Umgang mit dem Bestand

  • In der aktuellen Bauwelt beschäftigt sich Frank Maier-Solgk, Düsseldorf mit dem Positionspapier und den Fragen nach dem Bauen MIT dem Bestand. Neben aktuellen Zahlen zum Denkmalbestand hinterfragt der Autor auch den Umgang mit Gebäuden abseits der Denkmallisten und überlegt, ob in Kategorien mit diesen zu verfahren sei. Inwieweit diese, seine Haltung von modernistischer Ideologie gefärbt ist oder nicht, davon dürfen sich geneigte LeserInnen in seinem Artikel ein Bild machen:

    http://www.bauwelt.de/themen/betriff…st-2436614.html

    Jeder, der sich die Fähigkeit erhält Schönes zu erkennen, wird nie alt werden.
    http://www.archicultura.ch

    Einmal editiert, zuletzt von zeitlos (23. Oktober 2015 um 03:25)

  • Folgender Beitrag zeigt, wie das gemeine Volk mit dem hiesigen Bestand umgeht.

    Festhalten und vorher nochmal tief durchatmen:

    Beispiele für zerstörte Bögen im Westerwald

    Eine interessante Zusammenstellung von Karl-Ludwig Diehl. Sie zeigt (unter anderem)
    wie wichtig uns das Auto geworden ist und was alles versucht wird um ihm einen
    geeigneten Stellplatz zu schaffen.

    Mit oftmals sehr unangenehmen Ergebnissen.

    Einmal editiert, zuletzt von Ortsbild (27. Januar 2016 um 22:48)

  • Da kommt man echt ins Zweifeln, ob die Menschen auch nur einen Funken Schönheitsempfinden haben. Für mich ist diese Zusammenstellung aber auch nicht gerade überraschend. Ich bin, gerade in ländlichen Regionen, nichts Anderes gewohnt...

  • Merkwürdig, neben den offensichtlichen Scheußlichkeiten haben einige dieser Beispiele auch eine eigentümliche Schönheit von "gelebter Geschichte". Immerhin sind dort ja die Bögen noch erkennbar, und mit ihnen oft gleich mehrere Zeitschichten. Schlimmer finde ich immer, wenn die Geschichte des Hauses komplett entsorgt oder zugekleistert wird.

  • Lieber Maßwerk, ich hoffe du meinst mit "eigentümliche Schönheit" und "Zeitschichten sichtbar
    lassen" nur folgende Beispiele:
    Bild, Bild, Bild, Bild, Bild.

    ...und nicht etwa die wirklich abstoßenden Beispiele wie:
    Bild, Bild, Bild.

    Letztere lassen nämlich die Schichten genauso gut erkennen. Sogar die Bögen sind meist noch sichtbar,
    aber sie wurden ad absurdum geführt. Ein schlüssiger Lastabtrag wird bei solchen Umbauten nicht mehr
    vermittel, weshalb wir wohl immer das Gefühl haben "Hier stimmt doch etwas nicht :/ "

    Nun habe ich schon so viele Bilder verlinkt, da möchte ich noch zwei Lichtblicke zeigen.

    _Note "Sehr gut" für diesen Neueinbau eines schmalen Fensters. Die Steine dunkeln schnell nach.
    _Note "Gut" für diese Garage in der Scheunendurchfahrt. Wille erkennbar! Jederzeit reversibel.

    Einmal editiert, zuletzt von Ortsbild (28. Januar 2016 um 03:21) aus folgendem Grund: Links neu setzen.

  • Es ist doch traurig, wie normal dieser Anblick für uns schon geworden ist. Ich persönlich habe eigentlich gar nicht weiter darüber nachgedacht. Aber auch in meiner Umgebung gibt es dafür natürlich unzählige Beispiele. Es ist ja auch einfach kostengünstiger, ein sprossenloses eckiges Baumarktfenster zu verwenden. Wäre der Preis für optisch passende Fenster vergleichbar, käme es sicher nicht so oft zu diesen ästhetischen Entgleisungen.

  • Ein interessanter Text, entnommen der Facebook-Seite 'Historical Imst', welcher von der Jahreszeit, aber vor allem thematisch hier rein passt:


    "... Damals bildeten das über Jahrhunderte gewachsene Brauchereignis und der noch weitgehend von seinem historischen Erscheinungsbild geprägte Straßenzug eine harmonische Einheit. Doch wie sieht das heute aus und wie wird das in Zukunft aussehen, sollte die Zerstörung weiter so voranschreiten wie bisher und sollte bei Um- und Neubauten weiterhin so wenig Wert auf qualitätvolle und angemessene Architektur gelegt werden? Muss die Fasnacht dann nicht zwangsläufig zu einem Fremdkörper in dem Ort werden, aus dem sie einst herausgewachsen ist, zu einem Kind, das sein Elternhaus nur noch von Bildern kennt und mit dem Nachfolgebau nichts anfangen kann?
    Dies ist keineswegs als Plädoyer für Stillstand zu sehen. Veränderungen hat es immer gegeben, und das ist auch gut so. Aber noch nie zuvor waren sie so radikal, so alles Vorhergehende hinter sich lassend und gleichzeitig so konzeptlos wie in den letzten Jahrzehnten."

    Quelle: https://www.facebook.com/historicalimst…?type=3&theater

    Jeder, der sich die Fähigkeit erhält Schönes zu erkennen, wird nie alt werden.
    http://www.archicultura.ch

    Einmal editiert, zuletzt von zeitlos (29. Januar 2016 um 21:35)

  • Schöne Auflistung eines bekannten, aber wenig diskutierten Problems. In den 1960er und 1970er-Jahren war vielerorts Eigenleistung angesagt und für die meisten war es einfacher, ein modernes eckiges Baumarktfenster in einen Rundbogen zu bekommen als ein doppelt verglastes Rundbogenfenster hinzubekommen. Heutzutage vermute ich, dass die Kosten etwa gleich ausfallen, so dass in der Regel das Rundbogenfenster gewählt wird. Auf Wiederherstellungen wird jedoch meist verzichtet, erfordert es doch sowohl neue Fenster als auch Änderungen im Mauerwerk.

    Ich denke, hier könnte Aufklärung viel helfen. Vielleicht können wir von SD ja mal eine Arbeitsgruppe starten, die sich mit Themen befasst, wie private Altbaubesitzer mit vertretbaren Aufwand viel gewinnen können - und dies dann in einer Broschüre (PDF) aufbereiten, um es zu verbreiten?

    Wo die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten
    Karl Kraus (1874-1936)

  • *Viel zu viele Unterthemen hier, die sich inhaltlich nur graduell unterscheiden. Das dient dann keiner Ordnung mehr...

    Jedenfalls passt zumindest zu der Überschrift dieses Themas die Broschüre "Worauf achten bei alten Häusern?" des 'Baukulturdienstes Weser-Leine', auf die ich hinweisen möchte. Der OV Berlin von SBD hatte ja auch eine ähnliche Broschüre als Information für Eigentümer herausgegeben.

    Baukulturdienst Weser-Leine | rek-weserbergland-plus

    (=> auf das Bild klicken zum Herunterladen).

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

  • Müller und Halder–Hass halten es für wichtig, die erhaltenswerte Bausubstanz gerade jetzt zu ermitteln. Durch Klimawandel und Energiekrise stehe in den nächsten Jahren beträchtliche Veränderungen bevor - etwa der Abriss von Gebäuden, die energetische Optimierung von Fassaden mit Dämmplatten, die Installation von PV–Anlagen.

    Bei diesen Aussichten sollte klar sein, worin die bauliche Identität einer Stadt besteht, damit sie nicht auf grobe Weise kaputtsaniert wird oder gleich ganz verschwindet.

    Diese Worte hier zielen nicht auf Denkmalschutzbauten, noch nicht einmal auf Altbau allein. Im überwiegenden Teil geht es hier um ,,besonders erhaltenswerte Bauten" aus der modernen Zeit. Warum ich das dennoch in diesen Strang poste und nicht in jenen von Snork? Weil ich auf diesen speziellen Umgang mit dem Bestand eingehen will. Während die heutige moderne Bauweise ja gerade davon lebt, dass man rücksichtslos abreißt und energetisch ,,optimiert", kommen im Umgang mit älteren modernen Bauten exakt die gleichen Forderungen auf, wie sie Wir für Altbauten formulieren, wie sie vom Denkmalschutz formuliert werden, und wie sie aber auch stetig kritisiert und zunehmend zurückgedrängt werden. Und hier nun beim ,,modernen Altbau" hat man dann plötzlich Angst vor einer optischen Entstellung oder gar dem Abriss. Bloß kein PV aufs Dach. Spannend, oder?

    Falls jemand durch Suche im Forum die ,,besonders erhaltenswerten Bauten" Friedrichshafens finden möchte, um die es in der Studie der Stadt ging, poste ich sie der vollständigkeithalber hier noch abschließend:

    Die komplette Liste der ausgewählten Bausubstanz:

    Zeitschicht 1811—1918:

    Schulmuseum (Friedrichstraße 14), Altes Zollgebäude (Olgastraße 5), Max–Keller–Haus (Riedleparkstraße 18, 26, 28,34), Zeppelin–Apotheke (Eugenstraße 75/Ecke Riedleparkstraße), Villa Noerpel (Eckenerstraße 39), Blumen Hirscher (Charlottenstraße 17)

    Zeitschicht 1920er–Jahre:

    Villa Berner (Eckenerstraße 56), Villa Eckenerstraße (Eckenerstraße 89), Villa im Einschlag (Im Einschlag 1, Raderach), Pestalozzi–Schule (Allmandstraße 15)

    Zeitschicht 1930er bis 1940er–Jahre:

    Siedlung Löwental, Siedlung Meistershofen, Dorniersiedlung, Gebäude in der Keplerstraße, Rathaus Ailingen

    Zeitschicht 1950er–Jahre:

    Franzosenhäuser, Franzosensiedlung, Wohnhaus Ernst–Lehmann–Straße 21—27, Karl–Maybach–Gymnasium, Hotel „Zum Goldenen Rad“, Gasthof „Zum Klosterwirt“, Karlstraße 1—7, 13—7, 47 und Folgende, Ehemaliges Verlagshaus (Riedleparkstraße 1), Hotel Buchhorner Hof (Friedrichstraße 33), Hotel Schwanen (Friedrichstraße 32), Hochhaus Orion (Friedrichstraße 81), Haus Gessler (Friedrichstraße 53), Friedrichstraße 40, Friedrichstraße 46—48

    Zeitschicht 1970er bis 1990er Jahre:

    Arkadenhäuser (Seestraße 1—9, 12/14, 22), Claude–Dornier–Schule/Hugo–Eckener–Schule (Steinbeissstraße 26), Haus Gessler (Friedrichstraße 53), Bungalow–Siedlung (Stockerholzstraße 16—30) ehemalige Post (Karlstraße 38), Seehotel (Bahnhofplatz 2), Wohnhaus Kapitän–Wagner–Straße, Wohnkomplex St. Georgen (Weidenring/Zirbelweg)

    Sonderkategorie ländliche Gebiete:

    Wolfenhof (Hirschlatter Straße 45), Fichtenhof (Fichtenburgstraße 33, Raderach)

  • Der Klimaschutz kommt den Anhängern der "Moderne" gerade recht, nachdem ihnen zuvor auf allen anderen Ebenen argumentativ die Felle davongeschwommen sind. Also versuchen sie jetzt, dieses Thema für sich zu vereinnahmen. Sehr durchschaubar.

    In dubio pro reko

  • Der Klimaschutz kommt den Anhängern der "Moderne" gerade recht, nachdem ihnen zuvor argumentativ auf allen anderen Ebenen die Felle davongeschwommen sind. Also versuchen sie jetzt, dieses Thema für sich zu vereinnahmen. Sehr durchschaubar.

    Umso mehr darf man meiner Meinung nach denen nicht das Thema überlassen, sondern es auch selbst besetzen. Im Idealfall sind Wir damit authentischer, weil Wir für lange Haltbarkeit der Gebäude, traditionelle erprobte Techniken und nachhaltige Baustoffe im Rahmen Unserer Ziele fürs Stadtbild eintreten können. Aber natürlich muss man es nicht besetzen, momentan überwiegen für viele ja die Nachteile des Themas.

    Vor allem aber können Wir hier mit solchen Beispielen aufzeigen, dass es eine ganz natürliche Forderung ist, dass man versucht den Bestand möglichst geringfügig zu beeinträchtigen.