Es folgt auf vielfachen, naja, eher einfachen Wunsch hin nach dem bereits von Erpel gezeigten Barkhofviertel (unter Bremen – außerhalb der Innenstadt) ein kleiner Spaziergang durch das stadtnahe Schwachhausen.
Dieser Stadtteil Bremens gilt als der gediegenste und zeichnet sich auch durch sehr ordentliche Villenbebauung aus; der Fokus soll aber – wie könnte es bei mir anders sein?- einmal mehr auf den Bremer Häusern liegen, die hier so mannigfaltig wie nirgends daherkommen.
Schwachhausen ist ein relativ junger Stadtteil, sehr große Teile sind erst in den ersten 3 Jahrzehnten des 20. Jhdts. erbaut worden, so dass der Historismus als Baustil weit weniger dominant als z. B. in der östlichen Vorstadt ist.
Beginnen wollen wir direkt nach Unterqueren der 6-gleisigen Haupteisenbahnstrecke in der Graf-Moltke-Straße (ich habe auch noch 3 neue Fotos der auf der anderen Seite gelegenen östlichen Vorstadt einem meiner Fotobeiträge unter "Bremen - außerhalb der Innenstadt" hinzugefügt). Die Eisenbahnstrecke trennt hier zwei extrem beliebte und teure Wohnviertel, was aus meiner Sicht ebenfalls ein Bremer Kuriosum ist, da stark (und auch nachts mit endlosen Auto- und Güterzügen von/nach Bremerhaven) befahrene Eisenbahnstrecken Wohnviertel nun klassischerweise nicht gerade attraktiver machen...
Zunächst wie gewohnt der Blick in GoogleMaps, um einen Überblick über das abgelaufene Gebiet zu bekommen:
GoogleMaps Stadtnahes Schwachhausen
Blick auf eine Geschäftszeile in der Graf-Moltke-Straße direkt hinter der Eisenbahnunterquerung:
Die Uhlandstraße, eine in schönstem Historismus bebaute Straße, quasi die Schwester der auf der anderen Seite der Bahn liegenden Roonstraße; sie kann ihre stilistische und räumliche Nähe zum Viertel nicht leugnen:
In dieser Straße dann auch dieser 2009 luxussanierte klassische und ansehnliche Gründerzeitler – warum aus dem Nichts plötzlich immer mal doch diese mehrstöckigen Häuser gebaut werden durften, weiß ich nicht:
Nochmal gegenüber:
Nach Kreuzen der sehr gemischt bebauten Schwachhauser Heerstraße hier ein Haus von 1950 aus der Richard-Wagner-Straße. Meine Schwäche für die sehr frühe Nachkriegsmoderne ist wohl kein Geheimnis mehr; klar, dieses Haus könnte gut einen frischen Anstrich vertragen, ansonsten aber aus meiner Sicht nix falsch dran. V.a., wenn man bedenkt, dass genau diese Häuser auf den Fassadendämmungs- und Abriss/Neubaulisten ganz oben stehen und da meistens nix Gutes bei rauskommt...
Direkt nebenan: Wintergärten im 1. Stock – auch schön und so noch nicht gesehen:
Oder etwas weiter diese herrlichen Rotklinkerhäuser beidseits der Straße:
Am Ende der Straße erwartet uns in der Hollerallee dann dieser fast schon surreale Anblick:
In der Franz-Liszt-Straße hier der Beweis, dass auch im schnieken Schwachhausen längst nicht alles super gelaufen ist:
Ich befinde mich nun in der Parkstraße, die diesem Viertel auch seinen Namen gibt. Diese muss einmal eine der beeindruckendsten Bremer Straßen gewesen sein und sie ist auch immer noch traumhaft, jedoch sind doch so einige Neubau/(Bomben?)-Lücken zu beklagen, so dass der Eindruck hier leider nicht ganz so geschlossen ist wie in anderen Straßen. Ich muss auch gestehen, dass ich hier der Versuchung nicht ganz widerstehen konnte, selektiv zu fotografieren, was sonst eigentlich nicht so meine Art ist....
Detail von einem Fenster: holzgeschnitzte Stützen!
Nun sind wir am Stern angelangt, einem für Bremer Verhältnisse ständig deutlich überlasteten Verkehrsknoten, was aber seine Schönheit nicht schmälert. Im Rücken habe ich den Bürgerpark, an der Ecke dieses a.e. von der englischen Arts and Crafts-Bewegung inspirierte Juwel:
Vom Stern zweigt auch die Wachmannstraße ab, für diesen Teil des Stadtteils Einkaufs- und Lebensader. Diese kleine Villa am Anfang (vor kurzem renoviert - jetzt ein Yoga- oder Buddhismuszentrum beherbergend):
Die Wachmannstraße selbst ist v.a. sternnah sehr gemischt bebaut und nicht unbedingt präsentierenswert, aber die Seitenstraßen der hier müssen sich wahrlich nicht verstecken, z.B. die Lürmanstraße auf beiden Seiten:
Oder die Georg-Gröning-Straße (Man sieht, wir verlassen nun langsam den Jugendstil und betreten den Schwachhausen in großen Teilen prägenden Reformstil):
Die Lüder-von-Bentheim-Straße:
Ich glaube, ich bin der Historismuskritik wirklich unverdächtig und halte Ornament auch keinesfalls für ein Verbrechen , aber wenn hier die Rede von neuer, klassischer Architektur ist, dann halte ich die obigen und folgenden Beispiele für wesentlich praktikabler als Leitfaden. Die Jungs konnten wirklich bauen, die Plastizität der Fassaden, die reduzierten, dezenten Schmuckelemente! Ich kann mich vor Begeisterung tatsächlich kaum halten
.
Der späte (und weiterhin auch von mir so geliebte) Prunkhistorismus hingegen neigt in seinen Repliken (!) leider nur zu Standardfassaden mit auf WDVS aufgeklebtem Stuck (nach dem Motto: Wie verkaufen wir unserer begüterten Edelklientel unseren Würfelhusten? Richtig, ´n büschen Stuck, ein paar Fensterläden, fertig ist der Lack - mir ist das irgendwie zu wenig).
Als Appetizer für weitere Fotostrecken folgende Bilder. Das ist in etwa der Stil, der dann große Teile des hinteren Schwachhausens prägt, aber alles zu seiner Zeit:
Carl-Schurz-Straße:
Händelstraße:
Man muss auch konstatieren, dass etwas ab dieser Bauzeit (so ab etwa 1915-1920) diese Form der Reihenhausbebauung auch in anderen Städten aufkommt und die nach dem 1. Weltkrieg gebauten Häuser streng genommen nicht mehr als Bremer Häuser klassifiziert werden. Da sie aber trotzdem die gleiche Struktur aufweisen, werden sie typischerweise meist eben doch hinzugezählt.
Ich bin nun zurück an der Kreuzung Graf-Moltke-Straße/Hollerallee mit der Schwachhauser Heerstraße. Hier befindet sich seit 1957 die Gemeinde der im 2. Weltkrieg zerstörten, ehemals höchsten Bremer Altstadtkirche St. Ansgari (s. Innenstadt-Threads). Ich finde das Gebäude durchaus gelungen, v.a. der Campanile-artige Kirchturm gefällt mir:
Genau gegenüber dann dieser Koloss. Bin mir nicht ganz sicher, auf der einen Seite sicherlich zu massiv und hoch für Bremen, aber dann doch ganz verspielt und reliefiert:
Als letztes zurück in der Graf-Moltke-Straße noch dieser Ausblick auf das von mir schon mal dokumentierte Viertelrund. Das Krematorium genannte Etwas (das rotverklinkerte Sanierungsopfer) stört das Ensemble doch extrem.
So, das war es mal wieder. Ich hoffe, es hat gefallen !