• Moderationshinweis (Riegel):
    In diesem Strang gab es einige Beiträge zu Blockbauten im Kanton Schwyz (CH), die ich in den heute neu eröffneten Strang Schwyz (Kanton) - Umgang mit 700-jährigen Blockbauten verschoben habe. Den Erstbeitrag von RMA habe ich aber belassen, und lediglich in den neuen Strang hinüberkopiert, damit hier der Zusammenhang gewahrt wird.


    Da Mündener es im „Normannisches Fachwerk“-Strang angesprochen hat, will ich seinem Wunsch gerne mal nachkommen, und einen Strang über den etwas wenig beachteten „Bruder“ des Fachwerkbaus eröffnen – den Blockbau. Nach Stiewe ist dies „eine massive Holzbauweise aus horizontal aufeinandergeschichteten Rund- oder Kanthölzern, die an den Ecken bündig oder mit vorstehenden Balkenenden (Vorstößen) verkämmt sind“. Verbreitung hat diese Bauweise vor allem in den Regionen, wo viel Nadelholz vorkommt, also im Alpenland, Oberfranken, Böhmen, Teilen von Thüringen und natürlich Nordamerika. Nachfolgend will ich mich mangels weiterer Kenntnisse erstmal auf die Schweiz beschränken.

    Besonders interessant sind in diesem Zusammenhang die Ergebnisse der Dendrochronologie im Schweizer Urkanton Schwyz, wo in den vergangenen Jahrzehnten einige Blockbauten des 13. und 14. Jahrhunderts, und, besonders spektakulär, sogar einer des 12. Jahrhunderts aufgedeckt werden konnten. Dies ermöglichte, wie das Mitteilungsblatt des Arbeitskreises für Hausforschung im Juli 2009 ganz richtig schreibt, nicht nur erstmals die Holzbauprinzipien etwa einhundert Jahre weiter zurückzuverfolgen, als dies bisher beim Fachwerkbau der Fall war, sondern auch Rückschlüsse auf das Wohnen an sich im Hochmittelalter.

    Insgesamt handelt(e) es sich dabei um acht Bauten, nach dem Alter sortiert:

    • Haus Nideröst in Schwyz [die Gemeinde heißt so wie der Kanton] von 1176 (d)
    • Haus Herrengasse 17 in Steinen von um 1303 (d) mit Hölzern um 1200 (d)
    • Haus Bethlehem in Schwyz von 1289 (d)
    • Haus Herrengasse 15 in Steinen von um 1307 (d)
    • Haus Acher in Steinen von 1313–38 (d)
    • Haus Mattli in Oberschönenbuch von um 1326 (d)
    • Haus am Landsgemeindeplatz in Hinteribach von 1336 (d)
    • Haus Tannen in Morschach von 1341 (d)

    Leider muss man sich dem Mitteilungsblatt des Arbeitskreises für Hausforschung auch anschließen, wenn es konstatiert, es „ist sehr zu bedauern, dass die Bauten in einem der Schweizer Kantone liegen, in denen die Denkmalpflege offenbar nicht den sonst mit diesem Land verbundenen hohen Stellenwert besitzt“.


    Haus Bethlehem, August 2006
    Foto: Wikipedia / Urheber: Jungpionier / Lizenz: CC BY-SA 2.5

    So ist bisher nur Haus Bethlehem restauriert und als Museum auf der Ital-Reding-Hofstatt einer angemessenen Nutzung zugeführt worden. Das Haus am Landsgemeindeplatz in Hinteribach wurde bereits 1995 ab- und im Freilichtmuseum Ballenberg wiederaufgebaut. Mehr Informationen zu diesem glücklichen Projekt siehe hier. Dies ist gar nicht mal so ungewöhnlich, denn archäologische Untersuchungen haben gezeigt, dass knapp 20 Prozent aller Blockbauten im Laufe ihres langen Lebens wenigstens ein Mal, oft aber sogar mehrfach „umgezogen“ sind – die Blockbauweise ist in dieser Hinsicht noch flexibler als die Fachwerkbauweise, wo dies ebenfalls Usus war.

    Nun zu den wirklich schlechten bis haarsträubenden Nachrichten: Haus Mattli in Oberschönenbuch und Haus Tannen in Morschach stehen bereits seit längerem leer, die Häuser Herrengasse 15/17 in Steinen, also mit die ältesten, wurden bereits 1990 bzw. 1998 abgerissen. Am Schlimmsten ist aber das Schicksal des ältesten Hauses, Haus Nideroest, das ich schon seit mehreren Jahren verfolge. Dem Interessierten sei zunächst der umfassende Untersuchungsbericht der Jahre 1998–2001 ans Herz gelegt, der dankenswerterweise online verfügbar ist:

    http://www.hvschwyz.ch/publikationen/Nideroest.pdf

    2001 hat man diesen uralten Holzbau abgebrochen. Warum? Damit der ehemalige Besitzer des Hauses im Schwyzer Hinterdorf für seine Kinder bauen konnte! Man muss wohl Schweizer sein, um das zu verstehen. Vielleicht kann sich Riegel mal dazu äußern. Natürlich stand das Gebäude unter Denkmalschutz, in der Schweiz Inventar der geschützten und schützenswerten Bauten und Objekte (Kigbo), aus dem es aber für den vorgenannten Zweck entlassen wurde. Die Denkmalpflege lief natürlich Sturm, der man jedoch zusicherte, es wieder an anderer Stelle aufzubauen.


    Haus Nideroest, vor 2001
    Foto: Schweizer Heimatschutz

    Erst sollte es neben Haus Bethlehem eine neue Heimat finde, was jedoch die Gemeinde ablehnte. Sogenannte Experten sorgten schließlich 2004 dafür, dass das Gebäude wegen seiner „gesamtschweizerischen Bedeutung“ (kein Widerspruch!) auch nicht an das bereits genannte Freilichtmuseum Ballenberg überstellt wurde. Doch das Landesmuseum wollte es ebenfalls nicht. Angeblich gab es danach allen Ernstes Pläne, das Teil auf eBay zu versteigern. Kaum viel besser als das, was schließlich kam: 2005 verschenkte man die Teile an den Natur- und Tierpark Goldau, einen privaten Zoo in der Zentralschweiz, damit dieser das Gebäude irgendwann mal in seinen Haustierpark integriert. Ende letzten Jahres konnte man dann das in der Zeitung lesen:

    Haus Nideröst wird nie mehr stehen – Nachrichten – SchwyzKultur

    Irgendwie hatte ich bis dahin, vielleicht etwas platt artikuliert, die Vorstellung, dass die Schweizer ziemlich beinharte Patrioten sind, gerade was das gebaute Erbe angeht. Wenn man jedoch die Tierparkdirektorin bei einer solchen Aussage in die Kamera Lachen sieht, verliert man irgendwie den Glauben daran. Andererseits, und damit komme ich auch erstmal zum Ende, kann man konstatieren, dass es historischen Bauwerken im 21. Jahrhundert auch in den Nachbarländern Deutschlands kaum besser geht als hier zu Lande.

    3 Mal editiert, zuletzt von RMA (31. Mai 2011 um 01:22)

  • Ich kann nichts zum Thema Blockbau beitragen, aber erlaube mir eine kurze Anmerkung zum Thema Schweiz. Ich hatte es in einem anderen Strang schon einmal erwähnt. Als ich letztes Jahr in Basel war, dachte ich bei der Hinfahrt, in ein vom Krieg unzerstörtes Stadtensemble zu fahren. Dem war keinesfalls so. Abseits des unmittelbaren Altstadtbereichs waren teils schlimme Bausünden zu sehen. Ohne Rücksicht auf Ensemble mußten hier einst Abrisse durchgeführt worden sein. Und je mehr man an den Stadtrand kam, umso moderner, aktueller und monströser wurde das Ganze. Ich sagte zu meinen Freunden, dass ich schockiert sei: "Es sieht hier auch ohne Krieg so aus wie in der Bundesrepublik." Seitdem mache ich mir auch wenig Illusionen hinsichtlich des schweizer Traditionsbewussteins. Es ist nicht viel besser als hierzulande, und der Umgang mit der alten Bausubstanz wundert mich somit nicht so sehr. Dass ich ihn als schlimm, als bedauerlich empfinde, steht natürlich außer Frage.

  • Dem kann ich nur beipflichten. In Basel standen noch in den fünfziger Jahren ganze Straßenzüge in jener behäbigen, auf das späte Mittelalter zurückgehenden Steinhausbauweise, die für die Nordschweiz und das südliche Baden so charakteristisch ist. Ich fand es unfasslich, wie man in den Sechzigern Zug um Zug solche Altstadtstraßen abräumte, um ein neues breiteres Straßenprofil mit großstädtischen Geschäftshäusern zu schaffen. Dennoch möchte ich eins zu bedenken geben: Man sieht Basel wie auch anderen Schweizer Städten durchaus an, dass da kein Wiederaufbau nach Kriegs- und Nachkriegsverheerungen stattgefunden hat, sondern eine sukzessive Stadterneuerung , die durch Bauämter und Architekten durchgeführt wurde, die sich des durch die gewachsene Stadt gegebenen Qualitätsanspruchs durchaus bewusst waren. Seit es eine Architekturmoderne gibt, war sie und ist sie in der Schweiz von einem Qualitätsanspruch durchdrungen, der dem deutschen Bauen durch Jahrzehnte hindurch fremd war. Ich konnte damals, als ich in der südbadischen Grenzregion wohnte, genau einzelne Gebäude bezeichnen, die von einem über die Grenze geschwappten Geist der Schweizer Architektur inspiriert waren. Denn ansonsten war der Qualitätskontrast brutal.

    Ich halte solche Differenzierungen für wichtig, um das Phänomen des Architekturzerfalls, das sich nach dem Zweiten Weltkrieg über ganz Deutschland ergoss, präziser fassen zu können. Der Schweizer lebt nunmal nicht in dem Bewusstsein einer solchen Kluft zwischen integren historischen Stadtbildern und der zerstörerischen Moderne. In einer fantastischen Landschaft mit einer Fülle von Städten und Dörfern, die immer sorgfältig, gediegen und im Einklang mit der Tradition weitergebaut wurden, erlaubt man sich eben auch heute ganz selbstverständlich den Austausch von Häusern, selbst wenn es sich dabei um ein jahrhundertealtes Blockhaus handelt.

  • Ich persönlich kenne zu den schweizer Bauten noch zwei Bauten von um 1300 in der Nähe Voss, Norwegen, einmal Finnesloftet, ein Herrenhaus von 1295, welches zum Teil in Blockbauweise, zum größten Teil jedoch in Stabbauweise errichtet wurde und daher gewisse Ähnlichkeiten mit den 1 Jahrhundert früher errichteten Stabkirchen Norwegens aufweist.
    Finnesloftet - Visitvoss.No

    Das zweite Gebäude, Lydvaloftet stammt aus dem frühen 14. jahrhundert, und ist komplett in Blockbauweise errichtet. Es ist wesentlich schlichter als Finnesloftet.
    http://nn.wikipedia.org/wiki/Lydvaloftet

    Ich glaub zudem, dass es sinnvoll wäre, die Stabbauweise in diesen Strang mit zu integrieren.

    Einmal editiert, zuletzt von Mündener (31. Mai 2011 um 18:18)

  • Im ostschweizerischen Städtchen Werdenberg gibt es in der (sehr kleinen) Altstadt neben einigen Fachwerk- und Bohlenständerbauten auch ein paar der wenigen erhaltenen städtischen Blockbauten.
    http://1.bp.blogspot.com/_HQtY8AP9cpo/T…00/100_2309.JPG
    http://media-cdn.tripadvisor.com/media/photo-s/…hlangenhaus.jpg
    http://zur101.files.wordpress.com/2011/04/werdenberg-gasse.jpg

    3 Mal editiert, zuletzt von Mündener (2. Juli 2011 um 11:18)

  • Zitat

    Seit es eine Architekturmoderne gibt, war sie und ist sie in der Schweiz von einem Qualitätsanspruch durchdrungen, der dem deutschen Bauen durch Jahrzehnte hindurch fremd war.

    Ich weiß nicht so recht, ob ich hier zustimmen kann. Praktisch alle größeren Schweizer Städte sind mit einem breiten Neubaugürtel umgeben, der nun wirklich nicht sehr ansprechend gestaltet ist - jede Menge Wohnblocks, riesige Einkaufszentren komplett aus Beton, ohne jeglichen Bezug auf die Umgebung.

    Wenn man Glück hat, verbirgt sich dahinter wie in Bern, Chur oder Sion eine intakte und wirklich schöne Altstadt. Wenn man Pech hat, sieht die Altstadt kaum besser aus als in zerstörten deutschen Städten - besonders negativ sind mir da Lausanne oder Montreux aufgefallen, wo man offensichtlich ähnlich wie in Brüssel immer mehr alte Bausubstanz abreißt und durch renditeträchtige Neubauten primitivster Ausführung ersetzt. Zwei neue Großbaustellen im Zentrum von Montreux lassen da jedenfalls nichts gutes erwarten...

    Bilder aus dem Zentrum (alle von mir, nicht an meinem Pseudonym stören smile:) :(

    Picasa Web Albums - Kevin van Hove - Montreux

  • Dass es selbst bei norwegischen Block- und Stabbauten gotische Elemente gab, beweist dieser Bau von 1330.

    Ich habe nebenbei gelesen, dass es in Norwegen mehr als 250 sicher identifizierte profane Block- und Stabbauten aus der Zeit vor 1350 geben soll - diese Zahl + X der bisher noch unbekannten Bauten (vielleicht noch einmal mindestens 50 dazu).

    Zum Vergleich: In Deutschland hat man bisher aus der selben Zeit "nur" 140 Fachwerkbauten gefunden (die Paar Block- und Stabbauten hierzulande sind zu vernachlässigen).

    P.S: wer solche Bauten finden will, braucht prinzipiell Nichts außer Google Street View - Die stehen auf jedem besseren Bauernhof.

    Diesen Speicher etwa würde ich ins 13. oder 14. Jahrhundert datieren - Indizien sind die niedrigen Türöffnungen, die Schnitzereien der Türpfosten und die Fenster im Obergeschoss (ob sich die Säulenartigen Ständer an den Gebäudeecken zur Datierung eignen, weiß ich noch nicht)

    Einmal editiert, zuletzt von Mündener (1. Februar 2013 um 21:31)

  • Beispiele für Blockbauten aus der Zeit um 1800 von den niederbayrischen Dörfern Kriestorf und Walchsing (Gemeinde Aldersbach, Lkr. Passau).

    Im Ort Kriestorf finden sich noch einige gut erhaltene Häuser in Obergeschoss- oder Vollblockbauweise aus der Zeit um 1800.

    Einer der am besten erhaltenen Vierseithöfe im Unterbayrischen Hügelland ist der Goderhof aus dem 1. Drittel des 19. Jahrhunderts:


    Das Wohnhaus, die Giebelseite für die Region typisch mit Haupt- und Giebelschrot (mit Schrot, ausgesprochen in etwa „Schroud“, sind die Balkone gemeint) sowie gedrechselten Ständern.

    Ein frisch renoviertes ehemaliges Gasthaus (frühes 19. Jh.):


    Mühle an der Vils, das Wohnhaus ein 1790 errichteter Vollblockbau


    über der Obergeschosstür Zuber mit Wassernixen, in den Medaillons ehemals Heiligenbilder

    siehe auch Aldersbach

  • jüngst nach Unteruttlau transferiert, keine Ahnung von wo dieser Blockbau stammt:


    im Bayernviewer Denkmal sieht man das Gebäude gerade im Aufbau

    Schnellertsham, ein wunderbares Straßendorf mit 5 Vierseit- und 2 Dreiseithöfen. Die Nr. 3 ein Vollblockbau mit Traufschrot zum Innenhof (Anfang 19. Jh.):

    Bergham 24 (Gasthaus, spätes 18. Jh.), zusammen mit der Nr. 25 und 26 ein großartiges historisches und erstaunlich unverfälschtes Blockbau-Ensemble bildend:


    Bergham 11, Mitte 19. Jh.

  • Bei Aldersbach und Haarbach sind mir keine dendrochronologischen Datierungen im Bayernviewer Denkmal aufgefallen, ein paar Häuser sind mit Jahreszahl bezeichnet, sonst steht in erster Linie E. 18. Jh., um 1800 und A. 19. Jh. dabei.

  • In Oberfranken und dem angrenzenden Thüringen gibt es noch wenige Blockbauten, was mir neu war.

    Ein Auszug aus den "Bau- und Kunstdenkmälern Thüringens" von 1904 zu den Blockbauten im Sonneberger Raum:

    Zitat

    Überraschend ist das Auftreten von Blockhausbauten in einigen Orten des Kreises Sonneberg in Steinach, Spechtsbrunn, Hasenthal, in Mark bei Neuhaus und in anderen Orten jener Gegend; besonders auffällig ist, dass der Blockhausbau in Mark die Zierformen der schweizer und der oberbayrischen Blockhausbauten zeigt, ohne dass im Übrigen die Gebäude die Grundriss-Form jener Bauerngehöfte angenommen haben. Auch diese Gebäude, denen wohl nur noch ein kurzes Dasein wird beschieden sein, sind im Innern nach fränkischer oder thüringischer Bauart durchgeführt.


    Eines der wohl ältesten Blockhäuser der Gegend ist das sog. Lutherhaus in Sonneberg. Es wurde zwischen 1552 und 1555 errichtet (Quelle Denkmalliste). 1874 wurde es von Judenbach ins nahe Sonneberg versetzt.


    Quelle: Wikipedia, Urheber: Störfix

  • In den Architekturtheoriesträngen des Forums eröffnen sich mir immer wieder neue, mir unbekannte Welten! Die gewaltige Anzahl mittelalterlicher Blockbauten in Skandinavien überrascht mich wirklich sehr. Ich war bis dato der Meinung, dass sich im hohen Norden nur wenig Vormittelalterliches erhalten hat.

    Ich vermute, dass sich der norwegische Blockbau nicht bloß auf das Hochmittelalter beschränkt. Liege ich richtig in der Annahme, dass sich dort eine gewaltige Menge alter Holzbauten erhalten hat, die nicht mit den Beständen im deutschen Sprachraum zu vergleichen ist? Zumindest gewinne ich beim Überfliegen der Beiträge diesen Eindruck...

    LG