Haltung bestärkt, die Kirche auch innen möglichst originalgetreu wiederauferstehen zu lassen. Die Langhauspfeiler konnten zwar größtenteils gerettet und weiterverwendet werden (u.a. durch Verwendung von stabilisierenden umspannenden Flacheisenbändern), waren aber nicht mehr so stark belastbar, als dass man das komplett zerstörte Gewölbe mit Ziegeln hätte rekonstruieren können. So entschloss man sich, es als leichte Holzkonstruktion wiederzuerrichten, um nicht zu viel Schubkraft auf die Hochschiffmauern auszuüben. Die gesamte Deckenkonstruktion besitzt eine Spannweite von 10,3 m, eine Länge von 54 m und eine Gesamtoberfläche von ca. 800 qm. Anfänglich verzichtete man auf eine Rekonstruktion des ursprünglichen Dekors, d.h. des Stucks und der Deckenbilder, und versah das Gewölbe nur mit einer Abfolge von schlichten Stuckfeldern, um einen zu unangenehmen Kontrast zwischen den wiederhergestellten Stuckaturen auf den Hochschiffwänden und einem völlig leer belassenem Gewölbe zu vermeiden. Die Entscheidung zur Leichtbauweise des Gewölbes hatte allerdings zur Folge, dass man Jahrzehnte später, als man dann doch an die Rekonstruktion des originalen Gewölbedekors ging (1998-2000), den ursprünglichen, opulenten Stuck nicht rekonstruieren konnte, weil dadurch das Holzgewölbe unverantwortlich hoch belastet worden wäre. So entschloss man sich dazu, den Stuck, der hauptsächlich als Rahmung der Deckenbilder diente, durch Malerei illusionistisch zu ersetzen.
    Bei der Frage nach der Ausstattung der Kirche wiederholte sich der Konflikt zwischen Pfarrer Zistl und dem Denkmalamt, welches auf reine Rekonstruktionen möglichst verzichten wollte, während Pfarrer Zistl so weit wie möglich das alte Erscheinungsbild wiederherstellen wollte. Durch viele Spenden, die der Pfarrer organisiert hatte (weswegen er den Spitznamen „Bettelpfarrer von St. Peter“ bekam) und die glückliche Einbindung des Architekten Erwin Schleich und vor allem des einflussreichen Rudolf Esterer, des langjährigen Präsidenten der Schlösserverwaltung, konnte schließlich die ursprüngliche Ausstattung doch weitestgehend originalgetreu wiederhergestellt und rekonstruiert werden. Dabei spielte auch eine große Rolle, dass man sofort nach den Zerstörungen die Überreste der vielen Holzskulpturen aus dem Schutt gezogen und geborgen hatte und somit nachher wieder zusammensetzen und ergänzen konnte. Dabei kommt der Rekonstruktion des Hochaltars eine Schlüsselstellung zu. Hier wollte das Denkmalamt eine Kombination aus geborgenen Figuren und modernem Altar, während Schleich, Esterer und Zistl dies als inakzeptablen Stilbruch angesehen hätten. Eine vollständige Rekonstruktion eines derart großen und komplexen Gebildes wie dem barocken Hochaltar des Alten Peters, von dem keine Maßzeichnungen oder Pläne, sondern nur Fotografien existierten, war aber damals eine sehr gewagte Sache, die noch niemand durchgeführt hatte und die dementsprechend auf viel Skepsis stieß. Der hauptsächliche Verfechter einer vollständigen Rekonstruktion, Erwin Schleich, setzte sich aber schließlich durch und schaffte somit ein Exempel, das wegweisenden Charakter nicht nur für den weiteren Aufbau der Peterskirche, sondern auch auf ähnlich schwierige Wiederaufbauprojekte in München wie z.B. St. Michael, Heiliggeistkirche etc. und letztendlich sogar auf den Wiederaufbau der Residenz hatte: rekonstruierende Vorhaben, die man vorher als unmöglich angesehen hatte, wurden dadurch auf einmal denkbar.
    Was man sicherlich bedauern kann, ist, dass das Kurfürstenportal (1726) auf der Nordostseite der Kirche mit anschließender Kurfürstentreppe zur einstigen Kurfürstenloge im nördlichen Emporengeschoß nicht rekonstruiert wurde; dadurch, dass beides nicht vom Kirchenraum aus einsehbar und die Funktion der ganzen Anlage natürlich seit langem obsolet war, glaubte man darauf verzichten zu können. Außerdem kann man, wenn man kritisch sein möchte, die rekonstruierten Deckenbilder von Hermenegild Peiker im Langhaus etwas bemängeln, die nicht ganz an die Qualität seines Lehrmeisters Manninger heranreichen. Alles in allem aber wurde bei der Rekonstruktion von St. Peter ein Ergebnis erreicht, das sich nur in wenigen Einzelheiten vom Vorkriegszustand unterscheidet und ein absolut harmonisches und überzeugendes Bild abgibt, bei dem sich niemand mehr vorstellen kann, dass die Kirche einmal nahezu komplett zerstört war.

    Wie schrieb der Kunsthistoriker Norbert Lieb über die Peterskirche:

    So bezeugen Bau und Raum von St. Peter immer wieder ein beharrliches, schönstes Wachstum. Die Geschichte und die Rangstellung der ältesten Pfarrkirche Münchens haben ihre sichtbare Selbstdarstellung gefunden: als das St. Peter eines „deutschen Rom“. Dabei ist der Charakter einer bürgerlichen Kirche stets bewahrt, doch auch die Zuneigung der Landesfürsten immer wieder wirksam gewesen. Zuversicht, Energie und Opfersinn, Stolz und Freude verbanden sich immer wieder in Werken der Kunst - zum Bau von Turm und Chor und schließlich zum Innenbild eines „Hauses voll Glorie“. Diese Gesinnungen und Kräfte haben sich auch beim Wiederaufbau nach dem Krieg nochmals bewährt: heute ist St. Peter in München der Raum der lebendigsten Tradition.“


    Ansicht vor der Zerstörung:

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    Zustand nach der Zerstörung:

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    Weitere Fotos vom zerstörten Zustand hier: https://www.bildindex.de/document/obj22…medium=fm202082

    Heute:

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    Das rekonstruierte Chorfresko:

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    Vorkriegsaufnahme des alten Chorfreskos: https://www.bildindex.de/document/obj22…dium=mi07394g12

    Zentrales Deckenfresko, wie alle Malereien im Alten Peter kriegszerstört und rekonstruiert:

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    Die ebenfalls rekonstruierten Malereien an den Hochschiffwänden:

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    Der Chor mit dem bis auf die Figuren der vier Kirchenväter und Petrus komplett rekonstruierten Hochaltar:

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    Vorkriegsaufnahme des alten Hochaltars: https://www.bildindex.de/document/obj22…medium=fm120016

    Weitere Fotos von St. Peter auf meinem Flickr-Account: https://www.flickr.com/photos/1619455…177720312177416

    "In der Vergangenheit sind wir den andern Völkern weit voraus."

    Karl Kraus

  • Heiliggeistkirche

    Prälat-Miller-Weg 1
    Erbaut nach 1327 bis 1392
    Typus: dreischiffige Hallenkirche mit Chorumgang und 9/16-Abschluss

    Ansicht vom Viktualienmarkt (links angeschnitten das alte Rathaus):

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    Neubarocke Westfassade von 1888:

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    Ansicht vor der Errichtung der neobarocken Fassade mit dem alten Heiliggeistspital: https://stadtarchiv.muenchen.de/scopeQuery/bil…=409981&DEID=10

    Städtebaulich reizvolle Ansicht vom Petersbergl mit dem Turm des alten Rathauses, ganz links angeschnitten der Chor vom Alten Peter:

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    Baugeschichte:

    - 1208 Gründung eines Pilgerhauses mit einer Katharinenkapelle, 1257 Abschluss des Erweiterungsbaues von Spital und Kirche
    - 1327 Zerstörung von Spital und Kirche durch Brand, bis 1392 Neubau der Kirche mit Heiliggeistpatrozinium
    - um 1550 Abtragung des aufgrund mangelhafter Fundamentierung baufälligen Turmes
    - 1633-69 Einbau des Nordportals, Umbau der Orgelempore, Errichtung eines neuen Hochaltars
    - 1724 Umbau der gesamten Kirche aufgrund von größeren Bauschäden durch Johann Georg Ettenhofer, 1726 Beginn der Stuckarbeiten: Entwurf von Egid Quirin Asam, Ausführung von Matthias Schmidtgartner, 1727 Fresken im Mittelschiff von Cosmas Damian Asam, in den Seitenschiffen von Nikolaus Gottfried Stuber, 1728 Errichtung des neuen Hochaltars nach Entwurf von Stuber, 1729-30 Turmbau, 1731 Weihe
    - 1885-88 Abbruch des Spitalgebäudes und Erweiterung der Kirche um drei Joche nach Westen mit neobarocker Westfassade nach Plänen von Friedrich Löwel; außerdem Anbau von Sakristei und Taufkapelle. (Die Bewohner des Spitals waren schon 1823 in das ehemalige Kloster der Elisabethinnen in der Mathildenstraße verlegt worden; als dieses schließlich zu klein wurde, wurde als Ersatz das neue Heiliggeistspital am Dom-Pedro-Platz in Neuhausen gebaut.)
    - 1944-45 Zerstörung bis auf die Außenmauern, Einsturz der Gewölbe und mehrerer Pfeiler, Verlust der Fresken, der Kanzel, der Orgel, des Josephaltars, des halben Hauptaltars und 80% des Gestühls
    - 1946-58 Neuerrichtung von Pfeiler, Gewölbe, Orgelempore, Kanzel, Hochaltar und Dach, Wiederherstellung des Turmes
    - ab 1963 bis 1975 Rekonstruktion des Stuckes (durch Joseph Schnitzer) und der Asamfresken im Mittelschiff (durch Karl Manninger) unter der Leitung von Erwin Schleich; von den Deckenfresken in den Seitenschiffen existieren keine brauchbaren Fotos, weswegen die dortigen Deckenfelder frei bleiben; die Kanzel wird im schlichten Stil der Nachkriegszeit neu gestaltet.


    Die barocke Umformung der gotischen Heiliggeistkirche war eine der zahlreichen in Bayern durchgeführten Barockisierungen im 17. und 18. Jh. Sie schaffte es mithilfe einer Veränderung der Lichtsituation, der opulenten und farbigen Dekoration, der Rhythmisierung und Zentralisierung das ursprünglich gotische Gepräge zu überspielen und den Raumeindruck komplett im Sinne barocker Auffassung umzudeuten. Die Dekoration drängt nach oben und löst damit das Gewölbe in Licht, Farbe und Ornament illusionistisch auf. Unter diesem Aspekt stellt die neobarocke Erweiterung um drei Joche nach hinten (1885-88) eher einen Widerspruch zum barocken Raumkonzept dar: die Betonung der Länge beeinträchtigt die Einheitlichkeit des Raumes und fasst die Dekoration fälschlicherweise als bloßen, beliebig zu wiederholenden Zierat auf. Die neobarocke Westfassade hingegen kann als Gewinn gewertet werden, zusammen mit dem gegenüberliegenden Chor von St. Peter und dem Alten Rathaus ergibt sie ein beeindruckendes städtebauliches Ensemble.
    Die Wiederherstellung des vollkommen zerstörten Kircheninneren (das Gewölbe war komplett zerstört, es blieben nur die Umfassungsmauern stehen) nach dem Krieg ist vorbildlich zu nennen; bedauerlich ist lediglich der Verlust der Deckenfresken in den Seitenschiffen (von denen es im Gegensatz zu den Fresken des Hauptschiffs keine brauchbaren Fotos gab) und natürlich auch der barocken Kanzel, wenngleich man anerkennen muss, dass sich die Nachkriegskanzel einigermaßen geschmackvoll und unauffällig in das Gesamtbild einfügt.


    Ansicht vor der Kriegszerstörung:

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    (https://hdbg.eu/wiederaufbau/g…eilig-geist/354)

    Zustand nach der Zerstörung - wie man sieht, ist das komplette Gewölbe samt eines Großteils der Innenpfeiler weg:

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    Heute mit komplett rekonstruiertem Gewölbe samt Dekoration:

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    Das von Manninger rekonstruierte zentrale Fresko "Die Gründung des Heiliggeistspitals“:

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    Vorkriegsaufnahme des originalen Freskos von C. D. Asam: https://www.bildindex.de/document/obj21…medium=fm621099

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    Weitere Fotos der Heiliggeistkirche hier: https://www.flickr.com/photos/1619455…177720312209359

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    Karl Kraus

  • Wie ich anhand des Beispiels des Wiederaufbaus vom Alten Peter dargelegt habe, war die Denkmalschutzbehörde auch in München gegen einen originalgetreuen Wiederaufbau und favorisierte einen Wiederaufbau à la St. Moritz in Augsburg, also eine Bewahrung der stehengebliebenen Originalsubstanz und eine moderne Ergänzung all dessen, was abhanden gekommen war. Es ist dem Einsatz der beiden Pfarrer von St. Peter, Max Stritter und Max Zistl, aber vor allem auch dem leitenden Architekten des Wiederaufbaus von St. Peter, Heiliggeist und später noch einigen anderen Kirchen, Erwin Schleich, zu verdanken, dass diese Kirchen mehr oder weniger originalgetreu wiedererstanden sind. Der moderne Denkmalschutz ist leider weitgehend gegen Rekonstruktionen und hat vielerorts einen originalgetreuen, wiedergewinnenden Aufbau von zerstörten Denkmälern verhindert. In München haben sich damals Gott sei Dank konservative Kräfte durchgesetzt, die sich nicht darum scherten, was der Denkmalschutz wollte und die einfach "gemacht" haben. Die Verantwortlichen aufseiten der Kirchen und vor allem die Bevölkerung waren pro Rekonstruktionen und haben mit vielen Spenden, vor allem beim Alten Peter, den Wiederaufbau finanziell unterstützt. Beim Wiederaufbau der Residenz wurde ähnlich vorgegangen: es wurde im Endeffekt hinter verschlossenen Türen beschlossen, soviel wie möglich originalgetreu zu rekonstruieren und die Aufträge wurden ohne Ausschreibung an fähige Kunsthandwerker vergeben, so z.B. an die Stuckateur-Firma Schnitzer in Augsburg, die nahezu alle Stuckarbeiten in der Residenz durchführten. Auf diese Weise wurden Fakten geschaffen ohne lästige öffentliche Diskussionen. Das mag nicht demokratisch gewesen sein, aber die Resultate sprechen für sich: heute lebt die Stadt München gerade in touristischer, aber auch wirtschaftlicher Hinsicht von den vielen Rekonstruktionen - es wird immer wieder betont, dass die zumindest teilweise vorhandene Attraktivität der Stadt München dabei hilft, internationale Mitarbeiter für Münchner Unternehmen anzuwerben, die auch ein lebenswertes Umfeld suchen und man kann sich die Stadt gar nicht ohne die wiederhergestellten alten Bauten vorstellen.

    Selbstredend wurden und werden von Kunsthistoriker-Seite trotzdem kaum Gelegenheiten ausgelassen, um die vielen Rekonstruktionen schlecht zu reden und den beteiligten Architekten und Kunsthandwerkern die Befähigung abzusprechen; vor allem die Leistungen von Erwin Schleich, der alleine für eine Unmenge an wertvollsten Rekonstruktionen in München verantwortlich zeichnet, werden inzwischen gerne herabgewürdigt - dies ist wirklich traurig.

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    Karl Kraus

  • Selbstredend wurden und werden von Kunsthistoriker-Seite trotzdem kaum Gelegenheiten ausgelassen, um die vielen Rekonstruktionen schlecht zu reden und den beteiligten Architekten und Kunsthandwerkern die Befähigung abzusprechen

    Ich möchte dazu etwas aus der Sicht eines Kunsthistorikers anmerken. Es ist sicher nicht meine Zunft, die derart undifferenziert vorgeht. Es gibt welche, die sind gegenüber Rekonstruktionen weniger und welche, die sind in dieser Hinsicht - wie ich auch - mehr aufgeschlossen. Ich könnte da auch einige Kollegen und Kolleginnen anführen, die sich pro Rekonstruktion positionieren. Es gibt ja auch durchaus gute Argumente für beide Sichtweisen, wobei sich lediglich die Frage stellt, wie man sie gewichtet. Und Wissenschaftler, die Architekten und Kunsthandwerkern, die an solche Projekte beteiligt sind, per se die Befähigung absprechen, handeln nicht seriös. Insofern gehe ich davon aus, dass es eher die Ausnahme als die Regel ist.

    Kunsthistoriker, Historiker, Webdesigner und Fachreferent für Kulturtourismus und Kulturmarketing

    Mein Bezug zu Stadtbild Deutschland: Habe die Website des Vereins erstellt und war zeitweise als Webmaster für Forum und Website verantwortlich. Meine Artikel zu den Themen des Vereins: Rekonstruktion / Denkmalschutz / Architektur / Kulturreisen

  • Du hast recht, ich hab sicher zu sehr pauschalisiert. Aber ich denke schon, dass vor allem Kunsthistoriker, die im Denkmalschutzbereich tätig sind, die Verwässerung oder gar Ununterscheidbarkeit zwischen originaler und rekonstruierter Substanz grundsätzlich skeptisch sehen und deshalb Rekonstruktionen eher ablehnen. Im vielen Fällen ging und geht das Engagement für Rekonstruktionen jedenfalls von bürgerschaftlichen Initiativen aus und wird von mitunter lautstarken Kunsthistorikern oft sehr kritisch gesehen bis abgelehnt, die aufgrund ihres Expertendaseins dann auch manchmal einen eher arroganten Ton an den Tag legen. In München war dies auf jeden Fall öfters der Fall, so z.B. bei der Anfang des 80er Jahre erfolgten Rekonstruktion der Orgelempore und des Gewölbestucks in St. Michael, als dafür plädiert wurde, die aus den 50er Jahren stammende und stilistisch völlig unpassende moderne Orgelempore von Sep Ruf als Zeitdokument beizubehalten und genauso den für den originalen Raumeindruck so immens wichtigen Gewölbestuck nicht zu rekonstruieren, weil damit Geschichte unkenntlich und rückgängig gemacht werden würde. Als beides dann trotzdem durchgeführt wurde, haben zwei Kunsthistoriker in der Zeitschrift "Die Kunstchronik" 1983 (ich habe jetzt die Namen vergessen, kann aber bei Bedarf nochmal nachschauen) im Nachhinein die Stuckarbeiten schlechtgeredet, weil die ausführenden Stuckateure der sehr erfahrenen Firma Schnitzer in der genauen Profiltiefe des Stucks nicht 100% nach Befund gearbeitet hatten (obwohl das Gewölbe ganz eingestürzt war, hatten sich winzige Reste des Originalstucks an den seitlichen Ansätzen erhalten), sondern diese nach Augenmaß und im Hinblick auf eine überzeugende Gesamtwirkung etwas abgeändert hatten - die Profiltiefe wohlgemerkt, nicht die Stuckformen. Der Grund hierfür war nämlich, dass bei der Neueinwölbung des Kirchenraums direkt nach dem Krieg nicht 100% die gleiche Gewölberundung wie vor dem Krieg realisiert worden war, sondern eine minimale Abweichung passiert war, die aber mit bloßem Auge von unten kaum zu erkennen ist; die leichte Abweichung in der Profiltiefe diente somit als Anpassung an diesen leicht veränderten Umstand und ist aus künstlerischer Sichtweise absolut vertretbar. Für die beiden Kunsthistoriker aber war, wenn man schon unbedingt eine Rekonstruktion durchführen wollte, jede minimalste Abweichung vom originalen Vorkriegszustand Geschichtsfälschung.

    Ähnliches passierte in der Bewertung so mancher Rekonstruktionen von Erwin Schleich, dem ebenfalls mangelnde Qualität vorgeworfen wurde, was ich persönlich in den meisten Fällen auch nach längerem Vergleich zwischen Vorkriegsfotos und rekonstruiertem Zustand überhaupt nicht nachvollziehen kann.

    Für die meisten Kunstliebhaber ist aber die Wiederherstellung des alten Gesamteindrucks das Entscheidende und nicht die hundertprozentige wissenschaftliche und theoretische Korrektheit. Insofern reiben sich die verschiedenen Herangehensweisen natürlich - ich persönlich bin auf jeden Fall heilfroh, dass so manches Interieur rekonstruiert wurde, obwohl man einzelne Aspekte nicht hundertprozentig sicher wusste und man deshalb ein bisserl "kreativ" arbeiten musste. Oder anders gesagt, ich bin teilweise durchaus ein Fan der alten "schöpferischen Denkmalpflege", die inzwischen größtenteils aus der Mode gekommen zu sein scheint.

    "In der Vergangenheit sind wir den andern Völkern weit voraus."

    Karl Kraus

  • Snork 29. Oktober 2023 um 18:59

    Hat den Titel des Themas von „München - Die Kirchen (Galerie)“ zu „München - die Kirchen (Galerie)“ geändert.
  • "Kunst kommt von können. Wenn's von Wollen käme, wär's Wulst"

    Vielen Dank für diese wunderbare Galerie! Der Zerstörungsgrad der Münchner Kirchen war mir in dem von Dir bisher beschriebenen Ausmaß nicht bekannt. Ebenso die leidenschaftliche, von den Münchnern getragene Wiederherstellung! Es zeigt sich auch hier, die Kultur steht und fällt mit der Existenz eines engagierten, gebildeten Bürgertum, den fähigen Künstlern und Kunsthandwerkern und dem nötigen Geld. Also alles Bedingungen auf der praktischen Umsetzungsebene. Leider reduziert sich, wie von Dir erwähnt, nicht nur in München jenes deutsche Bürgertum! :sad:

    Bin gespannt auf die weiteren Kirchenportraits!

  • Als beides dann trotzdem durchgeführt wurde, haben zwei Kunsthistoriker in der Zeitschrift "Die Kunstchronik" 1983 (ich habe jetzt die Namen vergessen, kann aber bei Bedarf nochmal nachschauen) im Nachhinein die Stuckarbeiten schlechtgeredet, weil die ausführenden Stuckateure der sehr erfahrenen Firma Schnitzer in der genauen Profiltiefe des Stucks nicht 100% nach Befund gearbeitet hatten (obwohl das Gewölbe ganz eingestürzt war, hatten sich winzige Reste des Originalstucks an den seitlichen Ansätzen erhalten), sondern diese nach Augenmaß und im Hinblick auf eine überzeugende Gesamtwirkung etwas abgeändert hatten - die Profiltiefe wohlgemerkt, nicht die Stuckformen.

    Ich habe versucht, den Aufsatz ausfindig zu machen. Es ist mir aber nicht gelungen, obwohl hier alles online verfügbar sein sollte: https://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/kchronik/issue/archive

    Es wäre also nett, wenn du mir sagen würdest, wo du das Beschriebene gelesen hast.

    Leider reduziert sich, wie von Dir erwähnt, nicht nur in München jenes deutsche Bürgertum!

    Also, das Gefühl habe ich gerade nicht. Seit der Wende gab es doch gerade in Ostdeutschland unzählige Rekonstruktionsprojekte mit einem sehr hohen bürgerlichen Engagement und enormer Spendenbereitschaft. Da sind das Berliner Schloss, die Potsdamer Innenstadt oder der Dresdner Neumarkt samt Frauenkirche nun drei herausragende Beispiele. Hinzu kommt im Westen die Altstadt in Frankfurt am Main. Und unzählige kleinere Projekte, wie man sie hier in meiner (sicher nicht vollständigen) Liste erkunden kann:

    Bürgerinitiativen für Denkmalschutz, Rekonstruktion und Stadtbildpflege
    Bürgerforen, Altstadtvereine, Fördervereine und Stiftungen, die sich für den Erhalt und die Rekonstruktion historischer Bausubstanz einsetzen
    www.zeilenabstand.net

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  • Münchner Dom Zu Unserer Lieben Frau („Frauenkirche“)

    Frauenplatz 1
    Erbaut 1468-94
    Typus: dreischiffige Hallenkirche von zehn Jochen mit polygonalem Chorumgang

    Ansicht vom Turm von St. Peter (man sieht eindrücklich, wie sehr die riesige Masse des Kirchenschiffes das umliegende Häusermeer beherrscht):

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    Die Frauenkirche ist von vielen Punkten der Stadt aus prominent zu sehen, hier vom Dach der Alten Bayerischen Staatsbank:

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    Von der Domfreiheit, also durch die Liebfrauenstraße gesehen:

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    Die beiden Türme:

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    Das Nordostportal mit den wie auch bei allen anderen Portalen 1772 von Ignaz Günther geschaffenen frühklassizistischen Türflügeln:

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    Baugeschichte:

    - um die Mitte des 13. Jhs Baubeginn der sogenannten Marienkapelle, einer dreischiffigen spätromanischen Pfeilerbasilika mit zwei Westtürmen, 1271 Weihe und Erhebung zur zweiten Pfarrkirche der Stadt, im frühen 14. Jh Erneuerung des Chors im gotischen Stil und Einbau eines Lettners
    - 1468 Grundsteinlegung für einen größeren Neubau, der jetzigen Frauenkirche, durch Herzog Sigismund; als Bauträger fungiert die Bürgerschaft, Baumeister ist Jörg von Halsbach (von Polling); zunächst wird um die alte Kirche herum gebaut, 1472 wird die alte Kirche abgerissen, 1473 stehen Umfassungsmauern und Pfeiler, 1477/78 Aufbringung des Dachstuhls, 1488 Fertigstellung der Türme bis auf die Abschlüsse, 1494 Weihe
    - 1524/25 Aufbringung der charakteristischen Turmhauben („welsche Hauben“)
    - die Ausstattung wird größtenteils von der Vorgängerkirche übernommen, zusätzlich werden neue Fenster (1480-93) und das Chorgestühl von Erasmus Grasser (1502) eingebaut sowie das Kaisergrab von Ludwig dem Bayern (um 1490) errichtet
    - 1601 Beginn der Neuausstattung unter Maximilian I., zunächst wird der Kirchenraum weiß getüncht; 1604 wird Benno von Meißen zum Stadt- und Landespatron erhoben, seine Reliquien kommen bereits 1580 in die Kirche; Bennoschrein, Bennosakristei und vor allem der Bennobogen (1604/05) von Peter Candid und Hans Krumper, 1620 Hochaltar, 1619-22 Kaisermonument von P. Candid, H. Krumper und Hubert Gerhard
    - 1770-79 Restaurierung: neue Eichentüren, Reliefmedaillons zum Chorgestühl, neue Bestuhlung von Ignaz Günther, Kanzel von Roman Anton Boos, Entfernung der Glasgemälde
    - 1821 Frauenkirche wird Dom des 1817 eingerichteten Erzbistums München-Freising; Erhöhung des Chors
    - 1858-68 Neugotische Ausgestaltung unter Leitung von Mathias Berger und Ludwig Foltz; unter den ausführenden Künstlern u.a. Moritz von Schwind, Kaspar Zumbusch, Joseph Knabl und Anselm Sickinger; Entfernung des Bennobogens, Glasgemälde wieder eingesetzt, Pläne zur Umgestaltung des Außenbaus, vor allem der Fassade und der Türme, die aber nicht umgesetzt werden
    - 1932 Wiederherstellung der ursprünglichen Farbigkeit, neue Fenster
    - 1943-45 schwerste Kriegszerstörungen; Verlust des größten Teils des Daches, Einsturz der Gewölbe, Chorpfeiler und -mauern, Verlust der neugotischen Ausstattung, die man nicht für so wertvoll erachtet hatte, als dass man sie rechtzeitig ausgelagert hätte; Ausbau allerdings der noch erhaltenen mittelalterlichen Glasfenster
    - 1953 äußerer Wiederaufbau (das Gewölbe aus Bimssteinen, die Gewölberippen und das Fenstermaßwerk aus Beton, die Turmkuppeln aus Stahlbeton), 1954-57 Innengestaltung unter Leitung von Walther Bertram, Errichtung der Kardinalsgruft mit abermaliger Erhöhung des Chors, Einsetzung der verbliebenen alten Fenster und neuer moderner Fenster, Triumphkreuz von Josef Henselmann (derselbe, der 1953 den neuen Hochalter im Passauer Dom schuf), neue Orgel von Josef Zeilhuber
    - 1971/72 Absenkung des Chors, Neugestaltung des Altarbereichs und der Gruft
    - 1990-94 Renovierung; farbige Ausmalung in Anlehnung an die ursprüngliche Farbigkeit und Einrichtung des Inneren mit einigen Teilen alter Ausstattung


    Das Äußere, ein riesenhafter Backsteinbau mit Sockel aus Nagelfluh, ist für eine spätgotische Kirche atypisch schlicht und massig gehalten, die Wandpfeiler erscheinen nur als flache, am Dachgesims endende Lisenen und Maßwerk gibt es nur an wenigen Stellen. Gerade der Vergleich mit der ebenfalls spätgotischen Landshuter Martinskirche ist hierbei interessant: beide Kirchen bestehen überwiegend aus unverputztem Backstein mit wenig Maßwerk, doch die Landshuter Kirche ist wesentlich filigraner und luftiger. Im ornamentverliebten 19. Jh. nannte man die Frauenkirche deshalb den schwerfälligen Ausdruck einer bäuerlich verbliebenen mittelalterlichen Bürgerschaft, die noch durch keine fürstliche Kunstpolitik verfeinert worden war - sozusagen eine „glorifizierte Dorfkirche“. Verschiedene Künstler fertigten im 19. Jh. Pläne, das Äußere filigraner und reicher zu gestalten und schreckten auch nicht vor Plänen zur Umgestaltung der im Laufe der Jahrhunderte ikonisch gewordenen kuppelförmigen „welschen“ Turmhauben zurück, die aber zum Glück niemals realisiert wurden. Der Kunsthistoriker und Dokumentarfilmer Dieter Wieland hingegen bezeichnete die klare und rationale Architektur der Frauenkirche als Vorbote der Renaissance, was zeitlich zwar hinkommen würde, aber vielleicht wirklich den Bildungshorizont der damaligen Münchner Bürgerschaft überstieg… der Gedanke ist aber jedenfalls nicht uninteressant.
    Ein paar Worte zur Herkunft der charakteristischen und eigenartigen runden Turmhauben: sie stammen nicht von italienischen Renaissancekuppeln ab, mit denen sie nur die Idee der Kuppel, nicht aber die Form gemein haben, sondern sehr wahrscheinlich von venezianischen Kuppeln wie bei Madonna dell’Orto oder den Laternenkuppeln von San Marco, die ihrerseits wiederum ins Heilige Land d.h. nach Jerusalem weisen. In Deutschland waren die überkuppelten Gebäude von Venedig und Jerusalem vor allem durch die Holzstiche der 1486 erschienenen Reisebeschreibung „Die Reise ins Heilige Land“ von Bernhard von Breydenbach einem breiteren Leserkreis bekannt geworden.
    Das Innere der Frauenkirche (das Kirchenschiff ist 109 Meter lang, 40 Meter breit, 37 Meter hoch und bietet 2.000 Menschen Platz) entspricht auch nicht dem gängigen Bild einer weitläufigen spätgotischen Hallenkirche, sondern wird durch 11 Paare enggestellter riesiger Achteckpfeiler beherrscht, deren Licht- und Schattenspiel den Raumeindruck maßgeblich prägt. Die ursprüngliche Farbfassung, die 1932 fest- und wiederhergestellt wurde, war wie folgt: Blaugrau in den Gewölbekappen, ein lichtes Gelb auf den Rippen und Pfeilern sowie ein rötlich-heller Ton auf den Wandflächen, das ganze ohne ornamentale oder figürliche Wandmalereien. Durch die enge Stellung der riesigen Pfeiler und der daraus resultierenden Abtrennung des Mittelschiffs von den Seitenschiffen ergab sich jeweils ein deutlich unterschiedlicher Farbcharakter: das Mittelschiff gelblich-warm, die Seitenschiffe und der Chorumgang rötlich-grau-kühl. Man kann feststellen, dass im Innenraum der Frauenkirche das Licht in seinen verschiedenen Facetten der Hauptdarsteller war (und ist), nicht etwa eine reiche Ausstattung, und dass diese Lichthaftigkeit in interessantem Gegensatz zur schweren Materialität des Außenbaus steht. Es gibt auch andere interessante Gegensätze, wie das breit Hingelagerte des Kirchenschiffs einerseits und die steil emporragenden Türme (Höhe knapp 99m) andererseits, die große Ausdehnung von Fläche einerseits und die Zierlichkeit der Friese und Gewölbe andererseits, die Unterschiede zwischen Längs- und Querblick u.a. In diesem Sinne ist die Frauenkirche durchaus ein originell konzeptionierter, außergewöhnlicher Bau.
    Im frühen 17. Jh wurde das Kircheninnere umgestaltet, vor allem wurde ein großer Triumphbogen (Bennobogen) und neuer Hochaltar eingebaut, die der Kirche einen triumphalen Grundcharakter geben sollten, der auf die Erfolge von Maximilian I. in der Gegenreformation hinweisen sollte. Der Altar war das Dankgeschenk Maximilians für den 1620 am Weißen Berg errungenen Sieg über den böhmischen Winterkönig, den Führer der protestantischen Union, woraufhin Bayern die pfälzische Kurwürde bekam.
    Im mittleren 19. Jh wurden Stimmen laut, die eine Rückführung des Innenraums in seine ursprüngliche gotische Gestalt forderten und sich damit schließlich durchsetzten. So wurde die Kirche ab 1858 regotisiert, dabei Bennobogen und frühbarocker Hochaltar entfernt und die gesamte Kirche mit einer reichen neugotischen Ausstattung versehen. Der Schweizer Kunsthistoriker Jakob Burckhardt schrieb 1877 über die „Wiederherstellung“: „… die Frauenkirche, die ich vor 21 Jahren noch mit ihren herrlichen Barockgittern an den Kapellen und mit dem köstlichen Triumphbogen über dem Grab des Kaisers Ludwig mitten im Schiffe (und demselben zur schönsten und leichtesten Unterbrechung dienend) gesehen hatte, - diese Kirche haben sie nun streng purifiziert; vor allem natürlich ein blaues Gewölbe mit Sternen, so dass sie nur mehr halb so hoch wie früher aussieht, darunter die achteckigen Pfeiler jetzt cremegelb…“
    Im 20. Jh lehnte man solche historistischen Umformungen immer mehr ab, weswegen man auch keine sonderlichen Anstrengungen traf, die neugotische Ausstattung vor den drohenden Zerstörungen des 2. Weltkriegs rechtzeitig in Sicherheit zu bringen. Die Ausstattung wurde folglich zusammen mit der Kirche auch weitgehend zerstört und die verbliebenen Reste räumte man ohne Gewissensbisse ab, so dass heute bis auf zwei Epitaphien keine Reste der historistischen Periode mehr übriggeblieben sind. Der Wiederaufbau, der die Kirche äußerlich originalgetreu wiederherstellte, gab dem Innenraum leider eine sehr nüchterne und modern-unverbindliche Form, die zwar Anfang der 1980er Jahre etwas abgemildert wurde, aber im Grunde bis heute anhält: der erste Eindruck nach dem Eintreten kommt sogar dem einer protestantischen Kirche nahe, da es keinen Hochaltar mehr gibt, sondern nur Volksaltar und Ambo. Es ist schade, dass man in den reichen Beständen des Diözesanmuseums keine geeigneten Ausstattungsgegenstände finden konnte (oder wollte), die dem spätgotischen Innenraum mehr sakrale Würde und katholische Ausstrahlung hätten geben können. So bleibt das heutige Innere der Frauenkirche in der ansonsten so reich ausgestatteten Sakrallandschaft Münchens eine gewisse Enttäuschung.


    Ansicht mit der frühbarocken Umgestaltung vom Anfang des 17. Jhs, u.a. dem Bennobogen:

    704px-Frauenkirche_046.jpg

    (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Frauenkirche_046.jpg)

    Ansicht des regotisierten Zustands nach 1868:

    index.php?eID=dumpFile&t=f&f=234&token=4c33aa9509af9930b960f962de2c691bee9a8d26

    (https://www.muenchner-dom.de/die-kathedrale…/baugeschichte/)

    Weitere Vorkriegsansichten:

    Stadtarchiv München - Ansichtsbild
    Stadtarchiv München - Ansichtsbild
    Stadtarchiv München - Ansichtsbild
    Stadtarchiv München - Ansichtsbild
    Stadtarchiv München - Ansichtsbild
    Stadtarchiv München - Ansichtsbild
    Stadtarchiv München - Ansichtsbild
    Stadtarchiv München - Ansichtsbild

    Zustand nach der Zerstörung:

    zerstörte-frauenkirche-in-münchen-ende-der-40er-jahre_00352671_p.jpg?eJwljDsOwjAQRO8ydQqv49hhO-QGJAISQQIq5Ch2RQWkQtydwRS7T_PRvBHX0JLuz9wgbqAAeYEKca3YbaEtsWc45-XGY2egMqbtrA_yk6faHaGWP0IdMfw9Rq_Hwv3zWI0j1PemwYESYnPprCTjxFlxJQSTvJFpmkMfVuLx-QJFBiZf

    (https://www.sz-photo.de/thumb.php/zers…kMfVuLx-QJFBiZf)

    Der komplett zerstörte Chor:

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    Heute:

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    Der in meinen Augen unbefriedigend gestaltete Chorbereich:

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    Im Eingangsbereich hat sich ein kleines Zellengewölbe versteckt:

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    Blick in das Chorgewölbe:

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    Weitere Fotos hier: https://www.flickr.com/photos/1619455…177720312261804

    "In der Vergangenheit sind wir den andern Völkern weit voraus."

    Karl Kraus

  • Es wäre also nett, wenn du mir sagen würdest, wo du das Beschriebene gelesen hast.

    Auf der von Dir verlinkten Website ist ja auch nur eine Nummer des gesamten Jahres 1983 verfügbar; ich hab den Sammelband mit allen Ausgaben des Jahres 1983 antiquarisch gekauft, bin aber gerade nicht zu Hause und kann erst wieder nächste Woche nachschauen, in welcher Ausgabe der Aufsatz steht und von wem er stammt.

    "In der Vergangenheit sind wir den andern Völkern weit voraus."

    Karl Kraus

  • Auf der von Dir verlinkten Website ist ja auch nur eine Nummer des gesamten Jahres 1983 verfügbar;

    Nein, es sind 12 Nummern, nur sehr unglücklich sortiert. Wenn man nach Jahrgang sucht, bekommt man sie geballt angezeigt. Eine Volltextsuche nach St. Michael führte mich aber nicht zum schnellen Ziel, deshalb frage ich nochmal nach.

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  • Hab den Aufsatz tatsächlich auf der Website gefunden:

    „Die Wunden des Krieges sind nicht mehr erkennbar“

    Zum Wiederaufbau der Münchner Michaelskirche

    Dorothea Diemer, Peter Diemer

    „Die Wunden des Krieges sind nicht mehr erkennbar“ | Kunstchronik. Monatsschrift für Kunstwissenschaft, Museumswesen und Denkmalpflege

    Ich muss mich allerdings korrigieren, ich hatte aus der Erinnerung ein paar Dinge durcheinandergebracht: die Autoren kritisieren nicht die Stuckateure der Firma Schnitzer, sondern die Verantwortlichen der Rekonstruktionsmaßnahmen und den Architekten für eine unwissenschaftliche und oberflächliche Herangehensweise. Außerdem wird die Wichtigkeit der Rekonstruktionen für den Wiedergewinn der Gesamtwirkung zwar durchaus nachvollzogen, aber dann wird Erbsenzählerei betrieben und begangene Fehler werden über Gebühr betont: das Resümee scheint mir jedenfalls deutlich negativ zu sein, was mir angesichts der riesenhaften Aufgabe und der Wichtigkeit des Wiedergewinns des so bedeutenden Raumes sauer aufstößt. Zitat:

    "Man hat sich in der Michaelskirche als einem Baudenkmal von herausragendem Rang und schulbildender Ausstrahlungskraft entschieden, einen verlorenen Teil nachzubilden, weil dieser für die Gesamtwirkung wesentlich erschien. Diesem Gewinn gegenüber erscheint es als vertretbar, daß man das Anliegen, das Ensemble der Wiederaufbauzeit als historisches Denkmal zu erhalten, zurückgestellt hat. In Kategorien wissenschaftlicher Denkmalpflege jedoch, wie sie seit Dehio galten, muß die Maßnahme als bedenkliche Manipulation gelten. Eine hinreichend exakte Lösung wäre, wenn überhaupt, nur mit astronomisch hohem Geldaufwand möglich gewesen (sehr wohl aber eine problembewußtere). Dennoch glich man die neue Substanz der alten bewußt so an, daß der Betrachter keine Möglichkeit der Unterscheidung hat. Der Kritik enthoben wäre ein solches Vorhaben nur, wenn eine gewissenhafte Dokumentation für die Öffentlichkeit das Ineinander von Alt und Neu wenigstens auf dem Papier entwirrte. (...)

    (...) und verschiedene Arten des Leidens an der modernen Welt haben seitdem bekanntlich zu einer neuen Begeisterung für das Alte oder alt Aussehende geführt. Geldmittel standen zur Verfügung, ebenso eine am Wiederaufbau geschulte Handwerkergeneration, und so konnte man darangehen, sich die Vergangenheit vor der jüngsten Vergangenheit neu zu bauen. Daß dabei die Dokumentation zu kurz kommt, liegt ganz auf der Linie des neuen Eklektizismus, dem das historische Detail so lästig ist wie die Fußnote in einem historischen Roman. Einen wichtigen Aspekt dieser Suche nach Heimat im Hergebrachten, Ungestörten hat der leitende Architekt mit seltener Prägnanz formuliert: „Die Wunden des Krieges sind nicht mehr erkennbar“. Wir mögen nicht mehr mit ihnen leben."

    Zitat Ende.

    Das ist das immer gleiche Lied; nur das, was historisch hundertprozentig korrekt und authentisch ist, wird gerade mal so anerkannt, sonst ist es "neuer Eklektizismus". Ich kann die Kritik an den Quellen für die Rekonstruktion zwar im Einzelnen nachvollziehen, aber ich finde das Resümee viel zu negativ und einseitig: auch wenn Fehler begangen wurden, so ist das Ergebnis im Vergleich zum Vorkriegszustand, wie man ihn auf Fotos erkennen kann, wunderbar gelungen und ein Grund für uneingeschränkte Freude; die im Gesamtzusammenhang kleinen Abweichungen im Maßstab sind für keinen wirklich zu sehen, der wiederhergestellte Gesamteindruck aber von immenser Wichtigkeit und Überzeugungskraft.

    Was wäre die praktische Alternative gewesen? Die Autoren geben selbst zu, dass eine genauere Rekonstruktion nur "mit astronomisch hohem Geldaufwand möglich gewesen" wäre d.h. man hätte vermutlich das Gewölbe völlig neu machen müssen, was utopisch ist. Also hätten sie gerne eine "problembewusstere" Lösung präferiert - ich denke, wir können uns alle ausmalen, wie das ungefähr ausgesehen hätte. Nein danke.

    Die nicht geschehene genaue Dokumentation ist sicher zu bedauern, aber für mich kein Grund, das gesamte Unternehmen negativ zu beurteilen.

    Ich werde im Beitrag zu St. Michael einige Vergleichsfotos einstellen, so dass sich jeder selbst ein Bild davon machen kann.

    "In der Vergangenheit sind wir den andern Völkern weit voraus."

    Karl Kraus

  • Ich danke dir für den Text. In der Tat bliebt von deinen ursprünglichen Vorwürfen an die Kunsthistoriker nicht viel übrig, denn diese tun nichts anderes, als sich mich wissenschaftlichen Maßstäben der erfolgten Rekonstruktion zu nähern. Genau das erwarte ich auch von einem seriösen Kunsthistoriker. Sie differenzieren zwischen gelungenen und weniger gelungenen Vorgehensweisen. Vor allem kann ich nirgends lesen, dass sie generell die Rekonstruktion ablehnen oder die handelnden Personen unsachlich die Befähigung absprechen. Die Kritikpunkte werden konsequent begründet.

    Vor allem wird die fehlende Dokumentation angeführt. Als Kunsthistoriker kann ich dazu nur sagen: Wie kann so etwas passieren? Das ist ein NoGo und wird zu Recht scharf bemängelt. Das hat erhebliche negative Auswirkungen für die Beschäftigung und Instandhaltung des Baus für kommende Generationen. Es hätte mich auch stark gewundert, wenn in der Kunstchronik unbegründete Kritik an Rekonstruktionen zu finden gewesen wäre. Der entscheidende Satz scheint mir dieser zu sein: "Der Kritik enthoben wäre ein solches Vorhaben nur, wenn eine gewissenhafte Dokumentation für die Öffentlichkeit das Ineinander von Alt und Neu wenigstens auf dem Papier entwirrte." Darin wird deutlich, dass man Rekonstruktionen unter bestimmten wissenschaftlichen Vorgehensweisen durchaus wohlwollend betrachtet. Das ist eine Prämisse, die ich selbst immer wieder postuliere: Rekonstruktion bitte ja, aber unter wissenschaftlicher Begleitung!

    Kunsthistoriker, Historiker, Webdesigner und Fachreferent für Kulturtourismus und Kulturmarketing

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