München - die Kirchen (Galerie)

  • Na ja, die Vorwürfe gehen schon weit über die fehlende wissenschaftliche Dokumentation hinaus, sondern betreffen die eigentliche Qualität der Arbeit und der Herangehensweise, dies wird im Artikel breit aufgefächert. Das Resümee ist eindeutig negativ und meines Erachtens falsch gewichtet. Wenn man hingegen die Fotos vor der Zerstörung mit dem rekonstruierten Zustand vergleicht, kann man die mangelnde Qualität nicht im Geringsten nachvollziehen, das hätte der Aufsatz anerkennen müssen. Das Ergebnis ist auf jeden Fall keine "bedenkliche Manipulation" und "Eklektizismus", dies wird der geleisteten Arbeit überhaupt nicht gerecht und ist fast schon bösartig.

    Der wahre Geist der Autoren offenbart sich für mich im letzten Absatz:

    "Einen wichtigen Aspekt dieser Suche nach Heimat im Hergebrachten, Ungestörten hat der leitende Architekt mit seltener Prägnanz formuliert: „Die Wunden des Krieges sind nicht mehr erkennbar“. Wir mögen nicht mehr mit ihnen leben."

    Dadurch wird deutlich, dass die Autoren lieber einige Wunden beibehalten hätten, als so zu tun, wie wenn nie etwas zerstört worden wäre. Die zu bemängelnden Fehler kommen ihnen dabei gerade recht, um das Unternehmen insgesamt zu diskreditieren.

    "In der Vergangenheit sind wir den andern Völkern weit voraus."

    Karl Kraus

  • sondern betreffen die eigentliche Qualität der Arbeit

    Im Aufsatz heiße es:

    Zitat

    Die technische Realisierung des großen Vorhabens durch die Stuckateurfirma Schnitzer war zweifellos nicht nur professionell, sondern auch um möglichste Übereinstimmung mit den Abbildungsvorlagen bemüht. Uberdies hat man es offenbar den Stuckateuren zu verdanken, daß an den Putzspuren der stehengebliebenen Langhaus-Gewölbeanfänger die ursprüngliche Breite der Profilstäbe festgestellt wurde, und auch, daß im Konvent noch Originalfragmente aufgespürt wurden, die als Muster dienen konnten.

    Zumindest die handwerkliche Leistung ist ausdrücklich gewürdigt worden.

    Kunsthistoriker, Historiker, Webdesigner und Fachreferent für Kulturtourismus und Kulturmarketing

    Mein Bezug zu Stadtbild Deutschland: Habe die Website des Vereins erstellt und war zeitweise als Webmaster für Forum und Website verantwortlich. Meine Artikel zu den Themen des Vereins: Rekonstruktion / Denkmalschutz / Architektur / Kulturreisen

  • Augustinerkirche St. Johannes der Täufer und St. Johannes Evangelist (profaniert, heute Deutsches Jagd- und Fischereimuseum)

    Neuhauser Str. 2
    Erbaut ab ca. 1290 (Chor und erstes Langhaus), 1. Hälfte 15. Jh Erneuerung des Langhauses
    Typus: ursprünglich dreischiffige Basilika mit Langchor und Fünfachtelschluss

    Ansicht von Osten (hinten links ist die Michaelskirche zu sehen):

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    Ansicht von Westen:

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    Baugeschichte:

    - Die frühe Baugeschichte der Augustinerkirche ist unklar; die offizielle Genehmigung zur Klostergründung der Augustiner-Eremiten stammt von 1294, der Baubeginn ist aber wahrscheinlich schon 2-3 Jahre früher anzunehmen. Zuerst entsteht laut Bayer. Denkmaltopographie der dreijochige Langchor mit 5/8-Schluss, abgetreppten Strebepfeilern und vermutlich den zeitüblichen Kreuzrippengewölben, von denen Spuren über der Barockwölbung erhalten sind. 1311 Stiftung einer Magdalenenkapelle am Chor. 1341 Chorweihe; dieser späte Zeitpunkt resultiert vermutlich aus dem zwischenzeitlich über Kaiser Ludwig den Bayern und die Stadt München verhängten päpstlichen Interdikt, welches 1340 aufgehoben wurde (allerdings wurde die Kirche schon vorher benediziert und konnte dadurch benutzt werden). Unklar ist auch die Datierung des Langhauses: aufgrund des Fehlens von Strebepfeilern ist anzunehmen, dass es ursprünglich flachgedeckt war; dies und sein basilikaler Querschnitt zusammen mit den Viereckpfeilern lassen auf eine Entstehung im frühen 14. Jh schließen. Ebenso ungeklärt ist die Datierung der ehem. Sakristei, des heutigen Eingangsbereiches des Museums: das achteckige, aus Dreistrahlgraten zusammengesetzte Sterngewölbe mit Mittelstütze war vor allem im 14.Jh verbreitet, es gibt aber auch Vermutungen, dass es erst nachträglich eingebaut wurde.
    - Nach mehreren verheerenden Bränden (1414, 1429, 1434) ab 1448 Erneuerung des Langhauses, wobei unklar bleibt, inwiefern alte Bausubstanz weiterverwendet wurde; Indizien deuten darauf hin, dass damals die Hochschiffwände erneuert und das Mittelschiff mit einem Rippennetzgewölbe neu eingewölbt wurde.
    - 1619/20 frühbarocke Umgestaltung unter Leitung des Maurermeisters und Stuckators Veit Schmidt und mutmaßlich nach Entwürfen von Hans Krumpper, bedingt wahrscheinlich durch die Konkurrenzsituation mit der neuen, unmittelbar daneben liegenden und viel aufsehenerregenderen Michaelskirche der Jesuiten: u.a. Neueinwölbung von Mittelschiff und Chor mit einer Stichkappentonne, Ausrundung der Pfeilerarkaden und Fensterschlüsse, Aufblendung einer korinthischen Pilasterordnung mit verkröpftem Gebälk, flacher Hermenpilaster und mit Stuckornamentik gefüllter Blendfelder; der Chor ist dabei durch eine reichere Ornamentik vom Langhaus unterschieden. Weitere reiche Ausstattung mit zwölf Altären, prächtigem Chorgestühl und Orgel; im Laufe des 17. und 18. Jhs immer wieder ergänzt und verändert, u.a. die spätbarock geschwungene Westempore hinzugefügt. Unter den Altarbildern war die berühmte 9 x 6 m große Kreuzigung von Tintoretto, die sich heute in Stift Haug in Würzburg befindet; weitere Altarbilder stammten von Peter Candid, Ulrich Loth, Johann Rottenhammer (heute in der Allerheiligenkirche am Kreuz), Rubens und Carlo Saraceni.
    - 1802 Klosteraufhebung und Profanierung der Kirche; die Ausstattung gelangte dabei teilweise in andere Kirchen, in die Staatsgalerie, ins Bayerische Nationalmuseum oder wurde versteigert: u.a. kamen die Altarbilder mehrheitlich in die Staatsgalerie, die sog. Hammerthaler Madonna in die Heiliggeistkirche, die große Orgel in die Theatinerkirche, zwei spätgotische Altarbilder und ein Kapellengitter aus dem 17. Jh ins Bayerische Nationalmuseum. Die Kirche selbst wurde mit zusätzlichen Einfahrten versehen und als Mauthalle benutzt, bis 1871 das neue Hauptzollamt in der Bayerstraße gebaut wurde; das Kloster diente als Sitz verschiedener Justizbehörden bis zum Bezug des neuen Justizpalastes am Stachus 1897.
    - Nach dem Verlust dieser Funktion sollte die inzwischen verwahrloste Kirche 1906 abgerissen werden, doch setzte sich eine Initiative von prominenten Persönlichkeiten unter Führung von Gabriel v. Seidl erfolgreich für eine Rettung der Kirche und eine neue Nutzung ein. Das benachbarte Augustinerkloster wurde zwar abgerissen und 1909-16 durch das neue Polizeipräsidium ersetzt, die Kirche aber bewahrt und durch eine eingezogene Zwischendecke in zwei Geschoße geteilt: unten wurden Läden und weitere Amtsräume der Polizei eingerichtet, oben entstand der für verschiedene Zwecke nutzbare “Weiße Saal”, der mithilfe einer im Chorbereich eingebauten großzügigen gegenläufigen Treppe erschlossen wurde (Architekt Theodor Fischer). Dazu kam eine neue dekorative Putzgliederung des Äußeren (anstelle des vorher uniformen Putzes), die Errichtung einer Terrasse mit von Vasen und Obelisken bekrönter Balustrade über dem südlichen Seitenschiff, die Aufstellung von Kalksteingruppen der vier Elemente auf den kleinen Nischendächern zwischen den Strebepfeilern des Chors sowie die Hinzufügung einer Portalädikula samt (nicht erhaltenem) Tympanongemälde an der zuvor völlig glatten Westfassade.
    - 1944/45 schwere Schäden vor allem im Westbereich: oberer Teil der Westfassade, Dachstuhl und Gewölbe des Mittelschiffs zerstört.
    - 1949 Wiederherstellung des Äußeren in alten Formen und Wiederherstellung der Läden im Erdgeschoß, Unterteilung des Mittelschiffs.
    - 1962-64 Umbau des Weißen Saals (Obergeschoß) zum neuen Sitz des Deutschen Jagdmuseums unter Leitung von Erwin Schleich: Rekonstruktion des Langhausgewölbes samt Stuckdekor, Restaurierung und Ergänzung des erhaltenen Stucks im Chorbereich.


    Die ehemalige, seit über 200 Jahren profanierte Augustinerkirche mag im Vergleich zur benachbarten Michaelskirche zwar eher unscheinbar wirken, ist aber eine der ältesten Kirchen Münchens und innen vor allem aufgrund der eingebauten Treppe und des prächtigen Stucks im Chorbereich sehr sehenswert. Natürlich ist aber auch das seit den 1960er Jahren dort untergebrachte Deutsche Jagd- und Fischereimuseum einen Besuch wert. Städtebaulich ergibt die Augustinerkirche zusammen mit der Michaelskirche und den dahinter emporragenden Türmen der Frauenkirche ein äußerst beeindruckendes städtebauliches Ensemble.

    Auf der Website des Hauses der bayerischen Geschichte findet sich ein lesenswerter Artikel zur Geschichte des Augustinerklosters: https://hdbg.eu/kloster/index.…ichte?id=KS0252

    Ansicht von Kirche und Kloster von Michael Wening in der Topographia Bavariae um 1700: https://de.wikipedia.org/wiki/Augustinerkirche_%28München%29#/media/Datei:Augustinerkloster_München.png

    Ansicht des Weißen Saals vor der Zerstörung: https://stadtarchiv.muenchen.de/scopeQuery/detail.aspx?ID=614336

    Ansicht des Weißen Saals nach der Zerstörung (in Richtung Westen):

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    Heute:

    Treppenaufgang im ehem. Chor:

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    Der prächtige, teilweise noch original erhaltene Spätrenaissance-Stuck im Chor:

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    Die 1914/15 von Theodor Fischer eingebaute Treppe und der Weiße Saal vom Zwischenpodest aus:

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    Der ganze Chor:

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    Der Weiße Saal Richtung Westen:

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    Die Empore an der Westwand:

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    Weißer Saal Richtung Osten:

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    Weitere Fotos hier: https://www.flickr.com/photos/1619455…177720312236722

    "In der Vergangenheit sind wir den andern Völkern weit voraus."

    Karl Kraus

  • Ich bin zwar schon dutzende Male dran vorbeigegangen und hatte auch schon ein paar Innenaufnahmen gesehen. Aber ich muss sagen, dass die Gestaltung erstaunlich harmonisch wirkt, um 1900 wusste man eben noch, wie man ein historisches Gebäude mit Gewinn umbauen kann.

    Hat die Schönheit eine Chance-Dieter Wieland

  • Deinen letzten Satz kann man absolut unterstreichen, heute würde man eine Stahl-, Glas- oder Betonkonstruktion reinhauen, dass es nur so kracht. Die Fischersche Treppe in der Augustinerkirche ist in ihrem gegenläufigen "Kaisertreppenstil" sehr repräsentativ, aber gleichzeitig fügt sie sich äußerst stimmig und geschmackvoll in die ehemalige Kirche ein. Man hatte damals einfach das Gespür und den Geschmack für solche harmonischen und schönen Lösungen! Für weitere Fotos der Treppe bitte auf meinen Flickr-Link im Beitrag oben klicken.

    "In der Vergangenheit sind wir den andern Völkern weit voraus."

    Karl Kraus

  • Die Frauenkirche hat sich leider nie von dieser inferioren Regotisierung erfangen. Der Barockzustand war wirklich wunderbar und ist der großartigen Architektur gerecht geworden. Man muss der Nachkriegszeit zugutehalten, dass sie ihr Bestes gaben, um diesen Ausstattungsverlust (von 1860 nämlich) durch gleichsam museales Auffüllen möglichst gering zu halten, aber rein von der großen Innenarchitektur her geht das nicht mehr.

    Es ist wirklich erstaunlich, wie befriedigend der Barock riesige hohe Kirchenräume "füllen" konnte und dabei dem gotischen Aufwärtsstreben voll gerecht wurde.

    Ich nehm an, die alte barocke Ausstattung wird unwiederbringlich dahin sein, oder?

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Bis auf ein paar Altarbilder, meines Wissens ja. Das Hochaltarbild von Peter Candid von 1620 hängt heute über dem Eingang in die Sakristei:

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    Bzgl. der Bewertung der Regotisierung bin ich mir nicht so sicher; ich hätte letztendlich wahrscheinlich schon auch den barocken Zustand mit dem Bennobogen bevorzugt, glaube aber, dass das Resultat der Regotisierung schon auch sehr beeindruckend gewesen sein muss, vor allem die kunsthandwerkliche Qualität (u.a. die Altarbilder von Moritz v. Schwind). Ich würde den regotisierten Zustand dem heutigen auf jeden Fall bei weitem vorziehen und finde es jammerschade, dass man nahezu nichts von ihm gerettet hat.

    "In der Vergangenheit sind wir den andern Völkern weit voraus."

    Karl Kraus

  • Kommen wir nun zu den zwei spätgotischen Friedhofskirchen der Altstadt: Allerheiligenkirche am Kreuz und Salvatorkirche.

    Allerheiligenkirche am Kreuz („Kreuzkirche“)

    Kreuzstraße 10
    Filialkirche der Pfarrei St. Peter
    Erbaut 1478-85
    Typus: spätgotische, dreijochige Saalkirche mit Wandpfeilern und tonnengewölbter Chorapsis

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    Ansicht des Turms von der Damenstiftstraße:

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    Baugeschichte:

    - 1478 Baubeginn (Baumeister wahrscheinlich Jörg von Halsbach), 1485 Weihe, Turm erst 1500-10 errichtet, evtl. durch Lukas Rottaler
    - 1620-25 Barockisierung und Neugestaltung der Apsis
    - 1722-26 neue Empore
    - 1814 neuer Hochaltar mit dem aus der abgerissenen Franziskanerkirche stammenden Altarblatt von Johann Rottenhammer von 1614, Tabernakel aus der Karmeliterkirche von ca. 1770, neues Nordportal, Seiteneingänge dabei vermauert
    - 1944/45 schwer beschädigt: Dachstuhl, Turmhelm, Orgelempore, Kanzel, Seitenaltäre, Gestühl ganz zerstört, Langhausgewölbe teilweise zerstört (zwei Fehlstellen), Schiff völlig ausgebrannt, 1947-49 mit reduzierter Ausstattung wiederhergestellt


    Durch das stetige Anwachsen der Bevölkerung zu Ende des 15. Jh waren neue Friedhöfe mit dazugehörigen Kirchen nötig, die aber noch innerhalb der Stadtmauern lagen. Die Pfarrei St. Peter erbaute zu diesem Zweck die Allerheiligenkirche am Kreuz, wahrscheinlich durch Jörg von Halsbach, den gleichen Baumeister, der auch die neue Frauenkirche baute.
    Auffällig ist die beträchtliche Turmhöhe von 66m im Vergleich zum eher kleinen Langhaus.
    Die Kirche wurde nach den Zerstörungen des 2. Weltkriegs nur vereinfacht wiederhergestellt, es fehlen u.a. die beiden Seitenaltäre und die Kanzel; trotzdem macht die Kreuzkirche einen würdigen Eindruck.

    Ich habe keine Gesamtansicht des Vorkriegszustandes finden können, nur folgende Teilansicht: https://stadtarchiv.muenchen.de/scopeQuery/detail.aspx?ID=399037

    Fotos nach der Zerstörung: https://www.bildindex.de/document/obj22…medium=fm202518

    Heute:

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    Der klassizistische Hochaltar:

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    Weitere Fotos hier: https://www.flickr.com/photos/1619455…177720312402318

    "In der Vergangenheit sind wir den andern Völkern weit voraus."

    Karl Kraus

  • Salvatorkirche (griechisch-orthodox)

    Salvatorstraße 17
    Erbaut 1493-99
    Typus: spätgotische Saalkirche von vier Jochen mit Fünfachtelschluss

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    Baugeschichte:

    - 1493 Baubeginn (Baumeister vermutlich Lukas Rottaler oder Hans Trager), 1494 Weihe (Übernahme des Patroziniums der 1493 abgebrochenen, 1328 errichteten Salvatorkirche am Schwabinger Tor), Ausstattung bis 1499
    - nachdem 1767 die gotische Turmspitze durch Blitzeinschlag beschädigt worden war, wurde sie mit einer barocken Zwiebelhaube ersetzt
    - seit 1829 griechisch-orthodoxe Kirche
    - 1878 Regotisierung der Turmspitze
    - im 2. Weltkrieg nur leicht beschädigt, hauptsächlich einige zuvor ausgelagerte Fenster zerstört, von denen vier nachher wiederhergestellt und wieder eingesetzt werden konnten


    Die Salvatorkirche war das Pendant zur Kreuzkirche und diente als Friedhofskirche der Frauenkirche. Nach Aufhebung der innerstädtischen Friedhöfe 1788 wurde St. Salvator 1803 profaniert und nach einigem Hin und Her (zwischenzeitlich war sowohl ein Abbruch erwägt als auch die Kirche kurzzeitig der neuen evangelischen Gemeinde übertragen worden, die diese jedoch nie nutzen konnte, da die Kirche noch als Remise und Getreidespeicher belegt war) schließlich 1829 der griechisch-orthodoxen Gemeinde übergeben, die sie bis heute nützt.
    Die Salvatorkirche ist eine der wenigen Kirchen Münchens, die im 2. Weltkrieg kaum beschädigt wurden. Leider ist der stimmungsvolle Innenraum nur selten offen, so dass er den meisten Leuten unbekannt sein dürfte.

    Zeichnung der Kirche mit barocker Zwiebelhaube (Zustand 1767 bis 1878): https://stadtarchiv.muenchen.de/scopeQuery/detail.aspx?ID=620091

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    Die barockisierte Empore:

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    Weitere Fotos hier: https://www.flickr.com/photos/1619455…177720312419113

    "In der Vergangenheit sind wir den andern Völkern weit voraus."

    Karl Kraus

  • Jesuitenkirche St. Michael

    Neuhauser Straße 6
    Erbaut 1583-97
    Typus: tonnengewölbte Wandpfeilerkirche mit nicht vortretendem Querhaus und tonnengewölbtem Chor mit Fünfzehntelpolygonschluss

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    Links ein Teil der Alten Akademie, rechts die Augustinerkirche und darüber die Türme der Frauenkirche:

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    Baugeschichte:

    - 1559 Gründung des Jesuitenkollegs durch Petrus Canisius, Errichtung der Kollegiengebäude 1559-61 durch Wilhelm Egkl und 1585-97 vermutlich durch Friedrich Sustris
    - 1583 Approbation des Planes für den Kirchenbau durch das Generalat des Jesuitenordens in Rom und Baubeginn, Architekt hauptsächlich Friedrich Sustris, ausführender Baumeister Wolfgang Miller, weiterer Ratgeber Wendel Dietrich, 1587 Gewölbe eingezogen, 1588 Abbau der Gerüste, geplante Weihe 1590
    - 1590 Einsturz des Turms, der den Chor zerschmettert, dies wird als Mahnung des Erzengels Michael gewertet, dass die Kirche zu klein geplant ist und vergrößert werden soll
    - 1591 Konsultation des Jesuitenbaumeisters Giuseppe Valeriano aus Rom
    - 1592 Aufstellung der Fassadenfiguren, 1592-96 Errichtung der Kreuzkapelle
    - 1593 Fortsetzung der Bauarbeiten: das Langhaus wird beibehalten, ein Querhaus eingefügt und der Chor verlängert, der neue Turm kommt an die Nordostecke des Areals; 1595 Schließung des Gewölbes, 1596 Fertigstellung des Inneren, 1597 Weihe
    - ursprüngliche Ausstattung: Fassade: Fürstenstandbilder entworfen von F. Sustris, ausgeführt nach Modellen von Hubert Gerhard und Carlo Pallago, Michaelsgruppe modelliert von Hubert Gerhard; Hochaltar 1586-89 durch Wendel Dietrich, Figuren von Andreas Weinhart, Gemälde von Christoph Schwartz; Nebenaltäre von Anton Viviani, Peter Candid und Hans von Aachen; Chorgestühl von Wendel Dietrich; Kreuzmonument von Giovanni da Bologna, Magdalena von Hans Reichle; Altäre am Chorbogen 1623/24 von Ulrich Loth und Alessandro Scalzi
    - 1697/98 zur Hundertjahrfeier der Weihe Renovation der Fassade und Kapellen, Querhausfenster und das obere Fassadenfenster vergrößert, neue Nebenaltäre, Kanzel und Orgel; Vergoldung von Basen, Kapitellen und Muscheln, Neustuckierung der nordöstlichen Kapelle
    - 1750 Renovation
    - 1773 Aufhebung des Jesuitenordens, daraufhin wird St. Michael Hofkirche
    - 1830 Grabmal für Eugene de Beauharnais, des Herzogs von Leuchtenberg und Stiefsohn von Napoleon durch Bertel Thorvaldsen
    - 1852-57 Renovation durch Friedrich Bürklein: Inneres in hellem Sandsteinton gestrichen
    - 1907 Renovation der Fassade unter teilweiser Erneuerung der Figuren
    - 1921 Rückgabe der Kirche an die Jesuiten
    - 1944 schwerste Zerstörung, Einsturz der Gewölbe und von Teilen der Fassade
    - 1946-53 Wiederaufbau: Verzicht auf den Gewölbestuck, neue, moderne Orgelempore von Sep Ruf, freistehender Volksaltar 1965, neue Orgel 1966
    - 1960 & 1971/72 Außenrenovation mit Wiederherstellung der ursprünglichen Einteilung und der als ursprünglich angenommenen Farbigkeit
    - 1980-83 Rekonstruktion der Innenseite der Hauptfassade, der Orgelempore samt Orgel und des Gewölbestucks von Langhaus und Chor in den Formen von 1697


    St. Michael ist nicht nur die bedeutendste Kirche Münchens, sie ist auch die sicherlich bedeutendste Renaissance-Kirche in ganz Deutschland. Sie war Initialzündung für den neuzeitlichen, nachmittelalterlichen Kirchenbau nördlich der Alpen, indem sie erstmals die neuen italienischen Raumgedanken der Renaissance, namentlich von Sant’Andrea in Mantua und Il Gesù in Rom, nach Deutschland brachte und mit den deutschen Traditionen vereinte. Ihr riesiges Tonnengewölbe, mit 20m Spannweite das zweitgrößte gemauerte Tonnengewölbe der Welt nach dem Petersdom in Rom, sowie eine völlig neuartige Lichtsituation erzeugten eine bis dahin noch nie gesehene Raumwirkung.
    Zugleich stellt sie eine kirchlich-staatliche Triumpharchitektur der Gegenreformation dar, ein einendes Symbol des katholischen Glaubens, eine Verbindung von Fürstentum und religiösem Bekenntnis, welche Bayern mehrere Jahrhunderte zutiefst prägen sollte. Zusammen mit dem Jesuitenkolleg ist der Gesamtkomplex ein Beispiel für den aus Rom importierten Kirchen-Palastbau der Renaissancezeit: eine geistlich-geistige Residenz mit einer neuen und imposanten Platzarchitektur, die diejenige der Münchner Gotik (Heiliggeistkirche und altes Rathaus) weit übertrifft.

    Sehen wir uns zum besseren Verständnis an, was verschiedene Kunsthistoriker zu St. Michael geschrieben haben.

    Heinz-Jürgen Sauermost: „Die Jesuitenkirche St. Michael ist der erste große neuzeitliche Kirchenbau Münchens nach einer Zäsur von drei Generationen, zugleich Beginn einer Welle katholischen, im Gegenzug auch protestantischen Kirchenbaus in Deutschland, die nach dem Stau des Dreißigjährigen Krieges in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts ihren Höhepunkt erreichte und in den 1770er Jahren verebbte.“

    Norbert Lieb: „Mit St. Michael tritt München nach der Frauenkirche zum zweiten Mal in die Gesamtkunstgeschichte kirchlicher Architektur ein. St. Michael ist der prominenteste Sakralbau des späten 16. Jahrhunderts in ganz Deutschland. (…) Die 1583 begonnene, 1597 geweihte Kirche enthält einen mächtigen Tonnenraum „alla romana“. Die struktive Energie besteht in den Langhausflanken: in ihrer herrlichen Vertikalspannung, der horizontalen Eingliederung der Emporen, in der Stelzung der Haupttonne und in der Gegensetzung der Quertonnen. Die von diesem Gerüst umfangene Räumlichkeit ist spezifisch architektonisch, von feierlicher Existenz - auch im Licht, fähig, eine große Gemeindeeinheit zu sammeln, zum Hören von Predigt und Musik, zum Blick auf den Hochaltar, einen wirklich hohen, festen Altar im tiefen und steilen Chor. So wurde, ein Jahrhundert nach der die Spätgotik summierenden Frauenkirche, eine sakrale Renaissance, das heißt hier wörtlich: eine Wiedergeburt der „einen, heiligen Kirche“ erreicht. Als Grundwerk einer ganzen neuen Epoche hat St. Michael bis zum Ende des 18. Jahrhunderts immer wieder als Vorbild der Wandpfeilerkirchen Süddeutschlands gewirkt.“

    Georg Dehio: „Die Michaels-Kirche ist epochemachend für den Kirchenbau des katholischen Süddeutschland; künstlerisches Wahrzeichen der gegenreformatorischen Bewegung und der mit ihr vordringenden romanischen Kulturwelle; im Anlagetypus ein Muster, das mit wachsendem Ansehen im 17. und 18. Jh. eine ungezählte Nachkommenschaft gefunden hat. Dieser Typus ist kunstgeschichtlich zu klassifizieren als die deutsche Variante der Gesù-Kirche in Rom.“

    Bernhard Schütz: „Das Ergebnis ist unbestreitbar ein Stück Weltarchitektur. In Größe und Anspruch sind hier Maßstäbe gesetzt, wie sie in Süddeutschland für mehr als ein Jahrhundert nicht annähernd mehr erreicht wurden. (…) Insgesamt war St. Michael, ganz gleich, ob in der Bauidee oder in den Einzelheiten, eine so umwerfende, alles Herkömmliche wegfegende Invention, daß die folgenden Architekten gar nicht anders konnten, als sich hiermit auseinanderzusetzen oder gar, wenn der Anspruch besonders hoch war, zu messen. Im süddeutschen Kirchenbau begann hier urplötzlich die Neuzeit. Eine große neue Epoche war eröffnet: der Barock.“

    Erich Hubala: „Zum ersten Mal in Deutschland kommt es hier zu einer Raumwirkung, die nicht mehr als mittelalterlich bezeichnet werden kann, obwohl doch die hinter die Raumgrenze versteckten, eine kühne Überwölbung des Hauptraumes sichernden Wandpfeiler zweifellos aus der mittelalterlichen Baupraxis zu erklären sind, wofür es zahlreiche, wenn auch räumlich ganz anders geartete Beispiele im bayerischen Kirchenbau des 15. Jahrhundert gibt.
    Zum ersten Mal in Deutschland kommt es hier zu einem Zusammenwirken von Baugestalt und Lichtsituation, die wir vom Standpunkt einer europäischen Architekturgeschichte als schon barock bewerten müssen, obwohl viele der geläufigen ikonographischen und ornamentalen Merkzeichen für Barock fehlen. Wir nehmen in der Münchner Michaelskirche das Volumen wahr, nicht mehr als eine Zusammensetzung von breit, hoch und lang, sondern als ein Ganzes, in dem die genannten Dimensionen simultan zur Wirkung kommen und als ein Ganzes, das sich rundet, nicht richtet oder vornehmlich als ein stehendes Raumbild sich präsentiert. So erklärt sich der (...) Eindruck, unter einem mächtig sich blähenden Segel zu stehen, das nur an wenigen Punkten auf der Erde festgemacht wurde, dazwischen aber hoch und weit gelüftet wird.
    Es ist ein spezifisches Verhältnis von Licht und Wölbung, also ein Phänomen der Proportion, das diesen singulären Raumeindruck garantiert. (…) Eine solche strukturelle, also nicht bloß impressionistische Umgestaltung von Beleuchtung nach Maßgabe von Formen und Anordnung der Gewölbe in räumlich spezifische Suggestion läßt sich architekturgeschichtlich nicht anders als im Sinne einer Stilbildung bewerten. Das Langhaus das Münchner Jesuitenkirche ist für den Barock des 17. Jahrhunderts das entscheidende stilbildende Bauwerk, ohne doch selbst ein barocker Kirchenbau schon zu sein.“

    Es sei noch darauf hingewiesen, dass ein großer Teil des überwältigenden Effekts des Tonnengewölbes von St. Michael darauf beruht, dass die Schubkräfte desselben nicht wie üblich mithilfe von Stichkappen auf die Wandpfeiler übertragen werden, sondern von den breiten, quergestellten Tonnenbrücken der Emporen abgefangen werden: somit bleibt die Rundung bis an den Rand gewahrt und wird nicht durch regelmäßige Einschnitte unterbrochen. Die daraus resultierende unterschiedliche Raumwirkung kann z.B. gut im Vergleich zur etwa 50 Jahre später entstandenen Innsbrucker Jesuitenkirche nachvollzogen werden, deren Langhaus eine konventionelle Stichkappentonne besitzt.

    Nach den verheerenden Zerstörungen des 2. Weltkriegs, bei denen u.a. das gesamte Gewölbe, die Orgelempore sowie Teile der Fassade eingestürzt waren, wurde St. Michael bis Anfang der 1980er Jahre vollständig wiederhergestellt, nachdem bei der ersten Wiederaufbauphase direkt nach dem Krieg die zerstörte Orgelempore samt Orgelprospekt zunächst völlig unpassend in modernem Stil ersetzt und das Gewölbe nur mit einfacher Feldergliederung stuckiert worden war. Der heutige Zustand entspricht also wieder fast vollständig dem Vorkriegszustand, die einzigen Änderungen betreffen die Aufstellung eines Volksaltars gemäß 2. Vatikanischen Konzil, die Zweiteilung der Kirchenbänke mit zentralem Durchgang im Gegensatz zur mittigen, ungeteilten Anordnung der alten Kirchenbänke sowie quadratische Solnhofener Platten statt Marmorboden in Rosenspitzmuster. Das Gewölbe wurde in traditioneller Maurertechnik mit Ziegelsteinen rekonstruiert und nicht etwa in Stahlbeton.
    St. Michael ist heute eine der beliebtesten Kirchen Münchens, die Gottesdienste sind dort fast immer sehr gut besucht, was auch an den Predigten der Jesuiten und der hervorragenden Kirchenmusik liegt. Die Hauptrolle spielt aber sicherlich der überwältigende Raum.


    Ansicht vor der Zerstörung:

    St.-Michael-1938.jpeg

    St.-Michael-hist.hinten.jpeg

    Weitere historische Ansichten:

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    Zustand nach den Zerstörungen des 2. Weltkriegs:

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    (https://hdbg.eu/wiederaufbau/g…uitenkirche/361)

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    (https://hdbg.eu/wiederaufbau/g…uitenkirche/361)

    Weitere Ansichten des zerstörten Zustands:

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    Fotos nach der ersten Wiederherstellungsphase 1946-53 d.h. u.a. nur mit einfach gegliedertem Gewölbe ohne genaue Stuckierung und ohne originalem Hochaltar:

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    (https://hdbg.eu/wiederaufbau/g…uitenkirche/361)

    Moderne Orgelempore von Sep Ruf:

    St.-Michael-Empore-Sep-Ruf.jpeg

    Weitere Ansicht des Zustands zwischen 1953-1980, schon wieder mit ursprünglichem Hochaltar (die unteren zwei Drittel sind mehr oder weniger original, das obere Drittel rekonstruiert): https://www.bildindex.de/document/obj20…edium=fm1581930

    "In der Vergangenheit sind wir den andern Völkern weit voraus."

    Karl Kraus

  • Heute, d.h. nach der zweiten Rekonstruktionsphase 1980-83 mit rekonstruiertem Deckenstuck und rekonstruierter Orgelempore:

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    Die rekonstruierte Orgelempore in den Formen von 1697:

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    Das gewaltige Tonnengewölbe mit etwas über 20m Spannweite:

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    Der Chor von der Kanzel aus gesehen:

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    Die von der Ettstraße aus zugängliche Kreuzkapelle von 1592-96:

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    Die Gruft, d.h. die Grablege der Wittelsbacher, in der u.a. Ludwig II. begraben liegt (oder vielleicht auch nicht mehr?), ist vom Inneren der Michaelskirche aus zugänglich; Fotos sind nicht erlaubt.

    Zum Abschluss eine abendliche Innenansicht dieser großartigen Kirche:

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    Weitere Fotos von St. Michael hier: https://www.flickr.com/photos/1619455…177720312508518

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    Karl Kraus

  • Noch eine Bemerkung zur Rekonstruktion des Gewölbestucks 1980-83, zu der es Kritik vonseiten einiger Kunsthistoriker gab u.a. die fehlende wissenschaftliche Dokumentation des Vorhabens betreffend (https://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/kchr…le/view/96860):

    Das gesamte Gewölbe ist rekonstruiert, d.h. es ist logischerweise auch der gesamte Deckenstuck rekonstruiert und nicht mehr original; es hatten sich in den Gewölbeansatzbereichen zwar noch winzige Reste von Originalstuck erhalten, diese wurden aber meines Wissens abgeschlagen und komplett erneuert. Diese Praxis mag aus heutiger denkmalpflegerischer Hinsicht, für welche die Erhaltung von Originalsubstanz höchstes Gebot ist, sehr zu kritisieren sein, damals scheint man das aber noch nicht so streng gesehen zu haben und man hat einfachheitshalber lieber alles erneuert anstatt Reste mühsam zu konservieren. Für mich als Kunstliebhaber ist das Resultat auf jeden Fall wunderschön und absolut überzeugend und ich kann beim besten Willen keine substantiellen Unterschiede zwischen Original und Rekonstruktion erkennen. Von daher scheint mir diese Diskussion bzgl. Originalsubstanz eine sehr intellektualistische und sophistische zu sein, die am Wesen des Kunstwerks, welches wir hier vor uns sehen, vorbeigeht. Denkmalschützer werden das aber sicher anders sehen.

    "In der Vergangenheit sind wir den andern Völkern weit voraus."

    Karl Kraus

  • Vielen Dank für diese tolle Galerie! Einfach super diese Darstellung der Kirchen. Der Unterschied zu Würzburg und Augsburg ist enorm. In Würzburg wurde teilrekonstruiert (Franziskanerkirche, Marienkapelle) und modern ergänzt (Dom, Skt. Michael), in Augsburg sehen die wiederaufgebauten Kirchen sehr kahl aus (Skt. Moritz, Skt. Max).

    Unsere große Aufmerksamkeit für die Belange des Denkmalschutzes ist bekannt, aber weder ökonomisch noch kulturhistorisch lässt es sich vertreten, aus jedem alten Gebäude ein Museum zu machen. E. Honecker

  • Hofkapelle Residenz (der Unbefleckten Empfängnis Mariens geweiht)

    Residenzstraße 1
    Erbaut 1600-30
    Typus: einschiffiges tonnengewölbtes Langhaus mit leicht eingezogenem Chor


    Baugeschichte:

    - 1600/01 Rohbau des Langhauses, Stuckierung der Wände
    - 1603 Weihe
    - 1614 Stuckierung des Gewölbes; Entwurf von Architektur, Stuckaturen und Hochaltar Hans Krumper zugeschrieben
    - 1630 Anfügung des Chores mit Chorgestühl; Entwurf von Hans Schön d.Ä.
    - 1748 Seitenaltäre von Johann Baptist und Franz Michael Zimmermann
    - 2. Viertel 19. Jh Vergrößerung der Doppelempore
    - um 1870 sieben farbige Glasfenster in der Chor-West- und Nordwand
    - 1944 Chor und Langhausdecke schwer beschädigt, Gewölbe im Chor eingestürzt
    - 1956/58 Wiederherstellung des Chors samt Rekonstruktion der Altararchitektur und des Stucks; Doppelempore im hinteren Bereich in ursprünglicher Form (d.h. vor den Veränderungen des 19. Jhs, wiederhergestellt


    Die Hofkapelle der Residenz steht in unverkennbarer Verwandtschaft zu St. Michael, der Architekt Hans Krumper hatte bei Sustris, dem Architekten der Michaelskirche, gelernt. Neben dem offensichtlichen Tonnengewölbe wurden auch die äußeren, durch Fenster abgeschlossenen Korridore vom Chor der Michaelskirche übernommen. Im Gegenzug ist die Architektur regelmäßiger geworden, die Geschoße stärker abgegrenzt und vor allem wird der viel reichere Deckenstuck Träger eines Bildprogramms, welches der Verehrung der Gottesmutter Maria dient.
    Die Hofkapelle verlor mit dem Bau der Theatinerkirche als neue Hofkirche ihre Bedeutung und diente danach hauptsächlich den Feierlichkeiten des Georgiritterordens, des Hausordens der Wittelsbacher.
    Die Hofkapelle ist heute normalerweise nur von der oberen rückwärtigen Empore aus zu besichtigen, was sehr schade ist, da von dort ihre schöne Renaissance-Architektur gar nicht in Gänze eingesehen werden kann.

    Ein Vorkriegsfoto der Hofkapelle hab ich leider nicht finden können, hier aber ein Foto nach der schweren Beschädigung:

    Hofkapelle-zerstort.jpeg


    Heute:

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    Blick von der Empore:

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    Die rückwärtige Empore:

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    Das reich stuckierte Tonnengewölbe, das im Chorbereich (auf dem Foto unterhalb des Gurtbogens) komplett, im Langhaus teilweise rekonstruiert werden musste:

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    Die Seiten mit den Rokokoaltären von Johann Baptist und Franz Michael Zimmermann:

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    Der rekonstruierte Hauptaltar:

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    Weitere Fotos der Hofkapelle hier: https://www.flickr.com/photos/1619455…177720312575165

    "In der Vergangenheit sind wir den andern Völkern weit voraus."

    Karl Kraus

  • Reiche Kapelle Residenz (der hl. Maria geweiht)

    Residenzstraße 1
    Erbaut ca. 1600-35
    Typus: zimmergroße Privatkapelle mit flachem Stichkappengewölbe und Laterne

    53337854789_e321c3ebff_h.jpg


    Baugeschichte:

    - Um 1600 Baubeginn, 1607 Weihe; Entwurf wohl von Hans Krumper, Scagliola-Arbeiten von Blasius Pfeiffer (Fistulator); Hochaltar von Paulus Dietrich und Jakob Anthoni; Prunkorgel von Georg Haas, Jakob Melper, Hans Sepier und Jakob Schönauer
    - 1632-35 Scagliolabilder mit Szenen des Marienlebens von Wilhelm Pfeiffer
    - 1944 nahezu ganz zerstört, Gewölbe eingestürzt, mobile Ausstattung vorher ausgelagert
    - 1958-66 vollständige Rekonstruktion (mit Ausnahme von zwei Reliquienkästen, die verlorengegangen waren) unter Verwendung von Resten der übriggebliebenen Scagliola-Tafeln


    Die Reiche Kapelle war die Privatkapelle Maximilians I. und diente seiner Marienverehrung. Sie ist ein Kleinod von ungewöhnlicher Pracht, gerade im Vergleich zu den überwiegend weißen Kirchenräumen von St. Michael und der Hofkapelle. Was neben der prachtvollen (und meines Erachtens auch stilistisch überraschend freien und fast barock anmutenden) Stuckdekoration des Gewölbes am meisten auffällt, sind die komplett mit Scagliola (Stuckmarmor) überzogenen Wände, die aussehen wie echte Steinintarsien und damals für große Bewunderung sorgten, da mit Steinintarsien solch feingliedrige Szenen und Figuren (die Bildplatten zeigen hauptsächlich Szenen aus dem Leben von Maria) normalerweise nicht möglich waren. Der Fußboden hingegen besteht aus echtem und reich intarsiertem Marmor. Auch sonst beherbergte die Reiche Kapelle viele kleine Kostbarkeiten und war insgesamt mit ihrer Vorliebe für kleines Format und kostbarste Materialien ein Höhepunkt fürstlichen Sammlertums in der deutschen Renaissance.
    Die Rekonstruktion dieser Kapelle, vor allem der Scagliolafelder, nach der Zerstörung im 2. Weltkrieg war eine der aufwändigsten und schwierigsten Aufgaben bei der Wiederherstellung der Residenz, da es sich bei Scagliola um eine äußerst schwierige Technik handelt, die heute kaum mehr beherrscht wird.


    Ansicht vor der Zerstörung:

    Reiche-Kapelle-vor-dem-Krieg-klein.jpeg

    Zustand nach der Zerstörung im 2. Weltkrieg:

    Reiche-Kapelle-zerstort.jpeg


    Heute:

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    Die rekonstruierte Decke:

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    Rechte Seite mit den rekonstruierten Scagliola-Tafeln:

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    Ausschnitt:

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    Rückseite:

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    Rückseite Supraporte:

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    Nochmal das Gewölbe:

    53337978055_faa455790c_h.jpg


    Zum Abschluss noch ein interessanter Vergleich: von der Reichen Kapelle wurden 1943/44, also kurz vor der Zerstörung, noch Farbfotos gemacht, die in der Deutschen Fotothek zu sehen sind (und unter CC-Lizenz auch verwendet werden dürfen). Hier ein Vergleich zwischen dem originalen und dem rekonstruierten Gewölbe anhand eines Ausschnitts:

    Reiche-Kapelle-Deckenausschnitt-19431944.jpeg
    (© SLUB / Deutsche Fotothek / Karl Henseler, CC BY-NC-SA 3.0 DE, https://www.deutschefotothek.de/documents/obj/70701136)

    Rekonstruktion:

    Reiche-Kapelle-Deckenausschnitt.jpeg


    Weitere Fotos der Reichen Kapelle hier: https://www.flickr.com/photos/1619455…177720312739636

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    Karl Kraus

  • Atemberaubend schön! Doch was ist mit der Prunkorgel geschehen, die auf dem Vorkriegsfoto linkerhand an der Wand zu sehen ist? Sie korrespondiert mit einer Art Schrank auf der rechten Seite. Wurde sie auch vollständig zerstört, oder wurde sie ausgelagert? Eine Rekonstruktion habe ich auf Deinen Fotos nicht gesehen!?

  • Wurde ausgelagert und ist noch da, schau in den restlichen Fotos auf Flickr nach (Link am Ende des Beitrags), da findest Du sie :)

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