In der Bremer Tageszeitung Weser-Kurier war in dieser Woche einiges los zum Thema Bebauung. Primär ging es um das geplante neue Hochhaus an Stelle des Bundesbankgebäudes an der Kohlhökerstrasse. Es gab hierzu wohl eine Informationsveranstaltung der Bremer Grünen im Haus der Architektenkammer, leider habe ich das erst nachher erfahren. Nachfolgend der Bericht davon im Weser-Kurier.
ZITAT:
Hochhäuser wecken Emotionen
Diskussion über Gebäudegrößen
MATTHIAS HOLTHAUS
Altstadt. Wo passt es hin, wer will darin wohnen und muss das überhaupt sein? Das Hochhaus, von einigen Menschen bereits als steinernes Relikt vergangener Jahrzehnte abgeschrieben, erscheint seit einiger Zeit wieder auf der städtischen Bildfläche. Landmark-Tower, Wesertower oder die bisweilen erbitterten Diskussionen um die geplante Errichtung des Hochhauses in der Kohlhökerstraße verweisen auf bestehende oder eventuell kommende Zustände. „Wie hoch wollen wir bauen?“ fragten deshalb die Landesarbeitsgemeinschaft Stadt- und Regionalentwicklung von den Grünen sowie die Architektenkammer in deren Räumlichkeiten.
Und der Raum war voll besetzt, als sich der Architekt Stefan Rettich anschickte, seine Studie über Hochhäuser in Bremen vorzustellen, die er im Auftrag des Bauressorts angefertigt hat. Er untersuchte dafür den Maßstab der Stadt und setzte sich mit den Kriterien auseinander, die für die Auswahl geeigneter Standorte gelten könnten. Das Bauressort hat sich bislang nicht dazu durchringen können, den Studienempfehlungen zu folgen, als Gegenstand der Qualifizierung und der Auseinandersetzung taugt sie jedoch allemal.
„Sich schlau machen und eine Sachlichkeit reinbringen, das ist der Sinn der Veranstaltung“, beginnt Moderator Robert Bücking, Bürgerschaftsabgeordneter der Grünen, den Abend. Es folgt ein Impulsvortrag von Peter Stubbe, Vorstandsvorsitzender der Gewoba. Als Kind der Zeit erklärt er darin unter anderem die Bauweise der Nachkriegsviertel wie die Neue Vahr oder Osterholz-Tenever. „Die Gewoba hat verschiedene Hochhäuser. Wir bauen zwar keine neuen, sanieren aber welche“, sagt er.
Definition des Hochhauses
Stefan Rettich beginnt mit einer Definition: Danach fängt ein Haus an, Hochhaus zu sein, wenn es eine Höhe von 22 Metern erreicht. Bis zu einer Höhe von 60 Metern genügt ein für den Brandschutz relevantes Sicherheitstreppenhaus, ab 60 Metern müssen es zwei Sicherheitstreppenhäuser sein. In verschiedenen Städten werden Sichtachsen für prägnante und identitätsstiftende Punkte in der Stadt und sogenannte Mehrwertsprinzipien als Anspruch an Hochhäuser gestellt. So sollte das Erdgeschoss für eine öffentliche, kulturelle, soziale oder gastronomische Nutzung vorgesehen werden. Die Straßen und der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) müssten gut ausgebaut, die Dachterrasse auch für die Öffentlichkeit nutzbar sein. Eine Nutzungsmischung aus Gewerbe und Wohnen zu bezahlbaren Preisen sollte gegeben, die Freiräume wie Plätze oder auch Grünflächen gut entwickelt sein. Und auch der Schattenwurf sollte vorher berechnet werden.
Zum Bestand: 61 Hochhäuser sind bis 45 Meter hoch, über 45 Meter gibt es 22 dieser Bauten, in die Höhe ragende Industriegebäude stehen 23 in Bremen. Als Fazit hat er folgende Punkt ausgemacht: So dürfe die Ensemblewirkung von Dom, Unser Lieben Frauen und St. Martini, die die schützenswerte Altstadtsilhouette bilden, nicht durch Neubauten beeinträchtigt werden. Mit Ausnahme vom Aalto- und dem Siemenshochhaus, dem Bundeswehrhochhaus und dem Landmarktower sind die Hochhäuser in Bremen überwiegend bis zu 45 Meter hoch. „Das ist der ,Bremer Pegel‘, mit dem Orte auf Quartiersebene akzentuiert und Zentren gebildet werden können.“ Die Industrie- und Stadtsilhouetten an beiden Ufern der Weser bilden für Rettich „Anknüpfungspunkte für höhere Häuser und großvolumige Gebäude.“ Bauliche Akzente könnten auch Stadteingänge verdeutlichen – so wie im Mittelalter, als Stadttore diese Aufgabe ausfüllten.
Bremens großstädtische Seite
Als sogenannte „kinetische Silhouette“ sieht er exemplarisch die Bahnstrecke Hamburg – Hannover, an der sich prägnante Bauwerke wie Fallturm, Fernsehturm und Hochhäuser der Bahnhofsvorstadt reihen. „Den Bahnreisenden zeigt Bremen hier seine großstädtische Seite“, meint Stefan Rettich in seiner Präsentation. Und diese Silhouette könne im weiteren Umfeld des Hauptbahnhofes sowie an den neu geplanten Haltestellen der Universität und Hemelingen ergänzt werden. Ebenso bildet nach Rettich die Hochstraße am Breitenweg „mit ihren prägnanten und bekannten Hochhäusern ein besonderes Ensemble“, das perspektivisch unter Einbeziehung des Güterbahnhofareals weitergebaut werden könne. Die Überseestadt müsse dahingehend überprüft werden, „ob zusätzliche Standorte für Hochpunkte auch städtebauliche und funktionale Mehrwerte für den neuen Stadtteil versprechen.“
Prüfkriterien für kommende Hochhausprojekte sollten unter anderem sein: ÖPNV-Anbindung, räumliche Wirkung im Quartier, eine Sichtfeldanalyse, Verschattung, Wohnnutzung, Grünflächen auf Flachdächern oder die öffentliche Nutzung von Dachterrassen.
„Das scheint ein Thema zu sein, das Gefühle hervorruft“, sagt daraufhin Katja-Annika Pahl, Professorin an der School of Architecture. „Es gibt aber Dinge, die man nicht nach Gefühl entscheiden sollte. Hochhäuser haben eine weitreichende Wirkung.“ Sie spricht sich für die in der Studie vorgestellten Leitlinien aus: „Ich würde erwarten, dass die Beteiligten ein Konzept für die Entscheidung haben.“
Architekt Gottfried Zantke, der sich gegen die geplante Bebauung des Bundesbankgeländes an der Kohlhökerstraße einsetzt, sieht Bremen als eine „maßstäbliche Stadt“ mit mittelhohen Bauten, Bremer Häusern und funktionierenden Nachbarschaften: „Warum plötzlich so etwas Artfremdes wie ein Hochhaus für Bremen?“ Eine Frau aus dem Publikum sagt, über 1000 Wohneinheiten seien in Tenever abgerissen worden, weil man gemerkt habe, dass es so nicht gehe: „Lernt man in Bremen nicht daraus?“ „Das hat damals nicht funktioniert und ich würde heute nicht mehr so bauen“, antwortet Gewoba-Chef Stubbe. Für Landesdenkmalpfleger Georg Skalecki steht fest, dass Bremen keine Hochhausstadt ist: „Da ist uns mit dem Konzept viel an die Hand gegeben worden, um damit zu arbeiten.“ Jedoch müsse bei den Sichtachsenstudien nicht nur der Dom, sondern die ganze Altstadt einbezogen werden. Eine Zuhörerin mahnt abschließend: „Sie haben die Bürgerbeteiligung vergessen. Was wollen wir als Bürger für eine Stadt, das sollte die Diskussion sein.“
ZITAT ENDE
In den Tagen darauf gab es viele Leserbriefe die sich mit diesem Thema befassten. Die meisten waren nicht d`accord mit dem Bau dieses Gebäudes. (Ein Dank an den Weser-Kurier für die Auswahl dieser Leserbriefe). Dies zeigt mir, dass die Bremer sehr interessiert sind am Thema Stadtumbau.
Ich bin ja erst seit ½ Jahr in dieser Community, liebe den Austausch und habe viel über meine Stadt erfahren. Aber je mehr ich über die Geschichte und den Status Quo unserer (ehemals) schönen Stadt erfahre, desto resignierter, ja depressiver werde ich. Gibt es nicht eine Möglichkeit etwas zu bewirken, zu verändern? Es ist ja wohl offensichtlich, dass die Stadtplanung nicht vom Bürgerwillen sondern von was Anderem gesteuert wird.
Kann man da nicht was machen? Ich denke, die Bremer sind mehrheitlich unserer Meinung.
Wie können wir die Stimmung unserer Mitbürger von interessiert in engagiert ändern?
Wenn nicht unsere Community, wer dann?
Liebe Butenbremer, (wie) seid ihr das in eurer Stadt angegangen?