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Wie ist eigentlich Eure Meinung zur Bebauung am Platz? Wäre es möglich, daß die Bauten irgendwann als typische Vertreter des Wiederaufbaus unter Schutz gestellt werden?
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Ich bin seit jeher (manchmal fast unvernünftig) optimistisch, was Rekonstruktionsvorhaben betrifft – zumal wenn es um zentrale Vorhaben geht, die für die Seele einer Stadt von überragender Bedeutung sind. Meine Erfahrung ist: Sehr oft setzt sich da letztlich der gesunde Menschenverstand durch (Beispiele: Frankfurter Altstadt, Dresdner, Berliner Schloss … usw.)
Es tut mir in der Seele weh. Aber (ausgerechnet) für die Stadt, in der ich wohne, gilt das nicht.
Eher würde sich die Erdkugel spontan plötzlich in die andere Richtung drehen, als dass am Stuttgarter Marktplatz auch nur ein Haus rekonstruiert wird.
Einfacher Grund: Ich glaub tatsächlich, dass es in dieser Stadt – anders als z. B. in Frankfurt, Dresden oder Potsdam – keine Mehrheiten für so ein Vorhaben gibt.
Die Leute glauben wirklich diese von Modernisten gefütterten Klischees von wegen „Die Zeit ist vorbei. Das was verloren gegangen ist, kann man nicht mehr zurückholen. Willst du wirklich leben wie zu Königs Zeiten? Wir können uns die Vergangenheit durch Fake-Bauten nicht zurechtlügen ... usw. …“
Über die Ursachen kann man trefflich streiten. Am ehesten fallen mir da zwei ein:
- Es mag manche Auswärtige wundern. Aber viele Stuttgarter sind tatsächlich davon überzeugt, dass sie in der schönsten Stadt Deutschlands wohnen: Der Schlossplatz! Die Weinberge! Die Halbhöhe! Der Fernsehturm! Die Wilhelma! Die Oper! Der Eckensee! Stuttgart 21!! (Sorry, kleins Späßle ?)… usw. Sprich: Es gibt bezüglich des Marktplatzes einfach keinen echten „Phantomschmerz“ … zumindest nehme ich einen solchen in meinem Umfeld und bei meinen Bekannten nie wahr.
- Die Stuttgarter Zeitung: Diese Zeitung haut wirklich JEDES Rekonstruktionsobjekt, das in Dtld. umgesetzt wird systematisch in die Pfanne, füttert in der Bürgerschaft sehr stark das Bewusstsein, dass Stuttgart v.a. auf seine moderne Architektur stolz zu sein hat – und „framed“ sehr stark, dass Abgegangenes zwar zu beweinen ist – aber es keinerlei Chance gibt dieses zurückzuholen.
Fazit, um auf deine Frage zurückzukommen. Natürlich werden diese Bauten am Marktplatz irgendwann unter Schutz gestellt. Mich wundert's eigentlich, dass das nicht schon lang passiert ist. In Stuttgart gibt es schon eine ganze Reihe hässlichster 70er-Jahre-Blöcke, die in der Denkmalliste stehen. Die Hoffnung, dass die Dinger am Marktplatz irgendwannn fallen, um Rekonstruktionen Platz zu machen, hab ich schon lang aufgegeben. Hier ist schon viel erreicht, wenn zumindest MANCHE hässliche Bauten der 60er/70er Jahre durch (halbwegs) erträgliche Neubauten ersetzt werden. Das findet tatsächlich häufig statt … und versöhnt einen zumindest halbwegs (für den Alltag).