• Abriss als Markenkern


    Als ich den Schutthaufen neben der Stadtwaage sah, erinnerte mich das an ein Bild vom Essighausgrundstück aus der unmittelbaren Nachkriegszeit. Genauso sah das aus, allerdings nur in schwarz-weiß, nicht in Farbe.

    Wir sehen auf dem Foto also einen Zerstörungsgrad des Essighausensembles, der an schlimmste Kriegszeiten erinnert. Was wohl die Bremer denken, die den Zweiten Weltkrieg in Bremen noch bewusst wahrgenommen haben und nun visuell einen ähnlichen Zustand erleben müssen. Ich kann mir vorstellen, dass das einst erlebte Trauma sich wieder vergegenwärtigt.

    Vor diesem Hintergrund mutet der "Werbespruch" Made in Bremen - schon reichlich zynisch an: In der Vergangenheitsform geschrieben bezieht er sich auf den Schutthaufen. Da wohl eher die Zukunft, also die noch zu erstellenden Gebäude, gemeint sind, müsste es heißen: Make in Bremen.

    Der Bremer Schlüssel, ein Identitätsmerkmal der Stadt, ist in ein Herz eingelassen worden. Das Herz erinnert an die Bildzeitungs-Aktion: "Ein Herz für Kinder". Die Aussage lautet: wir lieben Bremen, deshalb reißen wir ab und bauen neu - an diesem Ort.

    Hat nun die Stadt Bremen diesen Spruch angebracht oder der Investor mit der Absicht einer dieser hinterfotzigen Publik Relations Aktionen, die gute Stimmung erzeugen sollen und die Wirklichkeit auf den Kopf stelle, denn an SEINEM Bauzaun hängt die Botschaft? Oder ist etwa das grün geführte Bauressort so dumm, dass es sich für so einem Mist hergibt. Auch das will ich nicht ausschließen. Wir sind in Bremen diesbezüglich ja schon reichlich "verwöhnt" worden.

    Das Herz = die Liebe, muss herhalten für das Geschäft eines Investors, der Profit machen will. Mein Eindruck: es ist ein auf Emotionen zielender Manipulationsversuch. Der Investor kommt aus Hamburg (bzw. seine Firma), der Projektentwickler kommt aus Hamburg und die Architekten kommen aus? (Vielleicht kann hier jemand Licht ins Dunkel bringen). Bei so viel Hamburg sollte man das "Bremen" durch den Schriftzug "Hamburg" ersetzen.

    Andererseits ist das "Made in Bremen" im Kontext mit Stadtzerstörungen und Abrissen seit 70 Jahren auch schon wieder zur Marke geworden. Somit kommt dem Spruch beim Gang durch die jüngere Baugeschichte auch architekturpolitische Aussagekraft zu. die Schutthaufen der Ansgari-Ruine, des Lloydgebäudes, des Gästehauses des Senats an der Parkallee, des Schlachthofes, des Weserwehrs oder des Medienhauses - um nur einige wenige zu nennen, kennzeichnen die Marke Bremen. Immer ging es bei den aufgeführten Beispielen um einen Investor, der Bremen voranbringen kann. Mal hieß er Hertie, dann Horten, dann Maritim-Hotelgruppe oder Italiano. Wo ist heute Hertie, Horten und Italiano. Die angesprochenen Neubauten haben Bremer Identität vernichtet und deren Eigentümer gibt es schon nicht mehr. Ihre Hinterlassenschaften gehören zum Unansehnlichstem, was diese Stadt zu bieten hat. Hätte man nur alles so gelassen, wie es war und wäre der Fortschrittsideologie nicht anheimgefallen. Nichtstun, Dinge lassen, führt oftmals zum wahren Mehrwert für eine Stadt. Aber leider nicht in Bremen, denn der Verlust des Essighausensembles einerseits und der schrecklichen Neubauten andererseits - es hätte ja ästhetisch zumindest gleichwertig oder sogar besser werden können - zeigt uns, dass die Zerstörungsmelodie, die auf dem Prinzip Hoffnung basiert (es wird eine Verbesserung werden, wir werten die gesamte Innenstadt damit auf), immer weitergespielt wird.

    Insofern führt die Hansestadt ihre baupolitischen Leitlinien seit dem Kriegsende über die Jahrzehnte bis heute konsequent fort.

  • Snork zitiert im Strang: "Berlin - Molkenmarkt und Klostervierte" die Meinung von Petra Kahlfeld (Zitat aus der Berliner Zeitung, wenn ich es richtig verstanden habe). Bemerkenswert finde ich in Zusammenhang mit dem Abriss des Bremer Essighausensembles den Berliner bodenpolitischen Grundsatzbeschluss, landeseigene Liegenschaften nicht mehr aus der Hand zu geben.

    Zitat

    Der derzeitige Projektabschnitt, in dessen emotionaler Finalisierungsphase wir uns gerade befinden, ist das Ergebnis fachpolitischer Vorgaben des Berliner Abgeordnetenhauses im Kontext der Leitlinien für Bürgerbeteiligung. Dazu kommt der bodenpolitische Grundsatzbeschluss, landeseigene Liegenschaften nicht mehr aus der Hand zu geben. Sondern sie – richtigerweise, wie auch ich finde – in Eigenregie mit den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften zu entwickeln. Das macht uns alle zu Verbündeten in diesem so schwierigen Prozess des Aushandelns der Einzelinteressen von Stadtgesellschaft, Politik, Verwaltung und Unternehmen im unmittelbaren Umfeld alter Klostergemäuer und etablierter Kultureinrichtungen.

    In Bremen dagegen wird eigentlich alles verscherbelt, was nicht bei drei auf dem Stuhl sitzt. Ich meine mich zu erinnern, dass sogar der Landesrechnungshof diese Praxis kritisiert hatte. Ob es nun das riesige Polizeihaus oder die Gebäude in der Langenstraße u. v. m. sind, alles wird verkauft, füllt dann kurzfristig die Landeskasse auf (bei inzwischen 26 Milliarden Euro Schulden nur ein Klacks) und wird dann für viel Geld zurückgemietet. Der Investor macht immer seinen Schnitt, denn Bremen bezahlt durch die enorm hohen Mieten ja Zinsen und Tilgung, abgesichert durch mehrere Jahrzehnte dauernde Mietverträge.

    Landeseigene Liegenschaften dürfen nicht mehr aus der Hand gegeben werden, schließlich gehören sie auch den Bürgern einer Stadt, die Politik verwaltet die Immobilien ja nur treuhändisch. Dieser Berliner Grundsatzbeschluss - siehe oben - auf Bremen übertragen würde das bedeuten, dass das Essighausensemble und das Kontorhaus erhalten geblieben und nicht privatisiert worden währen.

  • "Wir bauen auf, wir reißen nieder, so gibt es Arbeit immer wieder." Dieser alte Handwerkerspruch aus DDR-Zeiten könnte gut zu Bremens Slogan werden ......

    Definitiv nicht!!!

    Bist Du mal in Bremen gewesen? Kennst Du den wunderschönen Marktplatz? Das Schnoor Viertel? Osterdeich? Schwachhausen?

    Bremen bekleckert sich mit dem Abriss zwar derzeit nicht mit Ruhm, hat aber noch einiges zu bieten!!!

  • Definitiv nicht!!!

    Bist Du mal in Bremen gewesen? Kennst Du den wunderschönen Marktplatz? Das Schnoor Viertel? Osterdeich? Schwachhausen?

    Bremen bekleckert sich mit dem Abriss zwar derzeit nicht mit Ruhm, hat aber noch einiges zu bieten!!!

    Bist Du mal in Wismar gewesen , die Stadt ist 100x schöner wie das verhunzte Betonkisten-Nirwana Bremen + der von dir besagten " schönen ,bzw wunderschönen Ecken " ......... ?!

  • Bist Du mal in Wismar gewesen , die Stadt ist 100x schöner wie das verhunzte Betonkisten-Nirwana Bremen + der von dir besagten " schönen ,bzw wunderschönen Ecken " ......... ?!

    Es heißt 'als' das verhunzte... nicht 'wie' das verhunzte...

    Und ja, ich war schon in Wismar! Ich kenne sowohl die Städte an der Nordsee Küste, als auch die Städte an der Ostsee Küste! Durchaus schöne Hansestädte.

    Aber, Du hast meine Frage nicht beantwortet: bist Du mal in Bremen gewesen?

    Warum hast Du Heinzer die Innenstadt aufgegeben? Ich war vor kurzem wieder in der Stadt, beruflich. Und die Innenstadt war voll mit Touristen. Wäre Bremen keine Reise wert, könnten wir die vielen Busse ja nach Hamburg weiterleiten...

    Ob Hamburg allerdings schöner ist als Bremen? Größer, ja. Aber auch schöner?

  • Liebe Freunde, auch hier nochmal in gebotener Höflichkeit: was soll der Hinweis darauf, dass die Zustände anderswo noch schlimmer sind, wenn ein sachlicher Kommentar zu einem Bauvorhaben gepostet wird?

    Ich weiss, es erleichtert die Betroffenen, die in der Stadt leben , in dem es um die Baukultur (vermeindlich) übel steht, wenn sie solche Sätze schreiben. In dem Bemühen die Baukultur in Deutschland allgemein und eben auch immer im besonderen zu verbessern hilft dieser Hinweis garnichts. Genausogut könnte man schreiben: worüber diskutiert Ihr, in Afrika wohnen die Leute in Lehmhütten.

    Also, bitte, versucht im Forum konstruktiv zu diskutieren und nicht fortwährend einfach nur euren Rotz runterzutuippen.

  • Warum hast Du Heinzer die Innenstadt aufgegeben? Ich war vor kurzem wieder in der Stadt, beruflich. Und die Innenstadt war voll mit Touristen. Wäre Bremen keine Reise wert, könnten wir die vielen Busse ja nach Hamburg weiterleiten...

    Ob Hamburg allerdings schöner ist als Bremen? Größer, ja. Aber auch schöner?

    Mich frustriert einfach die Situation in der Altstadt, man könnte mit relativ wenigen Rekonstruktionen und Abrissen der schlimmsten Nachkriegssünden sehr viel erreichen. Bremen hat eigentlich wirklich relativ großes Glück gehabt (zumindest im Vergleich zu anderen Städten in ähnlich exponierter Lage), aber nach dem Krieg fast alle Fehler gemacht, die möglich waren (abgesehen vom Erhalt des Schnoorviertels, das ebenfalls zur Disposition stand). Stattdessen aber verschlimmert man die Probleme noch. Ich habe mir hier einiges an Gegenwind anhören müssen, als ich die ursprüngliche Planung von Herrn Jacobs sogar noch verteidigt habe, trotz der Unzulänglichkeiten. Das nun geplante ist einfach eine Unverschämtheit. Und abgesehen von geäußerter Enttäuschung durch die Beiräte gab es keinen Gegenwind.

    Das Versagen zieht sich durch die gesamte Innenstadt. Das mit den Touristen kann ich mir ehrlich gesagt auch nicht in dem Ausmaße, wie sie kommen, erklären. Man hat Bremen als typischer Stadttourist ohne tiefergehendes architekturhistorisches Interesse an einem Vormittag sehr locker abgehakt. Unsere typische Besucherrunde dauert 2 Stunden und das schließt den Fußweg in die Stadt mit ein.

    Dom, Marktplatz, Schnoor, Böttcherstraße, bei gutem Wetter an der Schlachte was essen, fertig. Und man muss die Leute mit großer Macht daran hindern, irgendwie weiter nach Westen zu gehen, man sieht manchmal etwas verloren wirkende Touristengruppen, die durch die Wüste der Obernstraße und ihrer Seitenstraßen gehen mit ihrem Leerstand, der allumfassenden Nachkriegstristesse und den Ein-Euro-Shops. Solche Szenen würde ich den Menschen gerne ersparen und das hat auch nicht viel mit Corona zu tun oder der Wirtschaftskrise, das ist im Prinzip so, seit ich hier in der Stadt wohne.

    Es sind unendlich viele Chancen verpasst worden durch eine Mischung aus Arroganz und Unfähigkeit der Bremer Politik, ich würde sagen, dass sich das wie ein roter Faden durch die gesamte Nachkriegszeit zieht: Es werden mit erschütternder Konsequenz die wichtigen Entscheidungen nicht getroffen oder verschleppt und die falschen Entscheidungen durchgezogen, koste es, was es wolle. Das Ergebnis sehen wir jeden Tag. Ob man das Schiff noch rumreißen kann, weiß ich nicht.

    Ist natürlich relativ emotional jetzt, bei Bremen bin ich Schaukelhysteriker. Es kommen auch wieder bessere Zeiten. Aber diese Essighauskiste nervt mich kolossal.

  • Dann sollten wir bezüglich der Traurigkeit um das Essighaus - Ensemble einfach einen Schlussstrich ziehen und uns an den vielen anderen schönen Orten in Bremen erfreuen!

    Ich komme also immer wieder gerne nach Bremen!!! :blumen:

  • Naja, so leicht bipolar, stimmungsschwankend. An guten Tagen ist mir die Bremer Altstadt genug, und ich kann mich am Vorhandenen erfreuen, an schlechten Tagen stören mich die eklatanten Defizite und die leider immer weiter fortgeführten Politikfehler extrem.

  • Oh oh... das klingt nach einem Fall für den Psychologen :ueberkopfstreichen:

    Oder Du bist vom Sternzeichen her Zwillinge oder Waage.

    Aber Spaß beiseite... Sei stolz auf Deine Stadt. Unterstütze sie wie Du kannst. Gehe durch die Straßen und erfreue Dich an dem, was die früheren Generationen geleistet haben! Denn die Zukunft ist betongrau oder dunkelschwarz!

    Bremen ist und bleibt die kleine norddeutsche Schwester von Hamburg! Immer wieder eine Reise wert!

  • Das tut mir sehr leid. :knuddel: Ich neige ja auch zu Depressionen (gelinde gesagt).

    Na ja, bei den Entwicklungen. huh:)

    Aber es gibt auch so viel Gutes immer noch - auch im Bereich Architektur/Städtebau :harfe:

  • Naja, so leicht bipolar, stimmungsschwankend. An guten Tagen ist mir die Bremer Altstadt genug, und ich kann mich am Vorhandenen erfreuen, an schlechten Tagen stören mich die eklatanten Defizite und die leider immer weiter fortgeführten Politikfehler extrem.

    Was glaubst erst, was man in Wien mitmacht... Man hat hier schon Angst, durch die Stadt zu gehen.

    Naja, so leicht bipolar, stimmungsschwankend. An guten Tagen ist mir die Bremer Altstadt genug, und ich kann mich am Vorhandenen erfreuen, an schlechten Tagen stören mich die eklatanten Defizite und die leider immer weiter fortgeführten Politikfehler extrem.

    ich neige ja auch zu Depressionen (gelinde gesagt).

    Na ja, bei den Entwicklungen.

    n bissl früh bist dran. Erst schreien, wenn's wehtut, sagt der Volksmund. Kommt immer noch früh genug.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Tabula rasa

    Im Vordergrund ist ein Firmenwagen des Abbruchunternehmens aus Stade zu sehen. Schließlich muss der Abbruch auch fachgerecht überwacht werden. Abbruchunternehmen scheinen wohl immer aus anderen Städten zu kommen. Beim Lloydgebäude kam die Abrissfirma aus Essen. Vielleicht aus Sicherheitsgründen. Wer weiß, evtl. geht der Abbruchunternehmer aus Stade morgen mit seiner Familie in die Stader Innenstadt und schwärmt von den schönen alten Häusern.....................

    An der Stadtzerstörung wird auch gerne Samstags gearbeitet. Und ich dachte immer: "Samstags gehört Vati uns".......