Dresden - die Friedrichstadt

  • Ja, das passt nicht ins Bild der gerne beschworenen preußischen Toleranz. Friedrich II betrieb eine äußerst aggressive Großmachtpolitik zu Gunsten von Preußen und auf Kosten seiner Nachbarn, allen voran Österreich und Sachsen. Heute hätte er sich dafür wohl in Den Haag zu verantworten :rolleyes: . Man könnte weiterspinnen, wie die Geschichte wohl verlaufen wäre, wenn Maria-Theresia gesiegt hätte.

    Der deutsche Pfad der Tugend ist immer noch der Dienstweg.

  • Richtig!
    Die vollständige Annexion Sachsens war seit Friedrich II. eines der wichtigen Ziele preußischer Politik. Nicht umsonst beinhaltete der erste geheime Zusatzartikel des Vertrages von Kalisch vom 28. Februar 1813, der den "Bruch" Preußens mit Napoleon markiert, diesen Passus. Vor dem genannten Hintergrund waren die politischen Möglichkeiten Sachsens im Jahre 1813 natürlich recht stark eingeschränkt.
    Letztlich verdanken wir es unseren Freunden in Österreich, dass Sachsen auf dem Wiener Kongress erhalten blieb, bis wir, im Krieg von 1866 wieder an der Seite der Donaumonarchie stehend, endgültig unsere Souveränität verloren.

    Wahre Baukunst ist immer objektiv und Ausdruck der inneren Struktur der Epoche, aus der sie wächst. Ludwig Mies van der Rohe

  • Interessantes Thema, das mit den preussischen Annexionsbestrebungen in Bezug auf Sachsen, zumal es mir in diesem ganzheitlichen Anspruch bisher nicht bekannt war. Na, heute gehe mal wieder klüger zu Bett (oder weniger dumm).

    "Wenn wir die ehemalige Schönheit der Stadt mit der heutigen Gemeinheit verrechnen, kommen wir, so die Bilanz, aufs direkteste in den Schwachsinn." (E.H.)

  • Richtig, schon im Vertrag von Kalisch Ende Februar 1813 hatten sich Rußland und Preußen auf eine Annexion Sachsens geeinigt. Noch völlig unabhängig von einer Beteiligung am Kampf gegen oder für Napoleon. Umso erstaunlicher, dass man Sachsen 1867 territorial unangetastet ließ. Die Annexionen von Oldenburg oder Hannover zeigen ja, dass man durchaus nicht zimperlich vorging. Die Folgen waren nach 1815 dennoch nicht ohne. Neben der heute teilweise wieder rückgängig gemachten Teilung der Oberlausitz, sehe ich da vorallem die Abtrennung Wittenbergs als folgenschwer an. Mit der Stadt war nicht nur die Kurwürde verbunden, sie stellte ebenso einen wesentlichen historischen Bezug zum alten Herzogtum Sachsen her.

  • Wenn wir schon beim Thema sind...bis Mitte des 19 Jhdt. gab es in Sachsen einen Landesteil, der quasi und formel ein Teil Österreichs (Böhmens) war - Schirgiswalde! Heute ist dieser Fleck ein selbstverständlicher Teil Sachsens. Jaja, die letzten Deutschböhmen leben noch dort, wo sie seit Jahrhunderten wohnen durften...wobei eigentlich die Oberlausitzer auch nur durch den Prager Frieden mehr oder weniger zu Sachsen wurden und deren Nachfahren nur dadurch das Glück beschieden wurde, 1945/46 nicht das selbe schreckliche Schicksal ihrer deutsch-böhmischen Landsleute zu nehmen. :)

  • Preußen hat beim Wiener Kongress den Vorschlag ins Spiel gebracht,
    dem König von Sachsen als territoriale Kompensation für den Verlust seines Stammlandes die katholischen Gebiete um Paderborn und Münster mit insg. ca.350.000 Einwohnern als Ersatz anzubieten.
    Alternative Überlegung war dann ein Fürstentum im linksrheinisches Gebiet, welches die Gebiete von Luxemburg, Trier, Malmedy mit Bonn als Hauptstadt und ca.700.000 Einwohner umfasst hätte.
    Dritter Vorschlag war dann die Teilung, der Preußen aber nicht zustimmen wollte. Sie drohten sogar mit Krieg!
    Dagegen wurde dann am 3. Januar 1815 ein Geheimabkommen zwischen Großbritannien, Österreich und Frankreich abgeschlossen, dem auch die Niederlande, Bayern und Hannover beitraten.
    Und erst dann hat Berlin eingelenkt!

    Einmal editiert, zuletzt von Miwori (29. Mai 2013 um 20:35)

  • @ Miwori

    Das würde man heute wohl als symbolische Politik bezeichnen.
    Denn auch den Hohenzollern konnte es nicht in den Kram passen, durch den Sturz des sächsischen Königs das Gottesgnadentum und damit auch die Grundlage der eigenen Herrschaft infrage zu stellen. Deshalb sollte er einen unbedeutenden Flecken Land verwalten dürfen, während man endlich den berühmten "Mehlsack" Sachsen in den eigenen gierigen Klauen halten würde.

    Umso erstaunlicher, dass man Sachsen 1867 territorial unangetastet ließ. Die Annexionen von Oldenburg oder Hannover zeigen ja, dass man durchaus nicht zimperlich vorging.

    Das hängt einerseits mit Bismarcks Vorsicht, nicht alle Brücken zu Österreich abbrechen zu wollen, und andererseit mit Sachsens Bedeutung zusammen, die man beispielsweise daran erkennt, dass das kleine Königreich mit 10 Millionen Talern Kontributionen immerhin noch die Hälfte des von der Donaumonarchie abverlangten Betrages an Preußen entrichten musste.
    Jedenfalls willigte Österreich im Vorfriedem von Nikolsburg der Auflösung des Deutschen Bundes sowie den Annexionen Hannovers, Kurhessens usw. zu, verbat sich aber eine territoriale Auslöschung Sachsens. Das es dazu dann auch nicht kam, war aber maßgeblich auf Napoleon zurückzuführen, der, nach dem Krimkrieg erstarkt, eine allzu große Stärkung Preußens verhindern wollte. Trotzdem verlor Sachsen mit seiner Armee sowie der Aufgabe einer eigenen Außenpolitik am Ende seine Souveränität, womit Preußen eigentlich sein Ziel erreicht hatte.

    Nun bleibt die Frage, wie wir in Anbetracht der interessanten Diskussion zum eigentlichen Thema zurück kommen?!

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  • Zitat

    Die Annexionen von Oldenburg oder Hannover


    Ähm, Moment.... nur das Königreich Hannover wurde 1866 annektiert und wurde Preußische Provinz.
    Oldenburg, Braunschweig und Schaumburg-Lippe (ein niedliches Ländchen mit der Hauptstadt Bückeburg, hat bis heute eine eigene Evangelische Landeskirche mit 24 Gemeinden...) blieben Freistaaten bis zur Gründung des Landes Niedersachsen aus den vier genannten Bereichen im November 1946.

    Wer zwischen Steinen baut, sollte nicht (mit) Glashäuser(n) (ent)werfen...

  • Nun bleibt die Frage, wie wir in Anbetracht der interessanten Diskussion zum eigentlichen Thema zurück kommen?!

    Jedenfalls war das Marcolini-Palais von Mai bis September 1813 Sitz des französischen Hauptquartiers und damit quasi Außenstelle von Paris.

    Dem Vermieter, Graf Marcolini, hat das aber auch kein Glück gebracht.
    Vom russischen Generalgouverneur Fürst Repnin seiner Ämter enthoben, starb er 1814 in Prag.
    Da war er freilich auch schon 75 Jahre alt.

  • Vielen herzlichen Dank an unseren Miwori, der den Kreis ansatzweise zu schließen vermochte. :thumbup:

    Etwa eine Generation später wurde das Palais zum städtischen Krankenhaus, was es bis zum heutigen Tag geblieben ist. Leider erfolgte die weitere bauliche Erweiterung mehr als planlos, sodass ein um 1870 errichteter Klinikneubau ausgerechnet in die Achse zwischen Brunnen und Palais gestellt wurde. Aber auch die anderen Gebäude scheinen wenig sensibel in den einstmals weitläufigen Park gestellt worden zu sein. Nicht umsonst konzipierte Hans Erlwein den Abriss großer Teile des Klinikgeländes.

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  • Ähm, Moment.... nur das Königreich Hannover wurde 1866 annektiert und wurde Preußische Provinz.
    Oldenburg, Braunschweig und Schaumburg-Lippe (ein niedliches Ländchen mit der Hauptstadt Bückeburg, hat bis heute eine eigene Evangelische Landeskirche mit 24 Gemeinden...) blieben Freistaaten bis zur Gründung des Landes Niedersachsen aus den vier genannten Bereichen im November 1946.

    Du hast selbstverständlich recht. Oldenburg war schließlich auch Verbündeter Preußens im Deutschen Krieg.

  • Jetzt, da ein Projekt in der Friedrichstadt das Nächste jagt, wäre es doch gar nicht so vermessen, zu hoffen, dass die Friedrichstraße 21 wieder ihre ursprüngliche Form (nebst Mansarddach?!?) zurückerhält? Der hochaufragende Kamin weist ja darauf hin. In [lexicon='Leipzig'][/lexicon] wär's schon in Planung, ganz sicher.

    http://goo.gl/maps/4F8Wd

    http://mein-infodienst.de/bild/anzeigen/nr/37056/typ/3/

    Edit: Übrigens, dass der Abriss der FS 23 absolut unnötig war, wird einem unter dem Bewusstsein der aktuellen positiven Entwicklung heute umso schmerzlicher vor Augen geführt. :thumbdown:

    "We live in the dreamtime-Nothing seems to last. Can you really plan a future, when you no longer have a past." Dead Can Dance - Amnesia

    Einmal editiert, zuletzt von DarkVision (20. Juni 2013 um 18:07)

  • Eine Aufstockung bzw. ein neues Dach wären sicher nicht schlecht. Allerdings kann ich das Gebäude weder dem Alter (noch barock?), noch der ursprünglichen Gestalt nach einschätzen. Den recht neumodischen Kamin sehe ich dabei auch nicht unbedingt als Indiz für die ursprüngliche Firsthöhe.

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  • den recht neumodischen Kamin sehe ich dabei auch nicht unbedingt als Indiz für die ursprüngliche Firsthöhe.

    Nunja, mir kam zum Beispiel die Schönbachstraße 1 in [lexicon='Leipzig'][/lexicon] in den Sinn, wo der auch "recht neumodische Kamin" tatsächlich die ursprüngliche Dachhöhe markierte. Dort wird die Villa übrigens aktuell in ihren urspünglichen Zustand versetzt (was in [lexicon='Leipzig'][/lexicon] seit Jahren herrlicherweise Gang und Gäbe ist und bei manch vereinfachten Dresdner Gebäude gerne Schule machen darf)

    http://goo.gl/maps/Hp4Bk

    http://www.deutsches-architektur-forum.de/forum/showpost…&postcount=2641 ( ganz unten)

    http://hz.gc-i.de/wp-content/upl…C3%B6nbach5.jpg


    Wäre natürlich schön, wenn jemand ein Bild von der alten Friedrichstraße 21 hätte? stickpoke:)

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  • Ich kenne nur ein Bild, das angeblich das beeindruckende Gebäude Friedrichstraße 19 zeigt. Daran schließt sich ein Bau mit zwei Obergeschossen und einem mittelhohen Satteldach an.

    http://www.dresdner-stadtteile.de/Zentrum/Friedr…ichstrasse.html

    Schade ist es halt auch um die Nummern 23 und 25, die vor etwa zehn Jahren abgerissen wurden.

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  • Update aus der Friedrichstadt

    Altonaer Str. 16 mit Blick in die Gambrinusstr

    Sanierte Altonaer Str 24 mit noch in Sanierung befindlicher Bebauung in der Semmelweisstr

    Gambrinusstr 15

    frisch sanierte Gambrinusstr 12

    Die Nr 10 ist aktuell in Sanierung

    Wie sie aussehen könnte, zeigt die Nr 14

    Blick nach Gegenüber

    Nr 11

    Sprung zur Löbtauer Str

    Auch hier wieder ein Dresden bekannter Sanierer

    nebenan finden bereits Trockenlegungsarbeiten statt

    Fröbelstr 1

    Floßhofstr 6

    sanierte Wölfnitzstr 4

    Floßhofstr 2 ( mit Hinterhaus)

    Bauhofstr

    Wölfnitzstr. 17, steht zur Sanierung an

    so wird’s

    Quelle: ventar.de

    Wölfnitzstr 11


    Die Fröbelstr hat duch die Abrisse in den letzten Jahren jegliche Fassung verloren.

    Bilder, wenn nicht anders vermerkt, von mir

    So, das dazu erstmal

    Gruß DV

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  • Herzlichen Dank für diesen umfassenden Überblick aus einem mir persönlich recht unsympathischen Teil der Friedrichstadt.
    Man kann die Ventar ob ihres Mutes durchaus bewundern, in dieser Gegend größere Summen zu investieren. Es gibt wohl kaum einen zweiten Standort in Dresden, der so wenig renditeträchtig sein dürfte.

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  • Nunja, die FS ist im Aufwand. Das muss man schon so sagen. Deswegen vermute ich, dass die Ventar schnell zugegriffen hat, jetzt, da die Objekte noch erschwinglich sind. Bei der Wölfnitzstraße 17 wird wohl aber die Gefahr des Einsturzes zu groß im Verzug gewesen zu sein, so dass die Sanierung zügig angegangen worden ist. Über die Verkäuflichkeit der Wohnungen in dieser problematischen Gegend hat die Ventar auch schon getestet. Nämlich an der Schäferstraße. Der Verkauf, wie auch die Vermietung, ging zügig über die Bühne. Auch bei der Wölfnitzstraße 17 gingen die Wohnungen fix weg. Wegen der Vermietung mache ich mir ebenfalls wenig Sorgen.

    Ich gebe zu, man braucht bei der stark perforierten FS ein bissl Fantasie, aber ich rechne fest damit, dass wenn die Ruinen saniert sind, die Freiflächen mit ansprechenden (!!) Neubauten bebaut sind und bissl städtische Gestaltung, wie es aktuell zwischen Schweriner Str und Roßthaler Str. der Fall ist, gegriffen hat, dass sich das Gebiet mausern wird. Man muss die wenigen Traditionsinseln pflegen, kultivieren, aufwerten und sie stückweise zusammenwachsen lassen. Das braucht Zeit. Immobilien sind für gewöhnlich auch eine längerfristige Anlage.

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  • Der Vorteil des Quartiers scheint mir ja auch, dass es sehr Innenstadt-nah gelegen ist. Der Zwinger und der Neumarkt sind ja faktisch fast fußläufig. Das sollte sich doch gut entwickeln lassen.

  • Richtig, die Lage ist richtig gut. Problem ist eben die jahr-/jahrzehntelange Vernachlässigung, das Image (!!), die großen Ausfallstraßen (Schäferstr, Löbtauer Str.), Die Platten entlang der Schäferstr., die großen brachliegenden Lücken zwischen den Wohngebieten. Wir werden sehen, wie es weitergeht.

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