Ich versuch's mal...
Ich halte diesen Strang für sinnvoll, weil bei diversen Themen doch immer wieder der Vorwurf "Das ist doch Disneyland" ins Spiel kommt. Wenn dieser Strang hier zu einem guten Ergebnis kommt, dann können wir in Zukunft bei entsprechenden Debatten einfach auf ihn verweisen.
Ich möchte einfach mal ein paar meiner Gedankengänge äußern. Sollte ich dabei in Widersprüche geraten, die mir selbst nicht bewusst sind, dann weist mich bitte darauf hin. Ich hoffe, dass sich eine fruchtbare Diskussion entwickelt.
Zunächst einmal ist es mein Eindruck, dass dem Disneyland-Vorwurf folgende Vorstellung zugrunde liegt: Man kann nicht einfach irgendwas irgenwo nach irgendeinem Stil bauen. Disneyland wäre es, eine norwegische Stabkirche in Griechenland oder ein altfränkisches Fachwerkhaus in Japan zu errichten. Der Disneyland-Vorwurf geht aber noch darüber hinaus: Denn wenn es nur das wäre, dann ließe sich "Disneyland" auf Reko-Projekte in Frankfurt oder in Dresden nicht anwenden, denn dort soll hauptsächlich das gebaut werden, was ursprünglich auch dort stand. Dennoch aber will ich mich in einem ersten Schritt auf die von mir angenommene Vorstellung "Man kann nicht alles überall bauen" beschränken.
Das Argument jener, die den Disneyland-Vorwurf in diesem Sinne gebrauchen, wäre ja auch, dass so etwas in der Geschichte auch nie getan worden wäre (hört man häufig). Nachdem ich eine Weile darüber nachgedacht habe, finde ich aber, dass das Gegenteil der Fall ist. Ich werde es an drei Beispielen erläutern:
1) Aschaffenburger Pompejanum: der (idealisierte, nicht originalgetreue) Nachbau eines Hauses aus dem antiken Pompeji, errichtet in den Jahren 1840-1848. Man müsste eigentlich hier von einem eindeutigen Fall von Disneyland sprechen, aufgrund der idealisierten Verwirklichung und vor allem, da ein solches Gebäude niemals am Main existiert hat. Interessanterweise wird der Disneyland-Vorwurf aber üblicherweise nicht auf das Pompejanum angewandt.
2) Yenidze in Dresden: Eine Zigarettenfabrik in Gestalt einer Moschee (Minarett als Schornstein), errichtet 1908-1909. Preisfrage: Wie würden es die Architekten wohl nennen, wenn in unserer heutigen Zeit jemand dem Gebäude seiner Computerfirma das Aussehen eines japanischen Shinto-Schreins geben möchte?
3) Schloss Neuschwanstein: Dürfte allgemein bekannt sein. Beruht auf den Werken eines Theatermalers, ein echtes Märchenschloss. Errichtet in der damals absolut üblichen (und in dieser Zeit modernen) Backsteinbauweise, später mit anderen Gesteinsarten verkleidet (Kulissenzauber???). Als damals der Einsatz von "unmittelalterlichen" Glasfenstern mit Verwunderung aufgenommen wurde, erhielt man zur Antwort: "Hätten die im Mittelalter unsere Technik gehabt, hätten auch solche Glasfenster Verwendung gefunden."
Was ist der Wert dieser drei Gebäude? Sind sie allesamt nichts wert, unehrlich, Disneyland? Wenn nicht, worin liegt der Unterchied? Ist es einfach nur so, dass diese drei Gebäude schon ein gewisses Alter aufweisen und dadurch "geschichtlich" geworden sind? Das würde allerdings für alles, was wir jetzt bauen, ja auch irgendwann zutreffen...