Zerbst/Anhalt - Schloss Zerbst

  • Was fuer eine Schweinerei! :aufdenkopf: Es ist mir einfach unvorstellbar, dass Leute an der mutwilligen Zerstoerung des Guten und Schoenen, das der Foerderverein mit Muehe und grossem Aufwand wieder errichtet hat, Gefallen haben koennten. Was fuer ein Rueckschlag fuer den Verein, seine Spender und seine ruehrigen Mitglieder, das schmerzt mich ungeheuer. :weinenstroemen:

  • Der Förderverein [lexicon='Schloss Zerbst'][/lexicon] e. V. ist sehr erfreut über
    die Publikation zum Schloss in der Zeitschrift MONUMENTE, trägt dieser Beitrag
    doch zur weiteren Verbreitung des Themas generell und der Vereinsanliegen bei.


    Neu ist, dass die Deutsche Stiftung Denkmalschutz erstmals
    die Sicherungsarbeiten am Schloss finanziell unterstützt. Nach längerem Zögern
    des Landes Sachsen-Anhalt sind nun alle Förderbescheide eingetroffen, so dass
    der 3. Bauabschnitt der Sicherungsmaßnahme III am 7. Januar beginnen kann,
    sofern es die Witterungsbedingungen zulassen.


    Vorgesehen ist, völlig marode Decken und Wände aus der
    Notsicherung von 1954/55 abzubrechen und neue Stahlbetondecken einzuziehen.
    Diese Arbeiten konzentrieren sich auf den sogenannten Pavillon, den Südbereich
    des Ostflügels. Nach Abschluss der Arbeiten wird das ehemalige Appartement der
    Fürstin Johanna Elisabeth, der Mutter der russischen Zarin Katharina II.,
    wieder vollständig begehbar sein.

  • Die in der zweiten Januarwoche am und im Schloss aufgestellten Baugerüste markieren
    den Beginn des dritten Bauabschnittes der Sicherungsmaßnahme III, der sich auf
    den Pavillon des Ostflügels bezieht. Zu Beginn werden marode Decken und
    Zwischenwände aus der Notsicherung von 1954/55 abgebrochen.

  • Wieso hat man damals überhaupt was stehen lassen? Der Flügel war vielleicht besser in Schuss, aber wenn man ihn da eh vergammeln lässt...Wenn ALLES weg gewesen wär, vielleicht sähe man das heute anders mit Reko usw. und hätte damit den "Trümmerkult" umgangen. Kann man natürlich nicht voraussehen, aber bei anderen nicht mehr existierenden Schlössern (Berlin, Potsdam, Braunschweig, Herrenhausen...) hats ja schließlich auch geklappt.

  • Dass es leichter mit der Rekonstruktion wäre, wenn gar nichts mehr stünde, möchte ich bezweifeln. Die angeführten Beispiele beziehen sich auf innerstädtische Bauvorhaben. Auf dem sachsen-anhaltinischen Land würde wohl kaum jemand in die Komplettrekonstruktion eines solchen, verschwundenen Schlosses investieren. Insofern ist die Ruine ein Glücksfall, da sie wiederaufgebaut werden kann, und der Denkmalschutz dem auch zustimmt. Doch "Bennis" Frage ist interessant, weshalb eigentlich der Flügel des Hauses stehen gelassen wurde.
    Ich hätte auch noch eine Frage: Offenbar sind im Pavillon ja bereits provisorische Fenster eingebaut worden. Werden die nun wieder abgebaut und eingelagert? Oder bezieht sich die Maßnahme nur auf die oberen zwei Geschosse?

  • Ich bin dem Landeskonservator Dr. Schubert unendlich dankbar, dass er in einer politisch äußerst brisanten und sehr schwierigen Zeit den Mut und die Kraft hatte, das Schloss vor dem Totalverlust zu bewahren und die für 1952 vorgesehene Sprengung des Ostflügels abwendete. Auch in der Folgezeit, als z. B. das [lexicon='Potsdamer Stadtschloss'][/lexicon] beseitigt wurde, stellte sich das Denkmalamt gegen einen Abbruch. Leider konnten die kulturellen Projekte der 1970er Jahre durch den Bau des russischen Militärflughafens bei Zerbst, in den die für das Schloss vorgesehenen Mittel flossen, nicht umgesetzt werden. Nach der Wende blockierten sechs Rückführungsansprüche jegliche Arbeiten am Schloss. Ein Jahrzehnt wurde bis zur Entscheidungsfindung gebraucht.

    Auch wenn die Innenausstattung weitestgehend verloren ist, so repräsentieren die Mauern, in denen einst die russische Zarin Katharina II. einen Teil ihrer Jugend verbrachte, immer noch ein Stück wichtige Geschichte. Sie wird durch die historischen Relikte hautnah erlebbar.

    Zu Bennis Reaktion kann ich nur sagen, dass es in Zerbst nicht um „Trümmerkult“ geht, sondern um die Bewahrung von Authentizität! Der Förderverein setzt alle Kraft daran, die verbliebenen Schlossteile sukzessive zu sichern. Das ist unter dem Aspekt der immer geringer werdenden Fördermittel eine große Herausforderung! Anschließend soll die Rekonstruktion des äußeren Erscheinungsbildes erfolgen.

    Die Sprengung des Westflügels des Schlosses erfolgte eigenmächtig im Auftrag des erzkommunistischen Oberbürgermeister Wegener. Kurz zuvor war die Schlossruine von der Joachim-Ernst-Stiftung in die Hände der Stadt Zerbst gelangt. Die Zerbster Bürger wehrten sich massiv dagegen. Der Sprengmeister führte seine Arbeiten nur durch die Androhung von Gewalt (!) aus. Da beim Westflügel und beim Haupttrakt durch den amerikanischen Bombenangriff auch Außenmauern verloren gegangen sind, gelang es dem Landeskonservator offenbar nicht, die Sprengung abzuwenden. Doch ein Fünftel des Haupttraktes und der Ostflügel wurden als absolut erhaltenswürdig eingestuft.

    Ich stimme Heimdall völlig zu, dass eine Rekonstruktion nach einem erfolgten Totalabriss völlig abwegig ist. Hier in Zerbst – nicht vergleichbar mit Berlin, Potsdam, Dresden, Hannover, Braunschweig etc. – würde kein Investor sein Geld versenken!

    Im Rahmen der Sicherungsmaßnahme III/3 werden marode Decken von 1954/55 im Bereich der beiden linken Fensterachsen und der Mittelachse des Pavillons bis zum Erdgeschoss abgebrochen und durch moderne Stahlbetondecken ersetzt. Die Fenster werden durch Bauplatten geschützt. Im 1. Obergeschoss ist ein Fenster herausnehmbar, um den Schutt abzutransportieren. Hinter diesen drei Fenstern der Belle Etage (mit Balkon) lag das Audienzgemach, das von Johann Michael Hoppenhaupt d. Ä. ausgestaltet war. Der Raum soll in diesem Jahr wieder für das Publikum zugänglich sein.

  • Im Rahmen des dritten Bauabschnittes der
    Sicherungsmaßnahme III hat der Abbruch der maroden Decke oberhalb des
    zweiten Obergeschosses begonnen. Mit Presslufthämmern werden Steine und
    Armierungen gelöst und entsorgt. Wenn der Betonunterzug freigestellt
    ist, wird er mit einem Kran entfernt.

  • Hallo Nick,
    danke für den positiven Kommentar. Leider gibt es unter der derzeit noch
    vorhandenen Tribüne keine Keller mehr. Die Mauern wurden sehr gründlich
    beseitigt. Nur die hofseitigen Außenwände dürften noch vorhanden sein. Das
    beigefügte Foto zeigt die Abbruchstelle. Die grüne Linie markiert den einstigen
    Verlauf der oberen Kappen der Kellergewölbe. Die hässliche Betontribüne wird
    übrigens ab August 2013 demontiert.

  • Nachdem die Hohlblocksteine der Decke über dem zweiten Obergeschoss entfernt wurden, konnte der freigelegte Stahlbetonunterzug aus dem
    Mauerwerk gehoben werden. Dazu wurde extra ein 70-Tonnen-Kran mit einem 40-Meter-Ausleger beschafft. Nahezu mühelos schwebte der 8,1 Tonnen wiegende Koloss vom Dach.

  • Akanthus, auch von mir vielen Dank dafür, dass du uns über die Arbeiten am Zerbster Schloss so auf dem Laufenden hälst. Lese deine Beiträge immer sehr interessiert.

  • Akanthus, Entschuldigung für mein schlechtes Deutsch. Ich folge den Entwicklungen seit langer Zeit und finde es sehr interessant. Ich habe vor ein paar Jahren das Schlossbuch gekauft und bin sehr beeindruckt von der Schönheit des Schlosses. Schockierend zu sehen, wie dieses wunderschöne Schloss zerstört wurde. Ich hoffe, dass es jemals vollständig rekonstruiert werden kann. Schade, dass so wenig von der Nord-und Ostflügel übrig ist aber gut zu hören dass die hässlichen Betonttribüne demontiert wird. Was sind die nächsten Schritte? Wird das Innere zuerst rekonstruiert oder das Dach und das Äußere? Wie ist es übrigens mit die Überführung der fürstlichen Särge ins Schloss?

  • Das Deutsch ist doch perfekt, Nick! Ich bewundere jeden Menschen, der eine oder mehrere Fremdsprachen beherrscht. Das ist bei mir nur sehr kümmerlich ausgeprägt. Also: immer weiter so. Alles ist gut.

    Zum Schutz der historischen Bausubstanz müssen in allen Bereichen Zwischendecken eingezogen werden, da das Gebäude sonst auseinanderbricht. Die Holzbalkendecken sind durch den Brand komplett verloren gegangen. Durch die Sprengkraft der 1945 in das Gebäude gestürzten und explodierten Bomben sind starke Risse aufgetreten. Außerdem würde man ohne sehr hohen Rüstaufwand gar nicht an die oberen Bereiche in bis zu 25 Metern Höhe herankommen.

    Wir arbeiten somit von Beginn an von unten nach oben. In der nördlichen Rücklage des Ostflügels ist bereits ein Übergangsdach installiert. Im Bereich des Pavillons, wo derzeit die Sicherungsmaßnahme III/3 stattfindet, ist das Dach für 2014 geplant.

    Im Bereich des Corps de logis (Nordflügel) werden die ersten Arbeiten voraussichtlich im April/Mai dieses Jahres beginnen. In einem zweiten Abschnitt ist sogar der Abbruch von völlig außer Lot stehenden Wandbereichen bis zum Niveau des Kellergewölbes vorgesehen. Da dort im Gegensatz zum Ostflügel mit Schalmauerwerk gearbeitet wurde, sind die Schäden erheblich größer. Die Wandabschnitte stehen durch die Verschiebung nach außen und den Absturz der Fensterstürze nur noch als Pfeiler. Mit fortschreitendem Bau ist die Rekonstruktion dieser Nordostecke geplant (siehe Bild).

    Die grundsätzlichen, sehr langfristigen Planungen sehen vier Schritte vor:
    1) Fertigstellung des Rohbaus
    2) Rekonstruktion des barocken Daches
    3) Sanierung der Fassade und Ergänzung fehlender Sandsteinornamente
    4) Innerer Ausbau
    Wenn die Förderungen optimal laufen, soll die Phase 1 im Zeitraum 2017/18 abgeschlossen sein. Mit ständig kleiner werdenden Fördermitteltöpfen sehe ich da allerdings Probleme.

    Zu den Fürstensärgen kann ich sagen, dass parallel eine Arbeitsgruppe in regelmäßigen Abständen zu diesem Thema tagt. Die Analyse von 2 Särgen ist für dieses Jahr geplant, deren Restaurierung für 2014. Die Fördermittelanträge von uns (Förderverein [lexicon='Schloss Zerbst'][/lexicon]), den Bau betreffend, sehen derzeit den Abschluss der Baumaßnahmen in der Gruft für 2015 vor. Dann könnten die ersten beiden Särge in die neuen Gruftgewölbe eingestellt werden. Sukzessive sind dann weitere Sargrestaurierungen geplant. Die restaurierten Sarkophage sollen dann im Schloss aufgestellt werden. Alles ist jedoch immer von den Förderungen abhängig.

  • Mit finanzieller Unterstützung der Bundesrepublik Deutschland, des Landes Sachsen-Anhalt, der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, der Lotto-Toto GmbH Sachsen-Anhalt, des Landkreises Anhalt-Bitterfeld und der Stadt Zerbst/Anhalt werden die Sicherungsarbeiten am Zerbster Schloss fortgeführt werden. Der Förderverein [lexicon='Schloss Zerbst'][/lexicon] e. V. möchte sich bei allen Fördermittelgebern und Einzelspendern, die zum Zustandekommen der Eigenanteile des Vereins beigetragen haben, ganz herzlich bedanken.

    Der dritte Bauabschnitt der Sicherungsmaßnahme III – mittlerweile die siebente vom Förderverein initiierte und in Realisierung befindliche Baumaßnahme – konzentriert sich auf den südlichen Bereich des Ostflügels. Dort werden marode Decken und Wände der Notsicherung von 1954/55 entfernt und gegen neue Stahlbetondecken ersetzt. Damit werden im Erdgeschoss und im ersten Obergeschoss die ursprünglichen Raumkubaturen wiederhergestellt.

    Der offizielle Baubeginn erfolgt am 30. Januar 2013 um 15:00 Uhr. Wir möchten dazu alle Interessierten recht herzlich einladen.

  • Akanthus

    Vielen Dank für die steten Informationen aus Zerbst! dieses Projekt finde ich einfach wunderbar! Ein bisserl erinnert es mich an die Rettung des "sächsischen Sanssouci": Schloss Hainewalde, wo auch ein ganz kleiner, aber feiner Verein sukzessive das Schloss rettet.

    Schade, dass nicht ein russischer Oligarch hier in Zerbst einpringt! Hier könnte er sich wahrlich (im positiven Sinn) austoben und ein Denkmal schaffen - für Russland und Katharina die Große.

    Wie steht es um die Altstadt von Zerbs? Leider kenne ich diese Ecke (noch) nicht, aber ist die Stadt touristisch interessant?

  • Die Kontakte nach Russland werden immer enger. Im letzten Jahr hatte ich die Direktorin von Zarskoje Selo zu Gast im Schloss. Schon in diesem Jahr wollen wir eine kleine gemeinsame Ausstellung im Zerbster Schloss gestalten. Die Arbeit an den Inhalten läuft auf Hochtouren. Darüber hinaus gibt es verschiedene russische Kontakte, die ständig ausgebaut werden. Vielleicht ist ja mal ein potenter und seriöser (!) Finanzier dabei?

    Mit der Altstadt von Zerbst steht es nicht gerade zum Besten. Die Stadt ist am 16. April 1945 zu 80 % zerstört worden. Zu DDR-Zeiten wurden dann noch viele historisch wertvolle Gebäude abgerissen und teilweise durch völlig unpassende Wohnblöcke ersetzt. Diese Dramatik ist heute noch deutlich spürbar. Aber es gibt viele schöne Ecken und interessante, in den vergangenen Jahren restaurierte Gebäude (z. B. St. Trinitatis, siehe Foto). Als gebürtiger Zerbster kann ich nur sagen: Ein Besuch lohnt sich allemal. Und als Chef des Fördervereins: Das Schloss, das ab 21. April wieder geöffnet hat, ist auf jeden Fall einen Besuch wert!

  • Vielen Dank für die ausführlichen Informationen. Eure Arbeit ist bewundernswert, und man kann Euch nur weiterhin viel Erfolg und Durchhaltevermögen wünschen!

    Auch wenn das Ziel in weiter Ferne liegt: Man kann sich jetzt schon auf den Tag freuen, an dem der stehengebliebene Flügel (wenigstens der...) seine alte Gestalt wiedererlangt. Zwei Fragen habe ich:

    Was für eine Nutzung ist denn langfristig für das Gebäude geplant, wenn es zumindest innen fertiggestellt ist?

    Und wie war das jetzt mit den Fenstern? Die sehen alt aus, dürften aber neu sein, da in der Kriegsruine ja keine Fenster mehr waren. Sind das nun Provisorien oder richtige, endgültige Fenster?