"Konservative stehen immer an der Spitze des Fortschritts!" - FJS
So wie dieser alte Knabe sehe ich die Geschichte auch - im Forum ist bereits reichlich über die Tatsache debattiert worden, daß zur Landschaftszerstörung und Totalbetonierung großenteils die bürgerlichen Eliten beitrugen. Die Sozen mögen es ab Mitte der Siebziger bis in die Achtziger noch viel derber getrieben haben, mitinbegriffen eine unfaßbare gesellschaftspolitische "Vision"(die Folgen der 68'er für die Lebenswelt meiner Generation zeigen, wie berechtigt der bundesdeutsche McCartysmus gewesen ist - kein Franco und kein Pinochet konnte je derartigen Schaden anrichten), ändert wohl nichts am Beginn der Flächenzersiedlung in der Phase des hemmungslosesten Modernisierens Mitte/Ende der Fünfziger. Meiner Ansicht nach wäre es jedoch sinnlos und sogar töricht gewesen, sich diesem Neu-Aufbau entgegenzustellen - anders schaut es mit den historischen Stadtkernen aus, deren finale Zerstörung weder ökonomisch noch strukturpolitische Notwendigkeit war - selbst wenn man von der Richtigkeit des Totalen Wachstums Um Jeden Preis ausgehen sollte (was bis zur Ölkrise mehrheitlich de rigeur war...). Gerade Konservative bzw. die "Reaktion" hätten bei ihrem höheren Wissenstand begreifen müssen, wie wichtig die sinngerechte, ergänzende Verknüpfung von Ökonomie und -integrativer- Kulturbildung ist - hierzu gehören ganz wesentlich auch historische Stadtbilder, selbst wenn man sie tatsächlich nur als Freilichtmuseen begreifen möchte (was sie nicht sind, siehe die meisten schwäbischen Klein- und Mittelstädte...).
Da eine übergeordnete Gestaltungsinstanz, welcher Art auch immer, gefehlt hat, hat dieser gewaltige modernistische Impuls -ohne wirkliche Kontrolle oder Nachdenken- uns die letzten Reste der kriegszerstörten historischen Stadtbilder gekostet. IMO wäre dies mit einer einfachen, aber strengen Bundessatzung zumindest in Teilen abfederbar gewesen. Von Frankreich u. Belgien weiß man, daß es dergleichen Satzungen gab, man denke an Rouen oder Antwerpen! Die Akzeptanz wäre letztlich die gleiche geblieben, vermutlich hätten viele Bürger anfänglich nach dem Sinn gefragt, solch altes Kamuffel wiederaufzubauen, derweil nebenan Stadtautobahnen und Hochhauslandschaften im Akkordtempo hochgezogen werden. Zweitstärkste Wirtschaftsnation der Welt ab 1960 wäre auch möglich gewesen, OHNE die inneren Stadtkerne zu internationalisieren; wer könnte es auch besser als die -damaligen- Organisationsweltmeister.
Im übrigen hätte man der SED damit einen ihrer letzten Angriffspunkte genommen, nämlich die "planmäßige Zerstörung deutscher Stadtbilder durch US-amerikanische Kolonialarchitektur". Letztendlich haben die Kommunisten mit ihrer NABATRADI die Grundlagen der eigenen Bautradition ebensowenig verstanden wie die Planstellen des Westens. Ob erstere zum damaligen Zeitpunkt -bei aller Unkenntnis- wenigstens ehrlich gemeint war...man wird es wohl nie mit Sicherheit beantworten können.