Leipzig - Bürgerinitiativen wehren sich gegen Abriß

  • In [lexicon='Leipzig'][/lexicon] sind neue Bürgerinitiativen gegründet worden, die
    den Abriß des historischen Architekturbestandes in ihrer Stadt
    nicht weiter hinnehmen wollen.

    In der heutigen FAZ war zu diesem Thema ein großer Artikel
    zu lesen.

    Eine Initiative wurde von den Architekten Alexander Khorrami
    und Peter Eingärtner zusammen mit dem Rechtsanwalt Henning
    Knigge unter dem Namen "Verein Stadtbaukultur [lexicon='Leipzig'][/lexicon]"
    ins Leben gerufen. Hier die Internetseite dazu:
    http://www.stadtbaukultur-leipzig.de/

    Diese Internetseite befindet sich noch im Aufbau. Daher wäre
    es doch sicher von Vorteil, wenn diese Initiative einen Link
    zu unserem Forum setzen würde. (Umgekehrt natürlich auch.)

    Eine andere Initiative wurde von dem Kunsthistoriker und Rechtsanwalt
    Wolfram Günther gegründet. Diese heisst: "Stadtforum [lexicon='Leipzig'][/lexicon] -
    für behutsamen Stadtumbau". Eine Internetseite konnte ich
    bisher noch nicht finden.

    Laut FAZ soll es in [lexicon='Leipzig'][/lexicon] zur Zeit 15 (!) Vereine mit ähnlichen
    Zielen geben.

  • @ Oliver, Danke für die Infos, das sind ja mal gute Nachrichten.

    Ich habe die Seite unter "Denkmalschutz und Stadtbildpflege:" "regionale Denkmalschutzorganisationen und Stadtbildpflege" verlinkt.

    Vielleicht kann ja mal jemand denen ne Mail schreiben, mit der Bitte dies auch zu tun...

    Zitat

    Laut FAZ soll es in [lexicon='Leipzig'][/lexicon] zur Zeit 15 (!) Vereine mit ähnlichen
    Zielen geben.


    Warum brauchen die Leipziger aber 15 Vereine? Ein schlagkräftiger Verein a la Altstadtfreunde Nürnberg tät es doch auch...


    Edit: So, ich hab dem Verein gerade mal ne Mail geschickt...

  • Einen schlagkräftiger Verein a la "Altstadtfreune Nürnberg" muss und wird sich hoffentlich in [lexicon='Leipzig'][/lexicon] erst entwickeln. Soweit ich weiß, sind die Nürnberger auch nicht über Nacht zu einer schlagkräftigen Initiative geworden.

    Schön, dass Oliver einen neuen Thread zu diesem heiklen Thema eingerichtet hat. Vielleicht macht es Sinn, hier die Problematik Jahnallee, Friedrich-Ebert-Str. und alle vom Abriss bedrohten Häuser in [lexicon='Leipzig'][/lexicon] zu diskutieren, und z.B. auch entsprechendes Bildmaterial einzustellen.

  • da, das sind doch feine nachrichten.
    gerade in [lexicon='leipzig'][/lexicon] gibt es noch viel zu bewahren. langfristig wird sich hoffentlich ein verein oder ein zusammenschluss jener als eine art af nürnberg hervortun.
    kennt eigentlich jemand objekte der beteiligten architekten?

    Eine der vorzüglichsten Eigenschaften von Gebäuden ist historische Tiefe.
    Die Quelle aller Geschichte ist Tradition. (Schiller)
    Eine Stadt muss ihren Bürgern gefallen, nicht den Architekten.

  • Ja ich denke auch, dass dieses Thema hier ganz gut aufgehoben ist.
    Wie versprochen war ich in der letzten Woche unterwegs, um euch mal einen Eindruck vom derzeitigen Geschehen in Sachen Stadtumbau vermitteln zu können.

    Vor den Bildern noch eine persönliche Einschätzung der Lage von mir:

    Tote Innenstädte, Wohnungs- und Büroleerstand, zersiedelte Stadtränder, sinkende Einwohnerzahlen, zunehmende Überalterung… Das sind die bekannten Schlagwörter, die fallen, wenn Experten über die aktuelle Entwicklung der Städte sprechen.

    [lexicon='Leipzig'][/lexicon] ist das Paradebeispiel – 15 Jahre Schrumpfung und Suburbanisierung sind dem Stadtbild deutlich anzusehen. 100.000 Einwohner hat die Stadt seit 1990 verloren, viele fanden das Eigenheim auf der „grünen Wiese“ verlockender als den heruntergekommenen Altbau oder die Plattenbaughettos. Andere sind dem Arbeitsplatz hinterher gezogen. Die Lust auf Kinder ist den Leipzigern auch vergangen, seit der Wende wurden viel weniger Menschen geboren als starben. Auch wenn die Geburtenzahlen mittlerweile wieder steigen, die Alterspyramide ist längst auf den Kopf gestellt.

    Während die innere Stadt ausblutete, machten sich an den Stadträndern riesige Einkaufscenter breit. Geschwülste, die den Stadtorganismus zerfressen haben. Günthersdorf (Saale-Park), Paunsdorf (Paunsdorf-Center), Seehausen (Sachsen-Park), Großpäsna (Pösna-Park) haben Leipzigs Innenstadt den Rang als Versorgungszentrum abgelaufen. Gejubelt wird immer dann, wenn es gelingt ein Kaufhaus in die City zu locken. Die Bedingungen für eine Ansiedlung werden allerdings von den großen Kommerzketten diktiert. Das Ergebnis: Radikalmodernisierungen wie die Entkernungen von Zentralmessepalast, Karstadt (inklusive 3 alter Bürgerhäuser) oder Petershof und Neubauten a la Kaufhof in einer Architektursprache von der man dachte, sie wäre längst ausgestorben.

    Von ganzen Innenstadtkarrees blieb nur die Fassade. Denkmalschutz? Höchstens für Einzelteile. In Leipzigs Innenstadt hieß es und heißt es eben immer wieder: Baudenkmäler zu Schaukulissen. Nutzfläche, Geschosshöhe, Umsatzzahlen – kluge Marketingleute geben vor, wie es in [lexicon='Leipzig'][/lexicon] und überall auszusehen hat. Und sollte es dennoch einmal heikel werden, hilft die Stadtverwaltung auch nach.

    In den großen gründerzeitlichen Wohnviertel heißt das Zauberwort Perforation. Gemeint ist damit, dass in Vierteln, in denen die Nachfrage nach Wohnraum gedeckt ist, leerstehende, unsanierte (auch denkmalgeschützte) Gebäude zur Stabilisierung des Wohnungsmarktes abgerissen werden dürfen. Die Lücken, die entstehen, sollen zur Aufwertung des Wohnumfeldes in Grünflächen umgewandelt werden. Das klingt nicht unvernünftig. Das Kleid der Stadt ist einfach zu groß, es muss also umgebaut werden. Nur, ist das nicht ein wenig zu kurz gesprungen? Entstehen dadurch wirklich neue Qualitäten, die die Viertel aufwerten und ihnen langfristig eine Zukunft geben? Oder opfert man erhaltenswerte Baudenkmäler und städtebauliche Zusammenhänge, also letztlich die Identität der Viertel, zugunsten einer städtebaulichen Mode, die nur auf die kurzfristig wiederherzustellende Rentabilität der großen Wohnungsanbieter ausgerichtet ist.

    In [lexicon='Leipzig'][/lexicon] erkennt man jedenfalls keinen roten Faden, willkürlich wird jede Woche an irgendeiner Ecke der Stadt ein Gebäude abgerissen, und auf der entstandenen Brache eine „Grünfläche“ angelegt. Diese grünen Flecken bestechen dann auch durch ihre hohe Aufenthaltsqualität. Die Standardausführung: ein Trampelpfad, zwei Findlinge, eine grüne Plastikbank und zwei, drei Bäumchen. Genial! Und im Nachhinein wird das Ganze dann mit Marketingphrasen schöngeredet.

    Leider hat es nie eine öffentliche Auseinandersetzung gegeben, welche Chancen und Risiken im Stadtumbau existieren, welche Mängel es zu beseitigen gilt und was die Stärken dieser Stadt sind, die es zu erhalten und auszubauen gilt? Bisher galt die Urbanität und die Kompaktheit der Stadt als eine ihrer großen Stärken. Wieso man gerade versucht diesen, ja man könnte sagen, Standortvorteil, durch eine Fragmentierung des Stadtbildes mit dem Ergebnis der Heterogenität zu ersetzen, ist eigentlich nicht verständlich. Wieso erkennt man in Mieten, die für die breite Masse erschwinglich sind, in ungenutzten Fabriken und Altbauten, die Raum bieten für junge Unternehmer, klamme Studenten, junge Künstler, neue Ideen, keine günstige Gelegenheit? Ist nicht gerade dieses innovative Milieu für eine weitestgehend de-industrialisierte Stadt die letzte Chance, um langfristig wieder auf die Beine zu kommen?
    Und ganz nebenbei, es lebt sich wirklich gut in einer Stadt ohne Wohnungsnot. Leerstand könnte also auch als ein weiterer Standortvorteil, als eine spezifische Leipziger (oder ostdeutsche) Attraktivität begriffen werden.

    Natürlich gibt es auch Viertel, in denen man um größere Eingriffe nicht herum kommen wird. Dort stellt sich dann die Frage, welche Richtlinien für die Gestaltung der schrumpfenden Stadt die Richtigen sind. Soll Platz gemacht werden für das Eigenheim in der Stadt (Stadthaus)? Ist es besser an vielen verschiedenen Orten oder konzentriert an wenigen Standorten abzureißen? Ist das Anliegen der Denkmalschützer in solchen Fällen zurückzustellen? Sind für eine großflächige Neugestaltung Enteignungen zu rechtfertigen? Wie könnten nicht nachgefragte Altbauten (auch in schlechten Lagen) vielleicht doch noch umgenutzt werden? Sollten leerstehende Altbauten im großen Stil für bessere Zeiten „eingemottet“ werden? Läßt sich das städtebauliche Ideal, Schrumpfen von den Rändern her, überhaupt in der Realität umzusetzen?
    All diesen Fragen bleiben in der bisherigen Praxis des Stadtumbaus in [lexicon='Leipzig'][/lexicon] weitgehend unbeantwortet. Es wurde einfach losgelegt. Neue Qualitäten sind dadurch bisher nicht entstanden, abgesehen von zwei gelungenen Projekten, die ich der Fairness halber erwähnen möchte: der Rückbau der Eisenbahnstraße (von 4 auf 2 Spuren, breitere Fußwege, Radweg, Parkbuchten, Bäume) sowie die Neugestaltung und Vergrößerung des Stadtparks Rabet.

    Die Eisenbahnstraße wäre eigentlich das ideale Vorbild für die Umgestaltung der Jahnallee (und hätte es auch für die Friedrich-Ebert Straße werden sollen). Es ist schon ein Kuriosum, dass es in einer schrumpfenden Stadt tatsächlich noch Stadt- und Verkehrsplaner gibt, die es für legitim halten, für nicht mehr benötigte breite Verkehrsschneisen Denkmäler schleifen zu lassen und die Attraktivität eines ganzen Wohngebiets aufs Spiel zu setzen. Überall wird „perforiert“ und geschrumpft, nur Verkehrsprojekte werden im gleichen Umfang wie in den 90ern, als alle noch davon ausgingen [lexicon='Leipzig'][/lexicon] würde im nächsten Jahrzehnt deutlich wachsen, geplant und umgesetzt. Jeder Versuch, die innere Stadt attraktiver und auf lange Sicht überlebensfähig zu machen (indem z.B. Flüsse wieder ans Tageslicht geholt werden), wird auf diese Weise konterkariert. Nicht ganz unschuldig daran ist sicherlich auch die derzeitige Praxis für die Vergabe von Fördermitteln. Am Beispiel [lexicon='Leipzig'][/lexicon] lässt sich eindeutig belegen, dass die heutige Vergabepraxis für eine nachhaltige Stadtplanung hinderlich ist. Arme Kommunen wie [lexicon='Leipzig'][/lexicon] werden dadurch nur zu blinden Aktionismus provoziert, oftmals dienen sie den Stadtplanern auch als eine willkommene Rechtfertigung für umstrittene Bauprojekte.

    Es wäre sehr interessant, wenn sich Forumsnutzer auch aus anderen Regionen zu diesem Thema äußern könnten und die Situation ihrer Stadt hier vorstellen würden (ich denke da besonders an Schwerin, Görlitz, Halle, Gera, Chemnitz, Dresden usw.).


    Aber nun zu den Bildern. Los geht’s mit dem Leipziger Westen:

    Akut bedrohte Bausubstanz in der Zschocherschen Straße (Plagwitz)…

    in der Lützner Straße (Lindenau)…

    in der Käthe-Kollwitz Straße (Bachstraßenviertel)…

    in der Könneritzstraße (Schleußig)

    Viele Gebäude, die auf den Bildern zu sehen sind, gehören der LWB. Der Geschäftsführer Christoph Beck bezeichnet den Leipziger Westen (wie auch den Leipziger Osten) gern pauschal als „diskriminierte Lage“, in der es nicht lohnen würde zu investieren und ein forcierter Stadtumbau von Nöten sei. Das Ergebnis kann man schon sehr anschaulich in großen Teilen von Lindenau besichtigen. Hier einige Bilder:

    Der Abriß ist schon weit fortgeschritten, die Baukante bald nicht mehr erkennbar.

    Und so werden die Brachen umgestaltet,
    z.B. als „Grünflächen“: Trampelpfad, drei Bäume, grüne Plastikbank, Rasen für den Hundehaufen…

    …oder als Parkflächen

    Ein paar Schritte wurde schon auf jede „Besserung der Aufenthaltsqualität“ verzichtet.

    Der Stadtraum ist aufgelöst, Perforation in Vollendung sozusagen

    Und diese Realsatire hängt am Bauzaun

    „Es gibt auch einige [Gebäude], für die bislang keine wirtschaftliche Lösung erkennbar ist. Das sind Immobilien, bei denen die Stadt sagt, dass sie nicht abgebrochen werden dürfen - weil es sich beispielsweise um ein wichtiges Eckgebäude handelt, das den Stadtraum definiert“ (Zitat Engelbert Lütke-Daltrup am 5.Januar 2005 in der LVZ)

    Gegenüber des Felsenkellers (der übrigens z.Z. auch keine Nutzer hat) wird deutlich, dass solche Sprüche nicht als Phrasendrescherei sind:

    Nur ein paar kümmerliche Reste sind vom einstmals prachtvollem Wohnhaus Karl-Heine Straße 30 erhalten geblieben (hab es leider nicht mehr rechtzeitig geschafft Fotos zu machen). Der illegale Abriß dieses Hauses war der Auslöser für die heißen Diskussionen der letzten Monate.

    Cristhoph Beck (das Gebäude gehörte der LWB) sagte dazu am 5.Januar in der LVZ:
    „Bei der Karl-Heine-Straße 30 glaube ich, dass die Ecke durch den Abbruch gewinnt, wenn die Nachnutzung des Geländes vernünftig organisiert wird. Man kann sich häufig eine Veränderung nur sehr schwer vorstellen, aber wenn die dann da ist, führt sie oft zu einer Aufwertung. Man muss in bestimmten Bereichen auch mal Mut zu Veränderungen haben.“
    Ich lass das mal unkommentiert.

    Nun ein großer Sprung in den Leipziger Osten - auch so eine „diskriminierte Lage“, und natürlich wird auch hier „aufgewertet“
    z.B. in der Wurzner Straße (Bildquelle: http://www.leipziger-osten.de">http://www.leipziger-osten.de)

    http://img176.exs.cx/my.php?loc=img176&image=wurzner2aleipzigerostende3nc.png\r
    img176.exs.cx/my.php?loc=img176& ... nde3nc.png

    http://img189.exs.cx/my.php?loc=img189&image=wurzner2bleipzigerostende2ho.png\r
    img189.exs.cx/my.php?loc=img189& ... nde2ho.png

    http://img189.exs.cx/my.php?loc=img189&image=wurzner2cleipzigerostende0of.png\r
    img189.exs.cx/my.php?loc=img189& ... nde0of.png

    http://img189.exs.cx/my.php?loc=img189&image=wurzner1leipzigerostende7du.png\r
    img189.exs.cx/my.php?loc=img189& ... nde7du.png

    Oder in der Eisenbahnstraße (Bildquelle: http://www.leipziger-osten.de">http://www.leipziger-osten.de:(

    http://img189.exs.cx/my.php?loc=img189&image=eisenbahnstr68721leipzigeroste.png\r
    img189.exs.cx/my.php?loc=img189& ... eroste.png

    http://img189.exs.cx/my.php?loc=img189&image=eisenbahnstr68722leipzigeroste.png\r
    img189.exs.cx/my.php?loc=img189& ... eroste.png

    http://img189.exs.cx/my.php?loc=img189&image=eisenbahstr68723leipzigerosten.png\r
    img189.exs.cx/my.php?loc=img189& ... rosten.png

    Dazu ist auf der Seite http://www.leipziger-osten.de">http://www.leipziger-osten.de zu lesen:
    „Die Umgestaltung der Wurzner Straße bildet einen der drei Handlungsschwerpunkte des Stadtumbaus im Leipziger Osten. Beispielhaft soll hier durch Auflockerung der städtebaulichen Struktur - Gestaltung brach liegender Grundstücke und sinnvolle Rückbaumaßnahmen - ein attraktiveres Wohnumfeld entstehen. […]
    Wichtigstes Ziel der Stadterneuerung ist dabei nicht der bloße Abbruch von Ruinen, sondern die nachhaltige Verbesserung der stadträumlichen Qualität. Dazu gehört vor allem die Umwandlung derzeit ungestalteter Brachen in öffentlich zugängliche Grünbereiche.“

    Über das „Leitbild Dunkler Wald“, wie die Umgestaltung der Wurzner Straße beschönigend bezeichnet wird, ist zu lesen:
    „Für den Abschnitt der Wurzner Straße zwischen Hermann-Liebmann- und Torgauer Straße wurde in der Machbarkeitsstudie „Rietzschkeband“ das Gestaltleitbild „Dunkler Wald“ entwickelt. Es unterstreicht an dieser Stelle im wesentlichen die gewachsene städtebauliche Struktur. Marode Bausubstanz und Brachflächen werden ersetzt durch grüne Bausteine, die die räumlichen Kanten der ursprünglichen innerstädtischen Bebauung aufnehmen.“

    Es ist schon bitter, wenn man bedenkt, wie viele Gebäude wohl noch durch „grüne Bausteine“ ersetzt werden. Eine kleine Auswahl der bedrohten aber besonders wertvollen, weil mittlerweile extrem seltenen spätklassizistischen Gebäude aus dem graphischen Viertel im Leipziger Osten:

    Auch das Waldstraßenviertel ist noch nicht über dem Berg:

    Tschaikowskistraße:

    Leibniszstraße:

    Pfaffendorferstraße:

    Innere Jahnallee:

    Auch im Waldstraßenviertel lässt sich noch eine Vielzahl an herausragenden Baudenkmälern finden, die in einem erbarmungswürdigen Zustand sind, einige Beispiele:


    Auch hier hat es die LWB wieder geschafft, einen drauf zu setzen.

    http://img179.exs.cx/my.php?loc=img179&image=humbold121stadtbaukulturleipzi.png\r
    img179.exs.cx/my.php?loc=img179& ... leipzi.png
    (Bildquelle: http://www.stadtbaukultur-[lexicon='leipzig'][/lexicon].de">http://www.stadtbaukultur-[lexicon='leipzig'][/lexicon].de)

    Dieses Haus (Humboldtstraße 12) ließen die Herren vergammeln, bis es so baufällig war, dass es nur noch abgerissen werden konnte. Angeblich wäre eine Sanierung nicht rentabel gewesen. Interessenten für einen Kauf wurden mit unverschämt hohen Kaufpreisen vergrault.

    So sieht’s jetzt dort aus:

    Drei Häuser weiter wird übrigens saniert:

    Nun zur Friedrich-Ebert Straße, die ersten vier Häuser auf der rechten Seite sollen der Errichtung einer neuen Abbiegespur weichen.

    Besonders schlimm, davon betroffen ist auch die Friedrich-Ebert Straße 81:

    Im hinteren Teil der Straße wird saniert, im vorderen Teil soll abgerissen werden. Das offenbart: in [lexicon='Leipzig'][/lexicon] regiert die Willkür. Von einem städtebaulichen Konzept kann keine Rede sein.

    Nun noch ein Blick in die Südvorstadt, eigentlich eines der bevorzugten Viertel in [lexicon='Leipzig'][/lexicon]. Besonders die zentrumsnahen Gebiete, mit ihrer vorgründerzeitlichen Bebauung aus der Zeit der ersten Stadterweiterung, sind jedoch bereits stark perforiert. Hier findet man auch die meisten verfallenen Baudenkmäler.

    Wenn sich für diese Gebäude noch jemand findet, kann das Ergebnis so erfreulich aussehen:

    Wenn nicht, wird wohl das dabei raus kommen:

    Weitere Beispiele aus der Südvorstadt:

    Bei diesem Gebäude in der Riemannstraße steht nur noch die Fassade.

    Zuletzt noch ein paar Beispiele aus der Innenstadt:

    Katharinenstraße:

    Ritterstraße:

    Hainstraße (Architekt: Arwed Rossbach):

    Christoph Beck hat das Schlusswort. Er sagt: „Wir können nicht jedes Haus am Bahndamm erhalten.“
    Fragt sich nur, warum die LWB dieses Schmuckstück vergammeln lässt. Wohlgemerkt, das ist kein Scherz. Dieses Gebäude, das neben Barthels Hof das einzige erhalten gebliebene Durchgangshaus aus der Zeit des Barock ist, wird dem Verfall preisgegeben. Traurig, aber wahr.

    Natürlich sind die gezeigten Gebäude nur eine kleine Auswahl der derzeit vom Einsturz bedrohten Gebäude. Im Angesicht von 400 akut bedrohter Baudenkmäler und insgesamt über 2500 unsanierter Altbauten in [lexicon='Leipzig'][/lexicon], wird es wohl nicht ausbleiben, dass die Stadt in den nächsten Jahren einen gewaltigen Substanzverlust erleiden wird. Es sei denn, es geschieht ein Wunder, und Beck und Daltrup würden abdanken.

  • Hier noch mal als Kontrast drei historische Ansichten zu obigen Fotos im Abstand weniger Meter:

    neben dem Neuen Rathaus - Harkortstraße

    Floßplatz Ecke Paul-Gruner-Straße

    Floßplatz 14 Ecke Lampestraße

  • Also als erstes möchte ich Sadik für seine Mühe viel Lob aussprechen. Genau so habe ich mir das vorgestellt. Da hast Du bestimmt viel Zeit für investiert.

    In den Reiseführern werden ja immer nur die Schokoladenseiten dieser Stadt hervorgehoben, und auch im Netz gibt es kaum entsprechendes Bildmaterial, die den Verfall in [lexicon='Leipzig'][/lexicon] dokumentieren.

    Ich weiß garnicht, was für mich schlimmer ist: Der Verfall oder die Perforierung des urbanen Stadtgefüges. Das eine schließt das andere wahrscheinlich nicht aus - in [lexicon='Leipzig'][/lexicon] zumindest.

    An dem einen prächtigen Haus in der Waldstraße, an dem ein Teil des Erkers auf den Fußweg gefallen ist (nicht auszudenken, wenn da jemand drunter gestanden hätte), bin ich schon vor ca. einem halben Jahr vorbeigekommen. Es ist unerträglich, dass die Stadt es nicht einmal für nötig hält, die abgebrochenen Teile bis heute zu bergen. Wie mit dem großen Bauerbe in [lexicon='Leipzig'][/lexicon] umgegangen wird, ist wirklich erschreckend. Die schönsten Häuser lässt man dahinsiechen, bis abgerissen wird, während Plattenbauten saniert werden oder modernistische Stadthäuser in Kubusform, für die es kaum Interessenten gibt (geben wird), errichtet werden.

    Es wird höchste Zeit, dass in [lexicon='Leipzig'][/lexicon] dahingehend was passiert, ansonsten erleben wir die Stadt in Zukunft nur noch als Perforation in seiner absurdesten Form. Es geht hier schon lange nicht mehr darum, dass einzeln stehende Gebäude, wofür ich auch kein Verständnis habe, abgerissen werden, sondern ganze Straßenzüge werden platt gemacht, bis wiederum nur noch einzelne Gebäude zwischen Hunderasen, Plastikparkbank und Zwergbäumen verloren dastehen. Diese Projekte tragen dann zynische Namen wie "Dunkler Wald" oder "Grüner Hain". Absurd und unerträglich das Ganze.

    In der LVZ stand vor ein paar Tagen eine Aussage des OBM-Tiefensee drin. Darin hat er bekundet, dass es zu einer Prioritätenverschiebung der Stadtpolitik zugunsten des Erhalts der Altbausubstanz geben wird, während vermehrt Plattenbauten weichen sollen. Ich glaube ihm kein Wort, schon allein deswegen nicht, weil nächsten Monat die OBM-Wahl in [lexicon='Leipzig'][/lexicon] ansteht.

    Herr Tiefensee, Herr Beck und Herr Daldrup, angesichts der schwierigen wirtschaftlichen und sozialen Lage in der Stadt, scheinen Sie schalten und walten zu wollen, wie´s Ihnen passt und die Leute für dumm zu verkaufen. Sie sollten sich schämen!

  • Grausam und erschreckend sind die Bilder.

    Kann es einfach nicht glauben, das diese Stadt so umgeht mit ganze Strassenzüge und nicht ALLES tut um das einzigartige Bauerbe zu schützen, wo sonst alle andere Deutsche Grosstädte fast NICHTS MEHR zu bieten haben ausserhalb einige Gebäuden in ein modernistisches Meer.

    Warum wird die einzigartige Situation in [lexicon='Leipzig'][/lexicon] nicht durch die Nationalbehörden in Deutschland anerkannt???
    Warum werden nicht sofort Millionen Euros beretgestellt???
    Es ist es wert diese Stadt zu schützen. Deutschland hat fast nichts mehr ausserhalb historische Kleinstädte.
    Wo sollen Ausländer hingehen??? Nicht zu diese Kleinstädte die so langweilig sind.

    Warum wird nich sofort alles gemacht um diese Stadt zu retten, wo sonst alle andere Städte schon verloren sind oder armselig aussehen.

    Nicht die Zweiten Weltkrieg hat Deutschland zerstört doch die Deutschen selbst haben es selbst getan. Sie haben die Ruinen nicht sofort alle aufgebaut and was noch übrig war geschützt, sonst don die restliche 70% fast alles vereinfacht und mindestens 40% abgebrochen.

    Wird [lexicon='Leipzig'][/lexicon] im Zukunft aussehen wie Dresden oder noch schlimmer wie Magdeburg???

    Deutschland hat es noch immer nocht vetrstanden, wo die Britten in London wieder die Altstadt rekonstruieren und die Holländer noch immer Ihre Bauerbe schützen: ganz Amsterdam is noch immer fast Intakt, alle Viertel der Gründerzeit und dreissiger Jahren sind renoviert worden. Die Dachlandschaft ist intakt, die Fenster, Türen, Steinen werden behutsam ersetzt und die Gebäuden sehen aus wie neu aber ganz im Still der Zeit wann sie gebaut wurden. So gehört es doch!!!

    Rob

  • Was mich einfach traurig macht ist, dass es keine Rettung geben wird. Wer soll denn das Ganze Geld aufbringen um tausende Gebäude zu sanieren, zu schützen, zu pflegen...

    ...Das Forum ist zu klein, das Interesse deutschlandweit auch, als das hier noch ein Wunder geschieht. Behalten wir diese Momente und Träume noch ein wenig bei uns. In wenigen Jahren schon, wird nichts mehr zu retten sein.

  • Sei doch nicht so pessimistisch, ist ja schlimm. Wenn diese ganzen Bürgerinitiativen sich anstrengen und vielleicht auch der Oberbürgermeister noch was lernt, kann sicher das meiste erhalten bleiben.

  • @ Rob
    das finde ich übertrieben.

    1) Ich glaube nicht, dass 70% der Altbauten entweder abgerissen oder entstellt wurden. Da kann man sich z.B Wiesbaden oder Regensburg ansehen.

    2) Es ist schon schade, dass man alte Häuser abreissen lässt, aber L. hat nun mal 200000 Einwohner seit 1939 verloren - wer soll in den Häusern wohnen?

    3) Amsterdam ist schon schön, aber Groningen oder Rotterdam sind ja nicht gerade toll

    Unsere große Aufmerksamkeit für die Belange des Denkmalschutzes ist bekannt, aber weder ökonomisch noch kulturhistorisch lässt es sich vertreten, aus jedem alten Gebäude ein Museum zu machen. E. Honecker

  • Um Himmels Willen, jetzt kommt man in [lexicon='Leipzig'][/lexicon] mit diesem vermaledeiten Konzept der "Auflockerung"?
    Ich würde den Herrschaften eine Reise nach Hamburg spendieren und kostenlos eine kleine Führung machen, zur Demonstration, was dieses fantastische Konzept der 50er hier angerichtet hat.

    Diese leipziger Vereine bräuchten wir hier auch. An der Sechslingspforte ist vor einiger Zeit der letzte Altbau an der westlichen Straßenseite abgerissen worden. Jetzt steht dort ein potthäßlicher Stahl-Glas-Zylinder, ich habe meinen Augen nicht getraut. Und das an der Grenze zum Feuersturmgebiet, danach kommt auf 25 km² vielleicht so viel wie in einer einzigen Straße Leipzigs. Das Haus sah noch nicht mal schlecht aus. Ich frage mich, was die Denkmalschützer hier eigentlich tun.

  • Zitat

    2) Es ist schon schade, dass man alte Häuser abreissen lässt, aber L. hat nun mal 200000 Einwohner seit 1939 verloren - wer soll in den Häusern wohnen?

    Man sollte schon versuchen die Lage etwas differenzierter zu betrachten. Es besteht durchaus noch Nachfrage nach Wohnraum, im Bestand der sanierten Altbauten beträgt der Leerstand gerade einmal 3%. In besonders stark nachgefragten Lagen wie Waldstraßen-, Bachstraßen-, Musikviertel, der Südvorstadt oder Gohlis geht der Leerstand gegen Null. Es lohnt sich also in diesen Vierteln zu investieren. Das trotzdem derzeit so wenig saniert wird liegt an zwei Dingen. Zum einen fehlt vielen Besitzern das Eigenkapital, um überhaupt sanieren zu können. Ca. ein Viertel der Gebäude sind davon betroffen Der Rest gehört zum großen Teil der LWB, die sich sowohl weigert zu verkaufen (Kaufinteressenten gibt es) als auch zu sanieren. Die Fördermittel für den Abbruch der Häuser sind aus ihrer Sicht lukrativer. Das diese Ignoranz zu Lasten weiter Teile des gewachsenen Stadtbildes geht, habe ich versucht mit meinem Bildmaterial zu belegen.

    Ich rate allen Leipzigern einmal durch Gohlis-Süd zu gehen. 90% der dort unsanierten Gebäude gehören der LWB! Zum Glück besitzt die LWB in diesem Stadtteil relative wenige Gebäude, der Großteil des Bestandes ist saniert. Es macht jedoch deutlich wie fahrlässig die LWB mit ihren Häusern umzugehen pflegt. Selbst in solch einer Lage, in der man die höchsten Mieten der Stadt erzielen kann weigert sich die LWB ihren Bestand zu erneuern. Es geht als überhaupt nicht um die Häuser am Bahndamm, wie Herr Beck sich gern ausdrückt. Das ist eine reine Schutzbehauptung mit der er versucht die Sicht auf die Sachlage zu verklären. Es geht vielmehr um einen Barockbau in der Innenstadt, eine ganze Reihe von spätklassizistischen Bauten und hunderte von aufwendig gestalteten Gründerzeithäusern. Ich glaube also schon, dass es in [lexicon='Leipzig'][/lexicon] etwas zu verlieren gibt.

    Man sollte sich immer vor Augen halten, dass auch die scheinbar so schlichten Eckhäuser wie in der Karl-Liebknecht Straße oder im Waldstraßenviertel, alle um 1850 erbaut und noch mit originaler Innenausstattung, oder auch die spätklassizistischen Häuser im graphischen Viertel, man heute in keiner anderen deutschen Großstadt mehr findet. Auch in [lexicon='Leipzig'][/lexicon] sind sie mittlerweile extrem selten geworden.

    Und was den Stadtumbau in den Problemvierteln betrifft, so erwarte ich von den Stadtplanern ein wenig mehr Kreativität. Niemand fordert hier allen Ernstes jeden Altbau zu erhalten. Auf „Grünflächen“ wie sie derzeit in Lindenau, Reudnitz, Volkmarsdorf und anderswo entstehen haben die Leipziger aber bestimmt nicht gewartet.

  • Zitat von "Däne"


    1) Ich glaube nicht, dass 70% der Altbauten entweder abgerissen oder entstellt wurden. Da kann man sich z.B Wiesbaden oder Regensburg ansehen.

    Das Gegenteil dafür in Essen oder Köln, um mal zwei Großstädte zu nennen. 70% mögen vielleicht übertrieben sein, aber in den Großstädten trifft das teilweise sogar zu.

    Wo die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten
    Karl Kraus (1874-1936)

  • Ich höre /lese immer [lexicon='Leipzig'][/lexicon] hat weniger Einwohner als früher, es stehen so viele Häuser leer und so weiter. Der Riesenfehler war doch bereits, daß man zu DDR-Zeiten nichts saniert hat und stattdessen häßliche Plattenbauten hochgezogen hat! Hätte man mit dem Geld, das in die Platten geflossen ist, lieber die Leipziger Altbauten saniert, wären vermutlich fast alle in einem guten Zustand und bewohnt.

    Und nach der Wende gingen die Fehler weiter: Warum zum Henker wurde auch nur eine einzige Mark in die Sanierung der Platten gesteckt, wenn doch so viele schöne Altbauten da waren, die auf Sanierung warteten? Man hatte doch Anfang der 90er längst erkannt, was in Städten wie Kassel oder Essen oder auch Frankfurt angerichtet worden war, welche Fehler gemacht worden waren! Was für Idioten sitzen eigentlich in [lexicon='Leipzig'][/lexicon] seit der Wende im Rathaus? Wieso ist das so schwer, aus Fehlern der anderen zu lernen?

    In Wiesbaden ist zwar in den Jahrzehnten auch das eine oder andere Gründerzeithaus geopfert worden, aber eher, weil es irgendeiner Planung im Weg stand Es gab und gibt (fast) keine verfallenden Gründerzeitbauten. Ich kenne nur einen Fall aus den letzten Jahren, in dem ein durch Leerstand und Vernachlässigung vergammeltes (ehemals schönes) Haus abgerissen wurde. Die übrigen sind und werden alle saniert und renoviert und bei den Mietern begehrt. Und Besucher bewundern heute hier die geschlossenen intakten Gründerzeitviertel.

    Das hätte in [lexicon='Leipzig'][/lexicon] doch auch klappen können, wenn man die Plattenbauten abgerissen hätte, um das Überangebot zu beseitigen - und nicht die Altbauten!

  • Zitat

    Und nach der Wende gingen die Fehler weiter: Warum zum Henker wurde auch nur eine einzige Mark in die Sanierung der Platten gesteckt, wenn doch so viele schöne Altbauten da waren, die auf Sanierung warteten?

    Ich glaube, dass man ein Kollaps der Plattenbauviertel verhindern wollte (was ich eigentlich verstehen kann). Soweit ich weiss wurden 50% der Platten und 66 % (oder sind es 75%) der Altbauten saniert. Einer der ganz grossen Fehler war sicherlich die "Rückgabe vor Entschädigung-Politik" der Kohl-Ära, die DDR trägt aber der Hauptschuld. Wäre die Wiedervereinigung 10-15 Jahre später gekommen, gäbe es kaum Altbauten in den Osten.

    Vielleich bin ich hier falsch aber ich habe irgendwo gelesen, dass ausgerechnet die sanierten Platten grosse Probleme bereiten, denn dort sind die Mieten deutlich gestiegen (sowie die Schulden). Die WOBAs verdienen an den unsanierten Platten am meisten. Die Sanierung ist deshalb oft nicht Wirtschaftlich vertretbar.

    Auf Dauer werden die Plattenviertel aber nicht überleben - weder im Osten noch im Westen. Sollte die Bevölkerung um 30% zurückgehen werden am Ende nur Eigenheime und Altbauten überleben.

    Ich glaube aber, dass man Prioritäten setzen muss: leider müssen viele Altbauten in den nächsten 20-30 abgerissen werden. Deshalb sollte die Stadtverwaltung nur die wichtigsten Stadtteile sanieren - nämlich dort wo die wertvollsten Bauten stehen. Es wäre sicherlich ein Fehler die ganze Stadt zu perforieren, dann lieber einen Teil ganz abreissen und den Rest 100% sanieren.

    Unsere große Aufmerksamkeit für die Belange des Denkmalschutzes ist bekannt, aber weder ökonomisch noch kulturhistorisch lässt es sich vertreten, aus jedem alten Gebäude ein Museum zu machen. E. Honecker

  • Fakt ist, dass [lexicon='Leipzig'][/lexicon] - bedingt durch die relativ gesehen geringe Kriegszerstörung und der relativ gesehen geringen sozialistischen "Stadtverschönerungen" zu DDR-Zeiten (im Gegensatz zu Dresden, Ost-Berlin, "Karl-Marx-Stadt"), die mit Abstand größte Altbaudichte unter deutschen Großstädten besitzt. Die Stadt war bis zum Ausbruch des 1.Weltkrieg wohlhabendste Stadt in Deutschland mit einem sehr ausgeprägten Bildungsbürgertum. Dieser Reichtum spiegelt sich heute u.a. in der vielfältigen und prächtigen Gebäudearchitektur (egal ob saniert oder nicht) dieser Stadt wider.

    Das Bürgertum hatte man nach dem 2. Weltkrieg allerdings vergrault (beispielsweise musste Verlegerenkel H.C. Reclam samt seiner Mutter 1948 in den Westen flüchten), und 40 Jahre DDR-Diktatur hat sich mehr in den Köpfen manifestiert, als man nach den friedlichen Montagsdemonstrationen und dem Systemumbruch, der in [lexicon='Leipzig'][/lexicon] seinen Anfang fand, angenommen hatte.

    Das fehlende Bürgertum, der wirtschaftliche Niedergang dieser Stadt nach 1989, einhergehend mit einem massiven Bevölkerungsschwund und einer Stadtbaupolitik, die keine Ahnung von ihrem historischen Bauerbe zu haben scheint, machen Stadtansichten - wie uns Sadik auf seinen Fotos präsentierte - möglich. Wobei ich an dieser Stelle sagen muss, dass der Westen in dieser Hinsicht nicht besser war / ist. In meiner Wahlheimat Frankfurt, das im Krieg zu etwa 45% zerstört wurde, beträgt der Anteil der Altbauten keine 20% mehr. Da wurde bis in die 70er viel Substanz zugunsten von Bürobauten und beispielsweise der Uni in Bockenheim abgerissen.

    Ich gebe dem Schlossgespenst recht, denn die Ursache für den hohen Leerstand liegt in der DDR-Zeit, als man vor der Stadt auf der grünen Wiese Plattenbauten für den "modernen" sozialistischen Mensch baute, und die innerstädtischen Altbauquartiere sträflichst verfielen ließ. Diese Altbauquartiere sollten eigentlich nach und nach abgerissen werden, aber für die Kosten war - Gott sei Dank - kein Geld vorhanden.

    In [lexicon='Leipzig'][/lexicon] halten sich Gerüchte, dass ein besonnener Mensch zu DDR-Zeiten den einzigen Abrissbagger, der in der Stadt zum Einsatz kam, über Monate in einem Waldstück versteckte, da es für ihn unerträglich war, wie der Bagger die Altbauten platt machte. Inwieweit dies stimmt, weiß ich allerdings nicht.

    Auch Hubertus Conrad Reclam kämpfte mit den Mühlen der Stadt [lexicon='Leipzig'][/lexicon], als er sein ehemaliges Wohnhaus, das völlig heruntergekommen war, nach der Wende originalgetreu sanieren wollte. http://www.reclam-haus-[lexicon='leipzig'][/lexicon].de/\r
    http://www.reclam-haus-[lexicon='leipzig'][/lexicon].de/


    Wohnhaus der Verlegerfamilie Reclam in Gohlis vor der Sanierung

    Wohnhaus der Verlegerfamilie Reclam in Gohlis nach der Sanierung

  • Hat sich wohl gelohnt... ein Lob an den Herrn Reclam!

    Wo die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten
    Karl Kraus (1874-1936)

  • Zitat

    Der Riesenfehler war doch bereits, daß man zu DDR-Zeiten nichts saniert hat und stattdessen häßliche Plattenbauten hochgezogen hat! Hätte man mit dem Geld, das in die Platten geflossen ist, lieber die Leipziger Altbauten saniert, wären vermutlich fast alle in einem guten Zustand und bewohnt.


    Da hast du natürlich Recht. Ende der 80er Jahre war der Verfall der Altbausubstanz bereits soweit fortgeschritten, dass man in südlichen (Connewitz) und östlichen Stadtteilen (u.a. Reudnitz) schon damit begonnen hatte, systematisch Altbauten abzureißen und sie durch die Platte zu ersetzen. Zum Glück kam die Wende dazwischen, sonst wäre [lexicon='Leipzig'][/lexicon] heute zu Großen Teilen eine Plattenbauwüste (und auch alle anderen ostdeutschen Städte mit hohem Altbauanteil).

    Allerdings kann man es, aus der Retrospektive betrachtet, auch anders sehen. Denn dadurch, dass die DDR auf die Platte setzte, blieb den Gründerzeithäusern eine Modernisierung erspart. Man kann es sich heute ja kaum mehr vorstellen, der Großteil der Altbauten wurde das letzte mal in den 20er oder 30er Jahren saniert, noch Ende der 80er Jahre waren Hof- oder Etagentoiletten, teilweise auch der gemeinsame Waschraum für alle Bewohner eines Hauses und natürlich die Ofenheizung Normalität. 60 Jahre Stillstand, wohnen wie zu Kaisers Zeiten! Aber nur so konnten viele originale Bauteile die Zeiten überstehen. Sicher, die Farbe des Putzes verblasste, Stuckelemente fielen ab, die Treppenhausmalereien wurden überstrichen, aber nichts von alle dem ging unwiederbringlich verloren. Alles konnte, einen engagierten und feinfühligen Bauherren vorausgesetzt, nach Originalbefunden rekonstruiert werden. Der Leipziger Bestand aus der Zeit des Historismus zeichnet sich ja gerade dadurch aus, dass es sich bei ihm nicht nur um Bauten mit einer historischen Hülle handelt, sondern dass sich auch das Innere nun wieder im Originalzustand der Erbauungszeit befindet (wenn man von dem leidlichen Thema Kastenfenster, von denen nur Wenige die Sanierungen der letzten Jahre überlebt haben, einmal absieht).

    ein Beispiel für ein zu DDR-Zeiten modernisiertes Haus, jeder Individualität und von den Merkmalen seiner Erbauungszeit beraubt

    Zitat

    Und nach der Wende gingen die Fehler weiter: Warum zum Henker wurde auch nur eine einzige Mark in die Sanierung der Platten gesteckt, wenn doch so viele schöne Altbauten da waren, die auf Sanierung warteten?


    Wenn man das zu Ende denkt, hätte man die Woba’s enteignen oder ihnen einen Ersatz anbieten müssen, außerdem 100.000 Menschen in die Altbauquartiere „umsiedeln“ müssen. In einem diktatorischen System wie der DDR hätte, wenn man es denn gewollt hätte, so etwas vielleicht funktioniert. Aber in einer Marktwirtschaft? Welches Gebäude letztlich saniert wird, liegt ja nicht in den Händen der Stadtplaner.
    So etwas ist ja auch gar nicht nötig. Man braucht sich nur die Fakten anzuschauen und man erkennt wo die Leipziger wohnen möchten. Im Altbau, also zentrumsnah und in einer urbanen Umgebung. Schließlich sind seit 1998 über 35.000 Menschen wieder in die innere Stadt zurückgekehrt, währenddessen die großen Palttenbaugebiete immer weiter Einwohner verlieren. Und dieser Trend hält an. Leider haben das einige über den Dingen stehende Herren noch nicht begriffen.

    hier noch einige bedrohte Baudenkmäler (alle Graphisches Viertel):

    dieser Bau war, wie man auf dem Bild erkennen kann, schwer zugänglich, hab keine Ahnung was es mit diesem Gebäude auf sich hat, vielleicht kann ein anderer Leipziger helfen

    hier hat erst vor kurzem die LWB Caruso wieder einen Auftrag erteilt, Stadtzerstörung wenige hundert Meter vom Zentrum entfernt