• Dr. D. W. Schmidt, Ehemaliger des Instituts für Architekturgeschichte an der Universität Stuttgart, hatte diese Nachlässigkeit der Entscheidungsträger in Bezug auf die fehlende Rekonstruktion der Turmspitze auch stets bemängelt.

  • Ich hoffe, dieser Strang passt ... Anbei mal ein paar Bilder von der Bau-Sitaution Eberhardstraße18-22 (aktuell eher noch: Abriss-Situation), die ich unten im Kessel vor ein paar Tagen gemacht habe ... vielleicht sind sie von Interesse, auch wenn man noch nicht viel sieht :)

    Ich denke, das Vorhaben ist den meisten bekannt.

    Generell: Ich finde das Projekt ziemlich gut ... für Stuttgarter Verhältnisse.

    Die Architektur ist nicht wirklich der Brüller in Breitwand. Wie so oft bei Stuttgarter Projekten muss man sich aber auch hier die Ausgangssituation anschauen - und die ist eben leider unterirdisch. Dieser alte Anbau des Kaufhof-Gebäudes ist nicht nur auf den ersten Blick und für sich genommen hässlich, sondern er hat auch Blickbeziehungen vernichtet - gerade an einer Stelle, wo ein relativ intaktes Altstadtgefühl entstehen könnte. Dieser mehrgiebelige Bau repariert das recht wirkungsvoll und baut die bestehenden Altstadt-Reste nach Westen relativ bündig weiter ... was für Stuttgarter Verhältisse geradezu als Sensation bezeichnet werden kann. Noch besser: 1. Wettbewerb-Sieger war eine Schachtel-Architektur mit Schießscharten, die aber auch in den Augen der Stadtverantwortlichen nun so augenfällig hässlich war, dass sie ausnahmsweise rebelliert haben und den Auftrag an ein nachplatziertes Büro vergeben haben - einfach, weil deren Plan altstadtverträglicher ist ... (Wie gesagt: Für Stuttgart ein tatsächlich revolutionärer Vorgang ...)

    Der Anbau in seiner (bereits im Abriss befindlichen) ganzen Schönheit:

    Unter dem straßenüberbauenden Riegel mit Blick auf die Illustration dessen was kommt (die Gebäude ganz recht sind neu ... Die in der Mitte gibt's schon):

    Die Schokoladenseite des Anbaus ... Eigentlich befindet sich hier der Eingang in ein schönes Altstadtquartier. Und gerade hier war das Gebäude besonders abstoßend mit einer schlecht gepflegten, relativ versiffeten Anliefer-Hinterseite mit Müllcontainern ...

    Und das sieht man, wenn man ein Meter in die Geißstraße reingelaufen ist ... wodurch vielleicht klar wird, warum diese Reparatur für die Stuttgarter Innenstadt so wichtig ist:

    Ich hoffe, das hat funktioniert ... Ist da erste Mal, dass ich Bilder hochlade ...

  • Das Bild hatte ich noch vergessen.

    Dieser wunderschöne Anblick bietet sich einem, wenn man das obige schöne Plätzchen mit dem Hans-im-Glück-Brunnen drauf bewundert - und sich dann um 180° umwendet. Das wird durch dieses Bauvorhaben repariert - zumindest so, dass man keinen ästhetischen Schock mehr erleidet ...

    Im idealen Fall hat man danach einen (fast) bruchfreien 360°-Altstadt-Blick ... und das mitten in der Stuttgarter Innenstadt!

  • Vielen Dank für das update zu diesem wichtigen Bauvorhaben.

    wenn man ein Meter in die Geißstraße reingelaufen ist ...

    Dort findet eine Dachsanierung statt, oder? Ich schließe das aus den grünen Planen.

    Und, weißt Du, wann eigentlich die Freifläche neben dem Tagblatt-Turm endlich wieder bebaut wird?

  • Von der Stuttgarter Altstadt hat ausgerechnet der Teil den Krieg überstanden, der eigentlich gar nicht besonders alt ist. Die Häuser rund um den Hans-im-Glück-Brunnen stammen alle aus dem Jahr 1909 und wurden im Rahmen der Altstadtsanierung unter der Leitung von Karl Hengerer erbaut. Das idyllische, beinahe an eine Filmkulisse erinnernde Quartier ist bis heute äußerst beliebt und - in normalen Zeiten - besonders an den Wochenenden gut besucht.

    Hier eine historische Aufnahme aus den 20er Jahren:

    33517-1caaa8cf.jpg

    In dubio pro reko

  • Heimdall: Zu den grünen Planen und der Lücke Eberhardstraße 63 neben dem Tagblattturm kann ich dir leider nichts sagen. Die Fassade Eberhardstraße 65 wurde ja schon länger wieder aufgerichtet (Gottseidank!). Aber auf der Leerstelle dazwischen tut sich soweit ich das erkennen konnte noch recht wenig. Ich kann mir das wenn ich das nächste mal unten bin aber gerne etwas genauer anschauen.

  • Von der Stuttgarter Altstadt hat ausgerechnet der Teil den Krieg überstanden, der eigentlich gar nicht besonders alt ist. Die Häuser rund um den Hans-im-Glück-Brunnen stammen alle aus dem Jahr 1909 und wurden im Rahmen der Altstadtsanierung unter der Leitung von Karl Hengerer erbaut. Das idyllische, beinahe an eine Filmkulisse erinnernde Quartier ist bis heute äußerst beliebt und - in normalen Zeiten - besonders an den Wochenenden gut besucht.

    Hier eine historische Aufnahme aus den 20er Jahren:

    33517-1caaa8cf.jpg

    Wurden die Häuser ohne Fachwerkanteil gebaut und haben deswegen überlebt oder wurde dieser Teil der Altstadt einfach weniger stark getroffen? Wenn man sich diese alte Aufnahme ansieht, könnte man auch jetzt noch einiges machen um das Viertel zu verschönern.

    Hat die Schönheit eine Chance-Dieter Wieland

  • Wurden die Häuser ohne Fachwerkanteil gebaut und haben deswegen überlebt oder wurde dieser Teil der Altstadt einfach weniger stark getroffen?

    Besonders der zweite Punkt dürfte zutreffen. Tatsächlich wurde dieser Bereich um die Eberhardstraße von den Luftangriffen kaum getroffen.

    Daher steht sogar noch das Geburtshaus von Georg Wilhelm Friedrich Hegel, als eines der wenigen erhaltenen "echten" Altstadthäuser.

    In dubio pro reko

  • Aber warum hat man damals ein veritables Altstadtviertel "saniert", spricht beseitigt? Oder blieb außer dem Hegel-Haus sonst auch etwas erhalten?

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Zitat

    Der Architekt Karl Hengerer leitete in den Jahren 1906 bis 1909 die Altstadt-Sanierung, und Zeitler war „sein“ Bildhauer. Ende des 19. Jahrhunderts waren die ältesten Teile der Altstadt ziemlich heruntergekommen – schmutzig, dunkel, stickig. Man fürchtete Brände und Seuchen. Da trat der Bankier, Sozialreformer und Sponsor Eduard Pfeiffer auf den Plan, der eine neue Altstadt errichten wollte. Pfeiffer ließ Geiß-, Stein- und Eberhardstraße komplett umpflügen, riss unbeirrt die teils mittelalterlichen Gebäude ab und errichtete neue. Im Mai 1909 wurde das Quartier nach dreijähriger Sanierung eröffnet. Der Hans-im-Glück-Brunnen war sein i-Dipfele.

    Quelle: https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.geschic…3a733bde23.html

  • Eigentlich ein sehr interessantes Phänomen, das sogar einzigartig sein dürfte. Ansonsten gab es ja oft diese Motivlage, wie zB in der Prager Judenstadt. Einige Städte haben damals ihre Altstadt eingebüßt, zB Brünn, Köln, zuvor schon Paris, auch leider Wien über gewisse Strecken, aber herausgekommen sind immer gründerzeitliche Quartiere (mitunter auf engem, altem Grundriss), aber nie so etwas wie eine neue "Altstadt". Da scheint Stuttgart seiner Zeit vorausgewesen zu sein. Schade, dass diese Idee nach dem 2. WK nicht wieder aufgegriffen wurde...

    Ich hatte zwar von dem Viertel hier gehört, es aber mehr für eine gründerzeitliche Erweiterung gehalten.

    Wie üblich dürfte man übers Ziel geschossen haben... Ist außer dem Hegelhaus nichts erhalten?

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Innerhalb der (ersten) Stadtmauer existiert tatsächlich außer dem Hegelhaus und ein paar weiteren Häusern nichts mehr von der historischen Altstadt. Im 15. Jahrhundert wurde diese jedoch erweitert, es entstand die Leonhardsvorstadt. Hier sind einige Gebäude erhalten geblieben, vom Spätmittelalter über Barock bis zum 19./20. Jahrhundert. Leider trennt heute die Stadtautobahn B14 dieses Gebiet vom Rest der Innenstadt, so dass der wahrnehmbare Zusammenhang fehlt.

    In dubio pro reko

  • Naja, so ganz stimmt das nicht. In der Eberhardstraße stehen neben dem Hegelhaus noch zwei oder drei andere erhaltene Fachwerkbauten.

    Daher schrieb ich ja auch "und ein paar weiteren Häusern". Genau genommen liegen aber auch diese am Rande der einstigen Stadtmauer, deren Verlauf heute in etwa durch die Eberhardstraße gekennzeichnet ist.

    Sind damit die Häuser in der Calwer Straße gemeint? Die liegen doch noch innerhalb der ersten Stadtmauer, oder?

    Nein, die liegen außerhalb der "Inneren Stadt" in der zweiten Stadterweiterung, der "Oberen bzw. "Reichen Vorstadt". Die Grenze bildete der "Große Graben", die heutige obere Königstraße. Dieses Gebiet wird heute ebenfalls künstlich getrennt, durch die breite Theodor-Heuss-Straße (B27).

    Die eigentliche innere Altstadt war eigentlich recht klein und auch bereits vor dem Krieg schon durchsetzt von neueren Bauten der Gründerzeit. Außerdem trugen der Bau des neuen Rathauses und die Altstadtsanierung von 1909 zum Verlust der mittelalterlichen Bausubstanz bei. Wirklich wertvoll war insbesondere die Bebauung am Marktplatz und seiner direkten Umgebung.

    In dubio pro reko

  • Lieber typo2708,

    das hatte ich wohl überlesen bzw. falsch verstanden. Ich bitte hierfür um Entschuldigung.

    Was mich interessiert, und wobei du mir vielleicht helfen kannst: Gibt es heute in der Reichen Vorstadt noch, mit Ausnahme der Calwer Straße, noch ein erhaltenes Wohngebäude? Ich meine, dass das abgerissene Wengerterhaus in der Firnhaberstraße 1 das letzte seiner Art in diesem Gebiet war. Dieser ungeheuerliche Vorgang und absolute Skandal vollzog sich damals vor meinen Augen, da ich im angrenzenden Seminar zugegen war. Völlig irre und für mich immer noch absolut unfassbar.

    Hier ist es übrigens noch auf Google Maps zu sehen. Wer wissen möchte, was sich nun dort befindet, sollte sich einen Kotzeimer bereitstellen:

    3 Firnhaberstraße - Google Maps

  • Es gibt in der Neuen/Reichen Vorstadt nur den erhaltenen Teilabschnitt der Calwer Straße. Im Hospitalviertel, das auch dazu gehört, existieren noch ein paar Vorkriegshäuser, allerdings aus neuerer Zeit. Eines davon ist das Eckhaus Büchsenstraße/Heustraße von 1907.

    Link

    Ein weiteres Gebäude von 1899 blieb in der Fritz-Elsas-Straße erhalten:

    Link

    Ansonsten ist die bauliche Historie der Neuen Vorstadt leider im 2. Weltkrieg (und danach) untergegangen.

    In dubio pro reko