Bremen - Bahnhofsvorstadt

  • Vielen Dank, BremerMann, für das Bild, auf dem man sogar die Ruine der Michaelisschule gut erkennen kann. Die angeschwärzte Brandmauer gegenüber könnte tatsächlich diejenige der Kapelle sein, welche ja in die Bauflucht der östlichen Straßenseite des Doventorsdeich bündig integriert war.
    Dieses Foto zehn Jahre eher aufgenommen wäre einfach nur ein Traum !

  • Nur der Vollständigkeit halber möchte ich auch hier das Senkrecht Luftbild aus der Zeit nach Einstellung der Kampfhandlungen im Jahre 1945 einstellen - und zwar den Bereich, der die westliche Bahnhofsvorstadt abdeckt.

    Die Michaelisschule an der Westseite der Straße Doventorsdeich ist mit ihren beiden Flügeln gut erkennbar. Die Kapelle gegenüber scheint hingegen hart getroffen worden zu sein.

    (Bild-Quelle: Senator für das Bauwesen [Hrsg.]: Die Neugestaltung Bremens. Heft 7, Stephani-Gebiet, Gartenstadt Vahr, Neue Vahr. 2. Auflage. Bremen 1965.)

  • Auf diesem beeindruckenden Bild stehen nahezu alle nicht bis auf die Grundmauern reduzierten Bauten - mit Ausnahme der bereits thematisierten Michaeliskirche - heute noch. Der Altbau an der Weserbahn im Westen ist heute Teil des Berufsschulcampus, man erkennt auch das heute als Arbeitsamt genutzte Gebäude an der damaligen Bürenstraße sowie die bereits thematisierten Feuerwehrgebäude sowie die als Schulen genutzte Gebäude an der kleinen Helle.

    Für den Rest fehlt mir angesichts dieser totalen Zerstörung wirklich die Fantasie, wie man abseits von Einzelgebäuden deutlich flächiger und unter Erhalt von mehr Altbausubstanz hätte wiederaufbauen können, was nicht heißt, dass man nicht besser wiederaufbauen können.

  • Ich habe mich mal in die Baubehörde begeben und dort die neuesten Entwürfe für das Bundeswehrareal "bewundert". Sonst bin ich ja meist ziemlich ungehalten, wenn ich die neuesten Ergüsse unserer Architekten sehe. Hier war es nun anders. Mich überkamen depressive Gefühle angesichts dieser Entwürfe, es waren insgesamt 8 - 10 und keiner gefiel mir. Wenn ich meine Gefühlswelt richtig interpretiere, überkommt mich nach all den Jahren, in denen ich keine wirkliche Veränderung des Baustils sehe, ein Erschöpfungszustand, der langsam ins depressive abgleitet. Wenn man immer wieder hofft und sich engagiert, eber es verändert sich nichts, ja, es wird sogar noch immer schlimmer, dann steht man langsam vor der Selbstaufgabe. Ich sollte mich vielleicht mit anderen Dingen mehr beschäftigen als mit Architektur - allein aus Gründen der Psychohygiene. Vielleicht mit Werder Bremen? Na, lieber nicht - vom Regen in die Traufe.

    Fünf Fotos habe ich gemacht, dann wollte mein Apparat nicht mehr. Seltsam - könnte es sein, dass meine Abneigung gegenüber bestimmten Bauten auf meinen Fotoapparat übergesprungen ist und er jetzt genau so "fühlt" wie ich?

    Ich kann mir vorstellen, dass der eine oder andere jetzt beginnt zu relativieren. Das eine Gebäude ist aber gar nicht mal soooo schlecht, der andere Entwurf hat einige Aspekte, die ich unglaublich spannend finde......Na ja, schaut selbst. Wenn ich es schaffe, liefere ich vielleciht den Rest noch nach - ich muss aber erst meien Fotoapparat fragen.......

  • Ja, ist allesamt im 60er/70er-Retro stecken geblieben. Keine Entwicklung mehr. Immerhin auch keine zum noch Negativeren. Von den gezeigten Entwürfen wäre für mich Nr. 2 immer noch die beste Lösung, die Rasterfassade.

  • So, weiter geht´s in der Rubrik: Unsere Stadt soll hässlicher werden! Beispiel: Neubebauung Bundeswehrhochhaus.

    Ich muss ja einige Architekten verteidigen. Stellen wir uns nur mal vor, es gäbe da welche, die ganz andere Entwürfe abliefern wollten. Vielleicht an der traditionellen Bauweise orientiert. Die wüssten schon vorher, dass sie keine Chance haben, da die Baubehörde ihre Leitlinien hat, die sie durchsetzen will. Schon beim Dudlergebäude am Bahnhofsplatz kommunizierte die Behörde, Grundlage für den Bau sei die "klare Kante", also: klare Linien. Klarheit als Voraussetzung für die Entwurfseingaben. Das bekommen Architekten natürlich auch mit, sie kennen das Anforderungsprofil, auch wenn später eine sogenannte Jury scheinbar unabhängig den besten Entwurf auszeichnet. Was sollen die Architekten, die anders bauen wollen, denn machen? Erfüllen sie ihre Ideale, haben sie keine Chance auf Teilhabe, bleibt also zur noch Anpassung an die subtilen Leitlinien. Erst kommt das Fressen, dann die Moral.

    Hier nun der Rest der Entwurfseingaben zur Bundeswehrhochhaus-Bebauung.

    Der Himmel reißt auf, gottgleich im Hintergrund erleuchtend, weißes Licht. Nur zufällig zieht ein Schwarm Vögel Richtung Westen - ein Zeichen? Die Architekten haben ihre Kisten mit grünen Argumenten drapiert. Da kann man ja bei der gegenwärtigen Schont-das-Klima-Bewegung nur noch zustimmend nicken.

    Der weiße Baublock scheint sich in umgedrehter U-Form zum Hochhaus hin zu bewegen.

    Dadurch entsteht ein Innenhof.: Man sieht spielende Kinder und Erwachsene, eine entspannte Mutter, die mit ihrem Sohn die Szenerie beobachtet. Wäre da nicht dieser seltsame Schattenwurf. Entweder befindet sich die Mutter mit ihrem Sohn im Hochhaus, dann käme die Sonne von Westen. Ich gehe aber davon aus, dass hier die drei Neubau-Gebäude abgebildet sind und sich das Hochhaus deshalb links befindet. Da ist Süden. so weit, so gut. Allerdings müsste dann der gesamte Innenbereich verschattet sein oder aber die Sonne steht ganz, ganz weit im Westen. Dann hätten wir aber eine starke Verschattung der nördlichen Baureihe, auf die man links erblickt.

    Warum, verdammt noch mal, regnet es eigentlich nie auf diesen Architektenbildern.

    PANZERKREUZER POTEMKIN. Es grünt so grün, wie Bremens Blüten blühen.......(Ich glaub´ jetzt hat sie´s, die Senatsbaudirektorin Iris Reuther).

  • Ich kann vielleicht für eine gewisse Beruhigung der Gemüter insofern sorgen, dass diese Entwürfe allesamt auch in den modernistischer ausgerichteten Foren auf wenig Gegenliebe stießen. Was mir seit einiger Zeit zumindest in Bremen auffällt, ist, dass orts- und zeittypischer Charakter der Umgebung bei Neubauprojekten immer dann "aufgenommen" werden soll, wenn diese von der Nachkriegsmoderne geprägt ist. Sämtliche klassischeren Entwürfe sind auch hier rausgeflogen, ich meine, mich zu erinnern, dass der vorletzte (vor dem Panzerkreuzer Potemkin) den Wettbewerb gewonnen hat. Als unvermeidliche Relativierung sei gesagt, dass das gesamte Umfeld in diesem Bereich vollkommen zerschossen ist, so dass zumindest nichts zerstört wird. Trotzdem zeigen doch einige ermutigende Beispiele z.B. aus Köln oder Hamburg in letzter Zeit, wie auch in architektonisch sehr heterogenen Umgebungen einigermaßen qualitätsvoll gebaut werden kann.

    Das hier wirkt einfach nur traurig.

  • Heinzer schrieb: Als unvermeidliche Relativierung sei gesagt, dass das gesamte Umfeld in diesem Bereich vollkommen zerschossen ist...

    Gibt es denn noch Bilder von dieser Ecke, die die Vorkriegsbebauung zeigen. Ich habe leider nichts an Material.

  • Hopfen- und Weinstraße

    Lieber findorffer,

    das Bundeswehrhochhaus befindet sich auf dem Areal, welches vor der Zerstörung von Teilen der Hopfen - bzw. Weinstraße eingenommen wurde. Von diesem Gebiet sind mir keine Vorkriegsaufnahmen und noch nicht einmal Zerstörungsfotos bekannt. Man kann nur hoffen, daß sich im Staatsarchiv und in privaten Haushalten Abbildungen erhalten haben. An letztere ist natürlich - ohne Aufruf in der Presse und im Internet - schwer heranzukommen...

    Anbei ein Vergleich der Stadtkarte von 1938 mit einem - einigermaßen - aktuellen Luftbild (heutiges Bundeswehrgelände jeweils rot eingekastelt).

  • Hallo Pagentorn,

    Im Staatsarchiv sind Bilder vorhanden, allerdings reicht auch schon ein bloßer Blick auf die Luftbilder der „Trolley Mission“ 1945 , um zu sehen, dass dieses Karree völlig zerstört war. Ich habe einmal das Bild genommen und versucht die Straßen etwas sichtbarer zu machen. In einer Fotostrecke des Weser Kuriers (Bild 18,23 und 24 - Staatsarchiv) finden sich auch Bilder, welche auf Höhe der Hopfenstraße und in der Düsternstraße gemacht wurden.

    Leider werden die Bilder hier beim Hochladen extrem komprimiert, deswegen unscharf.

  • Pagentorn,

    erstaunlich, wie kleinteilig die Bebauung im angesprochenen Gebiet früher war. Vermutlich alles Altbremer Hausstil. Das menschliche Maß eben. Heute haben wir dort neben dem Bundeswehrhochhaus eine ganze Reihe gleichförmiger Blöcke, in sogenannter aufgelockerter Bauweise entlang der viel befahrenen Hochstraße Breitenweg. So sehen wir auch am Stadtbild, quasi versteckt, ideologische Überzeichnungen.

    Was mir noch auffiel: der Breitenweg verlief früher für die Anwohner geräuscharm direkt neben der Bahn, einen Zustand, den man hätte gut in die neue Zeit retten können. Aber die modernen Stadtplaner hatten ja ihre amerikanisch inspirierten Schnell- und Hochstraßenträume.

  • Heute auf den Plakaten, die im Rahmen der Baustelle an der Bürgerschaft am Bauzaun aushängen fiel mir folgendes Bild auf:

    Dies müsste nach meiner bescheidenen Einschätzung ein Blick etwa von vor dem Postamt nach Südwesten Richtung Breitenweg sein, der Hbf also weiter rechts liegen, die Hochstraße ist noch nicht gebaut. Kann mir jemand etwas zu dem äußerst vital erscheinenden Altbau, der links im Bild angeschnitten ist, sagen? Von der Bebauung her und der fehlenden Hochstraße würde ich das Bild auf späte 1950er Jahre einschätzen, auch der Opelturm steht rechts noch.

    Ist das das Tivoli gewesen? Ich wusste gar nicht, dass hier offenkundig so spät nach dem Krieg ein weiteres Gebäude direkt am Bahnhofsplatz noch abgerissen wurde. Trist mal wieder.

  • Über die Historie dieses Gebäude weiß ich nix, (da ist ja Pagentorn der Spezialist) das Tivoli war es sicher nicht. Das war weiter links (östlich) Aber indeed, dies war eins der letzten Gebäude das der Verkehrsplanung die Stirn geboten hat, bis die Stadtplanung das Todesurteil gesprochen hat.

    ca. 1952

    1964 (Siemens-Hochhaus schon gebaut)

    somewhen

  • Das 'St. Petersburg'

    Lieber Heinzer, das Gebäude, auf welches Sie hinweisen, gehörte nicht zum Komplex des Etablissements 'Tivoli', sondern war der recht nüchterne Rumpf des ehemaligen eleganten Hotels St. Petersburg, gelegen an der westlichen Ecke der Einmündung der Straße 'Auf der Brake' in den Breitenweg. Anbei - auf die schnelle - einige Ansichten:

    Ansicht des Rumpf-Gebäudes von Westen in der Nachkriegszeit. Markant ist die Reklame der Firma Philips an der hohen Westwand. Hinter dem Gebäude erscheint der alte Eckturm des Tivoli-Komplexes zur Straße ' Auf der Brake' sowie der anschließende Seitenflügel des historischen Theaters.

    Luftbild aus der Nachkriegszeit . Das St. Petersburg ist rot eingekreist. Links daneben: ist das mit roten Ziegeln gedeckte Dach des Tivoli-Turms erkennbar.

    Das St. Petersburg auf der Stadtkarte von 1938 (rot markiert).

    Luftbild aus der Vorkriegszeit. Die Ostfassade des St. Petersburg ist rot eingekreist.

    Der Ostgiebel des St. Petersburg von einem Standpunkt vor der Hauptfassade des Tivoli aus gesehen.

    Kolorierte Ansichtskarte des St. Petersburg von vor 1914.

    Collage von Tivoli, St. Petersburg und Ostteil der Badeanstalt. Die einmündenden Straßen sind (links) die Straße 'Auf der Brake' und (rechts) der Herdentorsteinweg . Direkt neben dem St. Petersburg ist noch der 'Darmstädter Hof' sichtbar.

  • Reidemeister & Ulrichs

    Auf dem folgenden, oben bereits eingestellten Foto ist übrigens rechts von der Verdeck-Plane des Lasters der historische Firmensitz der altehrwürdigen bremischen Weinimport-Firma 'Reidemeister & Ulrichs' an der Straße 'Auf der Brake' zu sehen. Auch dieses Gebäude mußte der unsäglichen Trassenplanung (Breitenweg / Mozartstraße / Weserquerung) weichen . Die Firma gab ihren Stammsitz nur sehr widerwillig auf und siedelte ungern in das Freihafengebiet über.


    Ansicht des Gebäudes vor 1914.

  • Noch mal zum Bundeswehrhochhaus.

    Ich kann mich einer gewissen Rührung nicht erwehren.

    Da hat man dieses Carrée in den 1960ern hermetisch von der Wohnbebauung abgeschnitten, im Westen und Süden durch Gebäuderiegel, (von Norden ist über den Breitenweg ohnehin kein Zugang möglich) an allen Seiten verhindern mehrspurige Strassen den Zugang und jetzt will man auf dieser Insel so etwas wie Lebensqualität etablieren.

    Wie weltfremd ist das denn?!

    Meines Wissens muss man bei Gebäuden dieser Größe das Erdgeschoss öffentlich zugänglich machen (Geschäfte, Cafés) was auch alle Vorschläge respektieren, aber wer will denn da hin? Alle Vorschläge beinhalten einige Alibi-Bäumchen (wahrscheinlich ist das auch vorgeschrieben) auch Sitzgelegenheiten und Sonnenschirme sind zu sehen, aber hier sein Kaffee / Bier zu trinken ist wohl nur was für Verkehrs-Fetischisten oder Feinstaub-Schnüffler.

    Ich bin kein Architekt, aber selbst ich weiß, dass um ein Hochhaus herum oft starke Winde auftreten, die die Aufenthaltsqualität sowohl der Cafébenutzer als auch der Bewohner mit Balkon zum `Innenhof´ das Leben schwer machen werden.

    Es geht (mir) nicht mal mehr um die Schönheit der Gebäude; dieses Carrée ist tot solange man nichts an der Verkehrssituation ändert und damit ist ja wohl nicht zu rechnen. Man könnte hier ein Schloss hinbauen, es bliebe dennoch eine Verkehrsinsel.

    Wenn ich etwas positives sagen müsste, dann dass es eine gewisse Symmetrie herstellt zum Siemens-Hochhaus links vom Bahnhof, dessen Umgebung schon seit den 1960ern vergurkt ist. (Warum lernt man daraus nix?) Die Skyline des Breitenwegs passt ja dazu.

    • Nichts ist unnötig. Es kann immer noch als schlechtes Beispiel dienen. -
  • Nun ist das Ganze aber noch schlimmer, als von BremerMann beschrieben. Im Modell der Baubehörde sieht man, dass diese in den 60er-Jahren verhunzte Stadtplanung immer noch in den Köpfen der heutigen Stadtplaner rumgeistert, sozusagen als modernisierte Fortschreibung, die Baubehörde würde sagen: Weiterentwicklung. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite Richtung Norden (Findorffseite), also an der sogenannten Westtangente, auch Hochstraße Breitenweg genannt, kommen mehrere Hochhäuser hin. Dies erweckt den Eindruck, als wenn das Bundeswehrhochhaus hier als eine Art stadtplanerischer Stichwortgeber fungiert, dessen Gestalt man liebend gerne aufnimmt. Das Bundeswehrhochhaus - eine willkommene Vorlage für die moderenen Städteplaner. Das zeigt sich auch weiter ostwärts im Ostertorviertel. Dort soll nach dem Willen der Investoren auch ein Hochhaus hin, wenngleich man hier ein wenig zurückgebaut hat, dafür aber wiederum andere Gebäude höher bauen darf. Neben Bundeswehrhochhaus, Tivoli- und Siemenshochhaus, dem Gewobahochhaus kämen jetzt noch unter der Leitung der jetzigen Senatsbaudirektorin Iris Reuther, bewährt im Plattenbau, ihrer neuen Vorgesetzen, der Staatsrätin Nießer sowie einer grünen Bausenatorin dieses Ostertorhochhaus und die eingangs beschriebenen nördlichen 3 - 4 Hochhäuser dazu. Dann werden auch weitere folgen. Ein grüner Wahnsinn diese Auftaktveranstaltug. Ich habe nichts gegen Hochhäuser. In der Überseestadt gerne mehr davon und vor allem höher, d. h. 200 Meter und mehr. Aber hier in diesem innenstadtnahen Zentrum?

  • Lloyd-Schuhfabrik als Beispiel

    Zwischen Doventorsteinweg, Doventorsdeich und Johanniskamp befand sich bis zur Zerstörung im Bombenkrieg die Schuhfabrik Meyer & Co. - heute eher bekannt als 'Lloyd-Schuhfabrik'. Zwar hatte man die Produktion kriegsbedingt teilweise schon vor '45 - ins damals noch preußische Umland - nach Sulingen verlegt, aber eine dauerhafte Verlegung des Firmensitzes in den Süden der Grafschaft Hoya war eigentlich nicht geplant. Die politischen Entscheidungen der von den Amerikanern eingesetzten, ersten sozialdemokratisch geführten Landesregierung Bremens, führten dann offenbar zu einem Umdenken . Und die Senate der Nachkriegszeit unternahmen nicht wirklich etwas, um das Unternehmen zur Rückkehr in die Hansestadt zu bewegen. Man hatte ja die Werften und die Automobilindustrie (Borgward) und meinte deshalb auf die mittelständischen Betriebe nicht mehr angewiesen zu sein. Und so blieb die Lloyd-Schuhfabrik nicht die einzige Firma, die in den 75 Jahren durchgehend sozialdemokratischer Herrschaft in der Hansestadt, Bremen den Rücken kehrte...

    Nun ist es aber gerade der Mittelstand, der Rekonstruktionsvorhaben oftmals positiv gegenüber steht und diese finanziell fördert.

    In der Abwanderung des Mittelstandes sehe ich daher auch einen Grund für die bauliche Misere Bremens ! Die Lloyd-Schuhfabrik ist dafür ein Beispiel.

    Abbildung 01

    Ansicht der Fabrik . Die links hinter der Michaeliskirche sichtbar werdenden Schiffe sind der künstlerischen Freiheit des Zeichners geschuldet, denn aus der gewählten Perspektive heraus konnte man die Hafenanlagen eigentlich gar nicht sehen. Auf dem Panzenberg in Utbremen gab es keinen Hafen...:wink:

    Abbildung 02

    Lage der Fabrik auf der Stadtkarte von 1938 (rot markiert).

    Abbildung 03

    Vergrößerter Ausschnitt aus der Stadtkarte.

    Abbildung 04

    Luftbild des Areals in der Gegenwart. Nicht nur die neogotische Michaeliskirche, sondern auch die Fabrik ist verschwunden. Die früher als Sackgasse endende - im Vergleich zu heute wesentlich kürzere - Vietorstraße ist heute bis zum Doventorsteinweg durchgeführt und mündet ungefähr dort in Letzteren ein, wo ehemals der - heute aufgelassene - Johanniskamp begann.

    Abbildung 05

    Die Verlegung der Fabrik von Bremen nach Sulingen (im Süden der Grafschaft Hoya). Der an der Peripherie Sulingens gelegene, weiße Kubus ist sogar aus dieser luftigen Höhe mit bloßem Auge erkennbar ! (Der Pfeil weist genau auf ihn hin.)

    Abbildung 06

    Das gegenwärtige Fabrikgebäude in Sulingen ist offensichtlich schmuckloser als dasjenige , welches einst am Doventorsteinweg stand.

    Allerdings ist es mit dem Schütting-Wappen der Handelskammer Bremen bemalt.

    Sofern sich Seinsheim auf diesen Strang verirren sollte: Die Köpfe dieses doppelköpfigen Adlers tragen tatsächlich Nimben ! :wink:

  • Ein verlorenes Schmuckstück: Die alte ‚Billetterie’.

    Das von Professor Hubert Stier entworfene Gebäude des Bremer Hauptbahnhofs gilt unbestritten als einer der schönsten historistischen Bahnhöfe Deutschlands.

    Äußerlich ist er fast gänzlich unverändert auf uns gekommen (die Glasdeckung des Mittelteils der großen Perronhalle wurde nach dem Kriege jedoch leider mit Holz und Dachpappe geschlossen; dafür wurden aber bei der großen Renovierung in den 1990er Jahren die historischen - nach dem Kriege unsensibel veränderten - Fensterformen des östlichen Verbindungsbaus rekonstruiert).

    Innerlich wurde der Bahnhof jedoch komplett umgestaltet: So wurden in den ursprünglich über zwei Etagen sich erstreckenden Wartsälen in den beiden Verbindungstrakten Zwischendecken zur Generierung eines weiteren Stockwerkes eingezogen. Der größte Verlust aber dürfte die Zerstörung des ehemals im Ostflügels befindlichen Fürstlichen Empfangssalons sowie des Treppenaufgangs zu diesem sein. (Nebenbei bemerkt: dort kam S.M. unzählige Male mit dem Hofzug in Bremen an...) Beide wurden dem Einbau der Küche für das neue Bahnhofsrestaurant geopfert !

    Die große Empfangshalle in der Mitte der Südseite des Haupfbahnhofs kam noch glimpflich davon. Allerdings wurden ihre nördlichen, ehedem eine Verbindung zur Perronhalle herstellenden Fenster zugesetzt. Dieser Zustand wurde im Zuge der Renovierung in den 90er Jahren nur hinsichtlich der oberen Fensterreihe korrigiert. Die unteren Fenster blieben - und bleiben - weiterhin durch eine denkmalgeschützte, aus Wandkacheln bestehende Tabakwerbung der – nicht mehr bestehenden - Firma M. Brinkmann versperrt. Allerdings hält diese Werbung die Erinnerung an das Kornhaus aufrecht (Tausende passieren täglich das Kornhaus), wodurch man etwas versöhnt wird.

    Außerdem wurde das Sockelgeschoß radikalen Eingriffen unterworfen, sodaß in dieser Zone keine Originalsubstanz mehr sichtbar ist. Die obereren Zonen sind hingegen noch in ihrer Struktur erhalten, haben aber ihre Farb- und Goldfassungen sowie ihr 'Kathedralglas' verloren. Zudem wurde ein figürliches Medaillon, welches das Pendant zur großen Bahnhofsuhr an der Südfassade bildete durch eine weitere Uhr ersetzt. (Bei der großen 'Renovierung' in den 90er Jahren wurden schließlich die beiden mittleren Gepäck- und Post-Tunnelröhren, die von der Empfangshalle nach Norden unter die Perronhalle führten zugunsten eines breiten Durchgangstunnels für den Fußgängerverkehr aufgegeben. Gleichzeitig wurde in den ehemaligen äußeren Fußgängertunneln Raum für Ladenzeilen geschaffen.)

    Der markanteste Verlust der Empfangshalle – und der eigentliche Grund für diesen Beitrag – ist aber das Gebäude mit den Fahrkartenschaltern, die sog. alte Billetterie, welches im Zentrum des Raumes positioniert war. Es war mit seinen auf die Architekturglieder der Wände bezogenem Schnitzwerk ein wahrer Hingucker. Wann es entfernt wurde, kann ich leider nicht mit Bestimmtheit sagen. Es könnte – aufgrund der Änderung des Geschmacks – schon vor dem Kriege entfernt worden sein. Dem Kriege zum Opfer gefallen sein, wird es jedenfalls nicht, denn die Empfangshalle hatte keine Kriegsschäden zu beklagen.

    Meine frühesten Erinnerungen aus der ersten Hälfte der 70er Jahre verbinden sich mit einem ellipsenförmigen Verkaufspavillon für Süßwaren und Konfekt, welcher den Standort der ehemaligen Billetterie einnahm. Gegenwärtig befindet sich hier ein aus Milchglaswänden gebildeter, nichtssagender Wartebereich mit Sitzbänken für Reisende.


    Abbildung 01

    Empfangshalle des Bremer Hauptbahnhofes in der Gegenwart.

    Abbildung 02

    Originalzustand der Empfangshalle. Aufgenommen im Jahre 1900

    Abbildung 03

    Detailzeichnung des originalen Fahrkartenschalters (‚Alte Billetterie’).