• Zitat

    Im Rathaus klafft ein Millionen-Loch

    Die Sanierung sollte 25 Millionen Euro kosten. Das Geld hat der Stadtrat bewilligt. Jetzt wird ein enormer Nachschlag fällig, gegen den es Widerstand gibt. Ein Baustopp droht.

    Böse Überraschung im Dresdner Rathaus: Das Geld zur Sanierung des Ost- und Südflügels reicht bei Weitem nicht. Deshalb soll der Stadtrat am Donnerstag über einen Nachschlag von vorerst knapp acht Millionen Euro entscheiden. Die Zustimmung ist ungewiss...

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  • Haupteingang des Dresdner Rathauses erstrahlt in neuem Glanz

  • Baustopp am Rathaus? Und was denn dann, die Bude als Halbruine stehen lassen? Ich will niemand von Verantwortung frei sprechen aber nach Kriegszerstörung und hastigem Wiederaufbau ist nun mal einiges wie russisch Roulette.

  • Bei einer gutmeinenden Betrachtungsweise, könnte man deiner These durchaus zustimmen. Allerdings offenbart der leider nicht online lesbare SZ-Artikel, dass die Wahrheit doch etwas anders aussieht.
    Schon 2008 wurden Kostenschätzungen angestellt, die damals Sanierungskosten von über 30 Mio. Euro offenbarten. Außerdem waren in der Zwischenzeit - mir ist diese Information vollkommen neu - Decken im Südflügel eingestürzt; man stelle sich das einmal vor! Wie kann es also sein, dass man von Umbaukosten in Höhe von 25 Mio. Euro ausging und die Sanierungsbedürftigkeit sämtlicher Zwischendecken erst nachträglich "entdeckte"?
    Hier wurde grob fahrlässig gehandelt und der Stadtrat im Endeffekt belogen. Über die Motive kann man sich natürlich streiten. Ob die Akquise politischer Mehrheiten dahinter steckt, sei einmal offen gelassen.
    Allerdings reiht sich die Rathaussanierung in eine unendliche Kette ein. Beispielsweise bei der Errichtung des neuen Gymnasiums Bürgerwiese wurde einfach "vergessen", dass sich auf dem Grundstück noch abzubrechende Altbauten befinden. Bei der Sanierung des Daches für die Energieverbunarena stiegen die erst kolportierten Kosten binnen einer Woche von 0,9- auf 2,1 Mio. Euro. Noch Beispiele gefällig?
    Mich ängstigt es direkt vor dem geplanten Umbau des Kulturpalastes.

    Wahre Baukunst ist immer objektiv und Ausdruck der inneren Struktur der Epoche, aus der sie wächst. Ludwig Mies van der Rohe

  • Das "Problem" der Kostensteigerungen während der Bauphase findet sich systembedingt bei jedem öffentlichen Bauvorhaben.
    Aus strategischen Gründen muss die Verwaltung gegenüber dem Stadtrat, der Staatsregierung o.ä. zunächst niedrige Kosten angeben. Das heißt, die Architekturbüros werden von den Mitarbeiter(innen) der Verwaltung gedrängt, die Kosten rigoros runter zu rechnen. Dabei lässt man gerne ganze Themen (Abriss Altbestand oder statische Deckensanierung wie in dem obigen Beispiel) unberücksichtigt. Dann werden die (zu niedrigen) Mittel im Haushalt bereit gestellt. In der Bauphase werden dann im Ausschreibungsergebnis die tatsächlichen Kosten erkennbar. Eines der Angebote muss beauftragt werden, also nimmt man das günstigste (nur dieses Kriterium gilt in der Praxis- gleichwertigkeit der Ausführung ist egal). Nun ist das beauftragte Angebot schon höher als die eingestellten Kosten im Haushalt, wohingegen die ausführende Firma der Meinung ist, dass alles sehr knapp kalkuliert ist und so wird diese versuchen, über (überhöhte) Nachträge dies wieder auszugleichen. Dazu muss man wissen, dass die Baufirmen heute (ich meine nicht die großen Konzerne) ein großes Risiko tragen (Rechtsstreitigkeiten noch Jahre nach Fertigstellung...). Nun muss die Verwaltung über den Stadtrat die Kostensteigerung kommunizieren: Und siehe da -man muss die komplizierten Abhängigkeiten nun mal für den Bürger plakativ vereinfachen - heraus kommt meist, dass das Architekturbüro eine falsche Kostenschätzung abgegeben hat. Und die Architekturbüros lassen diese Rufschädigung auf sich sitzen, weil sie vielleicht einmal wieder einen Bauauftrag von Freistaat oder der Stadt bekommen wollen.

    Auch beim Kulturpalast wird es also Kostensteigerungen geben. Die DDR-Bausubstanz ist i.d.R. schon im Rohbau nicht gerade solide ausgeführt.

  • Das ist natürlich alles vollkommen richtig! Allerdings handelt es sich beim Rathaus doch noch um eine vollkommen andere Qualität. Hier hat man die sanierungsbedürftigen Decken wider besseren Wissens einfach unterschlagen.
    Insofern stellt sich auch die Frage, ob man dieses System, bei allgemein bekannten durchschnittlichen Kostensteigerungen von über 30%, nicht endlich mal reformieren sollte. Warum kann nicht der Rat Planungsbüros beauftragen, die dann auch nur diesem gegenüber rechenschaftspflichtig sind? Dadurch wäre ein weitaus objektiveres Kostenspektrum zu generieren, das vor bösen Überraschungen schützt. Wozu braucht es eine Verwaltung, die die tatäschlichen Kosten drückt?

    Wahre Baukunst ist immer objektiv und Ausdruck der inneren Struktur der Epoche, aus der sie wächst. Ludwig Mies van der Rohe

  • Der Stadtrat hat in seiner Sitzung am 21.06.2012 dem Nachtrag in Höhe von 8 Mio. Euro für die Sanierung des ersten Bauabschnittes des Neuen Rathauses zugestimmt. Die Kosten erhöhen sich demnach auf 33 Mio. Euro, wobei ein zusätzliches Finanzrisiko von weiteren 4 Mio. Euro nicht vollkommen ausgeschlossen werden kann. Ein Baustop hätte auf der anderen Seite angeblich 50.000 Euro pro Woche gekostet.
    Um ähnliche Szenarien bei der weiteren Sanierung in den kommenden Jahren zu verhindern, soll das städtische Rechnungsprüfungsamt untersuchen, wie es zu der Kostenexplosion/den viel zu gering angesetzten Kosten kommen konnte. Außerdem soll ein externer privater Gutachter die Planung und Ausführung der weiteren geplanten Bauabschnitte überwachen.

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  • Wenn ich derzeit am Neuen Rathaus vorbeifahre, wird mir langsam klar, warum die Sanierungsarbeiten am ersten Bauabschnitt noch bis 2015 andauern sollen. Schon vor mehreren Monaten hat man nämlich begonnen, die Dachhaut des südöstlichen Zwischenflügels zu wechseln. Seither ist allerdings nichts mehr passiert, sodass sämtliche Anschlüsse (Traufkante, Gauben, Kehlen) heute immer noch offen stehen.
    Da hat es mich durchaus gewundert, dass man am Ostflügel bisher doch recht schnell vorangekommen ist. Leider aber erlahmen hier jetzt auch wieder die Kräfte.


    Der Ostflügel

    Bild ist von mir.

    Wahre Baukunst ist immer objektiv und Ausdruck der inneren Struktur der Epoche, aus der sie wächst. Ludwig Mies van der Rohe

  • Zu den qualitätvollen "Wappen - Löwen" ( Arbeiten von Georg Wrba ) treibt mich geraume Zeit eine Frage um, die noch nicht beantwortet werden konnte.
    Einerseits befanden und befinden sich gegenwärtig zwei Löwen am Festsaal - Flügel ( Goldene Pforte ) des Neuen Rathauses, mit Inschriften - Tafeln.
    Andererseits besitze ich eine historische Foto - AK, die zwei "Wappen - Löwen" am Eingang zum Verwaltungstrakt des Rathauses zeigt.
    Diese tragen eben solche Schilde mit Inschriften, wie die Löwen an der "Goldenen Pforte" - nur - man sieht leider nur die "Rückfront" dieser Tierchen, so dass Vergleiche schlecht möglich sind.
    Könnte es zutreffen, dass an den repräsentativen Eingangsportalen zum Neuen Rathaus einst vier Wappen - Löwen vorhanden waren ?
    Eine weitere Variante könnte ggf. die Umsetzung der Löwen gewesen sein, die evtl. zunächst vor dem Kanzleiflügel des Neuen Rathauses standen und vielleicht später an den Festsaal - Flügel des Rathauses gelangten.
    Jedenfalls ist mir konkret diese historische Ansichtskarte von ca. 1928 nicht so recht erklärlich, denn ihr Vorhandensein nährt die o. g. Vermutungen.
    Vielleicht kann wer helfen, dieses Rätsel zu klären, am besten durch eine Vorkriegsansicht vom Eingangsportal des Verwaltungstraktes.

  • Einst befanden sich tatsächlich vier Bronzelöwen am Rathaus. Die zwei Löwen an der Ringstraße gingen aber offensichtlich 1945 verloren. Vermutlich wurden diese von herabstürzenden Trümmermassen zerquetscht (wenn man die Bilder des zerstörten Rathauses anschaut). Die beiden Löwen am Rathausplatz überstanden, bis auf den bekannten Splitterdurchschuss auf dem einen Schild, das Inferno und zieren noch heute (derzeit auf Grund der Baumaßnahmen allerdings nicht) den Eingang. In meiner Presseschau "Vor 100 Jahren" habe ich im Oktober 2010 (Weihe des Rathauses) auch ausführlich die damaligen Zeitungsnotizen über diesen Wrbaschen Schmuck eingestellt, einschließlich der nicht gerade immer zustimmenden Meinungen (besonders der Rathausesel stand in der Kritik und musste bis zur Weihe des Hauses vor Frevel von einem eigens abgestellten Gendarmen bewacht werden). Auch die Inschriften auf den Schilden der verschwundenen Löwen habe ich noch irgendwo. Sollte ich mal 5 km Zeit haben, muss ich sie mal raussuchen.

    Dresdenbild

  • Nachtrag.

    Habe mal fix nachgeschaut.
    Die Inschriften auf den Schilden der Löwen an der Rathausstraße lauteten:


    Bedenk und achte, was die Väter Großes schufen,
    Indeß die Zukunft nur sei Deiner Taten Zweck.

    sowie:

    Recht muß doch Recht bleiben,
    Der Gerechtigkeit Frucht wird Friede sein.

    Zur Vollständigkeit noch die Inschriften auf den Schilden der beiden noch heute existierenden Löwen:

    Der ist kein Bürger, der die eigene Sorge
    Vergißt nicht in der Not des Allgemeinen.

    sowie:

    Willst Du was schaffen tu´s nicht ohne Rat,
    Doch vorwärts bringt Dich nur die frische Tat.

    (Quelle: Dresdner Anzeiger, 1. Oktober 1910, Sonderbeilage zur Weihe des Rathauses.)

  • Vielen Dank für die ausführliche Antwort auf BL's Fragen. Du bist ein reicher Quell des Dresden-Wissens, wertes Dresdenbild!

    Ich bin mir allerdings gerade unsicher bezüglich des Zerstörungsgrades des Neuen Rathauses. Bekanntermaßen war ja der gesamte Nordabschnitt des Festsaalflügels nicht mehr vorhanden, also wahrscheinlich durch eine massive Sprengbombe vernichtet worden. Wie sah es aber entlang der Ringstraße aus? Dort standen doch noch die Fassaden, oder? Wie sollen dann aber die Löwen zerstört worden sein? Vielleicht durch den herabstürzenden Dachreiter?

    Wahre Baukunst ist immer objektiv und Ausdruck der inneren Struktur der Epoche, aus der sie wächst. Ludwig Mies van der Rohe

  • "BL"möchte sich natürlich ebenfalls herzlich für die überaus sachkundigen Infos bedanken. Profundes Wissen von dresdenbild konnte hier eine Lücke schließen.
    Nun wissen wir um die Inschriften auf den Wappenschilden der "verschwundenen" Löwen, deren weiteres Schicksal nach 1945 zunächst
    ( noch ) offen bleiben muss. Sicher verfielen sie der Einschmelzung, unabhängig vom Erhaltungszustand.
    Dahinter gab es am Verwaltungstrakt des Neuen Rathauses tatsächlich eine weitere, z w e i t e "Goldene Pforte", wie mir die vorliegende Foto - Ak zeigt, die ich hier ld. nicht einzustellen vermag.
    Vielleicht gelingt in späterer Zeit eine Rekonstruktion der beiden verlorenen Löwen. Möglich wäre dies sicher. Notwendige Finanzen vorausgesetzt.

    Der stählerne, kupferverkleidete, große Dachreiter auf dem Verwaltungstrakt des Neuen Rathauses war 1945 nicht herab gestürzt, so zeigt es ein Foto in Richard Peters Bildband "Dresden eine Kamera klagt an." Dessen kupferne Bekleidung hatte sich jedoch vollständig abgelöst.
    Die Ringstraßen - Fassade des Rathauses war, obwohl zum weitaus größten Teil ausgebrannt, im wesentlichen nicht so schwer beschädigt, wie die des Festsaalflügels.
    Peter hat in seinem Buch u. a. einige Aufnahmen vom ruinierten Neuen Rathaus veröffentlicht. Erstaunlich eine Aufnahme aus dem ehemals prachtvollen Festsaal.
    Neben großen Teilen der natürlich schwer beschädigten Marmor - Inkrustationen hatten sich gar einige Lüster mit Resten der Glasbehänge erhalten. Zwei marmorne Basreliefs aus dem Festsaal gelangten später ins Lapidarium, wo sie sich noch heute befinden.

  • Die vier Löwenfiguren sind auch auf nachfolgendem exzellenten Bild der Neuen Photographischen Gesellschaft zu erkennen - allerdings nur bei entsprechender Sehkraft.
    http://architekturmuseum.ub.tu-berlin.de/images/1600WM/F%200198.jpg

    Übrigens hätte man - trotz aller Zerstörungen - den Säulenvorbau zur Platzseite wohl mit vertretbarem Aufwand erhalten können:

    Bild aus dem Jahr 1949, Fotograf Richard Peter

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

  • Tatsächlich und Danke Palantir. Außerdem ist der reiche Skulpturen - Schmuck an den Fassaden sehr gut zu sehen. Davon ist ld. nichts mehr vorhanden.
    An der Westseite des Neuen Rathauses blieb ein unzerstörter "Nebeneingang" mit Säulenvorbauten erhalten. Nur noch dort kann man genau die Kapitellformen an den Säulen feststellen, die einst an den beiden Hauptzugängen vorhanden waren.

  • Warum war der Festsaalflügel derart stark zerstört?

    Bei Katja Hanisch habe ich folgenden kurzen Satz gefunden:

    Zitat

    Aus Sicherheitsgründen musste am 13. März 1949 der Festsaal gesprengt werden.


    Vgl. Hanisch, Katja: Das Neue Rathaus zu Dresden, Dresden 1999, S. 100.

    Interessant ist noch folgendes Foto aus der Wiederaufbauzeit:

    http://upload.wikimedia.org/wikipedia/comm…s%22_im_Bau.jpg

    Die Bresche im Festsaalflügel erscheint fast chirurgisch präzise.

    Und hier sind auch noch interessante Innenraumaufnahmen aus der unmittelbaren Nachkriegszeit zu sehen:

    http://www.europeana.eu/portal/record/…7E426B37DE.html

    Wahre Baukunst ist immer objektiv und Ausdruck der inneren Struktur der Epoche, aus der sie wächst. Ludwig Mies van der Rohe

  • Danke bilderbuch für die Einstellung der Fotos von R. Peter. Hochinteressante Dokumente von bester Qualität.

    Sie zeigen, dass verschiedene Innenbereiche im Neuen Rathaus nicht einmal vollständig ausgebrannt waren. Wie hätten sonst einige der formschönen, gläsernen Beleuchtungskörper "überleben" können.
    Auch der schöne Dresdensia - Brunnen im Foyer zeigte sich nahezu unversehrt. Vor allem die architektonische Umrahmung und der Brunnentrog scheinen das Inferno fast unbeschädigt überstanden zu haben.
    Gerettet wurde dennoch lediglich die Dresdensia - Skulpturengruppe.
    Nur gut, dass viele der dekorativen Schmuckkartuschen von den Pfeilern auch heute noch Betrachter erfreuen können.
    Offenbar wurde bei der Bergung des im Hause zurück gebliebenen Kunstgutes relativ großzügig verfahren. Erhaltene Bronzefiguren verschwanden spurlos, wie z. B. ein lebensgroßer Knabe mit Hund.
    Dezimiert wurden außerdem die Puttengruppen ( Bronze ) auf den Podesten der eindrucksvollen Treppenhalle. Da sind nur noch einige erhalten geblieben.
    Wer sich der zweiten "Goldenen Pforte" vom Verwaltungstrakt an der Ringstraße nach 1945 annahm, bleibt dito unklar. Ein weiterer großer Schmuckbrunnen aus Marmor, der in einem der Vorräume stand, wurde beim Bombenangriff offenbar vollständig vernichtet.