Berlin-Mitte - Allgemeines

  • Das Gebäude versprüht jetzt den Charme eines polysterolgedämmten und entstuckten Altbaus, der auf Deubel komm raus modernistisch daherkommen will... :daumenunten:

    Labor omnia vincit
    (Vergil)

  • Friedrichstraße 63 wurde eindeutig verschlechtert. Die gegliederte Fassade, die Kassetten, Fenstergitter, unterteilten Fenster, Erdgeschoss-Rundbögen, Rundbogengauben, Dachschindeln und die erdige Farbe - alles weggeräumt. Das war doch mal ein halbwegs gelungenes Beispiel von DDR-Architektur. Statt dessen sieht das Haus nun aus wie ein billiges Dämmplatten-Produkt, dessen Erdgeschoss man ein klein wenig mit Naturstein aufzumotzen versucht hat. Schlecht. :daumenunten:

    Wo waren bei dieser Umgestaltung eigentlich diejenigen, die sich z.B. in Potsdam für den Erhalt der FH als Krone der DDR-Kunst einsetzen?

    Ansonsten, schade, dass der "usbekische Bahnhof" nicht fertig gebaut wurde. Sieht sehr interessant aus.

  • Es war eben nicht alles ganz schlecht in der ollen DDR. Mir gefiel die Bude vor der Modernisierung - sprich Verschandelung wesentlich besser. Man konnte auch mit standardisierten Bauteilen wirkungsvolle Akzente setzen und einigermaßen anspruchsvoll bauen. Leider wurde viel zu wenig davon Gebrauch gemacht.

    In der Architektur muß sich ausdrücken, was eine Stadt zu sagen hat.
    Eine Stadt muss ihren Bürgern gefallen, nicht den Architekten

  • Es war eben nicht alles ganz schlecht in der ollen DDR.

    Not macht erfinderisch - in diesem Fall die Baustoffknappheit. Irgend jemand ersann statt glatten Einheitsplatten, Formbetonplatten zu gießen, dies war weltweit - so glaube ich - ziemlich einmalig. Auf diese Art und Weise sollte auch die Freidrichstraße ihr altes Flair wieder annährend zurückbekommen.

    Am südlichem Fuße des Bahnhof Friedrichstraße, sollte mit der Stahlkonstruktion des abgerissenen Friedrichstadtpalastes der Wintergarten erbaut werden - nun ist das Areal bereits anderweitig bebaut, und das alte Friedrichstadtpalastgerippe wahrscheinlich im Hochofen gelandet.

  • Die gesamte Friedrichstraße sollte zum Boulevard ausgebaut werden, also auf eine Breite um ca. 62 m wie die Linden. Etwas davon kann man noch heute jenseits der Weidendammer Brücke mit dem markanten Eckhaus und dem Friedrichstadtpalast gut sehen.

    An der Kreuzung Unter den Linden / Friedrichstraße waren ja auch bereits die Tatsachen geschaffen worden mit dem Hotel Unter den Linden und dem Lindencorso, heute wieder auf die historische Breite zurückgebaut.

    Die östliche Seite der Friedrichstraße besaß ja kaum noch alte Häuser zwischen Mohrenstraße und Oranienburger Straße und die wären dann im Laufe der Zeit abgerissen worden, um die Straße zu erweitern.

  • Ist es nicht vielmehr dekadent, den hässlichen Plattenbau-Schrott der Wilhelmstraße zu beweihräuchern

    Es ist alles Geschmacksache. Es gibt wesentlich häßlichere Plattenbauten, auch im Westen

    Ich war heute nach langer Zeit mal wieder in der Wilhelmstraße, und offen gesagt, kann ich nicht nachvollziehen, wie man sich bei der Vielzahl architektonischer Scheußlichkeiten in Mitte ausgerechnet auf diese Gebäude "einschießen" kann.
    Es gibt nicht nur zur Genüge wesentlich hässlicher Plattenbauten, die wirklich weh tun (z.B. im Heilig-Geist-Viertel, Fischerinsel, "Rathauspassagen"), es gibt inzwischen sogar jede Menge Neubauten, die ich als hässlicher empfinde, zumal diese mit ihren Dimensionen mehr ins Auge springen (abgesehen von der "Schießschartenscheiße", von der Goldstein schrieb).

    Der Schießschartenscheiße, die heute gebaut wird, trauert in 20 Jahren keiner nach. Das ist der Unterschied. Denn diese Architektur hat alle Menschlichkeit verloren.


    Also bevor keiner eine überzeugende, alternative Planung vorlegt, würde ich bei diesen Plattenbauten in der Wilhelmstraße nie voreilig in ein "Allet nich schick, die Platte muss weg" einstimmen". Ich könnte mir sogar vorstellen, dass mit relativ bescheidenen Mitteln (Verputz, Anstrich, unterschiedliche Farbgebung der Gebäude) der Bereich um einiges aufgewertet werden könnte.

  • Stimmt. Recht postmodern das Ganze. Aber eigentlich freut mich das, es geht wieder mehr in die Richtung Gestaltungsfreude, Mut zur gegliederten Fassade statt glattes Einerlei. Auch wenn man da hin und wieder ins Klo greift, ist das ein Trend, der auch neuklassisches Bauen wieder einfacher macht.

    Living 108 ist ein interessanter Bau mit schmucker Fassade. So würde ich mir zeitgenössisches Bauen öfter wünschen, statt verhunzter Bauhaus-Allerweltsfassaden. Der Flickenteppich Berlin profitiert dann eher von mutigen Neubauten. Jetzt muss auf die Nachbarbauten der Stuck wieder rauf, dann ist das ein wirklich spannender Straßenzug. :)

    Das Hotel Merika gefällt mir auch gut. Auch wenn der Bau sehr lang ist, das passt ja zur monumentalen Gliederung, die an frühmoderne Kaufhäuser erinnert. Ein wenig natürlich auch an Bauten der 30er und 40er, aber auch das passt wiederum zu Berlin... ;)

  • Diese beiden "fast fertiggestellten" Häuser sehen im allerbesten Sinne postmodern aus. Sehr überraschend in der heutigen Zeit. Erinnert mich an den Hackeschen Markt. Von mir aus kann man ganze Stadtteile in diesem Stil bauen.

  • Living 108 ist ein interessanter Bau mit schmucker Fassade

    Ich finde daran überhaupt nichts schmuck. Ein erdrückender Klotz mit penetranter, fast aggressiver Zackenfassade.

    Diese beiden "fast fertiggestellten" Häuser sehen im allerbesten Sinne postmodern aus.

    Ich würde eher sagen, Postmoderne "as it´s worst". Ich dachte sofort an eine Verunstaltung von Altbauten, als ich das sah. Diese billig und düster wirkenden Fassadenplatten. Das asymetrische, konvexe Viereck als Erker. Jetzt fehlen nur noch eine violette Haustür und lindgrüne Fensterrahmen zum 80er-Jahre-Glück. <X


    Das Hotel Merika ist fertig, besser gestaltet als auf dem Bauschild

    Aber hallo. Auf dem Bauschild sieht es wie eine Platte mit Wärmedämmschicht aus. Real wurde daraus durch die Natursteinverkleidung und das vertikale Gliederungselement ein kleines Schmuckstück. Erinnert mich an den Spätklassizismus der 50er Jahre. OK.

  • Also ich kann all diesen Gebäuden nichts Positives abgewinnen, vielleicht noch dem Hotel Merika und den Gebäuden daneben.

    Das Hotel hat zwar einen klangvollen Namen, sieht aber aus wie eine Herberge à la A&O Hostel - beliebig und einfallslos. Die Fassadengestaltung ist zwar akzeptabel, die fehlende Gliederung macht sich aber deutlich bemerkbar. Man hat hier viel Potenzial verschenkt, ein klangvoller Name allein macht ein Gebäude nicht attraktiv.

    Bei den Neubauten daneben hat man sich bei der Auswahl der Farbe völlig vergriffen. Wer kommt denn bitte auf die Idee, schwarz als Fassadenfarbe zu wählen!? Sind die Innenräume auch gleich in schwarz getüncht worden? Insgesamt würden mir diese Gebäude von den gezeigten am besten gefallen, und dennoch sehen sie mir zu klobig aus. Alles eckig und kantig, keine Formensprache. Dafür aber mehr Fassadengliederung und kein scheußliches Flachdach.

    Die Häuserreihe auf dem dritten Bild sieht mir sehr nach billiger Investorenarchitektur aus - Hauptsache schnell, günstig und ohne großen Aufwand Räumlichkeiten schaffen - und auf eine geschmackvolle Fassadengestaltung verzichten. Hier hat man schwarze, weiße und olivfarbende Schuhkartons aufeinander und nebeneinander gestapelt. *Ironie ein* - Wow, ein echter Fortschritt! - *Ironie aus*

    Living 108 ist aber wirklich die Krönung - der Bau passt hier überhaupt nicht in das Ensemble rein und ist ein völlig überflüssiger Schandfleck. Sieht aus wie eines der vielen Hotels auf Mallorca, gruselig sowas!

    Zitat von erbse

    Living 108 ist ein interessanter Bau mit schmucker Fassade.

    Schmucke Fassade!? Das Living 108 erinnert mich sehr stark an das Hotel Neptun in Warnemünde:

    https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Hote…0_Jahre_142.jpg

    Hat das denn deiner Meinung nach auch eine schmucke Fassade? Das Living 108 unterscheidet sich zum Neptun nur in seiner Größe, der Farbe sowie den fehlenden Balkons. Ansonsten, wer weiß - vielleicht hat der verantwortliche Architekt das Neptun als Vorbild gehabt?

    Ich bin leider einmal mehr enttäuscht von Berlin, obwohl es in dieser Stadt auch einige wenige vorzeigbare Neubauten gibt, die nicht im Auge des Betrachters Augenkrebs verursachen (Meine Meinung).

    Einmal editiert, zuletzt von Alexis (12. August 2016 um 02:10)

  • Ja, das Warnemünder Hotel Neptun hat eine schmucke Fassade, fast eine Miami-Ästhetik. Es ist ein durchaus interessanter und markanter Bau, der auch zurecht als ein Wahrzeichen des Seebades gilt, neben Leuchtturm und Teepott. Ich gehöre jedenfalls nicht zu der Fraktion, die alles nichtklassische ablehnt. Es gibt schon eine Anzahl interessanter postklassischer Architektur, für mich zählen das Hotel Neptun und Living 108 dazu. Sie heben sich wohltuend vom sonstigen gestaltlosen Einheitsbrei dieser Zeit ab.

  • Gut, Architektur ist auch immer eine Frage des Geschmacks. Wenn dir, erbse, das gefällt, dann sei es so.

    Abheben vom Einheitsbrei tut sich das Living 108 nach meiner Sicht der Dinge aber gar nicht. Sowas könnte man in einer Vielzahl in Deutschland reproduzieren, die Fassade hat nichts wirklich Einzigartiges, was es nur an diesem einen Ort gibt. Mit anderen Worten: Das Living 108 könnte auch ein "Haus von der Stange" sein, dass meiner Meinung nach beliebig und an dieser Stelle völlig deplatziert erscheint. Hier hätte man sich an der Architektur der angrenzenden Altbauten orientieren sollen. So wirkt es hier eher erschlagend oder erdrückend, wie auch Heimdall schon äußerte.

    Das Neptun finde ich persönlich im beschaulichen Warnemünde zu überdimensioniert. Das Gebäude ist meiner Meinung nach nur durch seine Geschichte interessant, da es zu DDR-Zeiten eines der nobelsten Hotels an der Ostseeküste war und heute immer noch ist. Für die Warnemünder ist der Betonklotz natürlich nicht wegzudenken. Aber zwischen den schönen und erhaltenen Strandvillen wirkt das Neptun wie ein Fels in der Brandung. Man stelle sich einmal vor, man würde sowas in Ahlbeck auf der Insel Usedom neben dem Ahlbecker Hof errichten wollen. Der Aufschrei wäre wohl nicht zu überhören.

  • Na, wenn man mal ehrlich ist: ein nicht unerheblicher Teil der Berliner Bausubstanz könnte so auch ganz woanders in Deutschland stehen, angefangen beim Barock, Klassizismus, Historismus. Der Austauschbarkeitsfaktor sollte nicht immer das einzige Argument sein, um interessante Architektur zu beurteilen.

  • Unsinn, erbse. Wie viele Barockbauwerke stehen denn im Berliner Zentrum noch? Das ist ja kein Dutzend mehr. Und das Schloß Charlottenburg, das Zeughaus, die Staatsoper oder die Dome des Gendarmenmarktes könnten eben nicht "ganz woanders in Deutschland" stehen sodern sind für ihren jeweiligen Ort entworfen worden. Das gilt auch für die meisten klassizistischen Bauten wie das Brandenburger Tor, die Neue Wache oder das Alte Museum.

  • Was ja nichts daran ändert, dass man diese Architektur potenziell auch an fast jedem anderen Ort in Mitteleuropa finden könnte. Es haben sich zwar vielfältige regionale Eigenheiten rausgebildet, aber dennoch sind viele Bauwerke nach der Renaissance potenziell fast überall in der Region einpflanzbar. Was man ja auch daran sieht, dass u.a. der preußische Barock zahlreiche Anleihen bei italienischen Vorbildern nahm. Das ist ja kein Nachteil, sondern ein Argument für klassische Architektur - sie passt einfach (fast) überall in die (Stadt)Landschaft.

  • Am Alexanderplatz ist eh nichts mehr zu retten. Also kann mich das schon nicht mehr aufregen. Abgesehen davon weiß die Morgenpost schon wieder mal nicht, dass der angewinkelte Behrensbau das Alexanderhaus ist und nicht das Berolinahaus

  • noch hässlicher und ideenloser geht es nicht mehr

    So hässlich ist der Neubau doch gar nicht. Verglichen mit einigen anderen Projekten. Es handelt sich tendenziell vielmehr um 60er-Jahre-Retro. Das ist ja fast noch harmlos, wenngleich natürlich wirklich nicht romantisch.

  • http://www.tagesspiegel.de/berlin/ephraim…f/14896806.html

    http://www.berliner-zeitung.de/berlin/neptunb…te-auf-25171182


    Hier ein Link zu einem Artikel des heutigen Tagesspiegels bzw. der Berliner Zeitung mit den - wenig überraschenden - Vorstellungen des Baustadtrats von Mitte, unter anderem:
    Bibliothek soll zum Hauptbahnhof, Neptunbrunnen soll bleiben, wo er ist, die Bauakadamie kann kommen, ansonsten keine Bebauung der historischen Mitte, also Erhalt der Leerfläche.

    2 Mal editiert, zuletzt von newly (25. November 2016 um 22:06)