Architektur und Ausdruck im Wandel

  • Mod: Diskussion (siehe hier) in einem neuen Strang ausgegliedert.

    Was mich immer wieder an dieser Architektur in den Schwachhauser Seitenstraßen so fasziniert, ist die Fähigkeit der Architekten damals, eine ganze Straße beidseitig im gleichen Stil zu entwerfen, aber jedes Haus ist anders gestaltet. Dieses Talent haben die heutigen Architekten nicht mehr. Wären sie vor die gleiche Aufgabe gestellt, sie würden grandios scheitern. Hinzu kommt, dass bei der gegenwärtig dominierenden "Architektursprache" sowieso kaum Möglichkeiten bestehen, eine so abwechslungsreiche, vielfältige und auf Schönheit ausgerichtete Straße zu entwerfen.

  • Was mich immer wieder an dieser Architektur in den Schwachhauser Seitenstraßen so fasziniert, ist die Fähigkeit der Architekten damals, eine ganze Straße beidseitig im gleichen Stil zu entwerfen, aber jedes Haus ist anders gestaltet. Dieses Talent haben die heutigen Architekten nicht mehr. Wären sie vor die gleiche Aufgabe gestellt, sie würden grandios scheitern. Hinzu kommt, dass bei der gegenwärtig dominierenden "Architektursprache" sowieso kaum Möglichkeiten bestehen, eine so abwechslungsreiche, vielfältige und auf Schönheit ausgerichtete Straße zu entwerfen.

    Ja, den Gedanken habe ich jedes Mal. Nur ganz selten gibt es mal ein paar Brüche - wie in der Altmannstraße, ich zeige später mal was ich meine - aber solche Gebäude fügen sich dann zumindest doch in Traufhöhe etc. noch ein.

  • Ergänzung zu #70:

    Aus der beschriebenen Situation zur Architektur in den Schwachhauser Seitenstraßen ergeben sich für mich zwei Fragestellungen bezüglich der "Schaffenskraft" von Architekten, die ich hier gerne diskutieren möchte:


    1. Folgen die Architekten eigentlich dem gegenwärtigen Baustil (die Zweite Moderne, Investorenarchitektur...), der als eine Art Kompass dient und "entwerfen" sie dann, sich daran anlehnend, neue Gebäude (wie ja der Jugendstil, der Historismus, der Reformstil oder das Bauhaus, um nur einige zu nenen, für die Architekten damals eine Orientierungsmöglichkeit für ihre Neuentwürfe darstellten),

    oder

    folgt der Baustil den Architekten, will fragen, sind die offensichtlich begrenzten Fähigkeiten der heutigen Architekten dafür verantwortlich, dass diese gleichförmigen Gebäude überall in den Städten herumstehen. Bestimmt die Talentfreiheit der Architekten das Aussehen der Gebäude: Kubus oder Quader, Flachdach, schmucklos? War vor dem Aufkommen der Moderne nicht eine Grundvoraussetzung für die Ergreifung des Berufes des Architekten eine künstlerische Begabung mit entsprechendem zeichnerischen Können, das sogenannte "Denken mit der Hand"? Heute dagegen könnte jeder Architekt werden, der versteht, ein entsprechendes Computerprogramm zu bedienen. Aber das lernt man ja im Studium. Und so sehen dann - meine zweiten These - die Gebäude aus.

  • ^Ganz schwierig zu beantworten. Ich mutmaße mal. Es wird ihnen einfach nicht beigebracht, anders zu bauen. Zudem sind Studenten ja junge Menschen, die noch stark von Gruppendruck beeinflussbar sind. Die wenigsten stellen sich offen gegen ihren modernistischen Professor oder gegen die vermeintliche Mehrheit ihrer Kommilitonen. So stirbt dann auch die Phantasie ab, jedenfalls abseits der üblichen Experimental-Bastelei mit Modellen von irgendwelchen utopischen Großkomplexen oder UFOs. Und nach dem Studium sind sie in der Berufsmühle, wo es ums finanzielle Überleben geht und man mit ebenfalls phantasielosen Bauherren zu tun bekommt. Kreise schließen sich und können nur von einzelnen "Verrückten" durchbrochen werden.

  • Architekten sind in der Bauwirtschaft ein kleines Rädchen. Bevor ein Gebäude steht, haben schon unzählige andere Gruppen Vorgaben beschlossen, die der Architekt dann nur noch mit dem Baurecht in Einklang bringt. Das Entwerfen selbst nimmt im Arbeitsalltag nur einen kleinen Teil ein, da man sich mit unzähligen anderen Dingen herumschlagen muss. Wie viel Zeit haben die Architekten früher damit verbracht die Bauordnung zu lesen? Wie viele textliche Festsetzungen gab es 1900 in Bebauungsplänen? Früher hat man einfach voneinander abgeguckt, genau wie heute auch. Das so gebaut wird, wie eben gebaut wird, ist kein architektonisches Thema, sondern ein gesellschaftliches.

    Und wenn ich an meine Kommilitonen zurückdenke, dann lautet die Antwort auf deine Frage ganz klar, dass die heutigen Architekten nur dem Zeitgeist folgen und ihn nicht prägen. In einer Vorlesung haben wir eine kleine Präsentation gesehen, wo verschiedene Epochen dargestellt wurden. Als wir dann im heute angekommen waren (ein Neubau auf dem Stadtwerder) hieß es dann:"Und solche Entwürfe werdet ihr später machen." Und alle so ganz naiv "Boaaah was, ne, auf keinen Fall." Auch wenn sie das früher abgelehnt haben, werden die meisten wohl eben doch solche Entwürfe machen.

  • Lieber Hansolol!

    Vielen Dank für Deine "Innenschau" aus der beruflichen Sozialisation von Architekturstudenten. Rührend die Passage über die Epochendarstellung, das Ankommen im Heute und die Reaktion darauf: "Boaaah was, ne, auf keinen Fall." Tja, wenn studentische Ideale auf Wirklichkeit treffen. Ich sehe Deinen Beitrag als Bestätigung der ersten These: Die Architekten folgen dem dominierenden Baustil! Wobei ich Bauchschmerzen bekomme, wenn ich die heutige Investorenarchitektur als Stil bezeichne. Wer den Stilbegriff benutzt, unterstellt auch einen künstlerischen Anspruch: Jugendstil, Renaissance..... Dass die heutige Architektur noch irgendetwas mit Baukunst zu tun hat, wird ja wohl ernsthaft keiner behaupten, oder..........er heißt Dudler und verkauft sein Gebäude am Bremer Hauptbahnhof werbewirksam als ZEITLOS. Der Begriff ist nicht justitiabel, hat aber eine große psychologische Wirkung nach außen - er dient sozusagen als Begründung, warum dieses Gebäude so aussieht wie es aussieht. Und er hat auch eine Wirkung nach Innen - der Architekt erhebt seinen Bau - mit einer Lebensdauer bis zum Ende der Welt - dessen selbst erzeugten Ruhm er dann einstreichen will.

    Ob Zeitlos oder das von Dir benutzte schöne deutsche Wort Zeitgeist, das schon international reüssieren konnte, ich habe mit diesen Begriffen so meine Schwierigkeiten. Die heutigen Architekten folgen nicht dem Zeitgeist, sondern dem Gelde, das die Investoren verteilen. Als Investoren wollen Sie ein Maximum an Profit herausschlagen und da kann man nicht mit die Ästhetik beeinflussenden Walmdächern kommen - das wäre ja ein Raumverlust - sondern es muss rausgeholt werden, was nur rausgeholt werden kann: Traufhöhe gleich Firsthöhe.

    So entsteht der heutige "Baustil".

    Zur zweiten These, ob die Architektur nicht vielleicht auch den Architekten folgt, hast Du Dich leider nicht geäußert. Wenn ja, korrigiere mich bitte. Ausgangspunkt waren ja die von MAK eingestellten Bilder aus Schwachhausen und meine Behauptung, dass die heutigen Architekten nicht in der Lage wären, eine ganze Straße so zu planen, dass 1. jedes Haus individuell äußerlich gestaltet ist, 2. alles im gleichen Stil gebaut wird und 3. dass im Endergebnis so etwas wie Schönheit entsteht. Wir sprechen hier von etwa 30 Gebäuden. Allen Bauordnungen zum Trotz, aber es ging hierbei um das Können. Und wenn man es nicht kann, ist jeder Schuhschachtel-Entwurf eine selbstreferentielle Aussage an die Architektenkollegen, die Investoren und die Öffentlichkeit: So baut man heute. Der "Stil" folgt den Architekten.

    Oder bist Du der Meinung, dass die heutigen Architekten über so viel Phantasie und Können verfügen, dass sie so etwas, wie beispielsweise in den Schwachhauser Seitenstraßen zu sehen ist, wirklich hinbekommen würden? Das große Problem der Moderne ist das Thema SCHÖNHEIT!

  • Franka 15. September 2021 um 19:46

    Hat den Titel des Themas von „Architektur und Zeitgeist“ zu „Architektur und Ausdruck“ geändert.
  • Da Du Dich am Begriff „Zeitgeist“ störst, habe ich den Titel geändert in „Architektur und Ausdruck im Wandel“

    Ich habe schon die Empfindung, dass zeitgenössische Architektur und Stadtplanung viel über den Zeitgeist aussagen.

    Zum einen erfüllen sie die Funktion Menschen komfortabel unterzubringen (Sanitäre Anlagen, Heizung...), Befriedigung des Konsums (Kauffhäuser) und zum anderen verfolgt die Moderne Maßstäbe, die es vorher nicht gab. Mein Eindruck ist, dass preisgekrönte Architektur oft so etwas von Zufall beinhaltet. Wie so ein Mikato –Spiel, beliebt sind amorphe Formen XXXXL vergrößert (nicht immer schlecht) oder das Gegenteil:komplett durchgerastert, Vermeidung von Essembles, Gebäude stehen bewusst bezuglos nebeneinander, oder sie stehen verdoppelt, verdreifacht, vervierfacht .. jedes für sich monoton in einer Reihe, Vermeidung von Portalen, Eingänge haben so etwas wie von Zugängen von Grabräubern an sich, keine Orientierung, möglichst ohne Anfang und ohne Ende, auch innen wird leider kein Wert mehr auf ein Treppenhaus gelegt. Sie sind meistens am Rande, oder ausgegliedert, Barrierefreiheit ist wichtig (diesen Punkt finde ich gut. Meine Mutter ist blind). Die Botschaft was ein Gebäude ausstrahlen soll: leicht, schwebend, zurückhaltend, beliebig, ortlos und international. Mir ist im letzten Istrien-Urlaub aufgefallen, dass zeitgenössische Gebäude 1:1 den gleichen Stil haben wie in Deutschland. Und so empfinde ich auch den Zeitgeist.

    Bewusste Provokation ist mittlerweile seltener geworden.

    Letztens las ich ein hochspannendes Buch „Reisen und Reisende in Bayrisch Schwaben“ herausgegeben von Hildebrand Dussler. Das sind Reiseberichte von Fürsten, Kardinälen, Kaufleuten aber auch einfachen Wandergesellen, die ihre Reisen auf der damaligen Handelsroute von Nürnberg – Richtung Augsburg, (weiter Venedig) bevorzugt am Lech ihre Reiseerlebnisse schilderten oder offizielle Berichte abstatteten. Damals führte der Verkehrsweg von Italien nach London, nicht über München, sondern über Augsburg durch das Gebiet Bayrisch – Schwaben.

    Hochinteressant war es deswegen, da Architektur, Ort und Raumgestaltung das große Thema in den Berichten der geistigen Elite war – und zwar seitenlang. Immer die Frage: Wie präsentiert sich eine Stadt?

    Dieser kulturelle Präsenz und Wichtigkeit kann man sich heute gar nicht vorstellen. Das wäre das Gleiche, wenn bei Frau Dr. Merkels Wirtschaftsreise nach China in ihrem Tross von Wirtschaftsvertretern auch Architekten und Stadtplaner am Bord wären. . Oder Herr Steinmeier hätte beim letzten Besuch eine Laudatio über die schwedische Innenstadt gehalten. Bei seiner Rede kam immerhin (!) die deutsche Kirche als Anlass über Gemeinsamkeiten zu sprechen darin vor:

    „… Schweden zählt zu den wichtigsten und engsten Partnern der Bundesrepublik Deutschland. Die Ursprünge unserer Verbindung reichen weit zurück, bis in die Zeit der Hanse. Der Turm der deutschen Kirche zeichnet unsere gemeinsame Geschichte seit über 400 Jahren in die Skyline der Stockholmer Altstadt. Er ist das Monument, das Wahrzeichen unserer langen und wechselvollen gemeinsamen Geschichte.…“

    Auf die Ästhetik und der Schönheit geht er nicht ein. Ich mach das ihm auch nicht zum Vorwurf. Das macht kein Staatsmann. Heutzutage haben Politiker andere Interessen und andere Prestigeobjekte auf dem Schirm. Es wäre auch eine absurde Vorstellung, dass Frau Dr. Merkel einen amerikanischen Präsidenten durch ein neues langweiliges 0815 Wohngebiet führen würde.

    Das ließ mich den Schluss zu, dass damals nicht einfach nur aus einer Laune heraus „schön“ baute, sondern es war eine Form der Zivilisation, in der die Schönheit genauso eine Rolle spielte, wie heutzutage mit Messer und Gabel zu essen.

    Und oft nur an zweiter Stelle werden religiöse Themen, Handel, etc. erwähnt, die nach dem Münster Friedensvertrag erstaunlich tolerant ausfielen. Nach dem Motto: Lutheraner/Häretiker gibt es halt eben auch. Leid wurde nicht ausgeschlossen. Der enorme Bevölkerungsschwund und die Kriegsspuren werden ohne Anklage dokumentiert.

    Im Klapptext heißt es auch zu Recht: „Angesichts der Vielfalt der hier zu Wort gekommenen reisenden Berichterstatter, der Buntheit und Fülle ihrer Erlebnisse und Beobachtungen drängst sich uns Lesern unwillkürlich die Frage auf, ob tatsächlich nur unser Zeitalter berechtigt ist, sich das einer pluralistischen Gesellschaft zu nennen“

    Ein Punkt ist auch, dass die Wahrnehmung eine andere war. Seine Ziele musste man damals sich hart erkämpfen.

    Nicht der Gefahr wegen, was ja eine romantische Gruselvorstellung unserer heutigen Zeit ist. Der aus Italien kommende Jouvin de Rochefort bemerkte 1672, dass auf seiner Reise vom Betreten des deutschen Bodens ab nichts mehr zu befürchten gewesen. Nur zwischen Weißenburg und Mohnheim nahm man einen gebräuchlichen Geleitsmann wegen der Wegelagerer. Sehr nett beschrieben vom englischen Jurist Fynes Moryson, 1592, der mehrmals auf den schwäbischen Straßen flott auf einem Pferd unterwegs war.

    Die Wahrnehmung war deswegen eine andere, da man sich einer Stadt ganz anders annäherte. Wie ist die Stadt in der Landschaft eingebettet? Verbunden natürlich mit der Mühe, die das Reisen mit sich brachte.

    Großherzog Cosimo III. von Toskana 1667-68 beschrieb:

    „Freitag 18. November: Wir reisten durch ein sich weitest dehnendes und schönes Land, voll von Dörfern, und durch die Weiße des Schnees um so weitläufiger, der Schnee ließ aber das Auge zu keiner Freunde über diese weite Ferne kommen. So begaben wir uns nach Augsburg. Diese Stadt ist die Metropole des reichsfreien Schwabens und steht unter dem Schutz des Reiches. Sie liegt auf einer kleinen ziemlich schönen Anhöhe und ist voll von herrlichsten Bauten und Kirchen. Es gibt da sehr reiche Läden, besonders solche für Silberwaren. Die Lebenshaltung ist hier nicht teuer… S. Hoheit ließ sich im Gasthof zu den „Drei Mohren“ nieder, der auch für einen gekrönten König aufnahmefähig wäre. Es gibt hier schön möblierte Wohnräume, und man fühlt sich aufs bequemste untergebracht...“

    (Neben den Landschaftsschilderungen von lieblichen Wälder voller Hirsche, werden auch schön gekleidete Bürger und Bauern, Gaukler, Festbankette, technische Errungenschaften, Zollhäuser, feierliche Empfänge und die Freude der Bauern über die Ernte in den Berichten ausführlich beschrieben. Wölfe streifen auch den Weg…)

    Aber um bei der Architektur zu bleiben….

    Auszug eines Berichts des Uditore (päpstlicher Gesandte und Diplomant) Giacomo Fantuzzi, der 1652 in Begleitung von Reisegefährten und Dienern in einem sehr langen, mit rotem Tuch überspannten Carro zu fünf Pferden reiste, “ in dem es sich ganz bequem sitzen ließ“ von Warschau – Frankfurt - durch das Schwabenland – Richtung Italien

    über die Stadt Neuburg:

    „Die Stadt Neuburg liegt in einer Ebene und erhebt sich hoch über die Donau, einen bekannten Fluss, der sich vor der Stadt in zweit große Arme teilt, die die Stadt ganz umschließen und sie zum großen Teil schon zur Festung machen. Sie ist aber überdies noch ganz von Mauern umgeben. Man überquert die Donau auf einer sehr großen Fähre, einen Büchsenschuss von der Stadt entfernt. Diese hat schöne Vorstädte mit netten Wohnungen. Sie sind noch reicher bevölkert als der Stadtkern, der auch sehr schön und ziemlich geräumig ist. Er hat wohlkonstruierte Häuserfronten, gemäß deutscher Art mit Malereien und Marmorfiguren verziert. Neuburg hat lange, breite und schöne mit hochkant gestellten Ziegelsteinen gepflasterten Straßen. Die Innenstadt ist jedoch nicht sonderlich groß. Sie besitzt einen großen und weiten Platz, an dessen Ende ein schöner Brunnen zur öffentlichen Benutzung steht. Dem Platz wendet eine den Jesuiten gehörige Kirche ihre Fassade zu. Diese wurde ganz modern und vom Herzog Wolfgang errichtet, unmittelbar nachdem er sich während des Pontifikats Pauls V. vom calvinischen Bekenntnis zum Katholizismus bekehrt hatte…(….)…

    .. Mittags gelangte ich nach „Augusta“,… Sie gehört zu den schönsten, ausgedehntesten und majestätischsten Städten, die es in Deutschland gibt. Denn sie hat breite, lange und gerade Straßen, alle geschmückt durch die Fassaden sehr schöner Häuser und Paläste, wobei die meisten außen bemalt und mit prächtigen marmornen Türen und Fensterleibungen versehen sind. Sämtliche Tore der Stadt sind überaus schön; ein jedes besitzt einen gebieterischen, zuweilen bemalten Turm darüber. Augsburg hat einen herrlichen, ziemlich großen Marktplatz, ordentlich lang und breit, der sich von der Straßenbreite nicht unterscheidet… Inmitten dieses Hauptplatzes, an seinem Anfang und an seinem Ende stehen zwei herrliche Brunnen…. (….).. usw.

    ...Das Rathaus oder der Stadtpalast ist ganz herrlich, auf prächtigste und neuzeitlichste gebaut. Die Portale und Fensterleibungen sind aus Marmor. Beim Eintreten geht man mitten durch die Wachen, die in einer recht schönen weitmächtigen Halle stehen. Diese ist ganz marmorgepflastert und durch acht herrliche Säulen aus feinstem Marmor in drei Schiffe abgeteilt. Über eine ebenfalls marmorne Treppe steigt man hoch. Zum Ende derselben betritt man einen sehr hohen und prächtigen Saal, einen der größten und schönsten, die ich je gesehen habe. Er ist ringsum bemalt und glänzt von Gold durch seine reichgetäfelte vergoldete Decke. Dieser Saal liegt inmitten von vier überaus schönem Zimmer, die mit vergoldeten flandrischem Leder ausgeschlagen sind mit verschiedenen Figuren geschmückt. Jedes Zimmer hat seinen eigenen Ofen, kunstreich in Entwurf und Ausführung........usw“


    Auszug aus einer Aufzeichnung von Kardinal Carlo Rosetti, 1644, nach seiner Rückkehr aus England – über Dover – Dünkirchen, Köln, Mainz, Frankfurt, Nürnberg– Richtung Italien reiste und über Augsburg schwäbischen Raum betrat.

    In dritter Person geschrieben, nach einem Empfang in Augsburg

    „S. Eminenz wollte in einer so vornehmen und schönen Stadt einige Tage, und deshalb möglichst inkognito, um sich pflegen zu können, verweilen. Um so besser genießen zu können, entschied er sich außerdem, mehr zu Fuß und verkleidet auszugehen, begleitet von nur einer oder zwei Personen. Er wanderte durch die Straßen, bewunderte jene Raritäten von Brunnen mit den Bronzefiguren, die an verschiedenen Orten errichtet und aufgestellt sind. Er bestaunte die auf der Straßenseite prachtvoll bemalten Gebäude, wodurch das Gemüt ergötzt, zur Bewunderung hingerissen wurde und die Feinheit der Bemalung die Meister lobte. Die Kirchen sind so gut entworfen und erhalten und werden deshalb geschätzt durch ihre prächtige Architektur und Größe…..“


    Eine düstere Ahnung hatte über 100 Jahre später der Benediktinerpater Plazidus Scharl von Andechs 1788 über Kloster Rottenbuch, welche er nach seinem Besuch notierte: (Auch in früheren Zeiten gab es den Verlust des Schönen).

    „Welch ein herrliches Gebäude! Welch´ eine Bibliothek, welch´ kostbare Naturalien und anderer Raritäten Kabinett, welcher Schatz von Litterarischen Sammlungen!..Die gekauften Oefelischen Sammlungen der seltenen Bücher, Kupferstiche, Handzeichnungen, Naturalien geben diesen gelehrten Schätzen den Nachdruck und setzen ihnen die Krone auf. Man kann sich nicht genug davon ansehen. Immer etwas Schöneres folgt auf das Schöne, etwas Selteneres auf das Seltene. Wie niederschlagend ist der Gedanke, dass diese Schätze einmal zerstreut, verwirrt, ich weiß nicht wohin verführt, außer Gebrauch versetzt werden sollen. So muss all menschliche gute Einrichtung vergehen und das Merkmal ihrer Vergänglichkeit in seinem Wesen tragen!

    Die Bibliothek gibt es nicht mehr. Sie fiel der radikale Durchführung der Säkularisation Bayerns zum Opfer. Das neunzehnte Jahrhundert begann mit einem Überfall von 4000 französischen Soldaten und einer neunmonatigen Besatzung. Am 21. März 1803 wurde den Konventualen des Augustiner-Chorherrenstiftes Rottenbuch mitgeteilt, dass das Kloster zum 1. April des Jahres aufgehoben ist. Die Chorherren mussten gezwungenermaßen ihr Kloster verlassen und wurden ihrer Heimat beraubt. Kirchliche Geräte, Ornate und Schmuck, Bücher, Sammlungen, Kunstgegenstände wurden verschleppt und versteigert, die Klostergebäude verschachert und anschließend größtenteils niedergerissen und vernichtet

    Rottenbuch das mit weitem Abstand bestgeführte Kloster Bayerns verfiel innerhalb kürzester Zeit in die Unbedeutsamkeit.

    Und heute? Während Dichter, Denker, Schriftsteller in der Massengesellschaft Probleme haben überhaupt gehört zu werden, gäbe es in der Architektur riesige Chance noch mal Genie spielen zu dürfen. In die Geschichte einzugehen. In welchem kulturellen Gebiet ist das noch möglich?

    Aber diesen Wettkampf will man glaube ich gar nicht auf diesem Gebiet haben.

    Beauty matters!

  • Franka 15. September 2021 um 19:58

    Hat den Titel des Themas von „Architektur und Ausdruck“ zu „Architektur und Ausdruck im Wandel“ geändert.
  • Kennt jemand Thomas Wangenheim? Ich weiß nicht so richtig, wie ich seine Theorien einordnen soll, aber sein Aufhänger für eine kurze Einführung in sein Buch passt gerade thematisch hierher. Demnach wäre es wohl wieder Zeit für mehr Kunst in der Architektur.

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  • das wäre ja ein Raumverlust - sondern es muss rausgeholt werden, was nur rausgeholt werden kann


    Hierzu würde ich gerne noch was ergänzen:

    Mit wieviel Baumasse ein Grundstück bebaut werden kann, legt der Bebauungsplan fest. Wenn die GRZ, oder GFZ Werte festlegen, dann macht es auch Sinn, diese möglichst auszunutzen. Macht man so etwas nicht, kann es teilweise zu komischen Situationen führen. Vor eingen Jahren las ich im Weserkurier über ein Reihenhaus, was eben den Bebauungsplan nicht "ausgenutzt" hat, sondern es wurde viel kleiner gebaut als zulässig. Ein neuer Eigentümer einer Haushälfte riss dann seine Seite ab und plante dort etwas größeres, was laut Bplan eben zulässig ist.

    https://www.weser-kurier.de/bremen/doppelh…enjb0l1lsdnx1sg

    letzter Abschnitt.

    Wollte die Gemeinde die den Bplan aufstellt also Walmdächer haben, dann müsste sie es so festsetzen. Die Investoren sind also eher nicht das Problem, da die nur die Gesetzeslage befolgen. Wenn Flachdächer zulässig sind, dann sollte sich später niemand wundern, dass dort Flachdächer tatsächlich entstehen. Einschränkend muss man natürlich dazu sagen, dass die Investoren Einfluss auf die Planungsämter nehmen und dort auch Bedingungen festlegen können. Wenn der Aufwand zu groß wird, springen sie eben ab und die Gemeinde muss dann auf eine Bebauung verzichten. Sehr strenge Bebauungspläne kannte ich vorwiegend aus bayrischen Regionen. Die wussten schon immer sehr genau was sie wollten. Je schwächer eine Region wirtschaftlich aufgestellt ist, desto weniger Bedingungen kann sie stellen. Die sind eher froh, wenn überhaupt etwas gebaut wird.

    Planungsrechtlich lässt sich übrigens fast alles festlegen. Die Dachform, die Dachneigung, Gauben, Erker, Hausbreiten, Materialien, Garagen, Carport, Hecken, Zäune. Es muss nur politisch gewollt sein und es muss ein Investor bereitstehen, der das ganze umsetzt. Mangelnde Fähigkeiten bei den Architekten würde ich eher nicht sehen, die sind, wie gesagt nur ein kleines Rädchen.

  • Der Artikel hier bestätigt meine hier vorgebrachte kritische Haltung. Hier experimentieren die Architekten damit, warum man eigentlich in der jahrtausende währenden Baugeschichte immer so ,,langweilig" die Stockwerke recht genau übereinander plaziert hat. Lasst doch mal wie eine Klötzchenburg die Geschosse zueinander verschieben. Die folgenden Baumängel, die im Artikel präsentiert werden sprechen Bände, was passiert, wenn man immer wieder bei null anfangen will.

  • Das wohl seit langem "viralste" Video zu unseren Themen, eine halbe Million Aufrufe nach nur einem Tag:


    Warum wir heute keine "schönen Gebäude" mehr bauen (Why We Don't Build "Beautiful" Buildings Anymore)

    "Adam Something" erklärt in diesem YouTube-Video warum das aus seiner Sicht so ist.
    Ich kann seinen Ansatz nachvollziehen, stimme aber nur mit seinen letzten beiden Argumenten teilweise überein.

    Doch bevor ich das vorwegnehme und kommentiere, schaut einfach selbst:

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