Museumsneubau mitten in Paris

  • Verweis zum letzten Beitrag im alten Forum: http://www.naanoo.com/freeboard/boar…id=16290&page=3

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    Da ich keinen passenderen Faden für dieses Thema gefunden habe, stelle ich es mal hier rein:

    "Pariser entfliehen der teuren Metropole


    Paris (dpa) - Der Eiffelturm und der Louvre, die Atmosphäre auf dem Montmartre und ein Spaziergang an der Seine machen für Millionen Touristen die Weltstadt Paris aus. Die gut zwei Millionen Pariser sehen das etwas anders.

    Nerviger Straßenlärm, verpestete Luft und unfreundliche Nachbarn stressen sie. Das ebenso hektische wie teure Leben in Frankreichs Hauptstadt mit den sich ungebremst hoch schraubenden Mietpreisen machen den Alltag für viele zur Qual.

    Seit 1990 kehren jährlich 82 000 Pariser ihrer Metropole den Rücken - ein Trend, der sich noch zu beschleunigen scheint. Internet, Laptop und Handy machen mobiler. Und wer muss, der fährt unter der Woche halt rasch ein paar Mal per Bahn aus der Provinz nach Paris zurück.

    Klar, Paris mit seinem besonderen Flair und dem so üppigen Kulturangebot zieht andere auch weiterhin magnetisch an, sonst wäre die Hauptstadt der Franzosen in zwei Jahrzehnten ausgestorben. Aber jene etwa 70 000, die sich jährlich neu innerhalb der Stadtmauern eine Bleibe suchen, bremsen den Einwohnerschwund nur.

    Vor allem aber dürfte diese kleine Völkerwanderung Schritt für Schritt das Bild von Paris verändern. Denn die Stadt wird gleichzeitig bürgerlicher. Angestellte und Besserverdienende zieht es überdurchschnittlich an die Seine. Sie können sich Paris als Prestige noch leisten - und auch die seit langem monatlich um ein Prozent steigenden Immobilienpreise.

    »Als wir noch in Paris lebten, sind wir zuletzt gar nicht mehr ausgegangen, nicht mehr ins Kino und nicht ins Theater, so gestresst waren wir«, sagte die 41-jährige Valérie Boutillier der Tageszeitung »Le Parisien«: »Lärm, Luftverschmutzung und Beton hatten uns mürbe gemacht.«

    So ist sie samt Familie in den Südwesten aufs Land gezogen. [...] Andere wie die Lehrerin Emmanuelle Turel-Prost (33) konnten schlichtweg die horrenden Mieten nicht mehr bezahlen und haben sich dann etwas weitaus Günstigeres im Umland ausgesucht, obwohl dort die städtebauliche Tristesse regiert.

    Wenn eine Mietwohnung mit 135 Quadratmetern in der Nähe der Bastille 3600 Euro kostet und der Kaufpreis pro Quadratmeter die 4300 Euro übersteigt, dann kann Bürgermeister Bertrand Delanoh gerade den Familien auch nicht mit seinem »Feuerwerk der Feste« helfen.

    Vom Seine-Strand »Paris-Plage« bis zur Kulturnacht »Nuit Blanche« reicht das Programm des beliebten Sozialisten, der die Einheimischen halten und die Touristen aus aller Welt anziehen will. Seine hochfliegende Idee, mit neuen Wohntürmen in dieser Stadt ohne Platz mehr Wohnungen und Büros zu schaffen, stößt außer bei den Jungen auf harten Widerstand. Wie
    seit eh und je stört viele der Montparnasse-Turm im Süden - sie ziehen das nostalgische Paris-Bild der Film-Fee Amélie Poulain vor.


    Den Bürgermeister bringt das in die Zwickmühle. Auf eine breit angelegte Befragung der Stadt hin hatten immerhin 120 000 Pariser mit einer detaillierten Wunschliste geantwortet. Was sie wollen, birgt keine Überraschungen und käme teuer zu stehen: Mehr Grünflächen, ein weit besser ausgebauter öffentlicher Verkehr und wirksamer Schutz von Mensch und Umwelt wären angesagt, wenn man auf die Pariser hörte.

    Um die Stadtflucht zu stoppen, um neue Investoren und Unternehmen an die Seine zu holen (und so die nötigen Arbeitsplätze zu schaffen), muss Delanoh wohl doch hoch hinaus. Im Postkarten-Paris werden dann eines Tages neue Wolkenkratzer stehen - bestenfalls aber nur am Stadtrand.

    14.10.2004 dpa"
    (Quelle: http://www.ikz-online.de/)


    Kaum zu glauben, dass der Pariser Bürgermeister die Probleme ausgerechnet mit Hochhäusern beheben will. Ich denke, dass wäre der falsche Weg, dies würde doch eher dazu führen, dass viele Touristen wegblieben und noch mehr Menschen wegzögen.

  • Heute wurde in Paris das neue Museum für Stammeskunst von Jaques Chirac eröffnet. Es vereint zwei der wichtigsten Sammlungen für die Kunst der Urvölker aus Afrika, Asien, Ozeanien, Nord- und Südamerika. "Am südlichen Seineufer, im urbanen Schnittpunkt zwischen der Eisenarchitektur von Grand Palais und Eiffelturm, zitiert die verschachtelte Anlage das historische Material der Pariser Symbolbauten und schafft zudem eine avantgardistische Bühne für mehr als 300.000 Exponate".

    Jetzt kommt noch das unvermeindliche Geschwafel der Journaille und des Architekten:

    Paris Match: ""Das einzige Stück Gegenwartsarchitektur von Interesse in einer Hauptstadt, die vom Mut verlassen ist"

    Der Architekt: Als einen "Sakralbau für mysteriöse Objekte, Träger geheimer Überzeugungen, Zeugen zugleich alter, wie lebendiger Zivilisationen", hatte Jean Nouvel 1999 seinen Entwurf beschrieben; er versprach einen "Ort gekennzeichnet durch die Symbole des Waldes, des Flusses und die Obsessionen von Tod und Vergessen".

    Zitat

    Die Anlage folgt dem leichten Radius des Seinebogens, ebenso wie die Glas-Palisade, die das zwei Hektar große Areal vom Lärm der Uferstrasse abschirmt. Organisch eingebettet in eine mäandernde Landschaft, versteckt Nouvel seine optischen Provokationen hinter einem "heiligen Wald" aus 180 Bäumen - zur Seine hin Ahorn und Eiche, zur parallel laufenden Rue de l'Université Kirschen und Magnolien. "Es wird das erste öffentliche Gebäude sein", so Nouvel, "dass man von außen nicht oder nur wenig sehen wird." [...] Spektakulär, aber bescheiden: Mit 21 Metern auf Höhe der Nachbarhäuser, besetzt das Museum nicht einmal ein Drittel des vorhandenen Areals - der überwiegende Teil, bleibt als Park Bürgern und Besuchern frei zugänglich; die nötigen Flächen für Werkstätten, Archive und Magazine wurden in die Untergeschosse verbannt. Und als Verbeugung vor dem großen Städtebauer Haussmann, hat Architekt Nouvel seine vier grundverschiedenen Baukörper den Giebelseiten der großbürgerlichen Nachbarhäuser angedockt.

    http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,422486,00.html\r
    http://www.spiegel.de/kultur/gesellscha ... 86,00.html

    Wenn du ein Haus baust, denke an die Stadt (Luigi Snozzi)

  • Oje... was stand denn da vorher?

    Wo die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten
    Karl Kraus (1874-1936)

  • @ Booni: Habe nichts darüber finden können was dort vorher stand. Am Samstag, den 24. Juni werden auf ARTE in der Reihe Metropolis Baugeschichte und Einrichtung vorgestellt. Vielleicht erfährt man dort was sich vorher dort befand.

    Zitat

    Anhand von Interviews und Reportagen werden Baugeschichte und Einrichtung seit 1999 nachgezeichnet und das allgemeine Museumskonzept vorgestellt. Gesprächspartner sind Jacques Chirac, Jacques Kerchache, Stéphane Martin (Museumsdirektor), Jean Nouvel, Germain Viatte (Kuratorin für die museale Einrichtung), Jean-Pierre Mohen und weitere Verantwortliche der diversen Bereiche dieses höchst anspruchsvollen neuen Ortes.

    http://www.arte-tv.com/de/wissen-entdeckung/urvoelker/Ein_20neues_20Museum/782954.html\r
    http://www.arte-tv.com/de/wissen-entdec ... 82954.html

    http://www.quaibranly.fr/\r
    http://www.quaibranly.fr/ (Offizielle Seite)

    Wenn du ein Haus baust, denke an die Stadt (Luigi Snozzi)

  • Soweit ich weiß, war dort vorher eine Baulücke. So ziemlich die einzige dieser Größe in der Pariser Innenstadt. Im Norden ist die Seine, ansonsten besteht die Umgebung überwiegend aus klassizistischer Wohnbebauung.

  • Was auch immer.

    Man kann es zwar nicht als Trost auffassen, aber irgendwie ist es beruhigend zu wissen, dass auch Paris von solchen baulichen Abartigkeiten nicht verschont wird. :augenrollen: Natuerlich kann es sowas leichter verkraften als die meisten deutschen Staedte. :(

  • Ganz schlimm war dazu die Propaganda in den öffentlichen deutschen Sendern. "Modern, transparent" - und ein Unterton, als wäre Paris ohne das Centre Pompidou und La Défense ein nichts.

    Als wäre das die Bedeutung Paris', als würden wegen solch künstlich gehypten Gebäuden (die Louvre-Pyramide ist ebenso ein Beispiel) wirklich Leute anziehen.

  • An der Stelle klafte seit Langem eine Lücke, die der bauwütige Mitterand mit einem (natürlich) riesenhaften Konferenzzentrum schließen wollte. Drei Riesenklötzchen im Glaskasten. Aber dann fraß die Neue Nationalbibliothek alle Mittel. Ud frißt und frißt... :lachen:

    Ich finde die französischen Renomierprojekte wie die grands traveaux meist gefälliger, weil viel Wert auf Symmetrie und steinerne Formspielereien gelegt wird. Das bringt Pathos - und würde von jedem deustchen Architekturrat als "faschistoid" gebrandmarkt werden :augenrollen:

  • In einer vergleichsweise so heilen Stadt wie Paris kann man mit einem solchen Neubau gut leben. Auch wenn ich ihn weder für originell, noch für schön, noch für städtebaulich geglückt halte.

    Eine der vorzüglichsten Eigenschaften von Gebäuden ist historische Tiefe.
    Die Quelle aller Geschichte ist Tradition. (Schiller)
    Eine Stadt muss ihren Bürgern gefallen, nicht den Architekten.

  • Zitat

    Organisch eingebettet in eine mäandernde Landschaft, versteckt Nouvel seine optischen Provokationen hinter einem "heiligen Wald" aus 180 Bäumen - zur Seine hin

    Er wird schon wissen warum. Wie werden die Pariser/Franzosen neidisch auf unsere Ausstellung im Berliner Stadtschloß sein!

    http://www.spiegel.de/kultur/gesells…,422486,00.html

    "Nichts zeichnet eine Regierung mehr aus als die Künste, die unter ihrem Schutze gedeihen."
    Friedrich der Große

  • Wenn die Museumsinsel mit Schloss (und Bauaka (und Marstall)) wirklich mal fertig ist, werden die meisten Städte neidisch auf Berlin sein. :)

    Eine der vorzüglichsten Eigenschaften von Gebäuden ist historische Tiefe.
    Die Quelle aller Geschichte ist Tradition. (Schiller)
    Eine Stadt muss ihren Bürgern gefallen, nicht den Architekten.