Beiträge von Mattheiser

    Ich verstehe dieses Gegeifere um Corbusier nicht. Die Weißenhofsiedlung, klar, die war revolutionär, aber nur den Architekten zu würdigen, der eher durch infantiles Protzgehabe, Inkonsequenz, Bauschäden und Selbstherrlichkeit auffiel denn durch die standesgemäße Architektenrolle?

    Gewiss wunderschöne Videos zwar, aber sie zeigen nunmal - von der ganzen Völkerchose mal abgesehen - auch das architektonische Problem: In beiden Videos habe ich gerade einmal 10 Bauwerke identifizieren können, die sich auch im alten Königsberg fanden. Der Rest ist ein Gewirr an pseudo-haussmannschen Alleen und Achsen, die durch viel zu kleine Blocks geschlagen wurde. Die angedachten Neubauten sind zu 80 % eine wüste Zitatesammlung aus Paris, London, Holland und Österreich-Ungarn, die übrigen 20% zwar formal etwas korrekter, aber ohne Gespür für die Stadttopographie ringefoazt: da steht ein Haus mit Renaissancezuschnitt an einer Allee, wie sie im 19. Jahrhundert angelegt worden wäre. Von der glänzenden Goldzwiebel am Schlossteich will ich gar nicht erst reden.
    Aus meiner Sicht gefällig, aber sicher kein tragfähiges Konzept.

    Danke für die schönen Bilder vom Fluss meiner Heimat ;)

    Eine Info zu Traben-Trarbach: Heute eine kleine und größtenteils unbekannte Stadt, zeugen noch einige Bauwerke von einer nicht gerade irrelevanten Vergangenheit: Um 1900 herum hatte sich die Doppelstadt zu einem der wichtigsten Weinhandelsorte Europas gemausert. Moselriesling wurde zu Bestpreisen gehandelt, und angeblich war Traben-Trarbach zwischenzeitlich zweitgrößter Umschlagplatz für Wein nach Bordeaux (eine häufige Behauptung mit dürftiger Quellenlage zwar, aber selbst wenn es nicht so gewesen sei - keine Legende entsteht ohne Grundlage). Diese Situation zeigt sich auch im Stadtbild: Das Hotel Bellevue, die Türme der Moselbrücke und einige grandiose Villen stammen aus der Feder Bruno Möhrings. Hier mal ein paar Bilder:

    Großkellerei Julius Kayser & CoGroßkellerei Julius Kayser & Co

    Villa Nollen

    Villa Huesgen

    Im Buch "Das Bürgerhaus in Augsburg" (Pfaud, 1976, Seite 84) steht dazu:
    "Haus Saurer Greinswinkel 10 ist ein Zinslehenshaus des Spitals und ist von 1604 bis 1840 Wohnstätte von Webern gewesen.
    Im Buch Denkmäler in Bayern, Stadt Augsburg:
    "Zinswohnung für Weber, giebelständig, Überschutz in verputztem Fachwerk auf gemauertem Erdgeschoss, 16. Jh. ; Hausmadonna 1. Hälfte 18. Jh.; platzbestimmender Giebelbau mit überschießendem Obergeschoss in Fachwerk; Vordereingang zum Erdgeschoss, seitlicher Eingang mit Himmelsleiter zu den oberen Geschossen; z.T. noch Holzbohlenwände; rückwärtig kleiner Hausgarten. Figurennische mit Muttergottes. Instandsetzung 1987. Dendrochronologische Untersuchungen im Dachstuhl ergaben ein Fällungsdatum 1558.
    Maybe someone can translate it in English...

    I will try my best, yet I cannot guarantee for anything ;)

    Under the picture:
    "Saurengreinswinkel 10, another well preserved craftman's house from the 16th century. Used to be a house of flats for weavers. Half-timbered structure, protected by a layer of plaster ("Überschutz"). Contains a Statue of Madonna.

    The text:
    "From the book "Das Bürgerhaus in Augsburg" ("The town house in Augsburg", Pfaud, 1976, page 84):
    `The House Saurer Greinswinkel 10 is a House of flats belonging to the hospital [Don't know, Maybe the holy spirit hospital?]. From 1604 until 1840, weavers lived here.`

    From the book "Denkmäler in Bayern, Stadt Augsburg" (Historical sites in Vavaria, city of Augsburg):
    `House of flats for weavers, gable towards the street. Upper floors: half-timbered walls under plaster, ground floor: solid masonry. 16th century. House-Madonna from the first half of the 18th century. Prominent structure with protruding half-timbered upper floors. Main Entrance on the front. Side entrance with steep ladder to the upper floors. Partially timber walls. Small garden in the back. Renovated in 1987. Research in dendrochronology of the roof structure has shown that the trees were cut in 1558.`"

    Unfortunately, I hardly know anything about Augsburg. Anyway, do you know where the name "Zins" originates? Only few people could afford renting houses out back then, yet those houses are called "Zinshaus" in some parts of Germany and Austria. Zins means (financial) interest, but connotated to houses also "rent". So maybe there is a link?

    Könnte es - nur als unausgearbeitete Gedankenspielerei - nicht vielleicht interessant sein, eine zwar nicht rekonstruktive, aber dafür atmosphärisch abgestimmte kleinteilige Bebauung bis zum Fernsehturm zu etablieren? Diese könnte sich in Richtung Spree dann historisch korrekter artikulieren, zwischen Fernsehturm und Marienkirche allerdings eine neue Platzsituation erzeugen. Zur linken dann die Marienkirche, im Rücken besagter Platz von klassischen Blöcken eingefasst, vor einem der Fernsehturm, zur rechten dann ebenfalls Blockrandbebauung, die das expressive Pathos des Fernsehturm-Empfangsbaus aufgreift und, die Rathauspassagen ersetzend, zum Alex überleitet. Ich lade mal beizeiten ein paar Skizzen hoch.

    Russische Wiederaufbaubestrebungen pauschal als Kitsch abzutun erscheint mir übrigens als verfehlt

    Bei Einzelbauten und Monumenten hast du wohl eher Recht damit, vergleiche hierzu Christ-Erlöser-Kathedrale und Bernsteinzimmer. Aber eben darum ginge es ja wie gesagt bei K nicht, sondern um die Stadt, um das urbane Geflecht. Und mit derlei tut man sich ja schon hierzulande schwer. Was ist da bei der Qualität des Wohnbaus in Ru zu erwarten, wo sich zwischen Oligarchenkitsch einer- und bröckelndem Sozialbau andererseits kaum was findet?

    Hätte man damals doch auf die Leute gehört die da gesagt haben: "Die Frauenkirche ist einen unwürdigen Tod gestorben, lasst sie doch besser begraben" oder "das Schloss als die Mitte Berlins ist zerbombt gedemütigt gesprengt und verschleppt worden, lassen wir es in Würde da wo es ist, im Orkus der Geschichte"...

    Der Unterschied Königsbergs zu den genannten Beispielen ist schlicht und ergreifend das Ausmaß. Ein Dresden ohne Frauenkirche ist immer noch Dresden. Die Dresdner Bevölkerung blieb, vom Verbrechen an Bourgeoisie und Adel mal abgesehen, in Dresden, einem völlig zerbombten Dresden mit ausradiertem Antlitz zwar, aber immer noch Dresden. Erinnerungen an Semper, Pöppelmann und Permoser blieben genauso wach wie die an August den Starken, aller staatssozialistischer Umerziehungsversuche zum Trotz. Und noch heute bezeichnet man sich entsprechend als Dresdnerisch, spricht und kocht Sächsisch. Von dieser Dresdner Bürgerschaft ging im Bewusstsein für die eigene Heimat die Initiative zum Wiederaufbau Dresdner Bauwerke in einem Dresdner Umfeld aus. (Ich glaub, ich hab noch nie zuvor so oft hintereinander "Dresden" geschrieben :D).
    Ähnliches gilt für Berlin.

    Was dagegen Königsberg anbelangt, reden wir hier nicht von einer beschädigten Stadt, die repariert wird. Wir reden von einer Zerstörung, die totaler kaum sein könnte. Stimann behauptet, es sei die Abwesenheit von Altstadt, aber tatsächlich ist es die Abwesenheit von Königsberg in Kaliningrad. Hast du dir, lieber Aedificium, Apropos "Reststadt", beispielsweise mal Kaliningrad bei Google Maps angeschaut? Eine Wüste, ein Desaster, ein Altsowjetisches Großstadtkaff rund um den Dom als trauriges Relikt! Dieser Königsberger Dom hat etwas vom Maison Carrée in Nîmes. Dass es das gibt, macht Nîmes ja auch nicht automatisch zum römischen Nemausus. Genausowenig ist Kaliningrad Königsberg.

    Die Frauenkirche hat Dresden etwas zurückgegeben, was ihm fehlte. Wem oder was sollte ein rekonstruiertes Königsberg was zurückgeben? Jede Instanz, die seine Existenz bedingt hat, namentlich die Provinz Ostpreußen, der Staat Preußen und vor allem die Menschen, die sich Königsberger nennen, sind verschwunden.
    Natürlich wäre es ehrenwert, würden die Kaliningrader diesem Alten Königsberg dann doch einen kleinen, von mir aus auch größeren, Tribut zollen. Sollen sie an der Langgasse wohnen und auf Renaissancefassaden schauen, gern! Aber wer russische Investorenprojekte kennt, der weiß, dass es da mit Würde und Erinnerung nicht weit her ist. Da heißt es Styro, Profit und Geschichtsklitterung. Was als Zitat gemeint war, wird zum Faktum erhoben und für sich vereinnahmt, ohne jemals dafür bestimmt gewesen zu sein; Legitimation des Unlegitimierbaren hat schließlich auch in Kaliningrad seine Tradition. Und wahrlich, das hat Königsberg nicht auch noch verdient.

    Ich muss sagen, da schimmert mir schon ein gewisser Stumpfsinn durch die Zeilen dieses Interviews. Diese groteske Tendenz, Kaliningrad als Ostpreußens Herz mit lediglich russischsprachiger Bevölkerung zu betrachten. (Überhaupt, Herz welches der drei vermeintlichen Ostpreußens? Polen, Russland oder Litauen? Oder alle drei, das städtebauliche Totaldesaster als Zentrum eines Schengen Borussia?) Und Kaliningrad, bzw das lediglich russischsprachige Königsberg, das ist natürlich auch Preußen, dazu noch ein bisschen Lübeck (geht es etwa um Marzipan?), und ein bisschen Berlin sogar, der Unterschied zwischen Ostpreußen und Brandenburg-Preußen ist heutzutage schließlich ohnehin obsolet. Und genauso selbstverständlich geistern sie noch durch die Betonwüste, Kant, Kollwitz, Klopse und Konsorten. Was auch sonst, schließlich war ja alles halb so schlimm '45.
    Im Ernst jetzt, geht man tatsächlich davon aus, die Situation sei dieselbe wie in Frankfurt, Dresden, Berlin? Dass man nur noch das Stadtbild bräuchte, und dann wird alles wieder gut? Niemand käme auf die Idee, Mexico City als Tenochtitlan zu bezeichnen. Warum auch, das Aztekenreich ist Geschichte, tragische, barbarisch ausgelöschte Geschichte. Und man glaubt trotzdem, eine Stadt wie Königsberg sei selbst dann nicht totzukriegen, wenn man sie zerbombt, zerschießt, sprengt, abreißt, demoliert, verfallen lässt, umbenennt, ihr Umland teilt, ihren Staat tilgt, ihre Bevölkerung dezimiert und die Überlebenden vertreibt? Das nenne ich Optimismus.
    Man kann ja begrüßen, wenn die Kaliningrader sich die Ortsgeschichte vergegenwärtigen. Von mir aus auch rekonstruieren. Aber bitte, kein Touristenkitsch, keine pseudoversöhnende Klitterung, kein grüner Kneiphof, verdammt nochmal! Da kann man es ja gleich bleiben lassen. Das ist keine Rekonstruktion, nicht einmals kritische, eine der ehemals urbansten Stellen einfach freizulassen, weil's einem passt. Und vor allem, das alles bringt uns doch kein Königsberg zurück, nicht im geringsten. Selbst wenn man alles zentimetergenau wiederherstellen würde. Selbst Dortmund hat noch mehr von Vorkriegsdortmund, ja, sogar selbst Gdansk mehr von Danzig (ob seiner polnischen Staatlichkeit und Minderheit und dem entsprechenden Bewusstsein), als Kaliningrad von Königsberg. Eine Stadt, in der kein Deutsch, kein ostpreußischer Dialekt gesprochen wird, in der nur eine kleine handvoll Intellektueller und Heimatkundler von Kant, E.T.A Hoffmann und Herzog Albrecht gehört hat, in denen kein Lokal Klopse nach Omas Rezept serviert, in der Hundgatt, Langgasse, Schlossteich und Steindamm nicht viel mehr als die Kyrillisch geschriebenen Worthülsenprojekte von Großinvestoren sind, eine solche Stadt kann nicht Königsberg (Pr) heißen. Und dementsprechend wird es auch diese Stadt, dieses wahre Königsberg, nie wieder geben. Der Oblast Kaliningrad ist ein historischer Fremdkörper im Baltikum; damit kann man sich abfinden, von mir auch "versöhnen" (ein tolles Wort, welches durch Überstrapazierung arg an Farbe verloren hat), man kann nach Kaliningrad fahren, vielleicht, hoffentlich, wird es sich eines Tages sogar zu einer lebenswerten Stadt mausern, Heimat für die Russen werden wie einst für die Siedler unter dem deutschen Orden, sich auf der Landkarte endgültig verfestigen. Sei's drum.
    Das alte Königsberg hat Geschichte geschrieben. Es hat Schlachten gesehen, Wirtschaftsblüten, Krönungen, Perlen der Baukunst beherbergt und einige der hellsten Köpfe und größten Künstler ihrer Zeit beheimatet. Es hat seinen Platz in der Geschichte verdient und bekommen, und es ist einen furchtbaren, ihm unwürdigen Tod gestorben. Ich bitte die Verantwortlichen darum: lasst ihm wenigstens die Würde einer Totenruhe statt eines makabren Tanzes um den Leichnam. Was interessieren verkitschte Fassaden jenseits zweier Grenzen? Was zählt, ist das Bewusstsein und die Erinnerung an diesen einzigartigen Ort. Die sind es, die im kollektiven Gedächtnis notorisch zu kurz greifen.

    Ein sehr guter Ansatz, den du da verfolgt hast, Kaoru. Eine Dominante, das scheint tatsächlich das zu sein, was dieser Platz braucht. Diese klaffende, bedrückende Leere neben dem Bahnhof und nach hinten weg braucht dringend Kontur und Dynamik, bevor sie sich in einer Abwärtsspirale verfängt, welche vielen Bahnhofsvierteln widerfährt. Da ist auch der Expressionismus in meinen Augen die beste Wahl, nicht nur für dieses Grundstück, sondern auch für das "neue [lexicon='Leipzig'][/lexicon]" insgesamt. Ich war mal so frei, mich in einer flüchtigen Faustskizze ein wenig davon inspirieren zu lassen. Die weitere Idee war, aus der Grundstückstiefe eine ebenfalls geradezu expressionistische Dynamik zu entwickeln, welche schließlich in einem zentralen Turm endet. Oder aber, in der anderen Richtung, den Turm als Blickfang mittels der daraus herabgehenden Volumina in die Gegend hinter dem Bahnhof einladen zu lassen.

    Wie ihr seht, ist das ganze nun faustskizzentypisch etwas breit geraten, und das, obwohl ich eigentlich ohnehin nach vorn schmaler werden wollte als das zur Verfügung stehende Grundstück. So krankt die Idee an der Hand. Noch gravierender dagegen ist die Disharmonie von Turm und Hauptbau. Es will nicht so recht zueinander passen. Der Kernbau ist klassisch, konventionell-expressionistisch, beinahe sachlich. Glatt, rechteckig, streng axial, die Wandflächen pilasterartig massiv, nach oben in Gesimsen endend und zurückspringend.
    Dagegen der Turm: Viel größerer Wandflächenanteil, nach oben durch Rücksprünge verjüngend. Drei Haupteingänge enden in wimperghaften Konsolen, die die Mittelachse eines zweigeteilt spitz hervorkragenden, vertikalen Fensterbandes tragen. Auf den Rücksprüngen Vollreliefs. Alles ist Skulptur, alles ist spitz, Pfeilhaft, in Bewegung, wie appliziert an eine glatte, unerfindlicherweise fast biedere Masse. Daneben die plastische Tiefe, Einfachheit und Behäbigkeit des Hauptbaus - das passt nicht so recht. Er vermag trotz verjüngender und zur Mitte zunehmender Staffelgeschosse nicht zum Turm zu übermitteln.
    Na ja. Vielleicht find ich die Tage nochmal Zeit für eine Überarbeitung.


    Hier stattdessen nun was anderes, wenn auch nach ähnlichen gestalterischen Paradigmen: Ein Jugendstilkaufhaus an einer Ecksituation, Konkav die Flucht aufnehmend und verschmälernd, so die Intention. Nach einer Weile merkte ich, dass die konkave Ecke zu klein ist, um wirklich Ausdruck zu erzeugen, und entschied mich, die Mittelachse anders zu behandeln als den Rest (Urspr. war sie identisch mit den Flanken vorgesehen). Bekrönt, oder ob seiner außerplanmäßigen Schmalheit eher vertuscht wurde das Dach nun Mittels eines überkuppelten Glastürmchens mit Kupferstreben. Leider wirkt es etwas fremd, fast schon anachronistisch. Dass dieses Element das Mittige Treppenhaus beleuchtet, lassen die halbgeschossigen Fenster der Mittelachse erkennen: hier liegt das Treppenpodest. Das Oberste Geschoss ist im gegensatz zu den ersten dreien, wo nur die Fenstergewände geometrische Friese und die Wandstreifen Kanneluren aufweisen, reich ornamentiert. Die Mauerstreifen gehen in aufrecht stehende Skulpturen über.

    Hier noch eine Detailzeichnung, deren Fertigstellung durch den zeitlich-terminlichen Faktor auf unbestimmte Zeit verschoben ist. Ich lade sie hoch, sollte sie je fertig werden. Sie zeigt die drei Mittelachsen der konkaven Ecke als Abwicklung hauptsächlich im 3. Obergeschoss.

    Es fehlen noch einige Fenstergewände und Kanneluren im 2. OG sowie die vorab erwähnten Skulpturen oberhalb der kannelierten Mauerstreifen im 3. OG (Allegorien v Tüchtigkeit, Handel, Pioniergeist usw). Außerdem ebenfalls im 3. die runden / ovalen Fenster nebst Gewänden (Lorbeer) und umgebenden Reliefs (vermutlich Ranken und sonstiges Karnickelfutter).
    Dieser Entwurf war Ergebnis eines öden Tages, den ich zwangsläufig an der Uni verbringen musste, und obschon ich öde Tage verabscheue, hoffe ich, dass sich bald ein solcher wiederholt, damit ich dieses Detail fertigstellen kann.

    Die starke Rhythmik der Fensteranordnung und die Gesimse machen das Geplante in meinen Augen recht gefällig, aber lediglich in einem Maße, das alles mit der Materialwertigkeit stehen und fallen lässt. Störend find ich in erster Linie die fehlenden Vertikalen im EG und den unkreativen Übergang zur Rechten mit dem "Einfahrtsloch".

    Peter Behrens kann man wohl als "Chamäleon der Architektur" bezeichnen:

    1900-01: Haus Behrens

    1908-09: AEG Turbinenhalle

    1911: Mannesmann-Haus

    1912: Kaiserlich Deutsche Botschaft St. Petersburg

    1921-15: Hoechst-Werke (Außen & Innen )

    1927: Haus in der Weißenhofsiedlung (Jedoch das einzige mit Gesimsen und Sprossenfenstern)

    1929-30: Mietswohnungen Bolivarallee, Berlin

    1929-31: Villa Gans

    1930-32: Berolinahaus

    Die Werkspalette Behrens', von denen selbst dieser Ausschnitt kaum Ausführlichkeit beanspruchen kann (Recherche lohnt sich!), zeigt das Können dieses unterschätzten Architekten in jeder erdenklichen Form: Jugendstil, Expressionismus, Moderne, Neoklassizismus in den unterschiedlichsten Formen. Kein Versuch, dem Bauwerk einen typischen "Behrens-Stempel" aufzudrücken, sondern Unterordnung ggü der Aufgabe. Beim Haus Behrens ist alles durchkomponiert und individuell, von der Kubatur bis zur Brosche der Gattin (kein Witz). Dagegen steht die AEG-Turbinenhalle wie kaum ein zweites Gebäude für moderne Industriearchitektur in Deutschland (gut, von Fagus mal abgesehen). Die Petersburger Botschaft ist monumental, die Bolivarallee leicht und heiter. Das Berolinahaus kühl und urban, die Hoechstwerke eine fantasievolle Farbexplosion. Dazu unzählige Spielarten und Nuancen. Ich glaub, ich brauche nicht zu erwähnen, dass er zu meinen Lieblingsarchitekten des 20. Jhdts zählt.

    Soviel zu Behrens als Bindeglied zw "modernisierter Tradition" und "traditionsbewusster Moderne", um es so frei zu formulieren. Das Wissen um eventuelle Nachkriegstendenzen jedoch, wie du sie ansprichst, bleibt uns durch seinen Tod 1940 verwehrt.

    Das Problem mit dem Disneyland-"Argument" ist ja, dass es so inkonsistent, unpassend und schlichtweg grenzdebil ist, dass man kaum dagegen argumentieren kann. Es ist dermaßen frei von Logik, dass es nicht einmals eine Angriffsfläche bietet, die man aushebeln könnte. Es besteht absolut kein kausaler Zusammenhang zwischen A und B, und wo nichts ist, kann man nichts widerlegen. Das macht die ganze Sache so perfide.

    Überhaupt bleiben da sehr viel Fragen offen. Wie soll man sich so etwas vorstellen? Diese magische Materialisierung eines Themenparks aus heiterem Himmel, abhängig von der Fassadengestaltung? Kann man dann etwa auch Toni den Tiger heraufbeschwören, wenn man mit Cornflakes vollgeschmiert durch's Frankfurter Bahnhofsviertel rennt? Wird man automatisch reich, wenn man sich eine Rolex kauft? Entsteht da etwa eine eigene Mythologie, zu der nur die blind gläubigen Modernisten Zugang haben? Erscheint bei Fertigstellung einer Rekonstruktion dann eine Magische Fee mit Corbusierbrille, die ihren Zauberstab schwingt und wundersamerweise alles in einen Freizeitpark verwandelt, TÜDELDÜ?? Und wo lebt diese gütige Fee? Etwa bei den sieben Zwergen hinter den sieben Wohnmaschinen? Deren Fantasie hätte ich gern.
    Ich fühle mich bei der ganzen Disneylandrhetorik stark an die Darstellung Michael Jacksons in South Park erinnert, wem das was sagt.

    Nana, Zeno... die Intention wird schon klar, aber ich denk wir beide wissen, was jetzt mit "Gründerzeit" in diesem Falle gemeint ist ;)
    Ich denke, da gibt es grundsätzlich das Problem der "Retortenstadt". Jede aus dem Boden gestampfte Stadt bzw großes Quartier krankt erstmal an ihrer "Neuheit". Sie wirkt tot und künstlich. Erst im Laufe vieler Jahrzehnte entwickeln sich entweder temporär gefestigte Sozialstrukturen oder aber totale Problemfälle, abhängig von unzähligen Faktoren.
    Eine Stadt braucht erstens einen Grund zum Bestehen, der über den bloßen Selbstzweck hinausgeht (meist wirtschaftlich, ergo leider funktional) und zweitens Zeit zur Entwicklung. Zeit, für die das Leben eines einzelnen ambitionierten Stadtplaners, ja, nichtmals die Dauerhaftigkeit seiner Ideen, ausreicht. Somit wäre das Projekt "Neogründerzeit" in meinen Augen leider ein unrealistisches Gedankenexperiment. Aber ein schönes :)

    Ich denke, das ist einfach die Frage, was von beiden man nun bevorzugt: Leichtigkeit oder Solidität? Aller Unpassendheit zum Trotz kann auch ich dem Rathaus etwas mehr abgewinnen als dem Kaufhaus. Dieses überlange Glasgeflirre... das passt einfach nicht in eine Altstadt mit ihrer haptischen Schwere. In Trier gibt es da eine schöne Buchhandlung , auch vollverglast. Die nimmt die Proportionen des klassizistischen Kulturbaus zur Linken auf, dessen Obergeschosse sie mitnutzt, wodurch wahnsinnige Deckenhöhen und elegante und würdevolle Raumeindrücke entstehen. Zudemist die Fassade ein ziemlich wertiger Holzbau, vorn mit Metall verkleidet. Auch von außen ist es durch die Abstandsnahme, Traufhöhe und Gliederung absolut schlüssig.

    Das Hagemeyer hingegen wirkt wie wirr zusammengestückelt. Allein schon die Giebelständigkeit des Renaissanceprachtstücks daneben nimmt der flachen Traufkante ihre Legitimation. Zur linken hin wird's logischer, schicker, da leitet der simple Nachbarbau eine gewisse Modernität ein, und das Glassegment wird schön mit leichter Biegung zwischen zwei "Türmen" eingespannt. Hat was von Columbushaus oder Kaufhaus Schocken. Aber nach rechts? Katastrophe. Immer wieder eine andere Struktur, beinahe schizophren (man verzeihe mir die Sprachanleihe aus der Medizin). Und optisch wirklich ungenügend. Als wolle es uns anschreien: "Hier, wo sich eins stolze Giebel aneinanderreihen mochten, steh nun ich, grell, billig und selbstverliebt." Hier hätte es eine kunstvolle Überleitung gebraucht, aber schlimm genug, dass das Kaufhaus daran schon scheitert, nein, selbst innerhalb seiner selbst sinkt die Qualität an dieser wichtigen Ecke.

    Und das Rathaus? Na ja, das ist echt ein Sonderfall. Passt natürlich überhaupt nicht in die Altstadt, allein als Typus. Klassischer Griff ins Klo der 70er. Aber die Materialien sind aufeinander abgestimmt und scheinen wertig. Das Konzept scheint logisch durchgezogen worden zu sein. Es ist nicht überdimensioniert, es hat eine Aussage, und vor allem: Es hat Bezug zur Schwere des Doms. Das Problem ist halt wirklich die sensible Stelle, dafür hat es zu viel moderne Selbstsicherheit. Ein Problemfall, der wirklich nicht zufrieden stellt. Ein bisschen wie der zwar ansehnlich ornamentalisierte, doch zwischen Spree und Lustgarten hilflos eingeklemmte, dementsprechend extrem kopflastige Berliner Dom. An sich schön, doch fehl am Platze, und anderswo würd's auch nicht mehr funktionieren.

    1. Der kreative Umgang mit der Ecksituation, die mit verschiedenen Krümmungsgraden, Tiefen, Versprüngen, Höhen, Stockwerken, Nutzungen und Bedeutungsebenen spielt, ohne sich selbst zu überfrachten.
    2. Die Wertigkeit des Materials sowohl für sich als auch im Gesamtkonzept.
    3. Die gestalterische Stringenz - keine Klimaanlagen, klobigen Fenster, Extrawürste oder unpassenden Werbeschilder stören das Konzept.
    4. Die historische Bedeutung als Stellvertreter des "Hinüberrettens" alter Zeitgeister (Typus Grandhotel) und des Nachkriegsoptimismus.

    Darüber hinaus ist die Einfügung wirklich um Längen besser geschehen als bei anderen Bauten der Zeit. Die Traufhöhe wird respektiert, der Blockrand gewahrt, und die Ecke betont (wenn auch anders als noch zu Kaisers Zeiten). Verglichen mit dem seinerzeit proklamierten, unseligen Feldzug gegen die Stadt und dessen horrorartigen Albtraumutopien haben wir hier meines Erachtens wirklich ein Grandhotel alteuropäischer Güte vor uns stehen. Da hat der Kudamm echt andere Problemzonen.