Frankfurt a. M. - Städtebau

  • Es wäre schön, wenn Du konkretisieren würdest, in welchem Bereich Du eine Entstehung neuer Jobs für generell möglich hältst. Das produzierende Gewerbe wird seit Jahren abgebaut, auch dank Verlagerungen ins Ausland im Zuge der Globalisierung. Die IT-Branche, der letzte große Strukturwandel, hat längerfristig mehr Arbeitsplätze gekostet (Rationalisierung, Computerisierung) als neue geschaffen. Der staatliche Sozialbereich (Sozialbetreuung, Beratung, Kurse usw.) kommt zunehmend in Not, da ja auch die Staatsgelder nicht mehr übermäßig zur Verfügung stehen. Ich denke, dass man die gegenwärtige Situation nicht mit jener der beginnenden Industrialisierung oder der allgemeinen Automobilisierung in der Mitte des 20. Jahrhunderts vergleichen kann. Gleichwohl ist die Situation in Frankfurt noch gut, vergleicht man sie mit anderen Regionen Deutschlands. Da stimme ich Dir ganz zu.

    Zur Umwandlung der Bürobauten in Wohnhäuser. Diese sehe ich natürlich auch als nützlich an. Allerdings dürfte das eher in weniger attraktiven Stadtrandlagen stattfinden (Niederrad u.ä.) und es wird irgendwann auch Einspruch von der Vermieterlobby geben. Schließlich hat man dort wenig Interesse, den städtischen Mietdruck spürbar zu verringern, also die Mietpreise zu senken. Das ist aber nur meine persönliche Vermutung, die auf keinen Quellen fußt.

  • In die Zukunft kann ich auch nicht schauen, sondern nur das ganze im Rückblick betrachten. Die letzten vorliegenden Zahlen auf dem Frankfurt.de Portal besagten für 2009: 622.600 Erwerbstätige in Frankfurt/M. Frankfurt am Main: Zahlen, Daten, Fakten[_id_inhalt]=7527 Link s. unter Arbeitsmarkt. 2001 sprach man bereits von einem Höchststand von 603.200 Beschäftigen. Danach pendelte es sich bei ca. 590.000 ein s. Frankfurt Statistischer Bericht 2008/S. 213 http://www.frankfurt.de/sixcms/media.p…langfassung.pdf
    Es scheint sich also wellenartig immer wieder zu erholen und langfristig betrachtet kontinuierlich zu steigen. Von daher teile ich nicht die pessimistische Einschätzung für den Frankfurter Arbeitsmarkt und sehe einen hohen Bedarf an Wohnhochhäusern - auch wenn ich diese persönlich ablehne, da diese - gerade bei neuen Projekten in Innenstadtlage - fast nur noch auf ein hochpreisiges Klientel abzielen.

    ...

  • Lol. Trotz aller Widrigkeiten in der Eurozone, etlichen Deindustrialisierungswellen und Strukturwandeln, aller Globalisierung, Technisierung und Computerisierung - Deutschland hat mehr Arbeitsplätze als je zuvor. Die Mär von der "Abschaffung der Arbeit" bleibt eine Mär.

    Ganz besonders auch in zugkräftigen Zentren wie Frankfurt, die zugkräftig bleiben werden und eher expandieren denn abfallen.

  • Konnte ich nicht neulich in der FAZ sogar lesen, dass der Anteil des produzierenden Gewerbes wieder leicht zugelegt hat? Sicher nicht aussagekräftig was die Zukunft angeht aber dennoch interessant angesichts der oft verbreiteten Horrormeldungen. Egal, gleitet so langsam ins off topic ab.

    Für Städte wie Frankfurt oder München bin ich Wohnhochhäusern gegenüber eigentlich sehr aufgeschlossen. Das ist mir lieber als eine Zersiedelung des Umlandes mit dem billigsten Investorenmüll wie ich es vor kurzem in Stuttgarter Neubausiedlungen bewundern konnte. Eine Parallele zum amerikanischen Städtebau sehe ich da kaum. Die Hochhäuser konzentrieren sich da doch eher im Zentrum und werden selten als Wohnraum genutzt sondern viel mehr gewerblich. Dafür ist das Umland extrem zersiedelt weil jeder Dödel seine eigene Bretterbude haben möchte, hart ausgedrückt.

  • Frankfurts Luxusmeile wächst

    Zitat

    Das „Maró“, ein Büro- und Geschäftshaus mit der Adresse Neue Mainzer Straße 74-80, markiert den Eingang zur Neuen Rothofstraße, die parallel zur etablierten „Luxusmeile“ Goethestraße verläuft. Gemeinsam mit dem „Luginsland1“, einem weiteren Büro- und Geschäftshaus nebenan, dessen Eröffnung für Herbst 2014 geplant ist soll es das Quartier städtebaulich aufwerten und das Tor zu einer neuen Einkaufslage bilden.

    Der Frankfurter Projektentwickler Groß&Partner und die Schweizer Fondsgesellschaft Peakside Capital entwickeln das „Maró“ für weniger als 100 Millionen Euro in einem Joint Venture und haben dafür zwei leerstehende Bürogebäude von der BHF-Bank erworben. In einem Gutachterverfahren wurde eine Architektur für den Neubau gesucht, dem die bis vor einem Jahr von der BHF-Bank genutzten Bestandsgebäude aus den achtziger Jahren weichen sollen

    Das Berliner Büro Eike Becker Architekten setzte sich gegen KSP aus Frankfurt, UN Studio (Amsterdam) und Meyer Schmitz-Morkramer, ebenfalls aus Frankfurt, durch. Die Berliner haben zwei siebengeschossige Gebäude mit hohem Glasanteil entworfen. Das architektonische Konzept beruht auf gestapelten Boxen, die wie Erker leicht in den öffentlichen Raum hineinragen. Eike Becker will mit dem Entwurf eine Verlängerung der Goethestraße in die Neue Rothofstraße erwirken, die bisher als enge Gasse eher eine Rückseite bilde. „Sie wird an Charakter gewinnen“, glaubt der Architekt. Die Bauherren wollen in dieser Woche den Bauantrag einreichen, der Abriss ist bereits genehmigt.

    Das ist m.E. eine Verschlimmbesserung oder sagen wir ruhig, eine klare Verschlechterung. Gläserne Schachtelarchitektur (siehe Visualisierung im Artikel) - und dafür wird der passable postmoderne Bestandsbau abgerissen.
    :kopfwand:

  • Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen - der Bestandsbau der abgerissen wird ist Baujahr 1984! Die Bestandzeit eines Nachkriegsbaus ist somit mittlerweile auf unter 30 Jahren gesunken! Wenn dieses Tempo so weitergeht, dann werden wir bald unsere Städte nicht wiedererkennen. Der gläsernen Schachtelarchitektur die jetzt gebaut wird gebe ich noch nicht mal 20 Jahre.

    ...

  • Wirklich unglaublich, dass dieser recht akzeptable 80er-Jahre Bau schon abgerissen und einem neuen Glasungetüm weichen muss. Hier fällt mir mal wieder auf, dass mir, etwas pauschalisiert betrachtet, Bauten der 80er Jahre durch Wahl von Form und Material oft passender und in ein historisches Umfeld besser eingefügt erscheinen als die allermeisten neueren Glaskästen und Kisten, die in diesem Millennium entstanden sind.

  • Wirklich unglaublich, dass dieser recht akzeptable 80er-Jahre Bau schon abgerissen und einem neuen Glasungetüm weichen muss. Hier fällt mir mal wieder auf, dass mir, etwas pauschalisiert betrachtet, Bauten der 80er Jahre durch Wahl von Form und Material oft passender und in ein historisches Umfeld besser eingefügt erscheinen als die allermeisten neueren Glaskästen und Kisten, die in diesem Millennium entstanden sind.


    Da stimme ich aus meiner Warte her zu. Für mich hat sich ein mehrmaliger Perspektivwechsel vollzogen:

    Gerade die 1980er Jahre waren ja von einem schlichten Erschrecken über die überwiegende Nachkriegsbaukultur gekennzeichnet. Stichworte für die 1980er Jahre sind tendenziell eher das angepasste Bauen, Stadtentwicklung in kleinen Schritten, Schauen nach links und rechts, vorn und hinten, auf was sich der Bauherr bezieht. Auch so einiges Baurecht ist als Folge oder Spätfolge der 1980er Jahre so entstanden:

    "Bauen Sie so, als wenn Sie ihr eigener Nachbar wären."

    Für mich habe ich das als Perspektivwechsel von der Vogelperspektive zur Perspektive des zu Fuß gehenden Menschen erlebt. Dies sowohl, was die Bauhöhe angeht als auch die aufziehende Kleinteiligkeit der Fassade, am besten wahrnehmbar eben mit der Perspektive des Fußgängers.

    Um das Jahr 2000 herum ist dann wieder die technische Machbarkeit eingezogen. Motto: Wir können das, also machen wir das auch. Das ist die Ausnutzung sämtlicher zur Verfügung stehender Möglichkeiten, wobei derjenige, der nicht vom letzten Schrei Gebrauch macht, sich den Vorwurf gefallen lassen muss, ein Ewiggestriger und Altbackener, ja, eine Lusche zu sein.

    Damit einher geht das Bauen zu größeren Höhen und zu einem verstärkt unangepassten Bauen, weil Einordnung nur etwas für Verlierer ist, während Gewinner ihre eigene Maßstäbe setzen, weil sie "sie selber sind".

    Hochhäuser werden nicht verstärkt entworfen, weil der Wohnraum knapp ist, der Wohnraum ist eher knapp, weil es auseinanderfallende Tendenzen beim Wohnen gibt und sich die psychologische Befindlichkeitslage geändert hat. Gerade bei Architekten mit ihren tausendfach neuen Möglichkeiten und deren faktisch zwangsweisen Anwendung.

    :augenrollen:

  • Die Postmoderne hat den Stichwortgebern im ideologischen Überbau noch nie richtig geschmeckt. Ich erinnere ich noch an die Attacken, die in den 90ern dagegen geritten wurden. Da wurde z.B. im TV-Kulturmagazin "Aspekte" bereits früh das Ende der Postmoderne und die Neuentdeckung technizistischer Architektur angepriesen. In Soziologie-Seminaren zerrissen sich die Dozenten das Maul darüber. Mit der Postmoderne konnten eben nicht die utopischen Wunschträume der linken Intellektuellen befriedigt werden, die ja im steten "Fortschritt" ohne Ende liegen. Und diese Leute bestimmen den Überbau letztlich bis heute.

    Zum konkreten Beispiel muss ich allerdings sagen, dass der Bestandsbau auch nicht der ganz große Wurf war. Ein bisschen düster und plump. Da hat die Postmoderne weit elegantere Beispiele geliefert. Insofern ist der Abriss jetzt auch keine ganz große Katastrophe.

  • Das Problem der Postmoderne war aber auch der bisweilen allzu freie Umgang mit tradierten Formen, der sie für das nervtötende Disneyland-Totschlägerargument besonders angreifbar machte. So, wie die doktrinäre Minderheit stets auf ein kleines Repertoire herausragender Vertreter der Moderne (van der Rohe, Wright, Neutra, Lautner...) zurückgreifen konnte, war ihr dasselbe auch mit einer Wenigkeit an Kitschmonstren "vergönnt" (Giebel des AT&T-Hochhaus NYC, Piazza d'Italia New Orleans), die die Grundsätze der Postmoderne entkräfteten.
    Amüsant zum TV ist natürlich zu bemerken, dass 'aspekte' erst kürzlich in der Serie "Bausünden" mangelndes Einfühlungsvermögen in der Architektur kritisierte... :lachen: Ah ja, der Opportunismus... des Menschen höchste Kunst...

    Form is Function.

    "Fürchte nicht, unmodern gescholten zu werden. Veränderungen der alten Bauweise sind nur dann erlaubt, wenn sie eine Verbesserung bedeuten, sonst aber bleibe beim Alten. Denn die Wahrheit, und sei sie hunderte von Jahren alt, hat mit uns mehr Zusammenhang als die Lüge, die neben uns schreitet."

    Adolf Loos (Ja, genau der.)

  • Zum konkreten Beispiel muss ich allerdings sagen, dass der Bestandsbau auch nicht der ganz große Wurf war. Ein bisschen düster und plump. Da hat die Postmoderne weit elegantere Beispiele geliefert. Insofern ist der Abriss jetzt auch keine ganz große Katastrophe.


    Das Dach taugt nicht viel, aber schau doch mal, wie die Fassade sich harmonisch an den benachbarten Altbau anfügt. Besser geht's kaum. Und so, wie es jetzt kommt - gläserne Kuben, gestapelt - geht's eigentlich nicht mehr schlechter.

  • Diese Entwicklung ist sehr bedauerlich! Mit der Entscheidung, Teile der ehemaligen Altstadt zu rekonstruieren, hat Frankfurt doch einen großen Schritt in die richtige Richtung getan. Und nun das! Diese Stadt, die ich sehr schätze, könnte mit wenig Aufwand viel gewinnen: man stelle sich nur mal vor

    - Rekonstruktion der Senckenberg-Anlage
    - Rekonstruktion des Daches am Nordbau des alten Rathauses
    - Rekonstruktion des kleinen Cohn und langen Franz

    Quelle: Wikimedia Commons

    - Rekonstruktion der Dächerlandschaft der Gründerzeitler am Hauptbahnhof (jedenfalls derer, die noch stehen . . .)

    Quelle: Wikimedia Commons

    Wäre alles nicht übermäßig aufwendig und was wäre das für ein Gewinn für Frankfurt! Die Bedeutung solcher Maßnahmen für die Attraktivität der Städte, insbesondere als Touristenziel, wird m.M. momentan oft gar nicht erkannt!

    "Mens agitat molem!" "Der Geist bewegt die Materie!"

  • Wäre alles nicht übermäßig aufwendig und was wäre das für ein Gewinn für Frankfurt! Die Bedeutung solcher Maßnahmen für die Attraktivität der Städte, insbesondere als Touristenziel, wird m.M. momentan oft gar nicht erkannt!


    Da sprichst du mir aus der Seele. Die erhaltene Bebauung, etwa 50 Prozent, ist in Gutem Zustand wie das folgende Bild belegt:
    http://upload.wikimedia.org/wikipedia/comm…_Kaisersack.jpg
    Mit der Aufwertung des Bahnhofsviertels wie es zur Zeit geschieht, wird die alte Dachgestaltung zumindest zitierend wiederkommen.
    Hätten die Idioten nicht in den 70ern das Carlton Hotel und das Schumann-Theater beseitigt, wäre eine 80%ige Reko des Platzes möglich und Frankfurt könnte dann wieder einen der schönsten Historismusplätze Deutschlands sein eigen nennen.

    Der deutsche Pfad der Tugend ist immer noch der Dienstweg.

  • Hallo "Pfälzer Bub"!


    Schönes Bild!


    "Zitierend wiederkommend" . . . oh Gott! Mir schwant Böses! Weißt Du denn mehr darüber, was dort geplant ist?


    Die Carlton- und Schumann-Abrisse waren verheerend. Da gebe ich Dir recht. Man muss ehrlicherweise das alles aber vor dem Hintergrund des damaligen Zeitgeistes sehen. Ich erinnere mich daran, dass bspw. mein Vater (lange vor dem Krieg geboren), meine Geburtsstadt Stuttgart immer ganz klasse fand  :smile:  und immer der Meinung war, dass die Stadt nach dem Kriege doch eigentlich "noch schöner sei" als zuvor. Alles so neu uns modern . . . eine Haltung, die sicher in der Kriegsgeneration weit verbreitet war.


    "Mens agitat molem!" "Der Geist bewegt die Materie!"

  • "Zitierend wiederkommend" . . . oh Gott! Mir schwant Böses! Weißt Du denn mehr darüber, was dort geplant ist?


    Ich beziehe mich damit allgemein auf die Restaurierungen im Bahnhofsviertel.
    mit zitierend meine ich sowas wie das Haus am Berliner Henriettenplatz:
    http://de.academic.ru/pictures/dewik…iettenplatz.jpg
    Mit einer solchen Formensprache könnte man doch gut leben, wenn schon nicht rekonstruiert wird.

    Der deutsche Pfad der Tugend ist immer noch der Dienstweg.

  • Ja, das Gebäude am Henriettenplatz ist gut gelungen. Besser wäre es natürlich, die Dachlandschaft komplett zu rekonstruieren. Es handelt sich ja dabei um nicht mehr als 3 Gebäude, die aber gegenüber dem Bahnhof gleichzeitig das erste Bild für Bahnreisende von Frankfurt abgeben und das Entree zur Kaiserstraße sind.

    Das Haus "Englischer Hof"

    Quelle: Wikimedia Commons, Bild von Epizentrum

    Der "Merkurbau"

    Quelle: Wikimedia Commons, Bild von Epizentrum


    Und das "Haus Austria"

    Quelle: Wikimedia Commons, Bild von Epizentrum


    Gerade durch die Situation am Eingang zur Kaiserstraße würde sich eine Rekonstruktion der ursprünglichen Dächer ganz enorm positiv auswirken . . .

    "Mens agitat molem!" "Der Geist bewegt die Materie!"