Dinkelsbühl

  • Ich wohne seit eineinhalb Jahren in Dinkelsbühl - nicht in der zu recht gelobten Altstadt, sondern in einem Neubau mit modernem Komfort in einer Siedlung. Wohnte vorher mehrere Jahrzehnte in einem Denkmal aus dem 16. Jh. einer Nachbarstadt. Die Beschreibungen, die ich hier gelesen habe, entsprechen zum grössten Teil der Wirklichkeit.
    Was mir auffällt ist, dass bei der Bevölkerung der Stolz auf ihre Stadt spürbar ist. Inzwischen sind zwar die bisher sehr strikt angewandten Gestaltungsrichtlinien ein wenig aufgeweicht, aber im Kern ist diese Kleinstadt ein Juwel.
    Und ich stelle fest, dass die Zahl von Menschen, die eine Wohnung oder ein Haus in der Altstadt suchen, von Jahr zu Jahr zunimmt. Es werden immer mehr Häuser saniert - gut so.
    Die Zahl der Touristen hat merklich zugenommen. Darüber muss man auch nicht jammern.
    Eine aktuelle Info zum Spital: ein Teil wird für betreutes Wohnen renoviert. Das Stadtmuseum ist aber schon lange nicht mehr im Spital, sondern im alten Rathaus, dem mittelalterlichen "Steinernen Haus". Es wurde als "Haus der Geschichte" von einem Münchner Architektenteam im Sinn einer zeitgemäßen Präsentation sehr kreativ gestaltet.
    Mein Album "Dinkelsbühl" erwähne ich nur als Ergänzung.
    Freue mich, wenn ich feedback kriege und gebe auch gerne Infos weiter.
    Schneckenturm

    'Wenn die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten'
    ( Karl Kraus )

  • Aktuelles aus Dinkelsbühl - die Neugestaltung eines Platzes in der Altstadt,

    Seit in einer der letzten Stadtratssitzungen beschlossen wurde, den hinter dem Rathaus gelegenen Schweinemarkt neu zu gestalten, gibt es Kritik an diesen Planungen.

    Es soll der natürliche Geländeverlauf - eine leichte Neigung Richtung Münster - beseitigt bzw. begradigt werden. Das zugegeben holprige Pflaster wird mit Platten belegt und erhält auf der Rathausseite eine Rampe als barrierefreies Alibi. Daß zur gleichen Zeit durch die auf fast allen Seiten notwendigen Stufen die vorhandene Barrierefreiheit beseitigt wird, wird nicht weiter erwähnt.

    Die vorhandenen alten Bäume sind schon vorab durch das Gutachten eines Experten als nicht erhaltenswert klassifiziert.

    Eine Nachpflanzung ist vorgesehen. Auch eine Möblierung mit einem Trinkwasserspender und ein 3D-Modell der Altstadt sind geplant. Der Einbau eines barrierefreien WCs im Rathaus ist zweifellos ein Fortschritt - ist aber auch separat zu kriegen. Ein Argument der Ratsmehrheit war die Tatsache, daß es noch hohe Zuschüsse gibt - als gewichtiges Argument eher lächerlich.

    Hauptkritikpunkt: die problematische Schaffung eines ebenen, quasi von der Wasserwaage diktierten Niveaus. Das ist optisch ein Fremdkörper Es gibt in einer alten Stadt, auch in Dinkelsbühl, keine Stufen, sondern allenfalls Stiegen, wenn das Gelände stärker ansteigt. Was hätten die Bauern früher gesagt, wenn man den Marktbereich für ihre Handwagen, Schubkarren und Fuhrwerke durch Stufen blockiert hätte? Leider gibt es von mir noch keine Bilder vom Schweinemarkt.

    Es existiert zwar ein sehr interessanter Stummfilm ( etwa 12 Minuten ) eines amerikanischen Reporters aus dem Jahr 1937. Aber der Schweinemarkt ist dort nur ein Paar Sekunden zu sehen.

    Den link aus dem Bestand des Holokaust-Museums von Stephen Spielberg kann ich, wenn gewünscht, gerne weitergeben .

    Ich hoffe mit den Menschen, die das noch weitgehend erhaltene Stadtbild Dinkelsbühls schätzen, daß die Pläne möglichst so nicht realisiert werden.

    Man hört, daß das Landesdenkmalamt in München ( Gebietsreferat Mittelfranken ) keine Einwände gegen diese Planung hatte. Wenn das stimmt, dann ist es einfach unverständlich.

    Es wäre schön, einige Meinungen von Stadtbild-Profis zu lesen.

    Viele Grüße aus Dinkelsbühl

    Schneckenturm

    'Wenn die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten'
    ( Karl Kraus )

  • Snork 12. Juni 2020 um 23:33

    Hat den Titel des Themas von „Dinkelsbühl - Allgemeines“ zu „Dinkelsbühl“ geändert.
  • Stellungnahme bezüglich der Dachausbauten in der Altstadt (23.03.2021)

    'Pro Altstadt Dinkelsbühl' nimmt auf seinem Blog Stellung zum übermäßigen Ausbau der Dächer in der Dinkelsbühler Altstadt mitsamt ihren Auswirkungen:

    https://www.dkb-proaltstadt.de/aus-gegeben-an…O-KmDhHPahGGpRg

    Das Dinkelsbühler ISEK (Integriertes Stadtentwicklungskonzept) fordert als Zukunftsstrategie für die Dinkelsbühler Altstadt die „konsequente Umsetzung der Baugestaltungssatzung und des Denkmalschutzes“ und damit die Rückkehr zur Einhaltung der Gestaltungssatzung.

    ________________________________________________________________________________________________________________________

    Anmerkung: Die Dinkelsbühler Problematik sowie die Forderungen sind auch auf andere Altstadtkerne übertragbar!

  • Ja, kalt und abstoßend. So wohnt man heute. Puristisch und absolut clean. Damit wird dem Gebäude der historische Charme wohl leider endgültig ausgetrieben. Offenbar will man somit ein modernes, junges und hippes Publikum nach Dinkelsbühl locken.

  • Das Hotel ist ja offensichtlich schon ganz schön in die Jahre gekommen. Mich spricht das alte Interieur nicht an. Es atmen den morbiden Charme der 60er, obwohl einige ältere Ausstattungstücke exzellent sind. Aber die Gesamtkomposition will nicht überzeugen. Dort möchte ich nicht übernachten.

    Der neue Entwurf stellt dagegen die Holzkonstruktion wieder heraus und wirkt edel und stilvoll. Lobby und Wellness-Bereich finde ich dadurch gelungen und wohnlich gestaltet, dem Rosensaal kann ich aber nichts abgewinnen.

    Kunsthistoriker, Historiker, Webdesigner und Fachreferent für Kulturtourismus und Kulturmarketing

    Mein Bezug zu Stadtbild Deutschland: Habe die Website des Vereins erstellt und war zeitweise als Webmaster für Forum und Website verantwortlich. Meine Artikel zu den Themen des Vereins: Rekonstruktion / Denkmalschutz / Architektur / Kulturreisen

  • Aber der Rosensaal ist doch auch vorher schon Kino gewesen? Mittelalterlich wird da außer den Außenmauern gar nichts gewesen sein.

    Ansonsten lebt das Projekt von der Idee der Einbeziehung der Dachstuhlkonstruktion in die touristische Nutzung. Man kann somit inmitten authentischen Mittelalters relaxen und wellnessen und chillen und was sonst das heutige Herz begehrt. Früher ist man in diesen Bereich wohl kaum hingekommen.

    Die Riesenhaftigkeit der Fluren ist wohl bereits auf langbestehende weitgehende Entkernung des ganzen Gebäudekomplexes zurückzuführen. Ich hoffe und kann mir auch nicht vorstellen, dass der Hezelhof da miteinbezogen worden ist?

    Das Rendering suggeriert quasi omnipräsenten Sichtbeton, auch dort, wo offenbar keiner vorliegen kann. Das trägt viel zum Anschein unangenehmer Kälte bei.

    Fazit: schwer zu sagen, wie es wirklich wirkt. Sicher ist es hochwertiger als die miefig gewordene 60er Jahre- Ärmlichkeit. Ob man aber die modern- kühle Großzügigkeit irgendwann einmal, wenn auch sie in die Jahre gekommen sein wird, günstiger als heute beurteilen wird, steht auf einem anderen Blatt.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Ich bin zwiegespalten. Manches an der Bestandsausstattung ist ja auch nicht sehr ansprechend, zumindest nach heutigem Geschmack. Die Teppichböden, die Holzlattenverkleidung der Decken und Wände... Die neue Gestaltung wirkt schon hip und durchaus mondän. Wichtig ist aber, dass keine Substanz zerstört wird und die historische Atmosphäre erhalten bleibt. Wichtig fände ich deshalb Holzböden und ein Verzicht auf diese seltsame graue Sichtbetonoptik, die überhaupt nicht zu dem Fachwerkhaus passt. Der Spa-Bereich im Dachstuhl hat hingegen etwas. Wenn durch die Feuchtigkeit keine Schäden an den Balken entstehen, kann man sich das schon gefallen lassen.

    Also, wie gesagt... (siehe erster Satz)... :unsure:

  • Man kann dieses Projekt wohl sehr gut mit dem Café "Populaire" in Berlin vergleichen: vorher war es zwar historisierende 80er Jahre Inneneinrichtung, die aber mehr Seele hatte als der heutige nackte Beton, der zwar "ehrlicher" ist aber eine Eiseskälte ausstrahlt...

    Da hilft auch nicht, dass man die Deckenbalken freilegt, diese sind wie ein Fremdkörper für den Rest, der wie aus'm Ikea-Katalog sein kann!

  • Es stellt sich die Frage, ob dieser Beton "echt" oder nur auf die Darstellung zurückzuführen ist.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Ich könnte mir vorstellen, dass die Wände mit Dekor- oder Lehmputz gestaltet werden. Vielleicht wollen sie dadurch eine Sichtbeton-Optik herstellen. Ich hoffe das allerdings nicht. Wenn alles in Grau wäre, fände ich das schrecklich und erdrückend. Also hoffentlich kommt etwas Farbe rein.

  • Für das Stadtbild entscheidend ist das äußere Erscheinungsbild. Die Fassade der „Goldenen Rose“ wirkt im Video lieblos, modisch visualisiert, und wenig einladend, passend zum zukünftigen, inneren Erscheinungsbild. Hoffentlich ist das schmutzige Äußere der Fassade nur der Visualisierung geschuldet und es bleibt farblich bei den für Dinkelsbühl üblichen satten Farben, also bestenfalls keine Veränderung gegenüber dem Ist-Zustand.