Dresden (Allgemeines) - Inselcharakter der Innenstadt?

  • Der DDR-Aufbau von Dresden hatte auch explizite Vorteile:

    • Ruine des Schlosses und Kirche wurden erhalten
    • Freiflächen im Zentrum wurden nicht hastig neu bebaut
    • Neobarocke Blöcke der 50er am Altmarkt sind wesentlich besser als Standard-Wiederaufbau
    • Postmoderne Blöcke der 80er Dresdner Hof (Hilton) und östlich davon sind ebenfalls besser als Standard-Wiederaufbau
  • Ich finde auch, bei Dresden hat sich gezeigt: Was lange währt, wird endlich gut. Dresdens Kern erscheint heute schöner und geschlossener als der aller anderen deutschen Städte dieser (oder größerer) Größenordnung mit der Ausnahme von München.
    Das zusammenhängende Ensemble Zwingerhof, Theaterplatz, Taschenberg, Schlossplatz, Brühlsche Terasse und Neumarkt ist einmalig schön, sogar im europäischen Vergleich. Und dieser Kern ist auch gar nicht so klein, wie immer behauptet wird. Und er wächst noch, wenn z.B. noch das Königsufer hinzukommt.
    Ich ziehe eine solche Situation ganz klar Städten und dem Wiederaufbau von z.B. Nürnberg vor, wo es keine solchen überschaubaren aber geballten Traditionsinseln gibt, und wo die herausragenden, historischen Sehenswürdigkeiten in einem Meer der Mittelmäßigkeit versinken.

  • Dresdens Kern erscheint heute schöner und geschlossener als der aller anderen deutschen Städte dieser (oder größerer) Größenordnung mit der Ausnahme von München.

    Das sehe ich ganz genauso - aber wir sollten fairerweise zwischen DDR-Wiederaufbau und Nachwende-Wiederaufbau unterscheiden. Und zwischen der Insel im Zentrum und der Gesamtstadt.

    Die beiden Altmarkt-Zeilen mag ich ehrlich gesagt nicht, sie sprengen mit ihrer Höhe jegliche Maßstäbe (fast doppelt so hoch wie zuvor, der Platz wird gigantisch vergrößert, die lange Zeile in Richtung Zwinger ist zudem fast 400 Meter lang) und sind doch der eigentliche Grund, warum in diesem Stil weitergebaut wurde, schließlich kann man ja nicht plötzlich wieder 18 Meter hohe Bauten daneben errichten.

    Das "Dresden-Hilton" war ein Joint Venture mit Schweden mit einem Westberliner Architekten, das Mitarbeiterhaus daneben mit seinen deutlich sichtbaren Plattenfugen ist meines Erachtens auch nicht gelungen. Siehe dazu auch Archiv Neumarkt.

    Easy does it.

  • Bedingte Zustimmung. Die Hintergründe sind etwas komplexer.

    Ruine des Schlosses und Kirche wurden erhalten

    Unter welchen Umständen, unter welchen Bedingungen, unter welchem Preis? Gesichertes Steinmaterial der Frauenkirche ging als Materialspende nach Rostock.

    Freiflächen im Zentrum wurden nicht hastig neu bebaut

    Es wurde vom Postplatz bis zum Ring eine Aufmarschmagistrale errichtet, mit der möglichst viel der ehemaligen Neumarkt-Fläche optisch abgeschottet werden sollte. Das Wort Freifläche ist zumindest auf den Altmarkt bezogen wirklich ein dehnbarer Begriff.

    Neobarocke Blöcke der 50er am Altmarkt sind wesentlich besser als Standard-Wiederaufbau

    Die beiden Altmarkt-Bauten wurden strenggenommen erst gebaut, dann geplant; und es war klar, daß es keinen weiteren Wiederaufbau in ihrer Folge bzw. in ihrer Qualität mehr geben würde und die Folgebauten rund um Kreuzstraße, Weiße Gasse usw. wesentlich schlichter ausfallen würden. Der Altmarkt war bis zur Bebauung seiner Südseite kein geschlossener Platz.

    Postmoderne Blöcke der 80er Dresdner Hof (Hilton) und östlich davon sind ebenfalls besser als Standard-Wiederaufbau

    Diese Bauten sind unter großem Zeitdruck und durch Preisgabe / Verlust jeglicher archäologischen Erfassung entstanden. Ihr heutiges Erscheinungsbild, hier vor allem in der Töpferstraße ist heute das Ergebnis einer Überarbeitung und teilweisen optischen Neufassung, mit der die Nordseite der Töpferstraße heute einen passablen Eindruck macht, den es bauzeitlich so nicht gab. Die geringe Breite der Münzgasse ist als Neu- bzw. Wiederanlage einer ehemaligen Straße in dieser Form ein Solitär.

  • Die beiden Altmarkt-Zeilen mag ich ehrlich gesagt nicht, sie sprengen mit ihrer Höhe jegliche Maßstäbe (fast doppelt so hoch wie zuvor, der Platz wird gigantisch vergrößert, die lange Zeile in Richtung Zwinger ist zudem fast 400 Meter lang) und sind doch der eigentliche Grund, warum in diesem Stil weitergebaut wurde, schließlich kann man ja nicht plötzlich wieder 18 Meter hohe Bauten daneben errichten.

    Das bleibt auch für mich der größte Wermutstropfen, weswegen ich diesen Platz auch nicht zum Altstadtbereich hinzuzählen würde, wie es manchmal gerne geschieht. Proportional stimmt da gar nichts. Gleichzeitig bin ich starker Raucher und war sehr dankbar für das Hotel am Altmarkt mit seinem „historisierenden“ Balkon :) Also etwas Positives kann ich diesem Platz wenigstens abgewinnen.

  • Was halten die hier versammelten Altmarktexperten denn von dem völlig unorthodoxen und natürlich gänzlich ahistorischen Vorschlag, die Südseite des Altmarktes mit einer niedrigeren, kleinteiligeren Bebauung zu versehen. Den Platz damit zu verkleinern und ihm etwas mehr menschlichen Maßstab zu geben? Gleichzeitig vor die Legobauten einen minimalen "Sichtschutz" damit zu errichten.

    Man könnte zb angelehnt an das im 19. Jhd abgerissene Chaisenhaus eine zwei-dreigeschossige Bebauung dorthinsetzen. Im EG Arkaden, darüber dann Verkaufs-oder Gastrofläche. Irgendein Patzschke-Ding, was sich ans Chaisenhaus anlehnt, aber natürlich größer und höher wird.

    Ich weiß, der Striezelmarkt würde sich beschweren, aber gut gemacht kann das Ding zur Weihnachtszeit ja ganz gut integriert werden.

    Abb. das Chaisenhaus.

  • (...)

    Das "Dresden-Hilton" war ein Joint Venture mit Schweden mit einem Westberliner Architekten, das Mitarbeiterhaus daneben mit seinen deutlich sichtbaren Plattenfugen ist meines Erachtens auch nicht gelungen. Siehe dazu auch Archiv Neumarkt.


    Sind eigentlich bei diesem "Hilton-Karree" perspektivisch Verbesserungen möglich oder müsste man eher auf einen Abriss in 20, 25 Jahren hoffen?

  • Wegen dem Denkmalstatus der beiden Altmarkt-Bauten, wegen der Prominenz der Kreuzkirche, wegen der Realität der Bebauung der Südseite und auch wegen dem Parkhaus wird man in fernerer Zukunft hier vermutlich nicht mehr besonders viel erhoffen dürfen. Ein Quantensprung wäre hier eine Art begrünter Laubengang, in Verbindung mit ein paar Pflanzbeeten und falls wegen der Bebauung möglich, der Pflanzung einiger Bäume.

  • Wegen dem Denkmalstatus der beiden Altmarkt-Bauten, wegen der Prominenz der Kreuzkirche, wegen der Realität der Bebauung der Südseite und auch wegen dem Parkhaus wird man in fernerer Zukunft hier vermutlich nicht mehr besonders viel erhoffen dürfen. Ein Quantensprung wäre hier eine Art begrünter Laubengang, in Verbindung mit ein paar Pflanzbeeten und falls wegen der Bebauung möglich, der Pflanzung einiger Bäume.

    Die Kreuzkirche würde kaum tangiert, der Denkmalstatus auch nicht, aber das Parkhaus wäre statisch natürlich ein Problem, das stimmt.

    Andererseits wissen wir ja nicht, inwieweit das sowieso so stabil gebaut werden musste, dass es solche Lasten tragen kann. Man denke nur an die Nutzung beim Striezelmarkt.

  • Was halten die hier versammelten Altmarktexperten denn von dem völlig unorthodoxen und natürlich gänzlich ahistorischen Vorschlag, die Südseite des Altmarktes mit einer niedrigeren, kleinteiligeren Bebauung zu versehen.

    Ich hätt was Unorthodoxeres und nicht ganz so Ahistorisches als Vorschlag, nämlich eine Häuserinsel im nördlichen Teil. Dort befand sich tatsächlich mal das Rathaus (daher nicht ganz ahistorisch, obgleich das schon lang her ist). Das hätte auch den Vorteil, dass man den Kulti nicht so sieht. Die niedrigere Höhe der Häuser fügte sich in diesem Fall gut ins Platzbild ein. Ich wäre aber schon dafür, dass man sich bei diesen Häusern ziemlich strikt an historische Vorlagen hält.

    Das würde diese furchtbare Leere des Platzes beleben, gleichzeitig seine Proportionen regulieren und das Platzbild insgesamt mitteleuropäisieren. Derartige Häuserinseln sind zwar eher schlesisch oder böhmisch als genuin sächsisch, man findet sie auch im heutigen Brandenburg, aber ... welche Wahl haben wir? Ist das heute Platzbild irgendwie traditionell? Irgendwas muss man da ja machen. Der Dresdner Altmarkt ist eigentlich auch kaum schöner als ein fiktiver Nürnberger Hauptmarkt ohne Schönen Brunnen und Frauenkirche, also wirklich kein tragbarer Zustand für eine Kulturstadt.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • ursus carpaticus, ich persönlich finde deinen Vorschlag genial, zumal ich das Design des früheren Rathauses wirklich schön finde. Aber in Dresden wäre ein solcher Vorschlag der absolute Wahnsinn! Das können wir erst vorschlagen, wenns Narrenhäusel wieder steht und der Hofnarr die ganze verkrustete Reko-Debatte etwas aufgelockert hat. :biggrin:

    Das ganz alte Rathaus erinnert mich stark an das Alte Rathaus Halle, wo es auch schon seit einem Vierteljahrhundert eine Reko-Idee gibt. Das wär eine Ironie, wenn das alte Dresdner Rathaus jetzt eher wiederkäme als das Hallische.

  • Daraus:

    "Ausgrabungen

    240px-Dresden_1521.jpg

    In der Mitte der Marktplatz, an dessen Nordseite (oben) das freistehende Rathaus; rechts unten die Kreuzkirche zu Dresden (Situation vor der Remparierung ab 1519).

    Da das Gebäude 1707 nur bis auf Platzniveau abgetragen worden war, konnten bei Ausgrabungen 2007 bis 2008 umfangreiche Befunde dokumentiert werden, die eine Teilrekonstruktion des Gebäudes ermöglichten. Gefunden wurden unter anderem Teile des Fundaments des Nordflügels, das Fundament zwischen dem Nord- und dem Südflügel, die Grundmauern des Torturms an der Westseite des Gebäudes und drei überwölbte Kellerräume,[2] wobei auch Überreste von Innenputz und Wandbemalung des Ratskellers freigelegt wurden. Die digitale Vermessung ermöglichte eine virtuelle Rekonstruktion der Kellerräume. Da die Ausgrabungen im Rahmen des Baus einer Tiefgarage erfolgten, konnte die nach 300 Jahren freigelegte authentische Bausubstanz nicht erhalten werden.[3]"

    Fragt sich, was genau von dieser Tiefgarage unter dem Bauplatz läge.

  • So verrückt die Idee auch wäre, das ist städtebaulich nicht das, was der Altmarkt braucht. Das alte Rathaus würde heute ziemlich verloren nordwestlich auf dem Platz stehen, ein totaler, absurder Anachronismus par excellence. Ich meinte eher, die Arkaden der beiden Ost-Westhälften des Altmarktes am südlichen Platzrand -und vielleicht noch am Nördlichen zur Wilsdruffer - durch eine 2-3 geschossige Bebauung fortzuführen und den Platz damit stärker zu fassen. Eine Aufgabe für einen Nöfer oder Patzschke.

    Aber alles scheint sowieso an der Tiefgarage zu scheitern, also vergessen wir das besser wieder.

  • Freilich, seit über 300 Jahren abgerissen. Trotzdem bin ich sicher: Wenn es morgen stünde, es würde von der Bevölkerung angenommen, als wäre es nie weg gewesen.

  • Auf dem Altmarkt kommen wegen der Tiefgarage wahrscheinlich nur kleine Pavillons in Frage, wie zum Beispiel das Rehfeldhaus auf der Nordseite:

    df_hauptkatalog_0111051.jpg
    Bildnachweis: © Deutsche Fotothek / Unbekannter Fotograf Lizenz: Rechte vorbehalten - Freier Zugang.

    Die Idee einer Pergola oder eines Laubengangs erinnert mich an den Pirmasenser Exerzierplatz - könnte z. B. die alte östliche Platzkante vor den Brunnen säumen:

    1280px-Pirmasens-Exerzierplatz-34-2013-gje.jpg
    Bildnachweis: Gerd Eichmann, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

  • Civitas Fortis, das würde ja schon vollauf genügen. Erstmal.

    Mit der Tiefgarage hat sich die Stadt alles selber verbaut. Wollten Stellplätze für Autos gewinnen, aber haben nicht dran gedacht, dass man obendrüber mit dem gewonnenen Platz ja dann auch nachverdichten könnte.

  • Wieso, das historische Rathaus steht doch noch? Ich habe ChatGPT zum Altmarkt befragt und eine umfassende Antwort erhalten:

    "Der Altmarkt in Dresden ist ein pulsierendes Zentrum voller Geschichte, Kultur
    und Leben. Er ist das Herzstück der Altstadt und bietet sowohl auf der Nord- als
    auch auf der Südseite eine Fülle an Sehenswürdigkeiten und Erlebnissen.

    Die Nordseite des Altmarkts wird dominiert vom imposanten Rathaus, einem
    architektonischen Meisterwerk im Renaissancestil. Mit seinen eleganten Türmen
    und der prächtigen Fassade zieht das Rathaus die Blicke der Besucher auf sich
    und verleiht dem Platz eine majestätische Atmosphäre.
    Direkt gegenüber befindet sich die berühmte Kreuzkirche, eine der ältesten
    Kirchen Dresdens, deren markanter Turm das Stadtbild seit Jahrhunderten prägt.

    Entlang der Nordseite erstrecken sich auch charmante Cafés und Restaurants, in
    denen man die regionale Küche genießen und das geschäftige Treiben auf dem
    Platz beobachten kann. Hier kann man sich in einem gemütlichen Ambiente
    zurücklehnen und das Flair der Altstadt auf sich wirken lassen.

    Auf der Südseite des Altmarkts befindet sich das beeindruckende Kulturpalast, ein
    architektonisches Juwel der DDR-Ära, das heute als Veranstaltungsort für
    Konzerte, Theateraufführungen und andere kulturelle Events dient. Der
    Kulturpalast ist ein Symbol für die kulturelle Vielfalt und das künstlerische Erbe
    Dresdens."

    Gut, mit den Himmelsrichtungen hat es das System nicht so, aber daß das alte Rathaus noch steht, ist doch eine wichtige Info. Und wenn die neuerdings die Kreuzkirche gleich daneben steht, muß man auch nicht so weit laufen. Aber wahrscheinlich verwechselt die "künstliche Intelligenz" einfach neues und altes Rathaus ... und füllt den Rest mit Standardphrasen auf.

    Easy does it.

  • Aber auch das Neue Rathaus ist eigentlich nicht im Renaissancestil gehalten, nicht einmal in Neorenaissance. Wie gesagt, von den Himmelsrichtungen mal abgesehen. Aber vielleicht sollte man die virtuelle Realität als maßgeblich anerkennen, dh alles daransetzen, dass sie umgesetzt wird?

    Abgesehen von allem: Dieser Satz:

    "Der Kulturpalast ist ein Symbol für die kulturelle Vielfalt und das künstlerische Erbe
    Dresdens."

    ist doch sehr gewagt.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.