Berliner Schloss - architektur- und kunstgeschichtliche Aspekte

  • Zitat von "Mathias"

    Braunfels hätte ein Phantasieschloss gebaut. Zum Glück wurde sein Entwurf abgelehnt.

    Wo liegt das Problem? Als das Schloß früher errichtet wurde, war es auch nichts anderes als ein "Phantasieschloß". Ich höre da schon wieder diesen kunsthistorischen Ansatz heraus, der ästhetische Neuschöpfungen in 2008 verhindert. Warum ist der mit ästhetischste, harmonischste und kreativste Entwurf "zum Glück abgelehnt worden", Mathias? Es muss doch noch mehr geben als Rekos und denkmalgerechte Ergänzungen auf der Einen - und Modernismus auf der anderen Seite?! Dieser strenge Schwarzweißgedanke verbietet uns heutzutage die Möglichkeit, bei Neubauten alte Stile aufzunehmen und weiterzuentwickeln, wie es uns einst vorbildlich der Historismus gelehrt hat. Aber den lehnt die kunsthistorische Riege ja auch ab... :?

    Ich entschuldige mich von Herzen für meine früheren arroganten, provokanten, aggressiven und unfreundlichen Beiträge!
    Jesus ist mein Herr und Retter!

  • Youngwoerth, Deine Meinung dazu ist (auch bezüglich DD) ist bekannt, und es ist natürlich Dein gutes Recht, das so zu sehen. Ich wiederum vertrete nach wie vor den "kunsthistorischen Ansatz": Ich will kein gepimptes Phantasieschloß, sondern eine Rekonstruktion. Das Schloß soll wieder her in der Form, die es bis zur Zerstörung hatte, nicht in der Form des frühen 19. Jahrhunderts (also ohne Kuppel), und auch nicht in einer Idealform, wie es nie dagewesen war.

    Wen man sich nicht weistestgehend an den überlieferten Zustand hält, wird das eines Tages auswuchern in immer "phantasievollere" Rekos, und irgendwann kann man sich das Rekonstruieren gleich sparen, weil man genauso gut irgendwas schönes barockes bauen kann, weil dann jeder so "rekonstruiert", wie es ihm persönlich gefällt. Eine Rekonstruktion soll aber - wie die Silbe "Re" schon sagt - etwas wiederherstellen, was es schon einmal gegeben hat, nichts neues erschaffen. Ansätze zur Verfälschung sind schon in Dresden und in Berlin zu sehen (im QII am Neumarkt hat man ebenso wie beim Kronprinzenpalais einfach noch ein "historisches" Vollgeschoß hinzugefügt) - weiter sollte man es nicht treiben.

  • Was denkt ihr, wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Fassaden des Eosanderhofs rekonstruiert werden, so wie es sich Franco Stella wünscht und in seinem Entwurf vorsieht? Stella selber spricht darüber im Konjunktiv:

    Zitat

    Der andere neue Ort ist die Agora, gewissermaßen ein überdachter Platz im früheren Eosanderhof. Darum herum bleibt ein Freiraum, ein Umgang, der es erlaubt, auch die drei Fassaden des Eosanderhofes zu rekonstruieren, die ich ebenfalls für bedeutend halte. In der Vorgabe des Deutschen Bundestages war von sechs Fassaden die Rede, nach meinem Entwurf könnten es auch neun sein. Quelle: Berliner Morgenpost

    Ich befürchte, dass das auf jeden Fall aus Kostengründen gestrichen wird. Und dann ist Stellas Entwurf nur noch halb soviel wert. Aber Stella outet sich meiner Meinung nach als Schloßfan und wird sicherlich auch gesprächsbereit sein, wenn es um die historischen Innenräume geht. Ich bin davon überzeugt, wenn man Stella Fotos von den wichtigsten Innenräumen und Treppenhäusern zeigt, dann wird er nicht nur den Eosanderhof für bedeutend halten, sondern auch die Innenräume und Treppenhäuser und versuchen sie in seinen Entwurf zu integrieren.

  • @yo-wo, schlossgespenst

    ich finde ihr habt beide recht, redet aber aneinander vorbei
    sicher muss im falle deutschlands eine reko stattfinden, die diesen namen tatsächlich auch verdient.

    andererseits ist es aber, schlossgespenst, auch erkennbar, dass hier in D ebenso denkverbote an der arbeit sind, die ja eigentlich gar nichts mit dem thema reko zu tun haben. warum sollten die fantasievollen teile des braunfels'schen entwurfes verboten sein, wo doch diese raster-ostfassaden etc ebenfalls völlig frei erfundene elemente der anderen entwürfe sind. hier sitzt eine tiefe psychologische fessel. das kann man gerade in osteuropa & USA beobachten. dort werden entwürfe, wie die von tschoban oder braunfels, verwirklicht.

    sogar ich selbst habe schon diesen grundreflex, der mir sagt: vorsicht kitsch. das ist aber nichts anderes als jahrzehntelanges training, derart sollte es ja auch umgekehrt den entsprechenden 'sozio-moralischen' reflex geben: vorsicht raster-primitivismus. den gibt es aber nicht! das ist alles angelernt, wir sind alle derart in D sozialisiert worden.

    in sofern hat yowo also recht.
    (und insofern ist der historismus auch einer meiner lieblingsansätze, da recht frei der gestaltung gewidmet. andererseits schliesse ich auch nichthistorische gestaltung mit ein, insoweit sie kompetent ist. modernismus-derivate könnten ebenfalls angenehm sein, siehe kleihues' ostfassade, us-amerikanische hochhaus downtowns wie denver, houston etc...)

    diese sichtachse auf den braunfels'schen hof wäre also sehr angenehm. und wäre sie auch ein historisches produkt, so würden alle gerade dies einfordern. da sie aber ein neuer entwurf, ist wird sie abgelehnt.

    hier gibt es ausserdem grundsätzlich eine unterschiedliche sichtweise der individuen. ich habe darüber auch oft mit philon diskutiert und es ist definitiv der fall, dass hier unterschiedliche individualtypen existieren. es gibt menschen, für welche die visuelle ästhetik ein primäres kriterium ist, für andere ein teilkriterium.

    für mich persönlich ist die visuelle attraktivität von objekten ein abolutes muss-kriterium. ich kann gar nicht (!) in einer hässlichen umgebung leben, ohne das mir dies meine lebensqualität extrem gefühlt beschränkt. köln? vergiss es.
    ich kann mir kein hässliches auto kaufen, selbst wenn es extrem praktisch, oder qualitativ und technologisch perfekt wäre. nein danke. dann lieber einen geniales pininfarina design aus den 60ern und alle 3 wochen schieben. jedes objekt, vom telefon zum computer, über das sofa bis zur partnerin sollte möglichst ästhetisch sein, sonst macht es mir keinen spass, es gefällt mir einfach nicht, punkt. wie oft habe ich irgendwelche sachen gekauft, die sehr gut designt sind, aber schlecht funktionieren. italienische produkte zum Beispiel. aber dann stört es mich trotzdem nicht.

    daher verstehe ich auch architektur in erster linie als eine kunst des gestalterisches könnens, nicht der textuellen logikanalyse. "form follows funktion" hat mich schon als 12 jährigen als vermeindlich flagrantes dogma einer offensichtlich visuell-gestalterischen totalinkompetenz schockiert. jemand, der visuell veranlagt ist, KANN GAR KEINE HAESSLICHEN entwürfe erzeugen. selbst wenn diese person an der uni lernt, das jedes haus ein prototyp ist und echte architektur weh tun muss, sie kann das so gar nicht umsetzen und kommt früher oder später zurück zu ästhetischer gestaltung. siehe kollhoff, ptazschke usw... daher sind m.E. auch alle anderen architekten in ihrer qualität als nicht visuelle intelligenz-portfolios im falschen beruf. so wie ein nicht-mathematiker / -logiker als ingenieur oder buchhalter niemals wirklich gut sein kann, wie ein maler ohne zeichen-talent m.E. kein maler ist, sondern ein protagonist der "moderne kunst" szene von netzwerk-gesellschafts-profis, die sich nur als gestaltende künstler ausgeben, aber eigentlich sozialbeziehungs-künstler/könner sind, und vom rest der gesellschaft daher nicht entlarvt werden.

    ich bin mir sicher, dass dort, wo design ein erstgradiges wirtschaftskriterium anhand der menge der zu verkaufenden produkte auf demokratischen märkten ist, 80% aller architekten innerhalb einer woche ihren job verlieren würden.
    schickt den behnisch oder die lüscher zu ducati, maserati oder irgendeinem premium-kaffeemaschinenproduzenten, dort deren produkte gestalten, keine chance, ante portas, da verwette ich meinen pininfarina ;)

    (fährt sowieso gerade nicht ordentlich, ventilschaftdichtungen hinüber, die halten höchsten 5 jahre, miese qualität, und dann kaputt. aber sieht geil aus... ;) )

  • Zitat von "Schloßgespenst"

    Ansätze zur Verfälschung sind schon in Dresden und in Berlin zu sehen (im QII am Neumarkt hat man ebenso wie beim Kronprinzenpalais einfach noch ein "historisches" Vollgeschoß hinzugefügt) - weiter sollte man es nicht treiben.

    @ Schlossgespenst: ich stimme mit meit deiner Meinung. Ein Reko soll ein Reko sein und nicht mehr dann das. Aber was ich fragen möchte was meinst du mit ein Geschoss dazu beim Berliner Kronprinzenpalais? Ich hat immer gedacht das die Fassaden auf gebaut sein wie für die Zerstörung.

  • @ marc, mal wieder köstlich auf den Punkt gebracht, scharf, prägnant, humorvoll, ohne zu verletzten.

    @ exilwiener, ob die Architekten Harmonieprinzipien der alten Meister in ihrem Studium kennenlernen, weiß ich net, da ich selbiges nicht absolviert habe, sondern eher die Kunstgeschichte durchgegangen bin. Aber an den Ergebnissen läßt sich erschließen, daß geometrische Harmoniekonstruktion eher versunkenes "Geheimwissen" darstellt, oder schlicht kein Interesse daran besteht, weil zu komplex. Über le Corbusiers Proportionsstudien, und die Definition des GS wird man nicht groß hinauskommen, geschweige denn diesen dann anzuwenden.
    Meine Kenntnisse stammen aus diversen Büchern, die ich mir zusammen gesucht habe im Laufe der Jahre und vor allem eigenen Studien. Habe Möbel nach GS und vorallem eine Zeit lang Metallobjekte , die in ihren Abmessnungen auch nach dem GS und anderen kosmischen Geometrien berechnet sind, hergestellt. Diese sind alle wunderbar anzuschauen und die Menschen, die sie sehen, wollen garnicht wieder weg. Und es geht ihnen gut beim Anschauen, Betrachten, Kontemplieren.
    Und das ist das Manko der modernen Archtiektur: Sie tut dem Auge und der Seele weh (meistens; Ausnahmen bestätigen die Regel), weil ihr die Harmonien des Lebens fehlen. Tote Materie, oder halb verreckte, deshalb ist sie so oft zum K*****.

    @ robtoujours, cool, Dein Fund!

  • Zitat von "Schloßgespenst"

    irgendwann kann man sich das Rekonstruieren gleich sparen, weil man genauso gut irgendwas schönes barockes bauen kann

    Das Eine schließt in Deiner Argumentation das Andere aus. Aufgrund der besonderen Situation sollte in Deutschland selbstverständlich an vielen Stellen originalgetreu rekonstruiert werden. Aber wenn dann scheuklappenmäßig alles darüber hinausgehende verboten wird, wird sich nie ein neuer Stil entwickeln, der dem Alten ebenbürdig sein, oder ihn sogar übertreffen kann. Es wird alles schwarz-weiß bleiben. Und das ist nicht in meinem Sinn.

    Aber im Grunde vergißt Du, Mathias, ipflo & Konsorten, dass es hier nur um die Ostseite des Schlosses geht, die sowieso nicht rekonstruiert wird - und wenn Ihr dann Stellas Version bevorzugt und Braunfels verbietet, dann kann ich Eurer Argumentation nicht mehr folgen. Stellas Version ist ebenso ein Phantasieschloß wie das von Braunfels. Und jetzt dürft Ihr mir erklären, wo genau bei Braunfels das Problem liegt. Ich behaupte ja, dass erlernte kunsthistorisch-denkmalpflegerische Dogmen den Kern Eurer Schlußfolgerungen bilden...

    Ich entschuldige mich von Herzen für meine früheren arroganten, provokanten, aggressiven und unfreundlichen Beiträge!
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  • Zitat von "youngwoerth"

    Aber im Grunde vergißt Du, Mathias, ipflo & Konsorten, dass es hier nur um die Ostseite des Schlosses geht, die sowieso nicht rekonstruiert wird - und wenn Ihr dann Stellas Version bevorzugt und Braunfels verbietet, dann kann ich Eurer Argumentation nicht mehr folgen. Stellas Version ist ebenso ein Phantasieschloß wie das von Braunfels. Und jetzt dürft Ihr mir erklären, wo genau bei Braunfels das Problem liegt. Ich behaupte ja, dass erlernte kunsthistorisch-denkmalpflegerische Dogmen den Kern Eurer Schlußfolgerungen bilden...

    Meiner Meinung geht es schön um die Rekonstruktion, das Schlosshof von Braunfels macht es nicht möglich das Schlüterhof zu rekonstruieren und einst die historische Innenräume, da das Hof gespiegelt wird. Ich bin einig dazu das wenn es nur die Ostseite war (nebst rekonstruierung des Schlüterhofes) ein Phantasievolle Lösung durch Braunfels auch sehr schön könnte sein und zu prefieren ist oben Stella. Aber da mit Stella für mich mehr rekonstruiert wird, dan mit Braunfels, und auch für die Zukunft mehr möglichkeiten bietet um zu rekonstrieren, preferiere ich Stella oben Braunfels. Aber natürlich sehe ich auch die 'Kontras' von Stella.

  • Mmmh...das ist eine interessante Diskussion auf hohem Niveau. Ich bezweifle einmal, dass sich die entsprechenden Gremien auch jetzt noch so intensiv mit dem Thema beschäftigen, will dieses - in guter Hoffnung - jedoch nicht von der Hand weisen.

    Es wäre ein guter taktischer Schachzug, wenn die berechtigten Hauptkritikpunkte dieser hier geführten Debatte, eventuell kurz zusammengefasst und quasi als Zeichen bürgerlichen Engagements auch dem Bauherrn irgendwie zukommen gelassen werden könnte. Eine gute Werbung für Stadtbild Deutschland e.V. und ohne viel Aufwand!

  • yoüngworth hat Recht. Stellas schloss ist ebenfalls nur ein Fantasieschloss. Ein Fantasieschloss mit stilfremden Einbauten, während Version von Braunfels ostseite so auch durchaus im 17. Jahrhundert hätte erstellt werden können. Zumindest ähnelt sie stark dem Ostseitenentwurf von Schlüter.

    Seis drum nichts geht über eine Totalreko

  • Ach mir fällt da noch was ein, was wird eigentlich aus derDDR Bude mit dem Schlossportal am Schlossplatz ? Hierei handelt es sich meines Wissens nach um ein Originalportal (!?) das doch jetzt gebraucht wird!? Und wenn das Postal aus dem Gebäude raus ist kann doch die DDR Bude abgerissen werden ?? Ich meine ohne Portal will sich da sowieso niemand mehr drin aufhalten oder!?

  • @ der herzog

    ich habe in erinnerung, dass das portal für den wiederaufbau nicht benutzt werden soll, wohl aber diente es als vorlage um teile nachbilden zu können.

    und dass das gebäude des ehm. staatsrates der ddr, in dem seit ein paar jahren eine private school of managment oder economics oder so drin sitzt, abgerissen wird, kann ich mir schwerlich vorstellen.

    zu begrüßen wär's jedoch alle male!


    EDIT:
    klasse ist ja auch die art-seite:

    Zitat

    "Drei der vier Barockfassaden des einstigen Hohenzollern-Schlosses sollen erhalten bleiben und von 2010 bis 2013 für 552 Millionen Euro errichtet werden"

    also doch keine reko, sondern eine sanierung! puuuuh, die authenzitätsdebatte ist wohl somit vom tisch :lachen:

  • Zitat von "Der Herzog"

    Ach mir fällt da noch was ein, was wird eigentlich aus derDDR Bude mit dem Schlossportal am Schlossplatz ? Hierei handelt es sich meines Wissens nach um ein Originalportal (!?) das doch jetzt gebraucht wird!? Und wenn das Postal aus dem Gebäude raus ist kann doch die DDR Bude abgerissen werden ?? Ich meine ohne Portal will sich da sowieso niemand mehr drin aufhalten oder!?


    Das Thema hatten wir hier schon oft. Nein, das ehemalige Staatsratsgebäude wird nicht abgerissen, es steht sogar unter Denkmalschutz - und mich stört es eigentlich auch nicht. Im Vergleich zu den grauenhaften Kästen rund um den Alexanderplatz ist das Staatsratsgebäude beinahe schön, für DDR-Verhältnisse jedoch allemal erträglich. Kann von mir aus bleiben.

    Was das Portal IV angeht: Angeblich sind die meisten Teile nicht mehr original. Zwar ist das historische Portal IV vor der Schloßsprengung ausgebaut worden, aber das heißt ja nicht, daß die Teile dann auch alle benutzt wurden. Ich wäre trotzdem für den Ausbau und Einbau ins neue Schloß, denn wozu etwas nachbilden was schon da ist? Das Staatsratsgebäude könnte als Ersatz ein einfaches Sandsteinportal bekommen, das ganz entfernt an das Schloßportal erinnert. Fertig, aus. Aber das ist wie gesagt leider nicht vorgesehen.

  • Ich hoffe ja auch, dass diese genialen Kunstschlosserarbeiten vor allem am Portal IV wiederkommen. Die waren einfach wunderbar. Und wahrscheinlich sauteuer. :lachen:

  • hallo ich nochmal, ich glaube kaum, dass das Portal vom Staatsratsgebäude der DDR abgebaut wird, gerade um dieses Portal wurde die DDR Bude ja gebaut, schließlich hat ja K. Liebknecht von dort die DSR ausgerufen. Aber ich meine wenn das Portal am originalstandort wiederersteht, könnten die Sozis ihre Reliquienverehrung, pp auch mit dorthin verlegen und die DDR Bude kann endlich weg !!