Potsdam - Schlösser und Park Sanssouci

  • Die wilhelminische Geschmacksverirrung vor der Gartenseite von Schloss Sanssouci wurde nicht ohne Grund zum frühestmöglichen Zeitpunkt wieder abgeräumt. Nach der Errichtung der staatlichen Schlösserverwaltung 1927.

    Schloss Sanssouci, Gartenseite (Foto: Flocci Nivis, 10. August 2022, CC-BY-4.0)

    Ich bin da deiner Ansicht, Energium hatte sich energisch gegen die diese "Beseitigung von Geschichtszeugnissen" gewehrt.

  • Bei der "Kiessand-Fläche" je nach Witterung Staub, Dreck, flirrende Hitze - und nicht zuletzt aus den Kammern eine unerfreuliche Ansicht. Die "Wilhelminische Geschmacksverirrung" wird es womöglich gar nicht so schlecht getroffen haben.

  • Konkret für Sanssouci wäre aus Gründen der Praktikabilität zu prüfen, ob eine Kiessand-Fläche wirklich über viele Jahre ("im Original" - aber was ist denn in einem Garten "Original") vor dem Schloss bestanden hat.
    Die Staubbelastung ist nicht unerheblich...

    Na, mein Gudster, da wirst Du doch eine ausführliche, faktenbasierte persönliche Ansicht dazu haben, die du uns hier nicht vorenthalten solltest. Mein Schwerpunkt sind nicht Schlösser und Gärten sondern urbane Strukturen. Ich kenne nur die üblichen zeitgenössischen Darstellungen des Weinbergschlosses, die als eine Freifläche interpretiert werden können.

    Ich kann nur meine Auffassung von "Original" zum besten geben, die sich vermutlich von deiner unterscheidet: für mich ist in Architektur und Freiflächengestaltung das Original diejenige Fassung, die vom Bauherren mit seinem Architekten zuerst ausgeführt wurde. Eine Entwurfsprozess ist ein Dialog zwischen beiden, der sich in der Regel im gebauten oder gepflanzten Werk manifestiert.

    Die beiden großen Schulen der Denkmalpflege, die ich immer Mehrheits- und Minderheitsdenkmalpflege nenne, rekurrieren ja beide beim Thema Rekonstruktion auf diesen Begriff. Während die Potsdamer Denkmalpflege, auch mit augenzwinkerndem Verweis auf die Gestaltungssatzung der Residenzstadt Potsdam von 1920 stets den Zustand nach meiner Definition rekonstruiert (z.B. bei den Mezzaninfenster des Klingnerschen Hauses) sieht die Mehrheitsdenkmalpflege in Berlin nach mehrfacher genereller Ablehnung von Rekonstruktionen stets den letzten Zustand vor der Zerstörung als Basis einer Wiederherstellung. Dieses Spannungsfeld wird von den eher undogmatischen Denkmalpflegern stets versuchts dadurch aufzulösen, dass es immer nur Einzelfallentscheidungen gibt.

  • ... da wirst Du doch eine ausführliche, faktenbasierte persönliche Ansicht dazu haben, die du uns hier nicht vorenthalten solltest. ...

    Ich habe dazu tatsächlich keine gefestigte Meinung.

    Ich weiss nur, dass man heute an einer Stelle wie der oberen Weinberg-Terrasse sehr detailliert archäologisch Untersuchungen machte und sich durch Archivarbeit erst mal Ansichten oder Textbelege erarbeitete, die das konkrete Datum der Anlage der Rasenspiegel dort belegt.

    Leider sind ja durch die Beseitigung der Rasenflächen die Geschichtszeugnisse im Boden stark gestört bis vernichtet.

    Stellen wir uns diese Ansicht mal ohne die "Reifröcke an den Fenstern" vor. Zudem ohne die Yuccas.
    Statt dessen eine Rasenfläche, die mit einer mixed Border gerahmt wird. Und die Orangen- Kübel vielleicht an dem vorderen Weg aufgereiht?

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    Könnte soetwas schon vor 1786 angelegt worden sein?
    Oder hatte der Alte Fritz in einem intimen Schloss immernoch die vorgelagerten eigentlich zu großen befestigten Flächen?

    Weil Fritze das von 1747 an über 39 Jahre lang nicht geändert hatte und eben immer noch NICHT im geänderten Zeitgeschmack angekommen war?

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    Im Übrigen Teile ich die Ansicht

    ... in Architektur und Freiflächengestaltung das Original diejenige Fassung, die vom Bauherren mit seinem Architekten zuerst ausgeführt wurde. Eine Entwurfsprozess ist ein Dialog zwischen beiden, der sich in der Regel im gebauten oder gepflanzten Werk manifestiert...

    für Gärten explizit NICHT.

    Anders als bei einem Gemälde oder einer Gebäudefassade, wo man von einem "fertigen Werk / Entwurfsprozess und Ergebnis" ausgehen kann, sind Gärten ein Stück weit ephemer.

    Gartengestaltungen wechseln im Detail viel öfter, als wir uns heute vorstellen können, weil wir ja denkmalgeschützte Gärten als etwas statisches bewahren wollen...

  • Im Übrigen Teile ich die Ansicht

    für Gärten explizit NICHT.

    Anders als bei einem Gemälde oder einer Gebäudefassade, wo man von einem "fertigen Werk / Entwurfsprozess und Ergebnis" ausgehen kann, sind Gärten ein Stück weit ephemer.

    Gartengestaltungen wechseln im Detail viel öfter, als wir uns heute vorstellen können, weil wir ja denkmalgeschützte Gärten als etwas statisches bewahren wollen...

    Na, ich kenne Gebäudefassaden, die ausgesprochen ephemer sind bzw. waren. Insofern kann ich hier nicht verstehen, warum es nicht ein Original im Sinne eines Gartenkunstwerkes geben soll, dass im Dialog zwischen Entwerfer und Auftraggeber entstanden sein soll. Das kann ja auch eien Varianz von Fassungen bzw. Bepflanzungen, z.B. bei Beeten sein. Im Sinne des Urheberrechtes gibt es dieses Original heute gewiß in Form von Plänen, da es ja auch vor Verunstaltungen geschützt wird. Ich erinnere nur an die vielen Pläne von Pückler, nach denen die Babelsberger Pflanzungen und Staffagen rekonstruiert wurden.

    Diesem Ideal versucht ein Gartendirektor nahezukommen und steht vor den gleichen Zeitschichten- und Interpretationsproblematiken wie der Denkmalschützer der Bauwerke. Auch muss er Surrogate für nicht mehr verwendbare Materialien bzw. Pflanzen finden. Ich kann da keinen großen Unterschied erkennen. Das schliesst natürlich nicht aus, dass ein Gartendenkmalpfleger seine Arbeit für einzigartig und unvergleichbar hält - das wäre menschlich, ist aber dennoch falsch.

  • 1786 auch noch so "steril befestigt" gewesen, oder dem Zeitgeschmack entsprechend stärker durchgrünt?

    Und wenn tatsächlich noch unter Fritze überarbeitet, welche Fassung wäre DIE originale?

    Ortssatzung zur Verhütung der Verunstaltung des Potsdamer Stadtbildes von 1920, § 2: "Maßgeblich [...] ist der Zustand der Gebäude und Anlagen zur Zeit ihrer höchsten künstlerischen Ausbildung".

    Der Denkmalpflege muss also werten und hat keine objektive Grundlage.

  • Die kaiserzeitliche Fassung ist mit den Markisen der zeittypisch, das Stadtschloß hatte dieser Lichtschutze auch bekommen. 1855 sah es noch ganz anders aus:

    Mit 1931 datiert die Stiftung dieses Bild, auf dem die Brunnen noch erkennbar sind:

    1938 soll es so ausgesehen haben:

    Eine Möglichkeit wäre, dass zu Fridrichs Zeit die Begrünung mit Kübeln hergestellt wurde. Hier ein Guckkastenblatt aus dem 18. JH.:

  • Unsere Frage wäre aber, wie es 1785 ausgesehen hat.

    Hat er seit der Errichtung über 40 Jahren nichts verändern lassen an den Terrassen?

    Hat der Bauherr das Gartenkunstwerk in seinem Sinne weiterentwickelt und irgendwann als abgeschlossen angesehen?

    Keine Frage, dass dieser unmögliche Zustand verändert werden musste.

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    Aber gibt es zwischen diesem Beispiel hier und dem Bereich der Rehgartenkolonnade fachlich begründete Unterschiede?

  • Wenn ich dieses Bild sehe, bin ich sehr froh, dass man sich entschieden hatte, die barocke Gartengestaltung zu rekonstruieren. Das Schloss versinkt geradezu in einem Gartenurwald.

  • Das riesige wilhelminische Torgitter hat die Knobelsdorff'sche Architektur konterkariert. Es wurde deshalb schon bald nach der Errichtung der staatlichen Schlösserverwaltung beseitigt. Die korinthischen Säulen müssen hoch aufragen und den Ausblick auf den Obelisken rahmen.

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    Potsdam, Park Sanssouci, Obeliskportal mit Blick zu dem Obelisken, der östlich vor dem Parkausgang steht

    (Foto: Jens Cederskjold, 2. Juni 2016, CC-BY-3.0)

    Die Vasen auf den Säulen fehlten bereits im Jahr 2016. Auf Fotos von 2013 sind sie noch vorhanden. Wahrscheinlich müssen sie restauriert oder durch Kopien ersetzt werden. Mit den Vasen auf den Säulen ist die Komposition noch eindrucksvoller. Hier begegnen einander die griechische Antike und das alte Ägypten.

    Der "Witz" dieses Tores besteht auch darin, dass es eine weitgehende Wiederholung des Rheinsberger Tores ist. FII. wollte damit an seine glücklichen Jahre dort erinnern. Er liebte ja solche Zitate, wie in Potsdam überall zu sehen. Das wilhelminische Gitter von der Weltausstellung hat das sehr verunklärt. Aber dennoch sehr bedauerlich, dass es nach 1927 vernichtet wurde. Die Pendants, das Posttor und das Lindstedter Tor, beeindrucken ja bis heute. Das Tor hätte man sicher anderweitig verwenden können. Aber die kaiserzeitlichen Veränderungen des Parks galten im späteren 20. Jahrhundert als Kitsch. Nicht zu Unrecht durfte der Kaiser alles Mobiliar nach 1888 mitnehmen. Heute würde man gern mehr Kaiserzeit im Neuen Palais zeigen, doch das meiste ist in Doorn oder im Möbeldepot Charlottenburg verbrannt. Bis heute ist es das denkmalpflegerische Ziel die Garten- und Terrassen um Sannsouci, die Neuen Kammern und die Galerie an die Zeit FIIs anzunähern. Da passte das Tor nicht.

  • Die kaiserzeitliche Fassung ist mit den Markisen sehr zeittypisch, das Stadtschloß hatte dieser Lichtschutze auch bekommen. 1855 sah es noch ganz anders aus:

    Pardon, auf der Lithographie sind die Markisen eindeutig zu sehen, nur eingeklappt.

    Sie sind auch nicht kaiserzeitlich und auch keine "wilhelminische Geschmacksverirrung", wie es in einem anderen Beitrag heißt, sondern allenfalls eine friedrich-wilhelminische Geschmacksverirrung, denn sie wurden bereits unter Friedrich Wilhelm II angebracht.

    Beweis:

    Schloss Sanssouci von Südwesten :: Potsdam Museum - Forum für Kunst und Geschichte :: museum-digital:brandenburg

    Spätestens 1918 und noch vor Ende der Monarchie waren sie entfernt, denn in einem Ausstellungskatalog über die Potsdamer Schlösser und Gärten von 1993 finde ich ein 1918 datiertes Foto eines auf der Terrasse von Sanssouci spielenden Kaiserenkel, und dort sind die Markisen nicht mehr zu sehen.

    Auch die Markisen am Berliner Schloß (oder ist doch das Potsdamer Stadtschloß gemeint?) sind deutlich vor-kaiserzeitlich, wie dieses 1830 geschaffene Gemälde von Maximilian Roch (1793-1862) bestätigt, das in der Alten Nationalgalerie hängt.

    https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/f/fc/Maximilian_Roch_-_Lange_Br%C3%BCcke_und_Schloss_1830.jpg?uselang=de

    Die Markisen am Stadtschloss in Potsdam sind anscheinend auch nicht kaiserzeitlich, sondern tauchen bereits auf dieser Lithographie von ca. 1855 auf:

    Teilansicht, Stadtschloß, "Das königliche Schloß in Potsdam". von Potsdam:: Kunst / Grafik / Poster | Antiquariat Clemens Paulusch GmbH

    https://pictures.abebooks.com/inventory/22680024409.jpg

    allerdings erfuhren sie wohl später (wann?) deutlich Zuwachs:

    https://www.maz-online.de/resizer/anL0LdQXuhiCZyE_VY1S4Uj0CM4=/976x709/filters:quality(70):format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/AQOYYPBXTYANY2XXB3NT3A6G6I.jpg

  • À la bonheur, beim Weinbergsschloß ist der Stich von Nagel sogar noch aus der fritzeschen Zeit, 1788, und Nagel war ein Pedant in diesen Dingen. Ich dachte weniger an die Fallarmmarkisen sondern an die viertel-runden Markisen in meinem Bild und an die von Dir zitierte Fotografie des Potsdamer Stadtschlosses. Schön, zu wissen, dass Fallarmmarkisen deutlich früher en vogue waren, als ich gedacht hatte.

  • Schön, zu wissen, dass Fallarmmarkisen deutlich früher en vigue waren, als ich gedacht hatte.

    Ein anderes, zeitlich frühes Beispiel wäre das Château de Malmaison, ab 1799 Besitz von Napoleon und Joséphine, wo über den Fenstertüren auf der Gartenseite Fallarmmarkisen angebracht waren:

    (Gemälde von Pierre-Joseph Petit, um 1805)

    https://www.kunst-fuer-alle.de/php/flexscript.php?script=watermarkimage&inameshort=41_00325848

  • Kurprinz eine Verbesserung in deinem Forumsbeitrag, der Kaiser hat nach seiner Abdankung 1918 erhebliches Mobiliar in sein Exil nach Doorn mitgenommen, 1888 erfolgte seine Krönung zum deutschen Kaiser Wilhelm ll..

    Erstens wurde W II nicht gekrönt und zweitens meine ich die Regelung, die nach 1918 getroffen wurde: pauschal durfte alles was nach 1888 angeschafft wurde mitgenommen werden, der Rest wurde verhandelt.