Rastrelli, bitte prüfen Sie Ihre Begrifflichkeiten. Leider muss ich Ihnen sagen, dass es im "Westen" niemals die Begrifflichkeit der "Westmoderne" gab oder gibt, diese auch im Film nicht vor kommt, genau so wie niemals ein "Wessi" auf die Idee käme, eine Bäckerei unter dem Namen "Wessi-Bäcker" zu eröffnen. Derartige Abgrenzungen entsprechen schlicht nicht der in Westdeutschland allgemein verankerten Denkweise. Schade, dass viele Ossis in völliger Unkenntnis nun zunehmend versuchen, Ost-Begriffe auf den Westen zu übertragen.
Ebenso möchte ich Ihnen erläutern, dass es im Westen zumindestens außerhalb Westberlins nicht zum guten Ton gehörte, in großen Wohnanlagen zu leben. Daher bilden diese keine allgemeintypische westdeutsche Wohnsituation ab. Dort lebten per se nur die, die sich nichts anderes leisten konnten. Während im Osten wie mir gesagt wurde auch Professoren in Plattenbauten wohnten, war das im Westen niemals oder nur in seltenen Fällen in den wenigen besonders gehobenen großen Eigentumswohnanlagen der Fall.
Weil so häufig falsch vernwedet: Auch den Begriff des Plattenbaues gab es im Westen nie, obwohl es die Bauart dennoch gab. Man nannte so was schlicht "Hochhaus", ggf. ergänzt um Begrifflichkeiten der Gestaltung, etwa "mit Waschbeton-Fassade".
Weiterhin finde ich, dass die im Film gezeigten Bauten keinesfalls typisch für die alte Bundesrepublik sind. Post und Parkhaus wurden schon immer als nervige Funktionsbauten wahrgenommen (viele haben schon vergessen, wie Parkhäuser früher nach Benzin gestunken haben - da wollte man nur schnell wieder raus).
Und wenn Sie eine allgemeine westdeutsche Wohnsituation der Zeit vor 1989 abbilden möchten, müssen Sie nach bungaloartigen Einfamilienhäusern auf großen Grundstücken im Speckgürtel einer Großstadt ausschau halten - nicht weil dies damals die Utopie schlechthin war, sondern weil es für viele wirklich Realität war. Bei der Durchfahrt auf Hauptverkehrsstraßen sehen Sie diese heute nicht mehr, und selbst wenn Sie entsprechende Wohnstraßen durchfahren, sehen Sie regelmäßig nur die bewusst abweisende Straßenseite - während Ihnen die schöne offene Terrasenseite stets hinter dichtem Grün verborgen bleibt. Die alte Bundesrepublik war schließlich durch den Rückzug ins Private geprägt. - Warum gelingt es den Denkmalschützern denn nicht, eine schön erhaltene größere Gruppe Einfamilienhäuser ("Architektenhäuser" oder halbwegs ambitionierte Bauträgerobjekte) der späten 60er bis E. 70er Jahre ausfindig zu machen und diese unter Denkmalschutz zu stellen? Das ist nämlich in Wahrheit das westliche Gegenmodell zu den Plattenbauten in der ehemaligen DDR und anderen früheren Ostblock-Ländern.