Schmuckvolle, edle Baukunst, die jedem Historismus-Fan das Herz höher schlagen lässt. Zum Vergleich, in Stuttgart sind die Gründerzeithäuser wesentlich schlichter gehalten, vor allem gibt es dort kaum Stuckfassaden sondern zumeist Ziegelbauweise. Wenn Aachen oder Bonn nur die kleinen Varianten von Köln waren, wie muss dann erst Köln vor dem Krieg ausgehsehen haben...? Wirklich allesamt sehr schöne Häuser, und in erstaunlich gepflegtem Zustand, habe ich irgendwo ein Graffiti übersehen?
Aachen - Gründerzeitviertel (Galerie)
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Jetzt war neulich zu lesen, dass Görlitz für einen indonesischen Film als Aachen der fünfziger Jahre fungieren soll. Was ich ob der Unähnlichkeit beider Städte doch recht verwunderlich fand. Zumal es doch auch um Aachen durchaus Städte geben soll, die ein traditionelles Stadtbild bewahren konnten.
http://www.mdr.de/sachsen/bautzen/filmdreh-goerlitz-100.html
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Wunderbar! Vielen Dank! Ich hätte nicht gedacht, dass sich Aachen einen solchen Reichtum an Gründerzeitarchitektur bewahrt hat. Das scheint sogar im Vergleich mit anderen Großstädten in NRW herausragend zu sein (aber ich kenn mich da nicht so gut aus). Es fällt mir außerdem auf, wie bei aller Variationsfreude und aller oftmals angestrebten Opulenz doch im wesentlichen der regionale Bautyp des rheinischen Dreifensterhauses dominiert. Welch eine Zeit, die so sehr darauf bedacht war, in allen Stadterweiterungsgebieten etwas für die Region Charakteristisches zu schaffen!
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Zum Vergleich, in Stuttgart sind die Gründerzeithäuser wesentlich schlichter gehalten, vor allem gibt es dort kaum Stuckfassaden sondern zumeist Ziegelbauweise.
Aber mein Lieber, nun mach mal Stuttgart nicht schlechter als es wirklich ist. Stuttgart hat, soweit es die Zerstörungen überstanden hat, zwar meist schlichte, aber doch vergleichsweise wertvolle Sandsteinfassaden, der Backstein beschränkt sich auf ungegliederte Mauerflächen. Wir finden solche Fassaden vor allem in dem gründerzeitlichen Halbkreis, der sich im Westen und Süden um die Stuttgarter Innenstadt herumlegt. Es mag ja sein, dass sich die Stuckateure wie etwa in Aachen mehr prunkvolle Extravaganz leisten konnten als die Bildhauer in Sandsteinstädten. Aber wer wollte tatsächlich den Stuck dem Sandstein vorziehen; der Stuck war letztlich ein Notbehelf, da Sandstein herbeizuschaffen in Städten wie Aachen unbezahlbar gewesen wäre. Immerhin ein Notbehelf, der durch verspielten Prunk zu kompensieren war!
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Boh,...ist das alles *WOW*
und derart vielfältig und besonders. Da gibt es Fassaden"kompositionen" die ich so noch NIE gesehen habe.
Danke für diesen Augenschmaus! -
Da bekommt man fast schon Tränen. Vielen Dank für die Bilder. Selbst die Innenräume sind überwältigend. Wie konnte man damals nur diesen zauberhaften Stuck abschlagen und die
Malereien verputzen ? Da ist man einfach sprachlos. -
Jetzt war neulich zu lesen, dass Görlitz für einen indonesischen Film als Aachen der fünfziger Jahre fungieren soll. Was ich ob der Unähnlichkeit beider Städte doch recht verwunderlich fand. Zumal es doch auch um Aachen durchaus Städte geben soll, die ein traditionelles Stadtbild bewahren konnten.
http://www.mdr.de/sachsen/bautzen/filmdreh-goerlitz-100.html
Ich denke für Indonesier ist der Unterschied zwischen Aachen und Görlitz nur schwer auszumachen. Bei manchem deutschen Fernsehfilm könnte ich mir auch vorstellen, dass in Seoul gedreht wird und der Streifen dann "Eine Liebe in Peking" heißt. Das Publikum vor Ort, dass mehrheitlich weder je in Seoul noch Peking (bzw. in Görlitz oder Aachen) war, wird es nicht stören.
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Da bekommt man fast schon Tränen.
All dies lässt mich ebenso staunen und leider auch am 21. Jahrhundert verzweifeln. Das muss doch irgendwann dem deutschen "Standard-Architekten" einleuchten, dass sich der Großteil unserer Bevölkerung in solch stilistisch volkommenen, vorallem historischen Stadtvierteln wohler fühlt als in diesen 08/15-Gebieten des internationalen Stils.
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Es ist aber doch wie in anderen Bereichen, z.B. der Politik. Es geht doch nicht um die Meinung des Großteils der Bevölkerung, sondern darum, die Meinung des Großteils des eigenen Milieus, der eigenen Elite, zu vertreten. Das ist in der Politik so, wo es mehr um die Diskussion unter den Fraktions- und Koalitionskollegen geht, als um den Herrn Schmidt von der Straße. Es ist wie in der Kunstszene. Die meisten Bürger mögen vielleicht am liebsten nette Blumenbilder oder Landschaften oder schöne Tiere gemalt sehen. Im internen Diskurs der Kunstszene sind aber gerade Collagen mit Schockbildern und die Arbeit mit Materialien wie Schlamm und Vogelfedern total angesagt. Würde ein Künstler plötzlich - ohne das als ironische Brechung zu kennzeichnen - Tulpen oder röhrende Hirsche malen, würde er sich innerhalb seines Szene-Diskurses lächerlich machen, also disqualifizieren. Und auf die Meinung der Szene (in der er sich sozial bewegt) kommt es für ihn an, um Aufträge zu erhalten, im Gespräch zu sein, eingeladen zu werden, seine Tätigkeit präsentieren zu können. Da spielt die Meinung des Rentners Herr Schmidt, der ein paar Straßen weiter wohnt, keine Rolle.
Was bei der bildenden Kunst noch durch den Normalbürger ignoriert werden kann, betrifft diesen aber im Feld der Politik und Architektur viel unmittelbarer. Er kann sich nicht der Wirkung für sein Leben entziehen. Hinzu kommt im Bereich der Architektur natürlich das Profitstreben, die Abstumpfung, die Einfallslosigkeit. -
Da ich am Wochenende weg war, kann ich erst jetzt antworten. Das ist wirklich so, wie in den obigen Beiträgen geschrieben wurde. Diese Gründerzeithäuser mit den bis zu 4,50 m hohen stuckverzierten Decken sind sehr beliebt und erzielen auch höhere Mieten, trotz höherer Heizkosten, als die neuen Häuser, die in die Lücken vom Krieg gebaut wurden.
besonders schön ist es wenn man abends in der Dämmerung durch die Straßen geht und in den Häusern die üppigen Decken, die oft angestrahlt sind, sehen kann.Einige haben mich gebeten, noch ein paar Detailfotos einzustellen. Wie gesagt, ich warte auf schönes Wetter am Wochenende, dann geht es wieder los:-)
Hier noch ein paar Detailfotos vom Frankenberger Viertel in Aachen:
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Ja, das ist ganz nett. Aber erhaltene Gründerzeit-Quartiere gibt es in vielen Städten. In Düsseldorf ist es Oberkassel, in Mönchengladbach ist es Eicken (das man auch am Ende meiner Galerie sieht),...
Trotzdem sind auch an scheinbar unversehrten Häusern oft Verstümmelungen zu sehen. Ganz besonders stören mich immer fehlende Hauben/Kuppeln. Das fällt schnell auf und beeinträchtigt das Staßenbild ungemein.
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Ja, das ist ganz nett. Aber erhaltene Gründerzeit-Quartiere gibt es in vielen Städten. In Düsseldorf ist es Oberkassel, in Mönchengladbach ist es Eicken (das man auch am Ende meiner Galerie sieht),...
Natürlich gibt es in jeder Deutschen Stadt auch Gründerzeitviertel, die meist sicherlich schöner und prunkvoller sind, als die von Aachen. Da ich jedoch in Aachen wohne, ist es für mich am einfachsten die Gründerzeitviertel hier zu fotografieren.....Trotzdem sind auch an scheinbar unversehrten Häusern oft Verstümmelungen zu sehen. Ganz besonders stören mich immer fehlende Hauben/Kuppeln. Das fällt schnell auf und beeinträchtigt das Staßenbild ungemein....
Solche fehlenden Turmdächer finde ich auch immer sehr störend. Wenn mir so ein Haus gehören würde, würde ich die im Krieg weggebombten oder in der Nachkriegszeit abgerissenen Teile ergänzen.
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Schöne Bilder. Mir ist vorher gar nicht aufgefallen, daß die Häuser im Frankenberger Viertel so detailreich verziert sind. Aber wenn man durch die Stadt läuft, schaut man wohl einfach zu selten nach oben...
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röhrende Hirsche malen
Der röhrende Hirsch wurde aber unter Künstlern und Kunstaffinen noch nie wirklich ernst genommen...
..und auch ich brauch ihn außerhalb mancher Wirtsstuben nicht wirklich. -
Im Grunde bestätigst Du meine These. Es geht nicht um die Meinung des kleinen Mannes, sondern um den internen Diskurs der Elite. Das betrifft den "Röhrenden Hirsch", der übrigens aus der Wildmalerei der Spätromantik des 19. Jahrhunderts stammt und damals durchaus noch im akademischen Kunstbetrieb akzeptiert wurde, im späteren Elite-Diskurs aber als "Kitsch" eingeordnet wurde. Und es betrifft die Architektur. Die Meinung von Rentner Schmidt dazu spielt keine Rolle. Und ähnlich läuft es z.B. mit neobarocken Hausfassaden. Für die Architekturelite ist das "Kitsch", wird nicht akzeptiert und wird nicht "ernst genommen", Normalbürger "Kaoru" oder "Heimdall" stehen jedoch davor und sagen "Dat is aber hübsch". Interessiert den BdA nicht...
Hier einige Hirsch-Beispiele:
- Schreiender Hirsch von Richard Rusche auf der Großen Berliner Kunstausstellung 1899
(wie man sieht, damals auf Kunstausstellungen durchaus noch akzeptiert)
- Hirschkampf, Gemälde von Prof. Johann Christian Kröner , damals ein bekannter Landschaftsmaler, dessen Werke auch auf den Weltausstellungen von Chicago und Paris prämiert wurden.
- Röhrender Hirsch im Gebirge, signiert Ludwig SkellJetzt lasse ich es aber genug sein. Es ging mir nicht um die Hirsche, sondern nur um das Beispiel für die Bewertung von künstlerischen Ausdrucksformen incl. Architektur.
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Für die Architekturelite ist das "Kitsch", wird nicht akzeptiert und wird nicht "ernst genommen", Normalbürger "Kaoru" oder "Heimdall" stehen jedoch davor und sagen "Dat is aber hübsch". Interessiert den BdA nicht...
Ich finde aber nicht, daß man immer auf den "Volksgeschmack" hören sollte. Dieser kennt als Antwort auf ästhetische Gestaltungsfragen durchaus auch Gartenzwerge, Julius Adam und goldfarbene Plastikssprossenfenster (Adam gehört da noch zum besten!); worauf ein anderer, garnicht mehr oder minder "degenerierter" Bevölkerungsteil mit ablehnendem Nihilismus reagiert und durchaus ehrlich auch heutige Bahauspersiflages schätzen und lieben lernt (bei jenem vom Volkskitsch verschreckten Massen fischt eben auch die Modernisten-Elite und sieht sich bestätigt. Von der anderen Seite, die ebenso eine Elite bilden muß, kommen kaum überzeugende Antworten, selbst ein Patzschke ist längst nicht der Weisheit letzter Spruch)
Die Renaissance, die klassischen und klassizistischen Strömungen, all diese Antikenrremineszenzen sind reine intellektuelle Kopfgeburten und mit griechischer Mythologie konnten Lieschen Müller und Otto Normalverbaucher seinerzeit genausowenig anfangen.
Die Romantik und der Histroismus bedienten sich hingegen oft auch dem einfachen Menschen näherstehender Motive, Volkssagen und Volksmusiken, verkopfte diese aber ebenso, so daß auch nur eine Minderheit der einfachen Menschen zugang zu ihnen hatte. Das Bildungsbürgertum war relativ zum Restvolk nie in der Mehrheit, es gab immer eine "Gartenzwergparallelkultur" des schlechten Geschmacks, nur wurde von ihr eben, suum cuique, überliefert, so haben wir heute ein verzerrtes Bild von vergangener Kultur.
Was damals jedoch wohl besser war - und eben das schreibe ich der damals vorhandenen statthaften "Elite des guten Geschmacks" zu- (Zu ich ja durchaus auch hervorragende Kunsthandwerker zähle) war das Abfärben von gutem Geschmacksempfinden auf die Durschnittsmenschen. -