Vorschläge für das "Bauwerk des Jahres 2015"

  • Einschließlich des Barberini dürfte die Zeile dieses Jahr wenigstens äußerlich fertiggestellt werden. Man könnte in der Tat, statt eines der Häuser herauszugreifen, die ganze Bebauung entlang der Alten Fahrt auszeichnen.

  • Das Ensemble Barberini/Humboldt-Quartier ist derart phänomenal, daran führt mE kein Weg vorbei, gerade als Auftakt wäre das eine große Nummer, die man wahrnimmt:

    Quartier Barberini und Alte Fahrt


    Es könnten ja zusätzlich noch "Belobigungen" ausgesprochen werden (kann/sollte vllt anders heißen), positive Hervorhebungen (gern mit Urkunde o.ä.), im Rahmen des Preises für weitere gelungene, auch kleinere Projekte. Sowas macht man ja bei verschiedenen Preisen und bekommt dafür Sympathie und Aufmerksamkeit beiderseits. Da wären zB die Bemühungen am Marktplatz von Anklam zu nennen, das Frankfurter Bolfrashaus, vielleicht ein Einzelbau oder Investoren-Ensemble am Dresdner Neumarkt, die vorbildlich kleinteiligen und stadtbildfreundlichen Planungen für das Lübecker Gründerquartier (auch als 'Verpflichtung' zu verstehen), ...

  • Also wenn man das ganze "Ensemble" küren will gibt es eine Reihe von Problemen:

    1) Der Eckbau Humboldtstrasse 1 von HS&A Architekten ist ein drittklassiger, plattgedrückter Füllbau, der nur angesichts der Nachbarschaft akzeptabel ist. Die Konstruktion besteht aus Beton, der Putz aus Spritzputz auf Polysterol (Markenname Styropor), ab 1.1.2016 Sondermüll. Die Verabeitung des Hauses ist grottig, schon in drei, vier Jahren werden Algenflug und Putzschäden das Bild prägen. Auf dem Dach sind "Zinksärge" für die Entlüftung montiert, die jeder Proportion spotten. Kurzum: auf den ersten Blick tolerabel, bei genauem Hinsehen ein Billigbau.

    2) Die Humboldstraße 2 ist wie Nr. 1 zu bewerten, nur ist dank der TG-Einfahrt inkl. Verkleidung im Gelsenkirchner Barock das Urtel "akzeptabel" nicht mehr zutreffend. Das Hans ist ästehtisch, materiell, ökologisch und farblich Umweltverschmutzung.

    3) Der Palast (nicht Palais) Pompei ist eine rekonstruierte Fassade des Vorgängerbaus, die (bis auf das Gitter) aussergewöhnlich gute Qualität aufweist. Hier sind auch drei Maskerons, die den Bombenkrieg überlebt haben, mit eingebaut. Leider ist das Innere des Baus bestenfalls 08/15 (war ja auch nur eine Leitfassade), die Rück- (Hofseite) eine absolute Minusleistung der Architekturgeschichte. Zudem (natürlich) Spritzputz auf Styropor - hier hat der Bauträger versucht die immensen Kosten für die Sandsteinfassade (nach Angaben des Bauherrn etwa 7.000 Euro/qm) wieder auszugleichen.

    4) Der vermeindliche "Palast Chiericati" hat mit demselben nichts zu tun. Das Label ist eine Erfindung des Projektentwicklers - ein Vergleich des Noackschen Hauses von Gontard mit dem Palazzo Chiericati fällt verheerend aus. Die Rekonstruktion ist ansprechend aber leider weder sauber noch funktional. Die Atlanten, die den Mittelteil tragen, sind um ein Drittel zu groß geraten (obwohl Meßbildfotos mit den exakten Maßen vorlagen), für die EG-Einheiten haben sich noch keine Mieter gefunden, da Passanten durch die Fenster nicht hereinschauen können.

    5) Der ehem. Palast Barberini, künftig Museum Barberini, erhält gerade eine herrliche Leitfassade, obwohl auch hier Wasser in den wein zu schütten ist. Die TG-Einfahrt auf den Alten Markt ist ästhetisch schwierig gelöst. Die gesamte Fassade hat deutlich mehr Sandstein als das Original (in Potsdam), das ist durch die vielen bekanten Trümmerfotos nachweisbar (wie auch beim Palast Pompei). So entsteht ein idealisiertes Bild des Vorgängerbaus, was ich allerdings nicht wirklich dramatisch finde. Problematisch wird der Effekt wenn durch die hohen Frontfassadenkosten die "Rück"fassaden zur Alten Fahrt hin aus Kostengründen wieder Beton und Styropor kommen. Zudem ist im Verlaufe des Projektes auf die vorgeschriebene Rekonstruktion zweier einzigartiger Säle verzichtet worden, was dazu führte dass sich der einzige Leitbau Potsdams selbst zur Leitfassade zurückstufte.

    6) Die sonstigen Gebäude des Ensembles, vor allem das Giebelhaus zum Wasser hin, sind in archietktonisch unterer Durchschnitt. Wieder Beton+Styropor.

    Zusammengefasst: Die Fassaden der Paläste Pompei und Barberini sind preisverdächtig, im Ensemble auch die des Noackschen Hauses. Den Häusern dahinter, die an drei Seiten mit Styropor gedämmt und rückwärts spritzgeputzt sind, kann man als Stadtbild Deutschland m.E. keinen Preis geben.

    Bilder:

    1) Noacksches Haus (vermeindliches Chiericati) von hinten:

    2) Vorderseite:

    3) Historisch (Potsdam) Noacksches Haus:

    4) Der Palazzo Chiericati - das Vorbild?

    5) Palast Pompei von hinten:

    6) ...und von vorne:

    7) Der historische Palast Pompei:

    8) Das "Ensemble" von innen (Hofsicht, die Gerüste sind der westliche Seitenflügel des Museum Barberini):

    9) und von der Langen Brücke aus:

    Natürlich allemal besser als vorher:

    10)

    Aber ein Preis als Ensemble?

  • Das städtebauliche Ensemble funktioniert aus meiner Sicht.

    Wo wäre dann ein besseres Neubau-Ensemble in Deutschland zu finden? Vielleicht das vordere QII am Dresdner Neumarkt, aber das ist nahezu Komplett-Reko und steht schon einige Jahre, fällt für einen diesjährigen Preis also eher aus. Es geht bei dem Preisgedanken sicher auch nicht um 100%ige Perfektion (wo gibts die schon? Auch nicht bei Originalbauten). Sondern um eine Auszeichnung für eine möglichst stadtbild-sensitive Gesamtlösung im Sinne der Vereinsziele. Handwerkliche Qualität sollte sicher auch eine Rolle spielen, aber mE nicht die vordergründigste. Es geht wie gesagt um das Gesamtbild, und das ist beim Quartier Barberini doch als sehr positiv zu bewerten, nach allen Reaktionen auch hier im Forum.

  • Ehe sich der Begriff einschleift: ein "Quartier Barberini" gibt es nicht. Es gibt ein "Humboldt-Quartier", ein "Stadtschloß-Ensemble" und ein "Museum Barberini" mit drei unterschiedlichen Bauherren.

  • Stimmt, es wurde nur kurzzeitig mal als Barberini-Quartier betitelt. Dennoch halte ich eine Gesamtauszeichnung für machbar und vielversprechend, auch an eine Gruppe von Bauherren.

    Eine Alternative und vielleicht sogar die elegantere Variante wäre die Auszeichnung an das Bündnis Mitteschön! zu vergeben, dem wir das Ganze erst wirklich zu verdanken haben. :) http://www.mitteschoen.de/

  • Natürlich hat unser hochgeschätzter Potsdamkenner Konstantindegeer recht mit seinen Einwänden gegenüber sämtlichen Fassaden des Humboldt-Quartiers außer den rekonstruierten Froten des Barberini und Pompeji. Natürlich könnte man auch erwägen, um sich gegen Kritik zu wappnen, nur eben den Barberini-Palast als "Bauwerk des Jahres" auszuzeichnen. Ich möchte aber folgendes zu bedenken geben:

    1. Es zeichnet unseren Verein aus, dass er sich eben nicht als reiner Altertumsverein versteht, dem es n u r um bewahrte oder wiedergewonnene Baudenkmale geht, sondern um das gesamte Erscheinungsbild unserer Städte, das seit 70 Jahren entsetzlich darniederliegt. Das Humboldt-Quartier stellt einen der drei aufsehenerregenden Versuche im heutigen Deutschland (neben Dresden und Frankfurt) dar, ein Stück historisch geprägte Stadt neu erstehen zu lassen. Gerade die Mischung aus vorzüglichen und vielleich nicht ganz so vorzüglichen Rekonstruktionen und überdurchschnittlichen und durchschnittlichen Neuschöpfungen macht eben Stadt aus, wie sie nach unserer Auffassung aufs Neue anzustreben ist. Es ist ja gerade das unschlagbare Plus der Parzellenbauweise, dass die aneinandergereihten Bauten keinen Ewigkeitsanspruch erheben, sondern sukzessive überarbeitet oder durch Besseres ersetzt werden können. In dieser Hinsicht hat das Humboldt-Quartier Vorbildcharakter und verdient m.E. durchaus eine Auszeichnung (nicht einen Preis!).

    2. Wenn wir die Messlatte für diese jährlichen Auszeichnungen zu hoch anlegen, werden wir Schwierigkeiten haben, überhaupt würdige Objekte zu finden. Es bedeutet im heutigen Deutschland schon viel, architektonisch und städtebaulich Herausragendes auszumachen. Wenn wir bei ansehnlichen Bauten auch noch die Fassaden auf ihr Baumaterial abklopfen wollen, verderben wir uns vollends die Freude am Entdecken. Es ist natürlich ein Jammer, dass heutige Bauherren wie Architekten noch immer auf das scheinbar kostengünstige Styropor setzen, aber lassen wir das doch die Sorge der Bauherren sein. S i e sind es, die nach vielleicht zwanzig Jahren eine Gammelfassade erneuern und Unmengen von Sondermüll entsorgen müssen. Uns kann es vorerst genügen, dass eine ästhetisch respektable Lösung für ein neuzuschaffendes Stück Stadt gefunden wurde. Schließlich geht es unserem Verein vornehmlich um das Stadtbild, nicht um die Qualität der zum Einsatz kommenden Bautechnik. - Im Übrigen finde ich den Kopfbau gar nicht sooo übel; er fügt sich mit seiner zwar nicht barocken, sondern klassizistischen Anmutung durchaus in die Potsdamer Zusammenhänge und in die Nachbarschaft des Stadtschlosses. Und was die Rückfronten der Paläste betrifft, halte ich sie, gemessen an dem deutschlandweit Üblichen, durchaus für gefällig, möchte auch zu bedenken geben, dass die Rück- oder Hoffassaden im Blockverband auch früher meistens bescheidener ausgeführt wurden als die Straßenfronten.

    Ich meine, der Begleittext zu unserer Auszeichnung braucht solche Einwände wie die von K. erhobenen durchaus nicht zu verschweigen. Nur sollte der Text knapp gehalten und auf ein eher architekturfernes Publikum gemünzt sein. Unser Vorhaben ist als ein Impuls zur Sensibilisierung der Öffentlichkeit für baukulturelle Ziele zu verstehen - mehr nicht.

  • Ein Mangel am Palast Pompei sind die Veluxfenster im Dach; leider gehört das Dach nach der Satzung der Gestaltungskommission nicht mehr zur Fassade, was architektonisch gesehen natürlich absoluter Unfug ist. Mangelhaft am Barberini sind vor allem auch die Eckpavillons zur Havel hin. Die Blendbögen, die nicht konzentrisch über den realen Fensterbögen sitzen, sowie die zum Teil blinden Fenster, sind ein absolutes Unding.
    Bedauerlich in diesem Zusammenhang ist, dass der Entwurf des Büros Bernd Albers nicht zur Geltung kam, in dem vorgesehen war, das Tabulariummotiv des dritten Geschosses am Hauptgebäude exakt zu wiederholen. Im Vergleich dazu wirkt die gebaute Lösung von Hilmer und Sattler (unteres Foto) wie ein Abklatsch.

    Vergleiche auch: http://www.berndalbers.com/#!palais-barberini-potsdam/cee9





    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • Nochmal zur Klarstellung, das Humboldtquartier sind nur die Humboldtrasse 1 und 2 - ohne jede Reko. Für das gesamte bisher gebaute Areal gibt es keinen Namen. Demnächst beginnen östlich des Barberini die Bauarbeiten für drei aussergewöhnlich abscheuliche Wohnbauten. Insofern müsste man für die 5 gemeinten Bauten einen neuen Namen finden. In Potsdam spricht man - wenn alles gemeint sein soll, vom Quartier "Alte Fahrt".

    Die Veluxfenster beim Pompei hatte ich vergessen. Danke für die Ergänzung.

    Dass der Entwurf von Berln Albers besser war steht ausser Frage.

    Ich verstehe die Einwände gegen die Reduktion auf die Rekos (von "Altertümern" hat jedoch niemand gesprochen. Ich sehe mich jedoch ausser Stande, auch nicht ausnahmweise, Styroporgebirge zu befürworten oder gar auszuzeichnen. Das ist für mich eine ROTE LINIE.

  • Mach einen Gegenvorschlag Konstantin. Oder hast du keinen? Letztlich ist es ja die Entscheidung aller Vereinsmitglieder, hier im Forum wird das Ganze durch Diskussionen begleitet.

    Ich fände auch die Auszeichnung für den Stadtumbau von Anklam mit Marktplatz und Hanse-Quartier von der Signalwirkung ausgesprochen hilfreich (hier die Webseite Anklam Baut, und das ISEK), um gerade zu zeigen: auch mit wenig Geld in einer klammen kleinen Stadt, mit nicht so potenten Investoren dafür aber mit entsprechendem politischen Willen können tolle Ergebnisse erreicht werden. Es hätte natürlich etwas den Charakter von Vorschusslorbeeren, da nicht alles fertig ist.

    Bis wann soll denn der Preisträger entschieden sein und wann soll er verkündet werden und in welcher Form wird die Auszeichnung überreicht/verkündet? :smile:

  • Die frühere Visualisierung vom Palais Barberini zur Havelseite war wirklich viel detailgetreuer als die jetzt ausgeführte! Bei der älteren waren so kleine Zwischenfenster im ersten und zweiten Stockwerk eingezeichnet! Außerdem hat man im ersten Obergeschoss die Tympana über den großen Fenstern komplett eingespart und im zweiten Obergeschoss fast die gesamten Ornamente wie die Pilaster und halt die schönen Rundbogenfenster! Sehr schade ist dass man die Balustraden am Dach aus dem Entwurf genommen hat :wuetenspringen: die Abgrenzung zum Fluss finde ich beim ersten Entwurf auch besser gelungen da sie sich besser zu dem barocken Baukörper anpasst als diese komischen modernen Pergolen ! Die Fontäne im Hof wäre auch nicht schlecht nur vielleicht zu hoch! Lediglich die modernen Penthouseaufbauten auf dem Dach des Mittelflügels im ersten Entwurf waren misslungen!

  • Ich selber tue mich auch noch ein wenig schwer mit dem Barberini-Quartier - zum einen sind es eben doch eine Menge beteiligte Personen, zum anderen sind doch eine Vielzahl an Kompromissen gemacht worden. Daher kann ich mich auch ganz gut mit dem Stadtumbau in Anklam abfinden, mein persönlicher Favorit ist aber das Bolfrashaus in Frankfurt/Oder.

    Wo die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten
    Karl Kraus (1874-1936)

  • Ist in Aklam denn schon etwas gebaut worden? Den Links sind nur Pläne zu entnehmen.

    Das Bolfrashaus ist lobenswert aber in puncto Farbe und vor allem bezgl des Erkers ziemlich daneben.

    In Lübeck und Frankfurt steht noch nix, oder?

    Alte Fahrt könnte ich mit vorstellen, würde aber die Humboldt 1 und 2 rausnehmen. Bleiben noch immer 3 Häuser.

    Wenn es um reinen Neubau und Wohnen geht sind die Kompnistengärten oder Floragärten sicher sehr gut (keine Rekos und auch Styroporfassaden). Ist aber sehr großstädtisch.

    Die sonstigen Mittelstädte habe ich nicht so im Focus.

  • @Anklam: Ich hatte doch zum Faden hier verlinkt. Inzwischen ist man noch etwas weiter am Markt, hier einige Bilder von Oktober - Anklam

    Wie gesagt, das ist eine Kleinstadt in der wohl ärmsten und strukturschwächsten Region Deutschlands (Binnenland Vorpommerns bis Uckermark). Gerade solche Signale sind umso erstaunlicher und ehrenwerter, Neumarkt, Alter Markt/Alte Fahrt, Dom-Römer usw. haben da ja schon deutlich mehr öffentliche Präsenz und Anerkennung.

  • Für das von unserem Verein auszuzeichnende "Bauwerk des Jahres 2015" sind bis jetzt sieben Vorschläge eingegangen, die ich in dieser Liste zusammenstelle:


    Stuttgart, "Palais am Reitweg"

    Franfurt (O), Bofrashaus

    Berlin, "Eisenzahn 1"

    Österreich, Gestüt Lindhof

    Potsdam, Quartier "Alte Fahrt"

    Anklam, Marktplatz

    Berlin, "Floragärten"/ "Komponistengärten"


    Ich schlage vor, dass wir noch eine Woche lang abwarten, ob weitere Nennungen eingehen, und dann Voten sammeln. Das Bauwerk bzw. Ensemble, das die meisten Stimmen sowohl aus dem Bereich der Vereinsmitglieder als auch der Foristen auf sich versammeln kann, wird dann als "Bauwerk des Jahres 2015" der Öffentlichkeit präsentiert werden.

  • Dann werfe ich noch das Quartier VII/2 in den Ring, das sich neben zahlreichen Rekonstruktionen und ordentlichen Füllbauten auch durch eine vorbildliche Bauweise (Ziegelmauerwerk, hölzerne Dachstühle) auszeichnet.

    Wahre Baukunst ist immer objektiv und Ausdruck der inneren Struktur der Epoche, aus der sie wächst. Ludwig Mies van der Rohe