• Das Gerber ist eine klare Verbesserung gegenüber der vorherigen Bebauung, mir gefällt auch der Stil der Architektur. Der einzige Altbau an der Ecke Sophienstraße wird erhalten und integriert. Bei diesem Projekt habe ich keine Einwände.

    Soll es DAS wirklich sein, was wir uns hier im Forum wünschen? Alles was neu gebaut wird in der Stuttgarter Innenstadt, kann zu 90 % nur eine Verbesserung darstellen. Ich bleibe bei meiner Kritik: Die Architektur gefällt mir deshalb nicht, weil sie schlecht proportioniert ist. Der "Oberbau" sieht aus wie aufgepfopft. Ich halte die Kritik durchaus nicht für überzogen. Hätte sich der Dresdner Rat mit den ersten Entwürfen für die Frauenkirche zufrieden gegeben, wäre auch nichts gescheites herausgekommen, obwohl der erste Entwurf eindeitig eine Verbesserung des Ist-Zustandes darstellte. War auch keine Kunst. Das gleiche gilt hier. Die Ecklösung ist im Ansatz gut, in der Umsetzung jedoch wenig zufriedenstellend.

    Der deutsche Pfad der Tugend ist immer noch der Dienstweg.

  • Na dann können wir die Diskussion ja einstellen!

    Meinem Empfinden gemäß, führt diese aber sowieso vollkommen am Thema vorbei. Im Artikel ging es doch nicht nur um Fassaden, die hier nicht selten als einziger Indikator für gute Architektur und Städtebau angesehen werden.
    Worum es vielmehr ging, sind stadtstrukturelle Fragen. Wie sieht die Körnung aus? Was ist mit der Funktionsmischung? Was für eine Verkehrspolitik betreiben wir? Macht es Sinn, in einer vom Individualverkehr ausgeweideten Stadt, weitere Anreize für den Individualverkehr zu schaffen? Macht es Sinn, die Stadt wider besseren Wissens funktional weiter zu fragmentieren?
    Die naive Außenarchitektur des Gerber ist doch vollkommen uninteressant. Wichtig hingegen ist die Tatsache, dass hier der Stadt ein riesiger monofunktionaler Klotz aufgedrückt wird, dessen wenige Luxuswohnungen eher Alibicharakter besitzen. Wichtig ist, dass die gewachsene Handelsstruktur (oder auch nicht) durch einen optimierten Investorenmix ersetzt wird.
    Das Ringen um die Stadt ist halt mehr als der Streit um Fassaden. Aber bitte...

    Wahre Baukunst ist immer objektiv und Ausdruck der inneren Struktur der Epoche, aus der sie wächst. Ludwig Mies van der Rohe

  • Zitat

    Denn nun zu den Halbhöhen- und Höhenlagen. Sie sind in vielen Bereichen kaum zerstört gewesen – und machen deswegen bis heute einen erheblichen Reiz der Stadt aus.

    Hier gebe ich dem Autor völlig recht, immer wieder gibt es hier Abrisse und sehr unschöne Neubauten in einem weitgehend intakten Umfeld. Teilweise wird an ein vorhandenes, attraktives Gebäude auch ein modernistisches Anhängsel angebaut, was die Ensemble-Wirkung ebenfalls zerstört.

    Zitat

    Aber es ist nicht allein das runde Dutzend innerstädtischer Großprojekte, das die Identität Stuttgarts bröckeln lässt.

    Die meisten Abrisse erfolgten in der Nachkriegszeit bis in die 70er, als der U- und S-Bahnbau zugleich den willkommenen Anlaß bot, noch mehr alte Bausubstanz abzureißen. Mit "Identität" sind hier also wohl eher die jetzt vorhandenen Bauten aus den Jahren 1950 bis 1970 gemeint...

    Zitat

    An dieser Stelle bricht eine Nowhere-Architektur in coolem Glas-Schick mit der Parzellenstruktur des Stuttgarter Südens

    Hier stand vorher der im obigen Bing-Link noch sichtbare vieleckige Beton-Klotz, selbst hier ist das Caleido ein deutlicher Fortschritt.

    In der Stuttgarter Innenstadt wird der Verkehr über einige wenige vielspurige Straßen geführt, dafür ist der überwiegende Teil des Zentrums eine Fußgängerzone. Also wird man die jetzige Verkehrsführung beibehalten müssen. Gleichzeitig sind Grundstücke dort sehr teuer, also wird man kaum bezahlbare Wohnungen errichten können.

    Und eine "innenstadtverträgliche, bisherige, abwechslungsreiche Struktur" konnte ich da bislang auch nicht erkennen, die Fußgängerzone in der Marienstraße bietet ja praktisch nur Döner-Läden, Spielotheken und sonstige Schnell"restaurants".

  • Stimme bilderbuchs Meinung vollumfänglich zu - es muss natürlich auch um Fassaden gehen, da diese nunmal das Gesicht des Hauses darstellen. Das Gerber ist natürlich erträglicher als der Schrott, den es ersetzt, wäre ja auch schlimm wenn nicht.

    Für das Leben in und mit einer Stadt noch wichtiger sind aber genau bilderbuchs Punkte. Was machen wir mit dem MIV? Wieviel Kleinteiligkeit wollen wir? Wollen wir die überholte Funktionstrennung (Charta von Athen) weiter zementieren (also Innenstadt = Büro, neuerdings nur gespickt mit ein paar Schickimicki-Dachgeschosswohnungen)? Bestehen wir auf Blockrandbebauung?

    Das sind auch aus meiner Sicht die viel entscheidenderen Fragen für den Städtebau der Zukunft, eine gesunde, kleinteilige und lebendige Nutzungsmischung ergibt aus meiner Sicht automatisch mehr architektonische Qualität, ähh, oder war es umgekehrt ;) ?

  • Zitat

    Das Ringen um die Stadt ist halt mehr als der Streit um Fassaden. Aber bitte...

    bilderbuch, Heinzer

    Sicher - für das Stadtbild spielen sie jedoch eine ganz wesentliche Rolle!

    Von Pfälzer Bub wurde der Aspekt der Fassaden heraus gegriffen und diesbezüglich wird das Gerber tatsächlich und keine selbstverständliche Verbesserung gegenüber dem, was zuvor dort stand, dessen was in jüngster Zeit in Stuttgart entstanden ist oder noch entstehen wird...

    Ich halte es darüber hinaus für naiv zu glauben, mit dem Fokus auf und der Realisierung kleingliedriger Strukturen würde mehr oder weniger zwangsläufig eine Verbesserung der Stadtbilder einhergehen: http://www.liapor.com/images/de_pres…stanz_bild1.jpg (Beispiel eines jüngeren Neubaus auf kleingliedriger Parzelle, Hussenstraße, Konstanz)
    Der Wettbewerb um die neue Altstadt Frankfurts zeigt aus meiner Sicht, dass mittels Kleinteiligkeit modernistische Ausgeburten nicht verhindert werden.
    Die Wahrnehmung eines Ensembles funktioniert vor allem über die gebauten Fassaden. Neue sind an der Qualität der traditionellen Gestaltung zu messen. Wo sich Bauherren wie Architekten nicht an das Gestaltungsvokabular des überlieferten Stadtbildes halten, eine Orientierung in der modernistischen Interpretation des Vorgefundenen besteht und Gestaltungssatzungen gezielt umgangen werden, sind die eingebrachten Aspekte differenzierter Besitzverhältnisse von Grundstücken, tatsächliche oder angedeutete Parzellen und eine hohe Nutzungsmischung ohne Belang für das Stadtbild.

  • Was du schreibst, ist ja vollkommen richtig. Allerdings zielte meine Kritik auf etwas anderes. Mir ging es nämlich weniger um das Stadtbild, als vielmehr die gewachsene Stadtstruktur, die durch solche "Megainvestitionen" vollkommen negiert, ja letztlich ausgelöscht wird.
    Ästehtik war hier für mich - ähnlich wie dem Autor des Artikels - eher zweitrangig. Aber wenn wir eine Stadt gegen Retorte tauschen wollen und dies auch noch als Verbesserung feiern, ist Widerspruch durchaus berechtigt.

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  • Eine gewachsene Stadtstruktur gab es da aber auch vorher nicht mehr - wenn das Wetter mitspielt, fahre ich mal hin und mache einige weitere Fotos.

  • Ich muss zu meiner Schnade gestehen, dass ich mich bisher überhaupt noch nicht mit dem Projekt beschäftigt hatte.
    Nun allerdings habe ich mir den betreffenden Block einmal bei bing angesehen sowie die Projektseite besucht. Und was soll ich sagen; natürlich besteht die Bebauung fast nur aus banalem Nachkriegsschrott, der allerdings an den Parzellengrößen eben doch noch die gewachsene Stadtstruktur erkennen lässt. Denn auch wenn die Gebäude meist neueren Datums sind, ist die Körnung/Parzellierung eben historisch.
    Nachdem ich mir zudem die Visualisierungen angesehen habe, kann ich die "Begeisterung" für das Projekt nur noch weniger nachvollziehen. Hier wird doch eine Kiste geplant, die man so nur etwa in Baku vermuten würde. Die Proportionen sind ungeschlacht, der Massenaufbau lächerlich unbeholfen. Hier besteht die architektonische Verbesserung ausschließlich in der Neuwertigkeit. Über den Rest möchte ich heute lieber einmal schweigen.

    Wahre Baukunst ist immer objektiv und Ausdruck der inneren Struktur der Epoche, aus der sie wächst. Ludwig Mies van der Rohe

  • Nachdem ich mir zudem die Visualisierungen angesehen habe, kann ich die "Begeisterung" für das Projekt nur noch weniger nachvollziehen. Hier wird doch eine Kiste geplant, die man so nur etwa in Baku vermuten würde. Die Proportionen sind ungeschlacht, der Massenaufbau lächerlich unbeholfen. Hier besteht die architektonische Verbesserung ausschließlich in der Neuwertigkeit. Über den Rest möchte ich heute lieber einmal schweigen.

    Endlich versteht mich jemand! :biggrin:
    Aber Spaß beiseite, die Fassade in Berlin, bei einem gelungenen Bauwerk der klassischen moderne zu klauen (oder schlecht zu kopieren), ist echt peinlich! Ich mag solche Investoren-Großprojekte auch nicht leiden. Was wäre die Alternative?
    Bezug zur schwäbischen Umgebung (Putzfassaden, Sprossenfenster und –Gott behüte!– Klappläden, verbieten sich sich der High Tech-Metropole Stuttgart natürlich (Achtung Ironie). Auf pseudohistorischen Schmonz wie "Townhouses" jeder Couleur, kann ich auch verzichten. Man kann halt ein, wie es hier so schon heißt, "feinkörniges" Stadtviertel nicht auf dem Reißbrett entwerfen. Vielleicht sollte man einfach das ganze Areal in Parzellen, Gassen und Plätze aufteilen und dann einen ähnlichen Wettbewerb wie für das Dom-Römer-Areal veranstalten. Es wäre spannend zu sehen, was da rauskäme!

    Der deutsche Pfad der Tugend ist immer noch der Dienstweg.

  • Das Problem mit diesem Vorschlag:

    Er wäre nicht finanzierbar, es "rechnet" sich nicht. Außerdem interessieren solche Aspekte im Stuttgarter Raum schlicht niemanden, außer den 3 Forumsmitgliedern aus der weiteren Umgebung, die hier im Forum angemeldet sind.

    Und natürlich ist es ein großer Fortschritt, ähnlich wie die Königsbau-Passagen - Startseite - die sind zwar auch nur ein Einkaufszentrum, aber verglichen mit den tristen Nachkriegs-Provisorien eine ganz deutliche Aufwertung. Projekte wie in Dresden oder Frankfurt werden hier sicherlich nie kommen - leider!

  • Als in Berlin in der Leipziger Straße das Kaufhaus Wertheim gebaut wurde war es mit den Parzellen auch vorbei, es entstand eben ein großer Baukörper, der einen ganzen gewaltigen Straßenabschnitt einnahm, aber nicht zum Nachteil für das Areal. Nicht viel anders ist es hier, es entsteht eben ein großes Kaufhaus mit entsprechendem Platzbedarf. Mit Messels Wertheim in Berlin will ich die Architektur gar nicht vergleichen, aber ich finde es dennoch ästhetisch von der Gestaltung her. Sogar Rundbogengenfenster sind vorgesehen, das findet sonst man bei keinem "modernen" Gebäude. Die Fassaden bedeuten auf jeden Fall eine Aufwertung im Vergleich zur vorherigen Bebauung.

    In dubio pro reko

  • Hier wie angekündigt einige Fotos aus dem Umfeld:

    Picasa Web Albums - Stephan Baumeister - Gerber

    Abgesehen vom Platz vor der katholischen Kirche St. Maria nicht wirklich attraktiv, auch die Bebauung Richtung Westen ist eher unschön, obwohl hier deutlich mehr historische Bausubstanz erhalten ist (wirklich schön wird es erst in Hanglage, siehe auch mein letztes Album zum Stuttgarter Süden/Westen hier im Forum). Dazu noch ein eher dubioses Publikum... wie dem auch sei: die Ecke kann sich nur verbessern.

  • Hässlich aber trotzdem urban. Erinnert mich ein bißchen an Teile der Kaiserslauterer Innenstadt. Mit Fassadensanierungen und einzelnen Neubauten ließe sich hier sicherlich einiges bewirken. Wie ist denn die Sozialstruktur/ Gebäudesubstanz? Ein "weißer Elefant" wie das Gerber, wird der Gegend sicherlich nicht guttun! Es wird zur Verdrängung und Verödung beitagen.
    Interessant: Fällt euch auf dem Bild was auf? :biggrin:
    https://lh6.googleusercontent.com/-quHXOH-VQg4/T…MG_1056_DxO.jpg

    Der deutsche Pfad der Tugend ist immer noch der Dienstweg.

  • Zitat

    Mit Fassadensanierungen und einzelnen Neubauten ließe sich hier
    sicherlich einiges bewirken. Wie ist denn die Sozialstruktur/
    Gebäudesubstanz?

    Wir reden hier von Stuttgart - und hier wird nach wie vor historische Bausubstanz abgerissen, auch in völlig intakten Vororten. Hier läßt man das erhaltene Altstadtviertel im Zentrum zu einem schmuddeligen Rotlichtviertel verkommen (Leonhardsviertel: Die vergessene City - Stuttgarter Nachrichten) - obwohl man daraus ein gemütliches Ausgehviertel mit Tübinger Flair machen könnte. Irgendein Projekt wie in Dresden oder Frankfurt ist hier schlicht ausgeschlossen...

    Das momentane Angebot ist genau an das Publikum angepaßt - Hamburger- und Döner-Läden, Billig-Asia-Imbisse, Sonnenstudios und Sex Shops. Und für die verbliebenen Einheimischen noch ein paar Bio-Läden :cool:

  • Tja, die architektonische Misere in der Stuttgarter Innenstadt geht weiter und zwar mit dem folgendem Projekt :kopfwand: :


    Zitat


    Grundsteinlegung für Projektentwicklung ‚Pauline’ in Stuttgart – Siebengeschossiges Büro- und Geschäftshaus an der Paulinenbrücke ab Sommer 2013 bezugsfähig.

    Die Projektentwicklung ‚Pauline’ der STRABAG Real Estate GmbH, Bereich Stuttgart, hat einen wichtigen Meilenstein erreicht. Nach wechselvoller Vorgeschichte wird heute im Beisein von Stuttgarts Oberbürgermeister Dr. Wolfgang Schuster der Grundstein für das Büro- und Geschäftshaus an der Paulinenstraße in der baden-württembergischen Landeshauptstadt gelegt.


    Grundsteinlegung für Projektentwicklung ‚Pauline’ in Stuttgart - Immobilien-Newsticker

    In der Altstadt die Macht, im Kneiphof die Pracht, im Löbenicht der Acker, auf dem Sackheim der Racker.

    Hätt' ich Venedigs Macht und Augsburgs Pracht, Nürnberger Witz und Straßburger G'schütz und Ulmer Geld, so wär ich der Reichste in der Welt.

  • Man könnte meinen, wir schreiben das Jahr 1963. Ich hätte da auch noch ein tolles hitzebeständiges Material zu empfehlen: Es nennt sich Asbest und ich denke, es wird sich in den nächsten Jahrzehnten auf dem Baumarkt etablieren...

    Ich entschuldige mich von Herzen für meine früheren arroganten, provokanten, aggressiven und unfreundlichen Beiträge!
    Jesus ist mein Herr und Retter!