Berlin-Moabit und Hansaviertel

  • Man muss sich nur einmal Bilder der Leipziger Straße bei Kriegsende ansehen. Es standen noch zahlreiche wiederaufbaufähige bzw. weitgehend intakte Gebäude. Heute existieren gerade mal noch 5 davon. Dies widerlegt auch Heinzers Aussage, dass der Abriss nur an "einzelnen Stellen" und aus der Not heraus erfolgte. Nein, in Berlin wurde unglaublich viel erhaltene Bausubstanz nach dem Krieg beseitigt, soviel wie in keiner anderen deutschen Großstadt.

    In dubio pro reko

  • Man muss sich nur einmal Bilder der Leipziger Straße bei Kriegsende ansehen. Es standen noch zahlreiche wiederaufbaufähige bzw. weitgehend intakte Gebäude. Heute existieren gerade mal noch 5 davon. ...

    Du weißt schon, dass die Leipziger Straße im Ostsektor lag? Da galten noch ganz andere Prämissen.

  • Man muss sich nur einmal Bilder der Leipziger Straße bei Kriegsende ansehen. Es standen noch zahlreiche wiederaufbaufähige bzw. weitgehend intakte Gebäude. Heute existieren gerade mal noch 5 davon. Dies widerlegt auch Heinzers Aussage, dass der Abriss nur an "einzelnen Stellen" und aus der Not heraus erfolgte. Nein, in Berlin wurde unglaublich viel erhaltene Bausubstanz nach dem Krieg beseitigt, soviel wie in keiner anderen deutschen Großstadt.

    Bitte nicht die Dinge vermischen. Mir ging es erkennbar um die unmittelbare Nachkriegszeit (also die Phase vielleicht bis 1947) und um den flächigen Abriss von Wohngebäuderuinen wie im Hansaviertel oder im Hamburger Osten. Hier im Forum klingt (auch z.B. in Bezug auf das brutal zerstörte Stephaniviertel in Bremen) dann immer wieder an, dass diese flächige Räumung solcher Viertel bereits von einer modernistisch ideologisierten Verwaltung wider besseres Wissen "durchgesetzt" wurde, ja sogar der in Wahrheit viel geringer als kolportierte Zerstörungsgrad im Nachhinein verfälscht worden sei, um Flächenabrisse zu rechtfertigen. Davon kann aber einfach keine Rede sein, hier wiederum ist es Eure Ideologie, die den Blick trübt. Es handelte sich hier um statisch meist hochunsichere, durchgehitzte Gebäuderuinen, deren Straßenfassaden trotz der Bomben vielleicht noch ganz gut aussahen, die aber nur mit einem erheblichen Aufwand wirklich gerettet hätten werden können. Das schließt einzelne überflüssige Abrisse oder die Tatsache, dass man es mit den heutigen Ressourcen und dem heutigen Wissen vielleicht anders gemacht hätte, nicht aus.

    Dass insgesamt in Ost wie West wiederaufbaufähige Ruinen und sogar weitgehend intakte und/oder wiederhergestellte repräsentative Gebäude aus der Gründerzeit v.a. in den 50er und 60er Jahren abgerissen wurden und hierbei auch ideologisch vorgegangen wurde, habe ich mit keinem Wort bestritten, im Gegenteil sogar selbst in zahlreichen Strängen auf derartige Unerfreulichkeiten hingewiesen.

  • Königsbau: genau: es gibt hunderte von Beispielen dazu.

    - Wohnbauten wurden massenhaft beiseitigt rund der Frankfurter Allee, wo ideologisch oder Stadteplanerisch begründete Neubau geplannt war.
    - Am Marienplatz standen noch sehr schöne Bauten. Die Marienplatz existiert heute gar nicht mehr. Alle Bauten beiseitigt, Politisch/ideologich.

    - Rund die Mauer wurde Vieles beiseitigt um Schussstreifen zu schaffen, also auch politisch/ideologisch.
    - Eind dutzend schöne Kirchtürme wie Georgenkirche und Petri Kirche: gesprengt!!! Heute fehlen diese markante Bauten, aber passen auch nicht
    mehr in einer ganz modernen Umgebung. In 1945 stand noch Vieles rund der Petrikirche was aufbaufähig war. Heute: nur modernes Zeug.

    - Ost & West: unzählige historische Wohnbauten wurden bis unerkennbar "vereinfacht". Vorbild: Fontänepromenade.

    - Völlig intakte Vineta Platz Viertel und Rollbergen Viertel wurde anfang 70-er Jahren von hässliche billgneubau ersetz.

    - Mehringplatz und Kottbusser Tor: es hätte nicht schlimmer gekönnt.....hier war Wiederaufbau dringend nötig gewesen statt reiner Schrott.

    - Mitte: Leipziger Strasse, Dönhoff Platz: viele markante Bauten waren tatsäglich wiederaufbaufähig wie das wunderbare Hertie Kaufhaus.
    Heute fehlen diese grosse historische Bauten im Stadtbild Berlins. Gilt auch für Museum für Völkerkunde, und bestimmt wiederaufbaufähige
    Bauten wie das Haus Vaterland. Weis noch heute nicht warum hier Tabula Rasa gemacht wurde...... War doch einmalig urban!!

    - Die beiseitigung nach 2000 historischer Substanz in die Rosinenstrasse entlang der UdL is wieder ein Beispiel rücksichtsloser Abbruch statt
    Heilung. Was heute rund die Ruinen des ehemalige Tacheles vorgeht hätte auch historisch wertvoller Architektur zurückbringen können, aber
    so etwas ist ideologisch offenbar (und wieder leider) nicht erwünscht von Architekten und Stadtplaner.

    In Rosselini's Film 'von 1948 kann man selber beurteilen wie schlimm die Ruinen im Zoo-viertel aussahen und ob die überhaupt aufbaufähig waren. Ekonomisch und praktisch kann man besser eine Ruine abtragen und alles ganz neu bauen, dann so viel wie möglich benutzen. Berlin und D. wollten damals auch "Neu" und "Modern" sein und nicht so viel wie möglich zu retten und heilen.

  • In erster Linie wollte man in Berlin wohl Wohnraum für die obdachlose oder auf engstem Raum hausende Bevölkerung schaffen. Und West- und Ostberlin zusammenzuwerfen ist unseriös - da gab es deutliche Unterschiede im Vorgehen.

  • Man kann es hier nur zum 100-sten Mal wiederholen: Wenn das Mauerwerk noch bis zum Dach stand, das Dach und die Holzbalkendecken aber abgebrannt waren, heisst das noch lange nicht, dass das Mauerwerk problemlos wiederverwendet werden konnte. Auch Mauerwerk glüht aus (sei es Bruch- oder Backstein) und ist dadurch in seiner Tragfähigkeit sehr eingeschränkt. Wäre eine solche Brandruine wiederaufbaufähig gewesen, hätte man wiederum grosse Räume mit ihren grossen Raumhöhen erhalten, in die dann nur wenige Leute hätten einziehen können. Also ein immenser Aufwand für wenige Leute. Die Prämisse war doch, in kurzer Zeit Wohnraum für viele Obdachlose oder Menschen aus Notwohnungen zu erhalten, was man mit dem Wiederaufbau von Gründerzeithäusern nicht erreicht hätte. Eine Ideologie dahinter sehe ich auch nicht. Klar war es doch, dass die Verkehrsplaner die Gelegenheit beim Schopf packten und sich für 'ihre' Verkehrsschneisen einsetzten. Schliesslich war es auch ihr Auftrag.

    Nicht auszudenken die zahlreichen Unfälle mit Menschenleben durch immer wieder einstürzendes Mauerwerk, wurden doch beim Wiederaufbau auch viele Laien eingesetzt. Von Schutzvorschriften wie heute war man damals noch weit entfernt. Ich war schon mehr als einmal in Brandruinen drin gewesen und war immer wieder froh, wenn ich heil draussen war. Stellt euch selbst einmal eine fünfgeschossige Brandruine vor, bei der vielleicht die untersten zwei bis drei Decken noch vorhanden sind. Wie würdet ihr vorgehen?

    Schaut nochmals das Video vom Grossbrand am Zürcher Bahnhofplatz vor zwei Jahren an; der Wiederaufbau dieser Häuser ist ein grosser Luxus, der nur in Wirtschaftsmetropolen wie Zürich möglich ist, nicht aber in einer Stadt, wo grosse Not herrschte:

    https://www.tagesanzeiger.ch/contentstation…tPopularComment

  • So sah die Leipzger Straße im Herbst 1945 aus:

    http://upload.wikimedia.org/wikipedia/comm…Stra%C3%9Fe.jpg

    All die Häuser auf beiden Seiten wurden NACH Kriegsende beseitigt. Glaubst du wirklich, dass das notwendig bzw. unumgänglich war? Denn so schwer zerstört sehen die Gebäude gar nicht aus. Genauso war es an der Tauentzienstraße im Westen und vielen anderen Straßen und Plätzen.

    Es war eine planmäßige Beseitigung von reparabler Bausubstanz, in Berlin (Ost und West) wie in keiner anderen Stadt durchgeführt. Bis heute verschleiert als Kriegsverluste.

    In dubio pro reko

  • Ich dachte, wir sprechen hier über das Hansaviertel?

    Aber sei's drum, reden wir über die Leipziger Straße. Was ist auf dem Foto erkennbar? Wir sehen zwei Grundstücke, auf denen die Häuser fehlen - wohl eingestürzt. Wir sehen leere Fensterhöhlen links. Wir sehen keine Dächer - der Aufnahmewinkel lässt das nicht zu. Es ist aber auf Grund der fehlenden Fenster anzunehmen, dass die meisten Dächer fehlen. Alles deutet darauf hin, dass die Häuser in der Leipziger Straße nicht Sprengbomben, sondern Brandbomben zum Opfer gefallen sind. Letztere hinterlassen ein vergleichsweise harmloses Schadensbild - Feuer vernichtet eben nur die brennbaren Bauteile. Aber, wie Riegel sehr deutlich beschrieben hat, eine ausgeglühte Gebäudehülle ohne Dach und Decken ist höchst instabil und eine echte Gefahr für Leib und Leben.

    Gehen wir von einem minderschweren Schadensbild aus. Angenommen, die Dächer sind abgedeckt, aber die meisten oder sogar alle Holzdecken haben die Zerstörung überstanden. Aber die Dächer können vielleicht nicht neu gedeckt werden wegen Materialmangels. Es regnet hinein, die Wände werden feucht, der Hausschwamm feiert fröhliche Urständ'. Das geht in wenigen Jahren - und selbst mit heutigen Methoden ist Hausschwammsanierung ein teures Vergnügen (ich weiß, wovon ich spreche). Unter Umständen bleibt da nur noch der Abriss übrig.

    Ich weiß nicht, ob das alles in der Leipziger Straße der Fall war. Aber - zumindest aufgrund des Fotos - auch Du weißt das nicht, reklov2708 . Es ist daher wohlfeil, aufgrund eines Fotos und ohne tiefere Kenntnis der Stabilität von Brandruinen gleich Ideologie zu wittern. Die hat sicher eine Rolle gespielt. Aber ich bin überzeugt - wenn die Häuser in der Leipziger Straße (oder auch im Hansaviertel, um den Bogen zurück zu spannen) mit - in der damaligen Situation - vertretbarem Aufwand zu reparieren gewesen wären, hätte man sie nicht abgerissen.

  • Das Hansaviertel ist nicht aus der Wohnungsnot heraus entstanden, sondern war ideologisch inspiriert, um ein modernes Gegenbild zu den Wohnungsbauprogrammen in Ost-Berlin zu schaffen. Die Kriegszerstörungen waren gravierend, aber fast alle Keller und Infrastrukturen waren noch vorhanden. Darauf hätte man aufbauen können. Nachzulesen u.a. in dem Buch Stadterneuerung in Berlin, Sanierung und Zerstörung vor und neben der IBA.

    ...

  • Also sogar leicht beschädigte Häuser, von denen das Dach fehlte wurden allmählich Opfer der Zerstörung, wenn nicht inerhalb von 5 oder 10 Jahren alles wieder repariert wurde. Es gibt aber unzählige Beispielen von ganz intakter Bauten die heute nicht mehr existieren und unglaublich wertvoll gewesen wären für das heutige abgstuckte und moderne Berlin, wo so vielen reizvollen Gründerzeit Bauten oder Fassaden oder Vorkriegsbauten fehlen. Wenn man über die Otto Suhr Allee läuft oder Tauentzien oder Stresemannstrasse, dann fehlt einfach Grandör oder ansehliche Bauten.

  • Wikos Allein mit Kellern und Infrastruktur gibst du noch keinem einzigen Menschen Obdach. Wir sprechen auch nicht über die Mitte der 50er Jahre, sondern über die späten 40er Jahre. Damals wurde schon ein Großteil der Ruinen niedergelegt - und eben nicht aus Ideologie, sondern weil es notwendig war. Natürlich hätte man dann auf den Kellern anders neubauen können - aber ich sehe noch einen Unterschied dazwischen, intakte Wohnhäuser aus Ideologie abzubrechen, und die letzten Reste der Vorkriegsbebauung (Keller und Infrastruktur) zu beseitigen, um von Grund auf neu beginnen zu können.

  • Irgendwie ist dieser Thread ein schönes Beispiel dafür, wie Internetkommunikation nicht geht. Die Ausgangsthese war doch, dass aufgrund des gezeigten Luftbildes behauptet wurde, man hätte das Viertel retten können, wenn man nicht so ideologisch verbohrt gewesen wäre.

    Diese Aussage ist ziemlich sicher falsch, zumindest aber nicht verifizierbar. Auch Wikos widerlegt doch nicht, dass das Viertel hätte abgerissen werden müssen, wenn er schreibt, dass "fast alle Keller und Infrastrukturen noch vorhanden" waren. Er kontert also

    mit dem Wiederaufbau, der überhaupt erst in den 1950er Jahren in Gang kam und um den es gar nicht ging. Es ging hier nur darum, ob man die Gebäudehüllen hätte retten können, und da vertraue ich doch eher Riegel als ein paar Luftbildexperten hier. Der modernistische Wiederaufbau, das Demonstrative danach, statt die alten Strukturen zu nehmen, klar war das auch ideologisch motiviert. Aber die Trümmerräumungen 1945 und 1946 waren es nicht, da ging es um Sicherheit (häufig wurde diese statisch abenteuerlichen Ruinen in den Erdgeschossen bald wieder notdürftig bewohnt, obwohl auch später noch ganze Gebäude in sich zusammenfielen. Es ging hier zuvörderst um einen Sicherheitaspekt. Auch Königsbaus Ausweichen auf die Leipziger Straße ist in diesem Zusammenhang wenig hilfreich gewesen, da wir anhand des Straßenbildes den Gesamtzustand der typischerweise besonders mit der massiven Straßenfront noch ganz gut aussehenden Häuser nicht beurteilen können und es sich um den Ostteil der Stadt handelte.

    Was danach, also nach der unmittelbaren Trümmerräumung, die vielerorts überraschend früh abgeschlossen war, in unseren Städten an Murks geschehen ist, war doch gar nicht Thema? Es ist doch vollkommen unstrittig, dass viele Nachkriegsabrisse ärgerlich, überflüssig und ideologisch motiviert waren. Es ist weiterhin durchaus möglich, dass man aus heutiger Perspektive mehr Gebäude hätte wiederaufbauen und retten können als es damals schien. Wie auch vom Urpotsdamer gesagt, ein Winter mit Reinregnen und Frost verursacht dann weitere schwere Schäden an der Gebäudesubstanz, all das in einer Zeit, in der es an allem, wirklich allem fehlte in den Städten. Man wird sich mit begrenzten Ressourcen also auf die mit einfachen Mitteln wiederbewohnbar machbaren Gebäude konzentriert haben, etwas Dachpappe hier, ein paar neue Fensterscheiben dort - das ging und das wurde auch massenhaft gemacht. Insofern sind sicherlich und unvermeidlich angesichts der Situation Fehler gemacht worden, auch in der unmittelbaren Nachkriegszeit, aber dadurch, dass man alles in ein für sich selbst passendes Korsett zwängt, demzufolge schon im Sommer 1945 die Modernisten ihr böses Zepter schwangen, wird man der Wahrheit nicht näher kommen.

    Ich bleibe dabei: Die allermeisten Räumungen von Trümmerhäusern in den ersten 2 Nachkriegsjahren waren nicht ideologisch motiviert, sondern fanden aus Sicherheitsaspekten statt bei extrem begrenzten Ressourcen. Bei allem, was etwa nach der Währungsreform geschah, ist das dann schon anders, da es wieder eine handlungsfähige Verwaltung gab und eine Art Plan entstanden war, wie es weitergehen soll. Die große Welle überflüssiger Abrisse von alter Bausubstanz kam zumindest im Westen aber erst in den 1950er Jahren ins Laufen und erreichte in den 1960er Jahren ihren traurigen Höhepunkt, satte 15-30 Jahre nach Kriegsende. So war es zumindest hier in Bremen.

  • Wikos Allein mit Kellern und Infrastruktur gibst du noch keinem einzigen Menschen Obdach. Wir sprechen auch nicht über die Mitte der 50er Jahre, sondern über die späten 40er Jahre. Damals wurde schon ein Großteil der Ruinen niedergelegt - und eben nicht aus Ideologie, sondern weil es notwendig war. Natürlich hätte man dann auf den Kellern anders neubauen können - aber ich sehe noch einen Unterschied dazwischen, intakte Wohnhäuser aus Ideologie abzubrechen, und die letzten Reste der Vorkriegsbebauung (Keller und Infrastruktur) zu beseitigen, um von Grund auf neu beginnen zu können.

    Im Buch Stadterneuerung in Berlin, Sanierung und Zerstörung vor und neben der IBA. wird dazu u.a. folgendes gesagt: Bei der Planung 1953 waren noch 20 von 160 Gebäuden erhalten. Bei den zerstörten Gebäuden waren noch die Kellerfundamente erhalten. Wenig zerstört waren die Straßen und die Leitungssysteme. Die Grundstücke befanden sich zu dieser Zeit noch fast ausnahmslos in Privatbesitz.

    Die Beseitigung des kleinteilige Grundeigentums und die nicht-Nutzung vorhandener Infrastruktur hat immense Kosten verursacht.

    Statt eine Blockrandbebauung zu schaffen, wurden - ohne Bezugnahme auf den historischen Grundriss - die Gebäuderiegel wie in einem Neubaugebiet "auf der grünen Wiese" in die Landschaft gestellt. Hier hat die Stadtplanung, um ein modernes Schaufenster für Berlin zu schaffen, komplett versagt. Die ideologisch motivierte Planung ist, ganz im Sinne einer dem damaligen Zeitgeist entsprechenden funktional-gegliederten Stadt, völlig in die falsche Richtung gelaufen.

    ...

  • Danke an Heinzer.

    Mich befremdet diese Diskussion hier sehr.

    Es werden Argumente mit der Lupe gesucht, die meisten sind nicht einmal haltbar und oft nur um damit den aktuellen Zustand des Hansaviertels kritisieren zu können und somit seinen persöhnlichen Geschmack zum Ausdruck bringen.

    All dies dann auch noch aus unser heutigen Sicht ohne Rücksicht auf die damaligen Zustände.

    Wäre es nicht sinnvoller dann anders herum zu denken? Wie würdet ihr aus der heutigen Situation das Viertel umbauen(ohne Rücksichtnahme auf den Denkmalstatus)?

    Auch wenn ich das Hansaviertel mag, ich glaube auch hier ist der status quo nicht für die Ewigkeit.

    Wikos

    'Die ideologisch motivierte Planung...[der] funktional-gegliederten Stadt, völlig in die falsche Richtung gelaufen.'

    Ideologisch motiviert - ja, aber es wurde aus damaliger Sicht ein modernes Schaufenster für Berlin geschaffen, mitten in Berlin West, genau vor der Nase des Ostblocks. Solch eine Ausstellung konnte nur ideologie-beladen sein.

    In die falsche Richtung gelaufen: - nein, es war nun einmal Ausstellungsgelände, mit Einfamilienhäusern für den Stadtrand bis zum Punkthochhaus. Ein Erfolgt war es damals, man lese nur die Berichte aus damaliger Zeit und internationaler Presse.

    Für die Bewohner ist es seit seiner Errichtung ein angenehmes, ruhiges, grünes und lebenswertes Viertel geworden. Für die Funktion des Wohnens, wofür es geschaffen wurde, kann man es also als Erfolg werten. Ein lebendiges 'städtisches' Viertel ist es aber nicht.

    Ideologie in der Architektur gibt und gab es immer und in den meisten Fällen ist dies nicht negativ.

  • Damals wurde schon ein Großteil der Ruinen niedergelegt - und eben nicht aus Ideologie, sondern weil es notwendig war. Natürlich hätte man dann auf den Kellern anders neubauen können - aber ich sehe noch einen Unterschied dazwischen, intakte Wohnhäuser aus Ideologie abzubrechen, und die letzten Reste der Vorkriegsbebauung (Keller und Infrastruktur) zu beseitigen, um von Grund auf neu beginnen zu können.

    Dass Ruinen abgerissen werden geschieht natürlich nicht aus Ideologie, jedoch spiegelt die Nachfolgebebauung die Ideologie sehr wohl wieder. Sie negiert das bisher dagewesene komplett, indem auf Blockrand und angemessene Geschosszahl verzichtet wird. Das erinnert in der Brutalität (inkl. Abriss von Kirchen) schon an den Magdeburger Wiederaufbau.

    Ich verstehe nicht, wie man solches Bauen auch noch feiern oder verteidigen kann. Mit Baukultur hat sowas jedenfalls nicht zu tun.

  • Strohmänner, wohin man sieht... Thema war der Abriss der Ruinen in den unmittelbaren Nachkriegsjahren, also bis ca 1950, und ob diese Abrisse notwendig oder aus ideologischer Verbohrtheit geschehen sind. Aus unerfindlichen Gründen wird das nun ständig mit dem Neubau des Hansaviertels Mitte der 1950er Jahre verbunden.

    Und, mit Verlaub - ein wenn auch überdurchschnittlich qualitätvolles Stadtviertel des Historismus mit den romanischen Kirchen Magdeburgs zu vergleichen... Nun ja. Soll jeder selber drüber nachdenken, ob das angemessen ist.

  • Danke an Heinzer.

    Mich befremdet diese Diskussion hier sehr.

    Es werden Argumente mit der Lupe gesucht, die meisten sind nicht einmal haltbar und oft nur um damit den aktuellen Zustand des Hansaviertels kritisieren zu können und somit seinen persöhnlichen Geschmack zum Ausdruck bringen.

    All dies dann auch noch aus unser heutigen Sicht ohne Rücksicht auf die damaligen Zustände.

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    Mich befremdet diese Diskussion hier aus sehr. Dieses Forum steht für klassisch-traditionelle Architektur, für Rekonstruktionen und für einen würdevollen Umgang mit dem Bauerbe. Das Hansaviertel steht für nichts, für das für uns einsetzen. Im Hansaviertel wurden rücksichtslos große Reste der historischen Bebauung abgeräumt. Danach wurde, ohne jegliche Rücksicht auf den historischen Grundriss zu nehmen, eine funktional-gegliederte, weitläufig durchgrünte Siedlung der Moderne errichtet. Hier tobten sich Architekten aus, die nichts mehr hassten als die alte, verdichtete, europäische Stadt. Le Corbusier lässt grüßen. Die Argumente S.Hartmann muss man hier nicht mit der Lupe suchen, sondern sind in diesem Wohngebiet der Moderne offensichtlich. Es ist kein Zufall, dass es unzählige kritische Artikel zum Hansaviertel gibt. Hier sollte ein Musterviertel für das Moderne westliche Berlin entstehen. Wir können glücklich sein, dass die aberwitzigen Abriss- und Betonmoderne-Phantasien der Modernisten nicht in der ganzen Stadt umgesetzt wurden konnten und wir glücklicherweise immer noch weitläufige Gründerzeitviertel in Berlin vorfinden können.

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  • Und, mit Verlaub - ein wenn auch überdurchschnittlich qualitätvolles Stadtviertel des Historismus mit den romanischen Kirchen Magdeburgs zu vergleichen... Nun ja. Soll jeder selber drüber nachdenken, ob das angemessen ist.

    Nö, den Abriss von beiden habe ich nicht miteinander verglichen, sondern die Art des Wiederaufbaus. Und der ist sehr wohl vergleichbar.

    Dass eine Altstadt kunsthistorisch wertvoller als ein Gründerzeitviertel ist, war mir sogar ohne das entsprechende Studium klar.


    Aber trotzdem vielen Dank für die nett gemeinte Belehrung.

  • Nochmal: Es geht um die These, das Hansaviertel sei in den unmittelbaren Nachkriegsjahren von einer modernistisch motivierten Verwaltung und obwohl flächig erhaltungsfähig abgeräumt worden. Diese These ist ziemlich sicher als falsch zu bezeichnen.

    Das ganze Diskutieren um die Leipziger Straße und die erst Mitte der Fünfziger begonnene modernistische Neugestaltung des Viertels ist zweifellos interessant, ich würde mich in Vielem auch den Meinungen der Foristen anschließen, aber sie ist dennoch am Thema vorbei. Wundert mich wirklich, wie schwierig das verstehen zu sein scheint.

    Wir können uns sehr gerne über überflüssige Nachkriegsabrisse und die Fehler des modernistischen Wiederaufbaus, gerne auch am Beispiel des Hansaviertels unterhalten, da gäbe es bestimmt viel Interessantes zu besprechen. Aber das permanente Ignorieren der Tatsache, dass dies zwei verschiedene Dinge sind (Räumung der Ruinen in der unmittelbaren Nachkriegszeit und Wiederaufbau ab Mitte der 1950er Jahre), Entschuldigung, aber das hat schon etwas fast Reflexhaftes.

    Der erste sagt anhand eines Luftbilds: Das Viertel hätte man locker wiederherstellen können, wenn man gewollt hätte.

    Der zweite sagt: Das Viertel war nicht zu retten, zu tiefgehend die Bombenschäden.

    Der dritte sagt: Aber die Leipziger Straße

    Der vierte sagt: Aber die Keller waren noch zu retten

    Der fünfte sagt: irgendwas mit ganz vielen Straßen und Gebäuden in Berlin, die nach dem Krieg noch abgerissen wurden

    Der sechste sagt: Der Wiederaufbau als modernistisches Viertel war ideologisch motiviert

    Das ganze dann in Endlosschleife, der zweite also wieder unterstützt durch Riegel, also einen Experten auf dem Gebiet, man unterschätzt die strukturellen Schäden an den Gebäuden, die Folgen der Durchglühung für die Statik und Sicherheit.

    Die anderen wieder: Aber Berlin, Leipziger Straße, Modernismus, Zeilenbau.

    Keine der 4 Thesen, die nach der Aussage des zweiten gekommen sind, sind zwingend falsch, aber keine widerlegt die zentrale Aussage um die es ging. Wie gesagt, ein Paradebeispiel für die Limitationen der Internetkommunikation Jeder sagt halt seine Meinung zum Thema, auch wenn es gar nicht Thema war. Ich könnte noch mit gescheiterten Demonstrativbauprojekten aus den 70ern kommen, es würde kaum auffallen.

  • Nochmal: Es geht um die These, das Hansaviertel sei in den unmittelbaren Nachkriegsjahren von einer modernistisch motivierten Verwaltung und obwohl flächig erhaltungsfähig abgeräumt worden. Diese These ist ziemlich sicher als falsch zu bezeichnen.

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    Natürlich gab es in der unmittelbaren Nachkriegszeit Zwänge, die Ruinen großflächig zu beseitigen, um einen Neuaufbau beginnen zu können. Wie direkt nach dem Krieg im Hansaviertel mit den Ruinen umgegangen wurde, kann ich nicht 100 % sagen (mein Beitrag bezog sich auf die Abräumungen/Planungen in den 50iger Jahren). Wenn Du Dir Standardbücher wie "Kriegsschicksale Deutscher Architektur" durchliest, dann wird quasi von fast jeder deutschen Stadt berichtet, dass diese nach dem Kriege großzügig die Ruinen abräumten und dabei leider viele wiederaufbaufähige, großartige Gebäude zerstörten. Besonders als die aus dem Kriege zurückgekehrten Stadtplaner (Modernisten des Neuen Bauens) wieder in die Verwaltungen einzogen, gaben diese den Abräumgesellschaften freie Hand, um ihre Pläne einer funktional-gegliederten Stadt umzusetzen.

    Es waren also nicht nur Zwänge bei der Ruinenbeseitigung dabei, sondern es hatte auch ideologische Gründe, besonders großzügig die Ruinen zu planieren. Irgendwann wurde die Ruinenbeseitigung sogar zum Geschäft und Trümmerverwertungsgesellschaften und Stadtplaner arbeiteten Hand in Hand, um aus der Trümmerbeseitigung Kapital zu schlagen.

    Viele Privatbesitzer wollten ihre zerstörten Gebäude schnell wieder aufbauen, doch es gab planerische Sperren und Enteignungen der Städte, denn die Stadtplaner wollten einen "Neuanfang" mit einer modernen Formensprache. Gerade im Hansaviertel gab es noch viel Privatbesitz. Es wäre also im bundesdeutschen Kontext des Wiederaufbaus eine absolute Ausnahme, wenn im Hansaviertel es besser gelaufen wäre als in anderen Stadtviertel/Städten. Gehe mal davon aus, dass auch hier eine modernistisch eingestellte Verwaltung am Werk war, die auf der einen Seite die Ruinen großzügig abräumen ließ und auf der anderen Seite einen schnellen Wiederaufbau der Privatbesitzer verhinderte, um eigene Pläne eines funktional-gegliederten Stadtumbaus zu verwirklichen.

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