• Bremen – Häfen


    Nach Auffassung des am 1. August 1945 von der amerikanischen Militäradministration eingesetzten neuen Bürgermeisters und Präsidenten des Senats, Wilhelm Kaisen, hatte der Wiederaufbau der Häfen absoluten Vorrang vor allen anderen Bauprojekten der damaligen Zeit.
    Eine Haltung, wie die des Lübecker Bürgermeisters Otto Passarge, nach der es für das Selbstverständnis seiner Mitbürger essentiell war, daß Lübeck alle seine sieben Türme behielt und alle Turmhelme rekonstruiert werden mussten (Passarge hätte als Bremer Bürgermeister sehr wahrscheinlich den Wiederaufbau von St. Ansgarii ‚in situ’ vorangetrieben), war Wilhelm Kaisen eher fremd. Da beide Sozialdemokraten waren, kann diese unterschiedliche Herangehensweise bzgl. des Wiederaufbaus wohl nicht am Parteibuch gelegen haben. Aber Passarge war gebürtiger Lübecker in Lübeck und Kaisen war hingegen gebürtiger Hamburger in Bremen (ein Schelm, wer Böses dabei denkt…).
    Jedenfalls sollte man doch wohl erwarten können, bei dieser damaligen Prioritätensetzung zumindest einige repräsentative Bauten aus der Wiederaufbauzeit im Hafenareal antreffen zu können. Leider weit gefehlt: Es entstanden allerorten nur nüchterne Zweckbauten.
    Die derzeitige Neustrukturierung der stadtbremischen Hafenareale birgt jetzt die Möglichkeit, damalige Fehler zu korrigieren. Diesen Chancen soll dieser Themenstrang gewidmet sein.

    Edited 4 times, last by Pagentorn (January 20, 2019 at 10:44 PM).

  • Hafenhaus am Freihafen I.


    Im Zuge der Anlage des Freihafens I. (heute Europahafen genannt) ab 1887 wurde am Kopf desselben der repräsentative Amtssitz der Hafenverwaltung und der Bremer Lagerhausgesellschaft, das sog. Hafenhaus errichtet. Der in neugotischen Formen errichtet Bau nahm mit seinem zentralen Turm Anleihen beim mittelalterlichen Glockenturm von Brügge. Jeden Mittag um 12 Uhr fiel von seiner höchsten Spitze der sogenannte ‚Zeitball’ der dadurch den Hafenarbeitern das Signal zur Mittagspause gab. Nach dem Untergang des Gebäudes im 2. Weltkrieg wurde diese Tradition nicht mehr fortgeführt. Der Neubau des erweiterten, eher einer gigantischen Lagerhalle gleichenden Weser-Bahnhofs nahm nun das Areal ein. Seit der Jahrtausendwende und dem Abriß des Bahnhofs befindet sich hier eine Freifläche, die jetzt neu bebaut werden soll. Doch anstatt an die große Tradition des Ortes anzuknüpfen, sollen hier vier belanglose Großbauten entstehen, deren einzige Raffinesse darin besteht, daß sie die Tiernamen der ‚Bremer Stadtmusikanten’ tragen sollen. Ach wie originell ! Die Alternativplanung von Axel Spellenberg nimmt demgegenüber Motive des alten Hafenhauses wieder auf und entwickelte diese in reizvoller Weise weiter…

    Abbildung 01
    Hafenhaus auf der Stadtkarte von 1938 (rot markiert).

    Abbildung 02
    Ansicht des Hafenhauses von Nordwesten (vor 1914).

    Abbildung 03
    Ansicht des Hafenhauses von Südwesten (vor 1914).

    Abbildung 04
    Vergleich des Hafenhauses mit dem Gebäude des Glockenturms im flandrischen Brügge.

    Abbildung 05
    Luftbild des Freihafens I. (vor der Zerstörung im 2. Weltkrieg). Das Hafenhaus ist rot eingekreist.

    Abbildung 06
    Luftbild des gegenwärtigen Europahafens. Das ehemalige Areal des Hafenhauses ist rot eingekreist.

    Abbildung 07
    Die zur Realisierung vorgesehene neue Bebauung des Areals. Artikel in den ‚Bremer Nachrichten’ vom 15. Januar 2019.

    Abbildung 08
    Erste befürwortende Leserbriefe (in den ‚Bremer Nachrichten’ vom 19. Januar 2019).

    Abbildung 09
    Die den Geist des Ortes atmende Alternativ-Planung von Axel Spellenberg.


    Hier ein Film zum Projekt:

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    Wieder einmal vergibt Bremen eine große Chance, sich auf sich selber zu besinnen !!!

    Edited once, last by Pagentorn (January 19, 2019 at 9:39 PM).

  • Lieber Heinzer,

    selbstverständlich reden wir noch mit Ihnen ;) . Wir können und wollen gerade auf Sie nicht verzichten !!!

    Man muß ja nicht immer einer Meinung sein...

    Anbei ein kleiner Film zur Geschichte des Freihafens I., welcher in den ersten Sequenzen sogar Luftfilmaufnahmen des Hafenhauses präsentiert:

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  • In der Tat gab es im Hafenbereich schmerzhafte Verluste eindrucksvoller Architektur.

    Dennoch:

    Ich denke, die Überseestadt sollte man der Moderne überlassen! Schon, damit man sich nicht unglaubwürdig macht (und als ein weiteres abschreckendes Beispiel?)

    Umso kräftiger kann dadurch die Argumentation pro Altstadt werden: Nach dem Motto: Tobt Euch in der Überseestadt aus, aber hegt, pflegt und repariert die Altstadt in Material und Maßstäblichkeit! Das wäre auch historisch korrekt!

    Die Altstadt ist die Altstadt! Ihr gebührt eine besondere Sanftheit im Umgang unter Beachtung, Wahrung und Wiederherstellung ihres Charakters! Ein Stückweit gilt dies auch für die Alte Neustadt und die Bahnhofsvorstadt - gleichsam dem Viertel und dem vorderen Schwachhausen!

    Dem Hafengebiet aber, welches ohnehin kein (halbwegs) geschlossenes Ensemble mehr bildet, sollte aber eine weitgehende Freiheit erhalten bleiben. Eine Freiheit, die taugt, dort einen eigenen Charakter zu entwickeln und dem Menschen die Wahlfreiheit zu geben!

  • Aufteilung des Stadtgebietes in ‚Interessens -Sphären’?

    Lieber Heinzer und lieber RaHaHe !


    Eingedenk des in den frühen 90er Jahren von Nils Aschenbeck postulierten ‚Dreigestirns', dessen Realisierung alleine schon herkulische Kräfte erfordern wird (die wir nicht zersplittern dürfen) habe Sie beide natürlich vollkommen recht !

    Auch mir waren schon ähnliche Gedanken, wie die von Ihnen beiden formulierten, durch den Kopf gegangen. Gedanken, die an eine Definition von Interessens-Sphären erinnern. Ich wäre sofort bei Ihnen, wenn sich eine derartige Aufteilung so einfach bewerkstelligen ließe. Selbstverständlich ist es reizvoll, sich vorzustellen, daß ‚wir’ in Alt-, Neu.-, Bahhofsvor- und Östlicher Vorstadt das Vorrecht hätten, während sich die ‚Modernisten’ z.B. in den alten Hafengebieten und den erst nach dem 2. Weltkrieg entstandenen Stadtquartieren nach Herzenslust beweisen könnten…

    Ich für meinen Teil fürchte, daß ein derartiges Arrangement an dem Absolutheitsanspruch der ‚Moderne’ scheitern würde, die überall mitreden und – bestimmen will. Die in den vergangenen Wochen aufgezeigten Abgänge an historischer Architektur in den diversen Stadtteilen hatten ja – von meiner Seite – primär das Ziel den Lesern zu verdeutlichen, in welchem überbordenden Ausmaß die Moderne Gelegenheit hatte, das Stadtbild maßgeblich zu prägen und eben nicht – durch Reparatur oder Rekonstruktion – dem historischen Bestand den Vortritt zu lassen. Aber all das reicht der Moderne noch immer nicht aus: Selbst die verhältnismäßig winzige Fläche von St. Ansgarii hält sie fest in ihrer ‚Faust’ und verteidigt diese mit großer Vehemenz.

    Um hier eine Änderung zu bewirken, dürfen wir somit nicht defensiv nur auf das ‚Dreigestirn’ verweisen, sondern müssen die Moderne offensiv in den Arealen herausfordern, die – nicht nur sie selber – als Gebiet ihre ureigensten Hausmacht ansieht. Wenn sie auf diese Weise merkt, daß sie selbst dort nicht mehr wie selbstverständlich freie Bahn hat, vielleicht ist sie dann ja in der Altstadt endlich einmal zu Konzessionen bereit !


  • Die Modernisten (nicht die Moderne) sind ein Gegner, mit dem wir nicht auf Augenhöhe stehen. Insofern werden wir scheitern, wenn wir nicht flexibel sind.
    Sie sitzen am längeren Hebel und haben (noch!) die Argumente der zeitgenössischen Götter auf ihrer Seite: Geld! Aber das lässt sich noch aussitzen und bekämpfen. Schönes Bauen wird schon noch wieder erschwinglich!

    Wenn wir aber bei jedem neuen Bauvorhaben mit Rekonstruktionsvorschlägen oder -forderungen aufwarten, dann wird es immer heißen "diese Spinner mal wieder".

    Wenn wir aber punktuelle Stadtbildreparaturen fordern und uns des Vorwurfs der Naivität erwehren können, indem wir zeitgemäße Nutzungsvorschläge machen und Verkaufsargumente bringen (Stichwort: Marktpsychologie), dann können wir kleine Erfolge feiern. Schlagen diese dann ein, kann es weitergehen.

    Frankfurt KANN in diesem Fall ein Glücksbringer sein! Wenn dort in vier bis fünf Jahren eine mittelfristige Bilanz gezogen wird und das Projekt erfolgreich war, dann haben wir beste Argumente.
    Zudem bringt Herr Zech selbst die Kleinteiligkeit auf die Agenda! Er hat die Zeichen der Zeit wohl erkannt: Man kann die Einkaufzentren auf der grünen Wiese nicht auf deren Feld schlagen! Die Stadt hat eine eigene Strahlkraft!

    Nebenbei sei einmal auf das Designer Outlet Berlin verwiesen: Schaut es Euch mal an. Zwar wird dort in ungekonntester Weise versucht, "Altstadt" zu imitieren, aber es WIRD versucht! Insofern in dies der Beweis dafür, dass klassische Stadtbilder (Kleinteiligkeit, Winkeligkeit) auch zeitgenössischen "Verkäufern" ein Verkaufsargument sind und dass nicht jeder erfolgreiche Handel unter Dach erfolgen muss!
    Wenn also Einkaufszentren Stadt imitieren, kann Stadt so falsch nicht sein! Auf diesem Feld kann die echte Altstadt nur gewinnen!

  • Konsensfähigkeit sollte ein Merkmal unserer – von einzelnen Bürger bzw. Leserbriefschreiber bereits wahrgenommenen - „bestimmten Gruppe“ sein.
    Ich stimme hier Heinzer und RaHaHe zu, dass wir uns punktuell für Schwerpunkte entscheiden sollten. Ich denke ebenso, dass es unserer „bestimmten Gruppe“ nicht förderlich wäre, wenn wir in allen Stadtteilen Bremens sofort auf den Plan treten und konsequent Rekonstruktionen einfordern, die dort vor Ort einmal beheimatet waren – unabhängig davon, dass Herr Spellenbergs Pläne ihren eigenen, sicherlich unverwechselbaren Charme, Stichhaltigkeit und Überzeugungskraft für uns haben. Die Gefahr einer ablehnenden „Ach, die schon wieder!!“-Reaktion ist zu berücksichtigen.

    Wie wäre es, eine „Hitparade“ der „Must have“-Rekonstruktionen in Bremen per Abstimmung hier im Forum anzuregen? - Bei der Auflistung der Gebäude sollte allerdings die „Machbarkeit“ eine entscheidende Rolle spielen. Ein rekonstruiertes Staatsarchive würde also nicht gehen, weil ein Neubau/Wiederaufbau direkt die Balgebrückstraße blockieren und den Straßenbahnverkehr dort zum Erliegen brächte.

    Zum Hafenkopf. Mein erster Eindruck von den Plänen der dänischen Architekten ( Cobe) war gut. Mir sprangen sofort die Dächer der Häuser ins Auge, die an alte Fabrikdächer und Schuppen erinnern, sowie die Farbe der angedachten Klinker/Fassaden der Neubauten, die ebenfalls auf alte Hafenspeicher verweisen und somit das gesamte Hafen-Quartier (endlich einmal!!) widerspiegeln und sich hier im vorhandenen Bestand einfügen wollen.

    Es überrascht mich nicht, dass uns ausgerechnet dänische Architekten vorführen, wie moderne Architektur im Konsens mit bestehender Bausubstanz und an Anlehnung an bestehende Quartiere funktionieren kann – ohne ewig dem Bauhaus zu huldigen.
    Da ich mich oft in Dänemark aufhalte, sind mir besonders die moderne, teils gewagten Industrie-Neubauten oder Wohnhäuser im Gedächtnis, vor denen ich jedes Mal aufs Neue fasziniert mit offenen Augen und Mund verweile und mich an Form und Gestalt ergötze und sage: Gewagt, aber interessant und nicht abstoßend.
    Moderne Architektur kann funktionieren – auch im Einklang mit historischem Erbe.
    Leider funktioniert dies nur im Ausland – nicht aber in Deutschland. Und wenn, dann sind es Ausnahmen wie von Heinzer dkomentiert und (noch) viel zu selten. Besonders in Bremen.

  • Ich finde auch, dass diese "Überseeinsel" eine gute Chance hat, sich vom Einheitsbrei abzuheben und dass der Investor hier auch wirklich anders an die Sache herangeht.

  • Danke an Heinzer, dass du den Termin am letzten Sonntag auf dem Kellogs-Gelände wahrgenommen und uns hier in einem Beitrag so ausführlich das Gebotene geschildert hast. Ich selbst muss lernen, mir solche Termine in den Kalender zu schreiben - sonst sausen sie an mir vorbei, und das ist ärgerlich.

    Ich stimme dir zu, Heinzer, die Pläne für das alte Industrie-Gelände erscheinen ausgewogen. - Endlich!, bin ich versucht zu sagen. Solche Ausgestaltungen hätte ich mir für den bereits (sinnlos, meiner Meinung nach) verbauten Teil der Überseestadt gewünscht. Nun scheint zumindest das "Tor" zum "neuen Stadtteil" einer durchdachten Strategie zu folgen.
    Ganz am Rande sei gesagt: Hier an der Wasserkante kann ich mir einen Libeskind vorstellen, denn seine Bauten brauchen Platz zum Entfalten. Das kann das Sparkasse-Areal nicht bieten - es sei denn, es geht in die Höhe.
    Und ein Libeskind darf - so überschwenglich Bürgermeister und Senator bereits sind - bestimmt höher wie der Dom bauen. Damit hätten die Schapiras ihr Ziel erreicht, was die Baudirektorin verhindern will. Man muss nur einen berühmten Architekten aus den Hut zaubern, und schon wird alles/vieles möglich gemacht.
    Aber noch ist es ja nicht soweit.

    Heute war auch gleich der Spatenstich für die Zech-Pläne am Hafenkopf im ehemaligen Europahafen.
    Spatenstich? - Aber wir haben doch kaum Pläne oder Visualisierungen gesehen? Wie können die einfach anfangen zu buddeln, ohne dass wir hier vorab unseren Senf dazugeben dürfen?
    Haben die (Investoren und Architekten) das etwa geahnt und wollten dem Getöse einfach aus dem Weg gehen?

    Wie auch immer.
    Nun, mit dem Tag des Spatenstiches, sind auch auf der Homepage des COBE-Architektenbüros aus Kopenhagen, Dänemark, weiterführende Informationen und (ganz wichtig für uns) Bilder zu sehen.
    Das Team um den Gründer und Creative Director Dan Stubbergaard will mit den Projekt "Europahafenkopf" ein Scharnier zwischen dem Hafen (Industrie) und der Innenstadt (Historismus) errichten.
    Die Gebäude sind (man mag es kaum glauben) den Bremer Stadtmusikanten nachempfunden - zumindest was die Größe der Gebäude anbelangt (angesichts der 200-Jahr-Feier des Märchens über die tierischen Musikanten, die Räubern das Fürchten lehrten und Bremen als Musikanten, Band oder Boy-Groupe nie wirklich erreichten, klingt das bannig kitschig und eigentlich an den Haare herbeigezogen - aber was soll's).

    Hier noch der Link zu den Infos und Bildern:

    http://www.cobe.dk/project/europahafenkopf

  • Unter dem Link ist ein Präsentations-Film zum Projekt Europahafenkopf zu sehen.

    Ich muss sagen, der Film ist sehr gut gemacht und erweckt in mir den Eindruck, dass mir das gefällt, was ich dort sehe...

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  • Ich war heute kurz in der Überseestadt -auch in dem hinteren Teil.

    Ich muss sagen, dass das., was man dort gebaut hat, weit weg ist von einer menschengerechten Stadt! Meilenweit!

    Sie ist ja nicht einmal autogerecht - aber noch eher das, als menschengerecht. Sie ist aber zu allererst renditegerecht. Insofern ist dieser Städtebau gegenüber dem Nachkriegsstädtebau noch einmal ein Rückschritt, denn dieser war zwar natürlich autogerecht, aber er versuchte wenigstens menschengerecht zu sein: Licht, Luft und Grün! Davon ist in der Überseestadt nichts zu merken. Die Überseestadt ist ein Moloch, bzw. wird zu einem. Man hat die jeweils schlechtesten Eigenschaften vergangener Stadtbauformen zusammengeführt. Nicht die besten!

    Die Weser und die Hafenbecken sind kaum wahrnehmbar. Die Hafenhistorie abseits des Eurohafenbassins so überwiegend entstellt, verbaut und gar nicht bis wenig erlebbar. Es gibt keine Aufenthaltsqualität. Kinder haben keinen angemessenen Raum zum spielen. Kaum bis eine Nahversorgung...

    Das Ganze ist ein absolutes Trauerspiel! Royal Air Force, bitte nochmal auf Anfang!

  • Die (Reis-?)Halle wurde ja nun zu meinem Erstaunen abgerissen, war aber bislang immer prominent in den Katalogen platziert. Nun lese ich in einem anderen Forum von einer Rekonstruktion (aus statischen Gründen?). Weiß jemand mehr?

  • Die Getreideverkehrsanlage habe ich auch einmal bei einer privaten Hafenrundfahrt erleben können. Ein beeindruckendes Bauwerk, ich freue mich, dass es noch seine ursprüngliche Nutzung bewahrt hat.

    Bei besagter Hafenrundfahrt ist auch aufgefallen, dass die meisten Bremer Teilnehmer doch sehr angetan von ihrer Überseestadt waren. Für mich nicht wirklich nachvollziehbar, aber ok....

    Wo die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten
    Karl Kraus (1874-1936)

  • Getreideverkehrsanlage - weitere Eindrücke und Erfahrungen

    Es ist jetzt bestimmt mehr als 15 Jahre her, dass ich an einer Führung durch die Getreideverkehrsanlage teilnehmen konnte. Auslöser war für mich, dass diese zwei Gebäude wie Perlen vor die Säue geworfen werden sollte. Bevor das passierte, wollte ich noch mal einen Blick in den einigermaßen ursprünglichen Zustand wagen.

    Als der Spacepark in der heutigen Waterfront eröffnete, hingen daran viele Hoffnungen von Seiten der Politik. Touristenströme wurden erwartet. 2004 dann: Die Pleite.

    Die Stadt hatte den Betreibern des Komplexes vorher die Getreideverkehrsanlage angeboten - zur Vermarktung. Hintergrund dessen war die damals noch herrschende Meinung: Die Privaten können es besser. Aus diesem Grund verlor Bremen auch seine Stadtwerke u. a. Nun stand also die noch nicht unter Denkmalschutz stehende Anlage im Focus von Investoren -Bremen versuchte wie schon zu oft, ein unliebsames Gebäude los zu werden. Die Investoren hätten zu dem Zeitpunkt damit machen können, was sie wollten. Große Veränderungen bis hin zum Abriss waren nicht auszuschließen. Es gab Diskussionen und Vorträge. Bei dem eines Architekten war ich anwesend. Er lobte die architektonische Qualität des Gebäudes und hatte zur Aufwertung einen eigenen Entwurf mitgebracht, den wir nach längerer Vorsprache dann zusehen bekamen. Ich fiel aus allen Wolken: mit Verweis auf die Hamburger Elbphilharmonie schlug er einen drei- oder vierstöckigen Aufbau dieses jetzt schon hohen Hauses vor - ganz in Glas, oben natürlich flach. Mein spontaner Gedanke: Note 6 - setzen. Enttäuschend. Keinem der Anwesenden gefiel das.

    Zum Glück kam dann aber der Denkmalschutz, den wir dem amtierenden Landeskonservator, der ein Faible für Industriearchitektur hat, verdanken. Sonst..............

    Zurück zur Führung, bei der ich erfuhr, dass es sich bei der Getreideverkehrsanlage um ein technisches Meisterwerk handelt. Man muss sich das so vorstellen:

    Ein mit Getreide beladenes Schiff landet am direkt neben der Anlage liegenden Hafenbecken an. Das Getreide wird dann von einem Saugkran nach oben und von dort in die verschiedenen Räume transportiert. Viele dieser Räume haben Löcher in der Mitte, von denen aus das Getreide durch Mitarbeiter dann ein Stockwerk tiefer befördert werden kann. Die technische Meisterleistung besteht nun darin, dass durch ein Wirrwarr von Röhren, die sich oberhalb des 1. Baus von 1916 befinden, das Getreide in die vorgesehenen Räume gelangt. Wie das genau geschieht - keine Ahnung. Diese Röhren nahm ich vorher als statisch bedingt notwendiges Gestänge wahr. Im westlichen Teil des 1929 fertiggestellten Baus gab es bis vor einigen Jahren auch noch einen Bahnzugang, d. h., die Waggons fuhren im Erdgeschoss bis ins Innere der Anlage, wurden dort beladen und brachten die Ware dann per Bahn direkt zu den Empfängern. Bis 1981 stand auch noch direkt neben dem Hafenbecken ein sogenannter Elevatorturm, in den das Getreide direkt vom Schifft eingebracht, von dort dann nach oben zur Verteilung in das Röhrensystem transportiert wurde.

    Elevatorturm (Quelle: Landesamt für Denkmalpflege Bremen)

    Eine Frage beschäftigt mich immer wieder, wenn ich vor der großen Backsteinwand stehe: Warum finde ich das schön. Alle Theorien über Ästhetik sprechen doch dagegen. Ich vermute, es hängt mit dem warmen, durch Patina changierenden Backsteinton zusammen. Und natürlich mit der unglaublichen Größe dieser Backsteinwand, die auf den Bildern kleiner aussieht als wenn man davorsteht. Beides zusammen führt zu einem ästhetischen Erlebnis.

    Zum besseren Verständnis habe ich noch einige Bilder gemacht. Ich will damit aber, Heinzer, keineswegs mit Deinen tollen Bildern konkurrieren. Sie sollen diese lediglich ergänzen und meinen Textinhalt unterstützen.

    Dieses Gestänge oberhalb der Anlage ist in Wirklichkeit ein kompliziertes Röhrensystem und eine technische Meisterleistung

    Es saugt und bläst der Heinzelmann, wo Mutti nur noch blasen kann. Bevor nun ein Moderator auf eine sexuelle Anspielung im Subtext verweist........es handelt sich hier nur um ein Loriotzitat. Ob die Arbeiter ihrem Saugkran den Namen Heinzelmann gegeben haben, glaube ich nicht. Es könnte ja jemand Namensrechte einklagen.

    Besagter Saugkran - dessen Name nicht genannt werden kann - dreht sich zur Futteraufnahme nach rechts Richtung Hafenbecken zum getreidebeladenen Schiffskörper und zieht das Getreide aus dem Inneren zum Transport Richtung Röhrensystem Getreideanlage.

    Hafenszene - links steht die hier nicht sichtbare Anlage

    Nochmal der Gesamteindruck.

    An der westlichen Querwand befand sich die Bahneinfahrt. Die Gleise wurden vor einigen Jahren entfernt.

    Un so schaut´s über der Bahneinfahrt aus.

    Glücklicherweise finden die Führungen weiterhin statt. Da lag ich mit meiner Befürchtung vor 15 Jahren glatt daneben.

    Zum Schluss ist noch zu erwähnen, dass Bremen das denkmalgeschützte Doppelgebäude verkauft hat - an einen Braker Getreidehändler, der das Gebäude als Lager nutzt. Sauer war darüber ein Bremer Getreidehändler, der das Gebäude bis dahin genutzt hatte und nicht verstehen konnte, dass er mit seinem Bremer Stammsitz doch Steuern an die Stadtgemeinde zahlend hier keinen Zuschlag bekam. Der Braker Händler bezahlt an Bremen keine Steuern. So ist Bremen, ein Problem beseitigt und schleichend ein neues erschaffen.

  • Quartier „Neu Stephani“

    Mit dem "Stephanibogen" an der Stelle kann ich gut leben, der passt strukturell zur dort beheimateten Industriearchitektur. In diesem Zusammenhang: Weiß jemand, was anstelle der Reishalle entsteht? Es wurde ja mal gemunkelt, diese würde wiederaufgebaut?

    Die Bauten weiter östlich ähneln dagegen dem Einheitsbrei, den man vor allem von der Nordseite des Europahafens (Ende des Hafenbeckens bis zum Molenfeuer) kennt. Die so oft bemühten Anklänge an das Altbremerhaus enttäuschen mich immer wieder - ich verstehe unter dem "Bremer Haus" wohl etwas anderes.

  • Von der Getreideanlage habe ich 1998 auch Bilder gemacht. Als sich die Gelegenheit ergab, das Gebäude auch zu betreten, hatte ich dummerweise nur einen (!) Film dabei, und auch noch „nur“ einen DIN 200er. Die meisten Bilder sind deshalb absolut nicht „scan-fähig“ (auf dem Dia sehen sie noch super aus und in den Schwärzen sind reichlich Details, aber das ist nun mal das Kreuz mit Dias: der Kontrastumfang ist zu hoch), aber ich habe einige mit 8-fach Scan versucht.

    Auf der obersten Etage gab es tatsächlich Gleise:

    Unterm Dach verlaufen die Förderbänder zur Verteilung auf die Silos:

    Steht man in der Silohalle, kann man die riesigen Silos nach oben zwar sehen, aber ein Foto ohne Stativ oder Lichtmalerei usw. war undenkbar. Falls jemand den Film „Total Recall“ mit Arnie kennt: dort wird ein riesiger Generator gezeigt, dessen „Brennstäbe“ in das Gletschereis eines Marsberges ragen. Ungefähr so fühlt man sich...

    Die Farben bitte ich zu entschuldigen: es war alles mit einem Staub-Überzug aus Rost und Getreidemehl senffarben-rot versehen. Es empfiehlt sich, eine Plastiktüte für Kameras zu verwenden...