Berlin - Pariser Platz und Brandenburger Tor

  • Was ist mit der Französischen Botschaft?! Ein barockes Palais aus dem Jahr 1737. Das wäre schon rekonstruktionswürdig weil es "so was" in Berlin (so gut wie gar) nicht mehr gibt. Die meisten anderen Gebäude stammten aus der Mitte des 19. Jh. und wurden von namhaften Architekten wie Stüler und von Ihne errichtet.

    Zurückschauen aber nach vorne gehen. Genau das ist das Problem der heutigen Architektur. In früheren Zeiten schaute man zurück (auf die Antike) und interpretierte diese neu. Da kamen dann - je nach Zeit (17., 18., 19. Jh) - unterschiedliche Baustile wie z.B. Barock und Klassizismus raus. Und Heute...?! :kopfschuetteln:

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    Die Stüler-Bauten habe ich doch explizit erwähnt. Und auf die frz. Botschaft war ich bereits weiter oben eingegangen. Leider aber waren am Ende der Gründerzeit die meisten klassizistischen und barocken Bauten bereits ersetzt worden. Seltsamerweise wird diesen dann aber auch nicht so hinterhergetrauert. Habe nie gehört, daß jemand die Rekonstruktion eines Gebäudes forderte, an dessen Stelle heute ein Gründerzeitbau steht. Das soll keine Schmähung des Historismus sein. Es ist nur eine Beobachtung.

    Der andere Aspekt ist, daß zweigeschossige Barockpalais zwar sehr schön sind, selten aber heutigen Anforderungen gerecht werden. Wenn die Franzosen damit zurechtgekommen wären, umso bedauerlicher, daß sie nicht rekonstruieren durften.

  • Leider aber waren am Ende der Gründerzeit die meisten klassizistischen und barocken Bauten bereits ersetzt worden. Seltsamerweise wird diesen dann aber auch nicht so hinterhergetrauert. Habe nie gehört, daß jemand die Rekonstruktion eines Gebäudes forderte, an dessen Stelle heute ein Gründerzeitbau steht. Das soll keine Schmähung des Historismus sein. Es ist nur eine Beobachtung.

    Doch, "ursus carpaticus" dürfte diese Meinung durchaus vertreten. Vielleicht auch ein paar andere, z.B. "Zeno"? Natürlich nur unter bestimmten Voraussetzungen, nicht grundsätzlich. Und ich wäre wohl dagegen, da ich die Gründerzeit, zumindest in ihren Prachtgebäuden, als die Hochphase der europäischen Baukunst erachte. Dagegen ist mir manches vorgründerzeitliche Ensemble zu schlicht, so dass ich dann immer aufatme, wenn ich irgendwo zwischen lauter schmucklosen Putzfassaden etwas Neobarock oder Neorenaissance entdecke. Aber das sind Kämpfe der Vergangenheit. Heute gilt es, sowohl die vor- als auch die gründerzeitlichen Ensemble vor den Investorenzugriffen zu schützen. Und zugleich eine neue Baukunst zu entwickeln.

  • Man muss keine Altbauten vor "Investorenzugriffen schützen", was ist denn das für eine seltsame Sprache. Ohne Investoren, also Leute die Zeit, Geld und Kraft investieren, hätten wir gar keine alten Bauten mehr. Also bitte nicht so abfällige Formulierungen benutzen bitte!

    Dass Abrisse und Verschandelungen von erhaltenswerten Bauten zu verhindern sind, steht auf einem anderen Blatt, aber bitteschön nicht pauschal die "bösen Investoren" verurteilen. Wir haben solche auch hier in unseren Reihen, viele fleißige Bürger, die Bauwerke liebevoll saniert haben.

  • Ich denke, Du weißt selbst, wie die Formulierung gemeint ist. Es geht um eine ganz bestimmte Art von Investoren, die regelmäßig in diesem Forum für konkrete Aufreger sorgen. Wenn man von den Machenschaften des Bankensektors z.B. in der Griechenlandkrise spricht, ist auch für jedermann klar, dass damit nicht der Filialleiter der Sparkasse Baunatal persönlich angegriffen wird. Dazu braucht man keine langen "politisch korrekten" Erläuterungen und Sprachverenkungen, das sollte jedem halbwegs denkenden Leser klar sein.

  • Heute gilt es, sowohl die vor- als auch die gründerzeitlichen Ensemble vor den Investorenzugriffen zu schützen. Und zugleich eine neue Baukunst zu entwickeln.

    D'accord. Gar keine Frage. (Insbesondere nach Klarstellung ggü. erbse)
    Vorgründerzeitliche Ensembles sind ja nun inzwischen ohnehin ziemlich rar.

  • Pariser Platz 6a war noch von Stüler und verschwand keines Wegs vor dem 2. Wk.

    Okay. Als nur noch kleinen Rest eines vormals deutlich größeren Baus oder zusammenhängenden Ensembles (s.Abb.) hatte ich den erhaltenen Turm optisch noch dem Haus Liebermann zugeschlagen. Ich nehme das also zurück und will keine Haare spalten. Mein Punkt war ja: Der Pariser Platz hatte vor dem Zweiten Weltkrieg einen mehr gründerzeitlichen als klassizistischen oder barocken Charakter.


    Eduard Gaertner: Ansicht vom Pariser Platz hierselbst, 1846, Urheberrecht abgelaufen 


    Hier ist das Bild auch größer zu sehen: Link

    Einmal editiert, zuletzt von Atticus (3. März 2015 um 18:36)

  • Trotzdem würde ich einen Großteil der Gebäude als rekonstruktionswürdig einstufen. Berlin war/ist eben eine Stadt der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, da sie in dieser Epoche ihren größten Aufschwung erlebte. Meilensteine der Architektur findet man am heutigen Pariser Platz auch nicht.

  • Damit sind jetzt die Gründerzeithäuser gemeint oder deren Vorgängerbauten?

    Vielleicht kommt ja irgendwann eine Zeit, in der auch historistische Architektur als rekonstruktionswürdig empfunden wird. Leider sind ja heute selbst Teilrekonstruktionen kaum durchsetzbar. Wie schön wäre es gewesen, hätte die StaBi ihren alten Lesesaal zurückbekommen; wäre das Pergamonmuseum nach Originalplänen vervollständigt worden (mal ungeachtet der Tatsache, daß ja mehr Ausstellungsfläche geschaffen werden mußte); wäre die Hauptfassade der TU wiederhergestellt worden, statt sie durch dieses Blechungetüm zu ersetzen; ebenso das Innenleben des Reichstags …

    Andererseits: Am Charlottenburger Tor ging es ja. Es besteht also Grund zum Optimismus.

  • Zur Zeit findet am Pariser Platz eine Ausstellung statt:

    Informationen dazu:

    "

    «Lapidarium - Grenzen überwinden» - unter diesem Titel will der Mexikaner auf dem Pariser Platz mit den aus archäologischen Resten zusammengesetzten Skulpturen auf das Quadriga-Gespann auf dem Tor anspielen.
    «Lapidarium - Grenzen überwinden» bis 10. Mai 2015 zu sehen

    Die Inszenierung soll vom 3. bis 10. Mai zu sehen sein. Aceves will damit auch auf das Flüchtlingsdrama und die Einwanderungswelle nach Europa anspielen. Er wolle zeigen, dass aus Einzelstücken wieder etwas Neues entstehen könne, sagte Aceves am Mittwoch (29. April 2015) der Deutschen Presse-Agentur. Die Ausstellung läuft vom 03. bis 10. Mai 2015, die Eröffnung findet am 02. Mai 2015 um 17 Uhr statt.

    Die Präsentation ist eine Zusammenarbeit der Berliner Galerie Jarmuschek, der mexikanischen Botschaft und der Kulturprojekte Berlin GmbH und Teil der Stadt übergreifenden Veranstaltung «Mai '45 - Frühling in Berlin».
    "
    Text aus:
    http://www.berlin.de/aktuelles/berl…-brandenbu.html


    Hier einige Impressionen vom Tage, Bilder von mir:













  • Das ist moderne Kunst, mit der ich tatsächlich etwas anfangen kann. Prinzipiell sehe ich es immer bereits als Fortschritt an, wenn ein heutiger "Künstler" mehr als die Kubusform beherrscht :wink:

    Danke für die Bilder, ich denke das werde ich mir anschauen.

    "Die Modernisten sollten sich endlich eingestehen, dass sich die Qualität einer Stadt konventioneller Architektur verdankt" - (H. Kollhoff).

  • Mal wieder Zeit, den von Touristen wohl am meisten besuchten Platz der Stadt zu zeigen und mit der Vergangenheit zu vergleichen. Vielleicht auch in 'Vorher - Nachher', eigentlich aber in 'Alten Bildern'.

    Macht daraus, was ihr wollt:

    Ich fange erst mal mit Übersichten an, die einzelnen Gebäude dann nach und nach.


    Panorama von den Linden aus, 2016 und 1906 (Max Missmann)


    Die Nordseite des Pariser Platzes:

    1820:

    um 1875:

    um 1900:


    Die Südseite des Pariser Platzes:

    1820:

    um 1880


    Die Friedrich-Ebert-Straße, früher Sommerstraße (1885):




    Die Friedrich-Ebert-Straße Richtung Potsdamer Platz, früher Königgrätzer Straße (um 1885):


    Blick vom Brandenburger Tor zu den Linden:



    1884:



    1925:



    Leider konnte ich wegen der Sonne heute die gleichen Blickwinkel wie auf den historischen Bildern bei den Blicken nach Süden nicht einnehmen. ;(

  • Also ich finde ja die amerikanische Botschaft das mit Abstand schwächste Gebäude des ganzen Platzes. Alle anderen sind auf ihre Art zumindest guter Standard und man kann die alte Struktur zumindest gut ablesen. Aber die amibotschaft ist völlig missglückt.

    Ich finde sowieso dass je jünger die Bauten des neuen Pariser Platzes sind umso schwächer sind sie. Während das adlon und auch die bauten rechts und links des Brandenburger Tores noch wirklich akzeptabel waren ging es dann sukzessive bergab mit dem negativen Höhepunkt der amerikanischen Botschaft.

    APH - am Puls der Zeit

    Einmal editiert, zuletzt von Apollo (7. Februar 2016 um 23:04)

  • Die alten Gebäude sind zwar schön, aber sie passen heute eben nicht mehr zu Berlin. Berlin wäre heute eine Art zweites Paris, wenn es die Kriegszerstörungen nicht gegeben hätte. Ich finde den Platz so schön, allerdings wäre gerade in dieser Situation eine Rekonstruktion der Ami-Botschaft etwas Atemberaubendes. Würde sich prima neben dem Holocaust-Mahnmal machen. Würde zu Aahs und Oohs führen, wenn man sich das mal so vorstellt. Überall diese schicken modernen Bauten und dann solch ein historisches Ausrufezeichen, das noch mal deutlich vor Augen führt, was hier früher mal gespielt wurde. Da würde die Geschichte Berlins noch mal deutlich fühlbarer. Und es wäre ein Gewinn für alle, auch die modernen Bauten.

    Immer wieder schade, daß man sich selbst ein Minimum an Rekonstruktion nicht traut. :weinenstroemen: