Dresden, Altstadt - Quartier VIII

  • Der Löwenhof ist ein unverantwortlicher Bruch ..ich habe ihn noch nicht gesehen, aber ich denke, dass durch diese Platzanlage das gesamte Projekt der Lächerlichkeit preisgegeben ist

    Insgesamt gefällt mir aber der Löwenhof auch im Innern ganz gut. Er ist weit weniger aufdringlich als befürchtet.

    Mein Urteil liegt irgendwo zwischen diesen beiden. Ein Bruch ist es auf jeden Fall, und zwar ein schädigender; dennoch bin ich der Ansicht, dass dadurch das Projekt als ganzes nicht der Lächerlichkeit preisgegeben wird. Der Löwenhof hat den Vorteil, dass er relativ versteckt ist. Hinz kommt, wenn er einmal von Efeu etc. überwuchert sein wird, sieht man die aufgringliche Konzeption der Fassade nicht mehr. Hässliche Modernismen hinter Blumenkübeln zu verstecken, ist ja in Dresden seit Frau Orosz ja üblich, es hat durchaus Vorteile.

    Ich sehe das auch ähnlich wie Bert, der Hof sieht weniger schlimm aus als auf den Graphiken, hätte man nicht dieses grell-aufdringliche Rot-Orange gewählt, wäre es besser. Mir ist übrigens noch immer nicht klar, wieso dieser Baustil "modern" sein soll und angeblich dem Zeitgeist entsprechen soll. Eine wissenschaftlich überzeugende Begründung wurde bisher von niemandem geliefert.

    Ich bin durchaus für zeitgenössische Ergänzungen am Neumarkt. Aber dann müssen sie bitteschön auch wirklich zeitgenössisch sein, und dies nicht einfach nur behaupten. Zwischen Altmarkt und Dr. Külz - Ring gibt es einige Bauten die tatsächlich zeitgenössisch sind, leider aber möchte man am Neumarkt nicht zeitgenössisch bauen, sondern auffallen um jeden Preis, egal wie. Diese zweifelhafte ideologische Haltung hat uns nun den Löwenhof beschert. Positiv: die (diesmal wirklich) zeitgenössische Darstellung eines Löwenkopf in den Toren des Hofes. Das ganze nun noch mit viel Efeu ergänzen, dann wird es erträglich.

    Das Projekt ist dennoch ein phantastischer Erfolg. Wieder mal ein Lob an die GHND für ihre unermüdliche Arbeit! :applaus:

    "Die Modernisten sollten sich endlich eingestehen, dass sich die Qualität einer Stadt konventioneller Architektur verdankt" - (H. Kollhoff).

  • Ich sehe es wie Herzog und Peterburg. Der Innenhof ist früher 90er jahre Stil. Modern wäre es gewesen, wenn man anstatt der billigen Metallbalkongeländer schlichtes Glas ohne Handlauf genommen hätte, wie das eigentlich für "Luxuswohnungen" Standard wäre. So kommt der Wohnungseigentumsteil eher wie Genossenschaftsbau herüber und dass man sich gegenseitig in die Wohnunge schaut ist eben einmal ein Phänomen heutiger Architektur in unsere "Big Brother" Zeit.

    Hauptsache, man pflanzt von Anfang an gleich hohe Bäume und setzt hohe Sträucher zur Einfriedung hin, damit wenigstens im Sommer dieser Blicke einem erspart bleibt.

    Ansonsten gefällt mir dieses Quartier - bis auf die paar wenigen modernen Ausrutscher - sehr gut!

    Wie wirkt dieser Teil nun eigentlich, wenn man vom Hausmannsturm blickt? Kommt schon langsam eine urbane Dachlandschaft zusammen?

  • Ich finde es hätte mehrere Möglichkeiten gegeben, den Hof wirklcih "zeitgenössisch" zu bebauen: Entweder

    1) komplett schlichte Putzfassaden, ohne irgendwelche Ornamente, allerdings dann aber auch ohne fragwürdige 90er-Ornamentik in Form von unnachvollziehbaren Fensteranordnungen. Das hätte innerhalb kurzer Zeit durch Patina, Begrünung (Efeu? Wein etc.) einen typischen "Altstadt-"Hinterhof erzeugt, ohne dabei die Reko bemühen zu müssen. Eine "moderne" Lösung! Leider hat man dies, übrigens auch von der GHND bei vielen Projekten favorisiert, von Seiten der umstrittenen Gestaltungskommission nicht einmal in Erwägung gezogen.

    2) Mit Naturstein wie z.b. das neue Gebäude von KnererLang am Postplatz. Hier wäre eine Menge möglich gewesen, die Wirkung wäre ähnlich wie bei 1)

    3) Auch wenn ich kein Freund von ständiger Wiederholung der 20er Jahre Architektur bin, hätte man sogar wie von Exilwiener beschrieben eine "modern-modifizierte" Fassade bauen können, mit ein bischen Zurückhaltung würde Bauhaus sogar eventuell gut aussehen. Müsste ich im Entwurf sehen um es beurteilen zu können, stelle es mir aber akzeptabel vor.

    Man sieht, es gäbe genug Lösungen. Man hat wieder mal die denkbar schlechteste gewählt, diese hier ist eine typische Bausünde der Gestaltungskommission - und mir kommt es immer wieder so vor, als torpediere diese Komission absichtlich den Neumarkt wo es nur irgend geht. Und ich bin nicht der einzige, der das sagt. Ohne GHND wäre das Areal heute voller "moderner" Burgerking-Shoppingmalls. Garantiert zeitgenössisch!

    DENNOCH, ich erfreue mich an dem Projekt! Der Löwenhof hat auch einige Pluspunkte, die Tor-Ornamentik ist wirklich gut. Ich möchte nicht nur das Negative sehen.

    "Die Modernisten sollten sich endlich eingestehen, dass sich die Qualität einer Stadt konventioneller Architektur verdankt" - (H. Kollhoff).

  • Im Zuge der Übergabe des Quartierts VIII, hat die Verwaltung die Fußgängerzonen um die Sporer- und Schössergasse, sowie die Schlossstraße, in verkehrsberuhigte Zonen umgewidmet. Der Automobilist kann also nun auch hier mit 20km/h seiner Obsession nachgehen.
    Doch unerwartet regt sich Widerstand! Selbst die FDP, sonst meist nur als Lobbyverband der Verkehrsindividualisten bekannt, plädiert im Sinne einer stärkeren Auslastung der Tiefgaragen unter sämtlichen Plätzen der Innenstadt, für eine verstärkte Nutzung dieser Einrichtungen und damit gegen den zügellosen Verkehr in der entstehenden "Altstadt". Abgesehen davon hat die gleiche Verwaltung neulich erst die Hauptradfahrroute in Nord-Süd-Richtung, die sogenannte Augustusroute, durch die gerade an schönen Sommertagen schon durch unbelehrbare Fußgänger verstopfte Schlossstraße geführt. Nun also auch noch Autos...

    Wahre Baukunst ist immer objektiv und Ausdruck der inneren Struktur der Epoche, aus der sie wächst. Ludwig Mies van der Rohe

  • Zitat

    ja, ist gestern Abend runtergekracht


    Er war statisch einfach nicht zu halten (Originalfragmente). Diese wurden geborgen und kommen wieder zurück ins Lapidarium. Der Erker wird durch eine Neukonstruktion nach Entwurf von Heike Böttcher ersetzt. Ganz im Geiste unserer Zeit - leicht und filigran in Glas und Stahl....fast unsichtbar sozusagen.

    Die kurzfristig einberufene Gestaltungskommission hat dem Investor diese ehrliche Lösung empfohlen... :gutenacht:

    EIN SCHE -E - RZ!!!! :biggrin:

    Die richtigen Vergoldungen kommen jetzt - Gottseidank - dran.

    Einmal editiert, zuletzt von Oktavian (23. April 2012 um 20:40)

  • Obwohl das Wetter gestern fürchterlich war und ich verdammt nass geworden bin, habe ich doch noch einige Fotos mitgebracht, die insofern interessant sein dürften, da die Gerüste im Löwenhof gefallen sind.


    Zur Einstimmung gibt es diesen recht schönen Blick in die Schössergasse mit unserem "Sorgenkind".


    Löwenhaus und -Hof.


    Die Bauarbeiten scheinen größtenteils abgeschlossen.

    Was sagt ihr?

    Und zum Abschluss muss ich euch noch ein Bild zumuten, an dem sich nicht zuletzt aufgrund des gestrigen Richterspruches in den nächsten Jahrzehnten auch nichts ändern wird. Der millionenschwere Umbau gilt nur einem zweifelhaften Konzertsaal, sowie der Bibliothek. Am abweisenden, eine klare Abstandsaura erzeugenden Äußeren, wird sich nichts ändern. Nicht einmal die Erdgeschosszone wird - noch eine klare Forderung der 90er Jahre - aufgebrochen.


    Bitter!

    Bilder sind von mir.

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  • Vielen Dank für die Bilder, Bilderbuch!

    Es wird rechnerisch kaum eine andere Möglichkeit bleiben, als sich mit dem Bild nach Süden hin abzufinden, arrangieren, ignorieren, versuchen, zu verdrängen etc.
    Das Leben besteht nun einmal auch aus Entwicklungen, die man sich nicht gewünscht hat und die nicht so ohne weiteres umgekehrt werden können. Insoweit bleibt zu hoffen, daß die Qé 6 und 7 eine solche Qualität erhalten, daß sie es einem ermöglichen, dieses spezielle Bauwerk so gut als möglich zu umgehen. Das ist zwar alles nicht besonders schön, hat sich aber so ergeben.

  • Der Löwenhof ist nur lächerlich, getreu dem Motto, wir wollen in der Altstadt leben bzw von unserem vertrauten Fernsehsessel aus...peinlich, sonst nix.

  • Naja, wenigstens kein banaler Glaskasten.
    Dass der Leitbau (!) Löwenhaus dauerhaft seitlich aufgerissen wurde stößt mir jedoch übel
    auf.

    Mit der Dummheit kämpfen Götter selbst vergebens. - Friedrich Schiller -

    Einmal editiert, zuletzt von Sebastian (25. April 2012 um 17:15)

  • Auf dem letzten Bild sieht der "Kulturpalast" (was ein Euphemismus) aus wie ein schlechter Füllbau.... und wie klein er plötzlich aussieht :smile:

    Ich gebe es zu, ich kann eine gewisse Häme nicht verbergen, dass dieser hässliche Kasten bald umzingelt sein wird von wunderschönen Altstadthäusern. Mich freut das ungemein, dass diese emotionslose und menschenfeindliche Kasten-Architektur nun bekommt was sie verdient.

    "Die Modernisten sollten sich endlich eingestehen, dass sich die Qualität einer Stadt konventioneller Architektur verdankt" - (H. Kollhoff).

  • Sicher, das ist aber das einzige, was mich an dieser versunkenen Kistn ergötzt. Richtig freuen täte ich mich allerdings, wenn dieser Kasten durch einen Kabelbrand sich einmal selbst abträgt - selbstverständlich wenn er leer, denn dann bemerkt man es zu spät :)

  • Nachdem ich mangels Zeit lange nicht die Muse gefunden hatte, einmal wieder ganz entspannt durch die Stadt zu bummeln, wurde ich just heute auf meinem kleinen Spaziergang entlang der "längsten Fußgänger-Achse der DDR", ziemlich mit dem ob seiner Baustoffe nicht zu Unrecht kritisierten [lexicon='Quartier VIII'][/lexicon] - also zumindest dem Schlosshotel - versöhnt.
    Dies lag insbesonder daran, dass ich erstmals die in Rabitz-Technik überwölbte Halle des Hoffmannseggschen Hauses (sehr schön!) betrat, sie ungehindert bis zum rekonstruierten Barocktreppenhaus (auch sehr schön!) durchquerte und danach in einen Innenhof gelangte, dessen Fassaden die nach außen suggerierte Kleinteiligkeit auch hier noch widerspiegelten. Darauf wandt ich mich um und betrat den engen "barocken Lichthof" des Hauses, der offensichtlich als "Raucherabteil" genutzt wird. Da ich aber nur aller Jubeljahre einen Stumpen paffe, ließ ich die liebevoll dekorierten Sitzbänke, Kuscheldecken und schweren Ascher (welch eine Erinnerung an Opas Herrenzimmer!) links liegen und ging in die Lobby, die ich im Original gar nicht so geschmacklos fand.
    Insgesamt muss ich sagen, dass hier eine interessante halböffentliche Raumfolge entstanden ist, die einem schon ein gewisses, an die Innere Neustadt erinnerndes, "Altstadtgefühl" vermittelt. Das ist insofern bemerkenswert, da wir derartige Raumimpressionen am Neumarkt bisher nur in sehr abgespeckter Form im Weigelschen Haus sowie den Zeibig-Bauten erleben dürfen.

    Wahre Baukunst ist immer objektiv und Ausdruck der inneren Struktur der Epoche, aus der sie wächst. Ludwig Mies van der Rohe

  • Danke für die interessante Schilderung. Da werde ich im August auch mal durchmarschieren. :smile:

    Wie steht es eigentlich um die Q1-Passage? Leerstandsprobleme wie in der Centrum-Galerie sollten da kein Thema sein, oder? Schade, dass man das von Dir beschriebene Raumerlebnis in diesem wichtigen Quartier nicht antrifft. Ebensowenig in Q2 und 3. Gerade Letzteres hätte sich angeboten, hoffentlich kommt da mit dem Hoym noch eine Durchwegung. In dem großen Areal zwischen Rampische und Landhausstraße fehlt mir irgendwie ne Quergasse.

    Ich entschuldige mich von Herzen für meine früheren arroganten, provokanten, aggressiven und unfreundlichen Beiträge!
    Jesus ist mein Herr und Retter!

  • @ Quartier I:

    Leerstand gibt es dort durchaus. Das Management schafft es allerdings immer noch, diesen mit angeblich nötigem Optimierungsbedarf zu bemänteln. Was jedoch zunehmend auffällt, ist die verstärkte Ausrichtung der Sortimente auf den Touristenbedarf. Dazu passt dann auch die ständige Erweiterung des ziemlich erfolgreichen QF-Hotels.

    @ Hoffmannseggsches Haus:

    Bisher habe ich ja - meiner Meinung nach immer noch zu Recht - stets die wenig gelungene Fassade dieses Leitbaues kritisiert. Jetzt muss ich allerdings zugeben, dass es die Baywobau geschafft hat, endlich einmal einen wirklichen Leitbau zu kreieren. Und das ist durchaus ein Gewinn! Etwa im Quartier II würde man sich so etwas wünschen, zumal ja ein gewisser Mehrwert dahinter zu stecken scheint.

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  • Und schon hat der erste Mieter im Schlosshotel-Komplex das Handtuch geworfen. Das Restaurant "VNJO" ist ausgezogen und hinterlässt eine größere leere Fläche an Schlossstraße (Zehmsches Haus) und Kanzleigässchen (Palucca-Haus).

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  • Von einem Überangebot würde ich nicht unbedingt sprechen. Allerdings wird es zunehmend schwieriger, sich am Markt zu etablieren, was ich allerdings nicht als Anomalie, sondern vielmehr als einen Normalisierungsprozess ansehen würde. Schließlich leben wir nicht mehr in den 90ern, wo man noch mit fast jedem Dreck erfolgreich sein konnte.
    Das Scheitern des "VNJO" wird sicherlich auf betriebswirtschaftliche Gründe zurückzuführen sein. Lage und Konzept waren ja nicht schlecht. Wahrscheinlich fehlte es am langen Atem, um sich einen größeren Kundenkreis zu erarbeiten.

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