Gibt es eigentlich irgendwelche Verträge oder Abmachungen, nach denen Architekten hierzulande nicht schon bzw. pompös bauen dürfen?
Gründerzeit
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"Solinger", macht Dir es eigentlich Spaß, ständig dumme Fragen zu stellen? Ich glaube schon, weil irgendein Dummkopf ständig antwortet....
Also ich Dummkopf gebe Dir die Antwort: Ja, es ist laut Grundgesetz verboten, pompös zu bauen. Und das wird stets vertraglich festgehalten. Wer sich nicht daran hält, wird vom Verfassungsschutz überwacht und mit Zuchthaus nicht unter 5 Jahren bestraft.
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Das Grundgesetz ist doch längst außer Kraft.
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Mich beschäftigt schon seit längerem eine Stilrichtung des Historismus, die fast nie näher erwähnt wird und zu der ich auch kaum Informationen finden kann. Die Gebäude von denen ich spreche befinden sich meines Erachtens nach meistens im ländlichen oder im suburbanen Raum.
Hier ist ein schon etwas aufwändigeres Beispiel: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Gr%C…3_Ebeleben_.jpg
Meine Beobachtungen sind die Folgenden:
Die Gebäude sind nahezu alle um 1900 enstanden, also eigentlich in der Zeit des Späthistorismus. Die Materialität besteht häufig aus Klinkerstein oder Bruchstein, es gibt aber auch verputze Exemplare oder lediglich Steinsichtigkeit im Bereich der Fenster oder als Eckrustika. Das vermutlich entscheidene Merkmal sind Stichbogenfenster (manchmal auch mit Agraffe). Sie verfügen meistens über traufständige Satteldächer, gelegentlich aber auch Walmdächer. Fast immer findet man Zwerchhäuser. Diese haben wie im Beispiel zu sehen im Giebel häufig verzierte Holzverstrebungen (kenne keinen Terminus dafür). Man sieht in meinen Augen Ähnlichkeiten zur damaligen Fabrikarchitektur und dem ländlichen Bahnhofsbau.
Wie würde man einen solchen Stil nennen? In Ermanglung eindeutiger historischer Bezüge würde ich persönlich auf eine norddeutsche Variante des Heimatstil tippen, der ja sonst eher mit alpinen oder süddeutschen Formen asoziiert wird. Ich habe das Gefühl, dass man gelegentlich ganz entfernt Bezüge zur Neogotik oder Neobarock finden kann. Das aber sehr stark abstrahiert. Man sieht die Gebäude eigentlich doch sehr häufig, umso mehr wundert es mich, dass sie so wenig Beachtung finden. Wenn noch mehr Beispiele gewünscht sind, könnte ich mich ja mal auf die Suche machen.
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Ich würde auf 'Landhausstil' tippen. Hier in Berlin gibt es solche Gebäude in Hülle und Fülle in den um 1895-1905 errichteten außerstädtischen Kolonien u.a. wie Lichterfelde, Lankwitz, inkl. der Siedlung Grunewald.
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Hier ist ein schon etwas aufwändigeres Beispiel: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Gr%C…3_Ebeleben_.jpg
Ich glaube diese Art von Baustil hat auch eine ganz eigene Stilrichtung - ich komme nur nicht auf den Namen. Die uns bekannten typischen Gründerzeitler, sind ja mehr ein Mix aus Neobarock und Klassizismus.
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Zählt bei uns als "Schweizer Stil"
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Ich habe auf Wikimedia noch ein paar weitere Exemplare gefunden. Leider alle Steinsichtig.
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/comm…-_panoramio.jpg
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Zählt bei uns als "Schweizer Stil"
Ja Ähnlichkeiten gibt es Gewiss, die "schweizerischen" Elemente, wie Fachwerk und verzierte Holzbalken sind oftmals vorhanden. Allerdings treten sie eher in den Hintergrund und im Falle des Fachwerks sind sie sogar relativ selten.
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Ich habe hier einige Beispiele im Landhausstil, viele aus dem Elsass inspiriert, das ja damals zum Reich gehörte. Davon gibt es viel mehr Beispiele, gerade in Grunewald.
Grunewald:
Grunewald_Caspar-Theyß-Str 19_erbaut 1897 von Carsten & Cohn:
Grunewald_Caspar-Theyss-Str 11_Villa Marthe (Franssen)_von H. Jassoy_Foto Hermann Rückwarth_um 1900
Grunewald_Bismarckallee 31_Villa Wieck_von Heinrich Seeling_Foto Hermann Rückwarth_um 1900
Grunewald_Bismarckallee 23_Villa Mendelssohn_Stallgebäude_von Ernst von Ihne_aus BAW Juni_1900
Grunewald_Bismarckallee 32_Landhaus Bachstein_erbaut 1889-90 von Cremer & Wolffenstein_BfAuK_189
Grunewald_Beymestr 15_heute Furtwänglerstr_erbaut 1898-99 von Cremer & Wolffenstein
Grunewald_Bismarckallee 1_Ecke Caspar-Theyß-Str 11_erbaut 1890 von Heinrich Franßen & Heinrich Jassoy
Grunewald_Beymestr 28-30_heute Furtwänglerstr_erbaut 1900 von Hugo Hartung
Grunewald_Bismarckallee 16_erbaut 1889-90 von Cremer & Wolffenstein
Grunewald_Auerbachstr 13_Ecke Douglasstr 34_erbaut 1912
Grunewald_Beymestr 28-30_von Hugo Hartung_aus BAW Juni_1900
Lichterfelde:
Groß-Licherfelde_Promenadenstr 5a_erbaut 1901-02 von A. Born_BfAuK_1902
Groß-Lichterfelde-Ost_Marienplatz 4_Landhaus W. Körbe_erbaut 1903-04 von W. Körber_BfAuK_1904
Groß-Lichterfelde_Holbeinstr 2_erbaut 1894 von Georg Böhme_BfAuK_1898
Groß-Lichterfelde_Sternstrr 10-11_erbaut 1893-94 von Solf, Wichards, Mensching_BfAuK_1898
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Ich danke für die Bilder. Ich denke wir haben hier eine große Überschneidung der Stile. Dennoch tritt auch hier, wie in meinem Kommentar zu Schweizer Stil auch beschrieben, das Fachwerk und das Holz sehr in den Vordergrund. Ich weiß nicht ob man dann da von dem selben Stil reden kann.
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Die Bahnhofsgebäude waren in dieser Zeit, in der Bahnstrecken überall wie Pilze aus dem Boden schossen, oftmals Typenbauten, z.B. die Bahnhöfe Dirmstein und Großkarlbach oder Hoyerswerda und Horka.
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Dirnstein...
...liegt in der Wachau und hat keinen Bahnhof
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...liegt in der Wachau und hat keinen Bahnhof
In Dürnstein (Wachau) handelt die Neuauflage vom "Hofrat Geiger" mit Rudolf Prack.
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Viele Villen in dieser Stilrichtung findet man am Fuße der Wartburg, in Eisenach. Es gibt einen eigenen Band in der Denkmaltopographie über diese reizvollen Bauwerke.
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Mich beschleicht der Eindruck, dass wir uns hier doch auf vergleichsweise unerforschtes Terrain begeben. Vielleicht kommt da ja in Zukunft mehr von der Wissenschaft.
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Eine Frage an die kunstgeschichtlich bewanderten Foristen: als welchen Neo-Stil kann man die nachfolgend gezeigten, typischen Gründerzeitfassaden am ehesten bezeichnen? Neo-Barock? Gar Neo-Renaissance, da spitze und runde Fensterverdachungen ja durchaus nicht untypisch für die italienische Renaissance sind? Oder einfach ein Mischstil - der allerdings zu "rein" aussieht, um ihn als eklektizistisch zu bezeichnen. Was meint Ihr?
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Meiner Meinung nach die erste Fassade neobarock aufgrund der Muschelfüllungen der Fensterverdachungen sowie der Pilaster mit Kompositkapitellen (ich kann allerdings die genaue Natur des Kapitells wegen mangelnder Schärfe nicht genau erkennen) und die zweite Fassade klassizistisch.
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Fensterverdachungen mit Dreiecks- oder Segmentgiebeln gab es bereits in der Renaissance. (https://images.app.goo.gl/qn2M4zWSB3TurbmC8) Das Muschelornament ist ein Argument. Ich würde die erste Fassade somit als Neorenaissance mit barocken Einsprengseln interpretieren, die zweite ebenso als klassizistisch.
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