Bei der Vierzahl der heutigen Möglichkeiten sind die Eigentümer und Handwerker mit der richtigen Auswahl schlicht überfordert. Bei Sanierungen im Bestand ohne Bauantrag muss ja noch nicht mal ein Architekt eingeschaltet werden, der in vielen Fälle die grellsten Entgleisungen noch verhindert, und die Baubehörden werden bei sowas ja sowieso nicht eingeschaltet.
Nur bei Denkmalschutz ist auch ohne Bauantrag die Farbgebung etc. zu genehmigen, es hängt aber sehr stark von den einzelnen Mitarbeitern ab, ob hier die besten Lösungen gefunden werden. Das finden der richtigen Lösung ist eben ein schwieriger Prozess, Farben müssen als Musterfläche vor Ort ausreichend groß angelegt werden usw.
Wer das schon öfter gemacht hat (bei Denkmalschutz wie gesagt muss man es), weiß wie langwierig das ist. Meist sind die ersten Farben zu grell und glänzend, was an den heutigen Produkten liegt.
Kleine Holzteile wie alte Fenster kann man weiterhin mit Ölfarbe wie früher anstreichen, aber selbst das ist heute schon Liebhaberei (also schicht unpraktikabel), weil Ölfarbenanstriche 3-4x aufgetragen werden müssen und außerdem lange brauchen zum Trocknen. Welcher anspruchsvolle Berliner Mieter ("dann darf ich die Miete mindern") will schon 3 Wochen lang ohne äußere Fensterflügel wohnen? Moderne Farben sind da viel besser zu verarbeiten, sehen aber auf alten Holzteilen mit unebener Oberfläche häufig nicht gut aus.
Aus eigener Erfahrung weiß ich eben auch, dass eine stimmige Fassadengestaltung und/oder für viel Geld freigelegter/rekonstruierter Stuck, auch innen an den Decken von typischen Großstadtmietern kaum finanziell gewürdigt wird. Die denken, das war schon immer so, wieso soll ich dafür denn mehr Geld zahlen? Dass aber die DDR auch viele heute wieder restaurierte Fassaden schimm verstümmelt hatte, auch Jahrzehnte nach der sogenannten Wende noch immer unentdeckte Schwammschäden im Dachbereich saniert werden müssen, wobei z.T. halbe Holzbalkendecken womöglich mit Stuck neu erstellt werden müsssen, ist gerade den 20-30-jährigen, die heute allgemein die neu einziehende Schicht der Großstadtnormaden bildet, schlicht unbekannt.
Und die Gründerzeithäuser werden ja immer älter und allgemein pflegebedürftiger, inzwischen sind die jüngsten (<1914) 110 Jahre, die älteren (<1880) aber schon 140-145 Jahre alt. Am Ende des Zweiten Weltkrieges waren dieselben Häuser gerade mal 35 bis 65 Jahre alt. 50 Jahre nach der Erbauung war dann wohl bei vielen der Fassenstuck so geschädigt, dass man ihn entweder hätte instand setzten müssen, und da Deutschland eben im Vergleich zum Kaiserreich ein armes Land geworden war, schlug man den Stuck dann eben je nach finanzieller Möglichkeit ab. Die Entfernung der vielen Dachgauben und Aufbauten dürfte ebenso hauptsächlich ein bautechnisches Thema gewesen sein, die Blech-Kehlen und aufliegenden Rinnen waren nach 50 Jahren schlicht und einfach kaputt, Wasser drang ein, und bevor der Schwamm dann die ganze Dachkonstruktion zerstört hätte, wie es in den älteren Quartieren der DDR z.B. in Leipzig dann ab ca. 1975 massenhaft geschah, riss man in Berlin lieber die Dachgauben ab und rettete so das Haus rechtzeitig.
Die in #10 gezeigte entstuckte Fassade "Ebenfalls Bergmannkiez - alles ist erlaubt..." mit dem Gelb-Beige und Grau und den alten grünen Fenstern empfinde ich übrigens angesicht der anderen Beispiele inzwischen als eher positiv - es ist zwar kein Stuck mehr da, aber die ruhige klassizistische Fensterverteilung, die durchgehende Traufe mit dem Dachbodengeschoss (Mezzaningeschoss) ist wohltuend unversehrt. Und die Putzfarbgebung ist so gelungen, dass sie durchaus durch Beratung des Denkmalschutzes zu Stande gekommen sein könnte.