Halle (Saale) - Innenstadt (Galerie)

  • In der August-Bebel-Straße von Halle findet man einige Klinkerbauten. Die sind zu Zeiten entstanden, als Halle/Saale noch zu Preussen gehörte.

    Interessant. Hat das einen geschichtlichen/wirtschaftlichen Zusammenhang? Die Bauten erinnern sofort an die Schinkelsche Bauakademie in Berlin.

    Wenn es jetzt Bauten der öffentlichen Hand gewesen wären, hätte ich sofort einen Vergleich zur Schweiz gezogen:
    In den 1960/1970er jahren wurden im Kanton St. Gallen alle Autobahnen betoniert, und nicht asphaltiert. In den meisten andern Kantonen begnügte man sich mit der billigeren Variante Asphalt. Dabei gehörte der Kanton St. Gallen nicht zu den wirtschaftlich starken Kantonen. Dafür haben wir aber eine bedeutende Steuerzahler-Familie: Schmidheiny. Und denen gehören ja weltweit viele Zenentproduktionsstätten. Hätten wir unsere Autobahnen damals nicht betoniert, hätten wir sehr wahrscheinlich auch einen guten Steuerzahler weniger...

  • Hallo Riegel,

    ausschlaggebend für die Verwendung von Klinkerbauten in Halle an der Saale dürften m. E. in erster Linie finanzielle Gründe gewesen sein. Dort, wo gewachsener Felsen und Steinbrüche nicht, oder in nicht nennenswertem Umfage zur Verfügung standen, hätten die hohen Transportkosten, oftmals über weite Strecken, sehr teuer zu Buche geschlagen. Hinzu wären dann noch die Kosten für die Steinmetzen für das Behauen der Steine vor Ort gekommen.

    Tongruben gab es auch dort, wo man keinen Naturstein zur Verfügung hatte. Durch Formsteine, Lisenen und Gesimse konnte man dem Haus ein ansprechendes Äußeres geben, auch durch Verwendung sowohl von roten als auch von gelben Klinkern.

    Dass die Bauakademie für den Klinkerbau eine große Ausstrahlung hatte, dürfte feststehen. Man konnte mit diesen Klinkerbauten gegenüber Hausteingebäuden sowohl solide, als auch günstigere Gebäude errichten.

  • Danke für deine Antwort und Erklärung. Ich fragte mich aber, ob es einen Zusammenhang mit der damaligen Zugehörigkeit Halles zu Preussen gibt. Die Zugehörigkeit einer Stadt zu einem Land ist ja politischer Natur, und weniger der wirtschaftlichen.

  • Hier zeigt sich schon recht stark der Einfluss der preußischen Bauschule. Viele öffentliche Gebäude stammen natürlich auch direkt von preußischen Architekten, wie bspw. die Universitätsbibliothek oder die Anatomie Große Steinstraße 52( Ludwig von Tiedemann). Dass man auch anders konnte, zeigte das in reichem Stilmix gebaute Landgericht. Der wohl (farben)prächtigste noch erhaltene Justizpalast in Deutschland.

    Charakteristisch für die Hallenser Gründerzeit insgesamt sind, insbesondere in den weniger wohlhabenden Arbeitervierteln, Mezzaningeschosse, Flachdächer und zweiflügelige Hofbauten, wie man das auch aus Magdeburg und Berlin kennt. Frappierend ist bspw. der Unterschied der Bebauung nördlich und südlich der Schleiermacherstraße, im Norden das reiche Paulusviertel mit seinen mondänen, roten Walmdächern und im Süden die Mietskasernen mit ihren grauen Flachdächern.
    In Leipzig sieht man das bspw. eher selten. Weder Flachdächer noch Mezzaningeschosse sind dort die Regel sondern die Ausnahme. Das preußische und das sächsische Baureglement jener Zeit unterschieden sich also offenbar erheblich. Und selbst innerhalb der Länder kann man ja deutliche Unterschiede erkennen. Der geübte Blick kann sofort sagen, ob man sich in einem Dresdner, Leipziger oder Chemnitzer oder gar Plauener Gründerzeitstraßenzug befindet. Die unterschiedlichen Topographien haben da schon zu differenzierten Ansätzen gezwungen.

    Einmal editiert, zuletzt von Saxonia (26. November 2017 um 22:38)

  • Dort, wo im 19. Jh. das Königreich Preußen der Auftraggeber war, z. B. bei Kasernen, wurde in aller Regel die Kasernen, oder wie man sie damals nannte, die "Kassernements" in Klinkerbauweise errichtet. In Gegenden, wo auch Naturstein zur Verfügung stand, wurden bei diesen Klinkerbauten oft bestimmte Teile, wie z. B. Säulen zwischen Zwillingsfenstern, Türwandungen und Türstürze aus dem jeweiligen heimischen Gestein errichtet. Aber auch beim Kirchenbau in Preußen kam, oft in Formen der Gotik die Klinkerbauweise vor. Der König von Preußen war je der oberste Bischof der preußischen evangelischen Kirche. Bei Reichsbehörden, wie etwa den "Kaiserlichen Postämtern" griff man bei der Verwendung des verwendeten Steins auf die jeweils örtlichen Bautraditionen zurück. Dort, wo es eine große Tradition in norddeutscher Backsteinbauweise gab, wurden dann die Kaiserlichen Postämter zumeist auch in Klinkerbauweise errichtet, wobei aber nicht nur neugotische Postämter, sodern auch solche im Übergangsstil zur Renaissance oder sogar ganz in Formen der Renaissance erbauten Ämter vorkamen.

  • Als interessierter Beobachter fällt mir immer wieder auf, dass in ehemals preußischen Städten öffentliche Bauten der damaligen Zeit markante Zeichen setzen. Neben den schon genannten Kasernen und Schulen hat auch die Preußische Staatsbahn diese markanten Klinkerbauten hinterlassen. Auffallend ist dies z.B. in Breslau und in Erfurt. Gerade in Erfurt fallen die "preußischen" Bauten im Stadtbild auf

    In Halle erinnert man sich gerne daran, dass die Hohenzollern zur Stadtentwicklung beigetragen haben. Kaiserin Auguste Viktoria hatte z.B. für den Bau der Pauluskirche das Protektorat übernommen.

    Ich glaube nicht, dass gerade die roten Klinker in Halle günstig zu beschaffen waren. Heimisch dürften in Halle helle Ziegel, Porphyr (Brachwitzer Alpen), Buntsandstein und Muschelkalkstein sein. Die typischen Ziegel der Gegend sind von unklarer heller Färbung, etwas in Richtung Beige. Rote Klinker sind in Halle schon eher Exoten.

  • Mal eine ganz bescheidene Frage. In der Weiterleitung von Zeno ( https://www.google.de/maps/@51.47299…=!3m1!1e3?hl=de ) sieht man, daß viele der Wohnhäuser eigentlich gar kein Satteldach haben. Das Ziegeldach ist nur vorgeblendet, daß man von der Straßenperspektive aus den Eindruck bekommt, die Dächer seien komplett mit Ziegeln gedeckt. Tatsächlich sind es aber Flachdächer mit Dachpappe. Das sieht aus der Luft recht schäbig aus. - Waren die Häuser eigentlich ursprünglich so gebaut, oder stammen diese Dachabschlüsse aus der DDR-Zeit?

  • Die Menge an Flachdächern bei den doch recht alten Gebäuden spricht eher dafür, dass die Gebäude so errichtet wurden. Halle wurde ja im II. Weltkrieg nur wenig bombardiert. Und der Osten hat üblicherweise keine Dachstühle abgetragen. Dort liebte man eher das Grobe und Brutale. Also ganz weg mit dem alten Krempel.

  • ausschlaggebend für die Verwendung von Klinkerbauten in Halle an der Saale dürften m. E. in erster Linie finanzielle Gründe gewesen sein. Dort, wo gewachsener Felsen und Steinbrüche nicht, oder in nicht nennenswertem Umfage zur Verfügung standen, hätten die hohen Transportkosten, oftmals über weite Strecken, sehr teuer zu Buche geschlagen. Hinzu wären dann noch die Kosten für die Steinmetzen für das Behauen der Steine vor Ort gekommen.

    Hier mal einige in Halle häufig zu findende Baustoffe.

    Beim Bau des Roten Turms wurde Sandstein verwendet. Ich würde ihn verorten in die Gegend Weißenfels, Naumburg, Freyburg.


    Beim Bau der Neumühle wurden verschiedenste Baustoffe verwendet. Neben Naturstein auch Ziegelsteine.


    Hier einige Beispiele für die Verwendung des typischen, in der hallenser Gegend häufig zu findenden hellen Ziegelsteins. Viele ältere Universitätsbauten wurden mit dieser Ziegelart errichtet.


    Eigene Fotos.

  • Mal eine ganz bescheidene Frage. In der Weiterleitung von Zeno ( https://www.google.de/maps/@51.47299…=!3m1!1e3?hl=de ) sieht man, daß viele der Wohnhäuser eigentlich gar kein Satteldach haben. Das Ziegeldach ist nur vorgeblendet, daß man von der Straßenperspektive aus den Eindruck bekommt, die Dächer seien komplett mit Ziegeln gedeckt. Tatsächlich sind es aber Flachdächer mit Dachpappe. Das sieht aus der Luft recht schäbig aus. - Waren die Häuser eigentlich ursprünglich so gebaut, oder stammen diese Dachabschlüsse aus der DDR-Zeit?

    Das hatte ich weiter oben ja schon geschrieben. Viele haben nicht mal ein angedeutetes Schrägdach, sondern einen ganz flachen Abschluss direkt über der Traufe. Dafür mag es verschiedene Gründe gegeben haben. Der Kostenfaktor war sicher ein wesentlicher. Die preußische Provinz Sachsen, zu der Halle gehörte, hatte eine sehr moderne chemische Industrie. Aus der örtlichen Braunkohle wurde unter anderem Braunkohlenteer hergestellt, der wiederum u.a. bei der Dachpappen- bzw. Teerpappenproduktion zum Einsatz kam. Aufgrund zunehmender Kritik an den Flachdächern, bspw. durch den 1904 gegründeten Bund Heimatschutz, richtete der Verband der Dachpappenfabrikanten 1910 übrigens einen Fonds zur Bekämpfung der "Übertreibungen der Heimatschutz-Bestrebungen" ein. Also alles wie heute, gewissermaßen.
    Brandschutzgründe wurden hier ebenfalls angeführt. Ein Flachdach hat keinen großen Dachstuhl aus Holz der wunderbar brennt. Überhaupt galt Dachpappe damals als geeignetes Brandschutzmittel.

    Wichtig dürften zudem zulässige Bauhöhen gewesen sein. Auch hier spielt wohl der Brandschutz eine Rolle, was die maximale Erreichbarkeit durch die Spritzen anbelangt. Statt also wertvolle Meter durch ein voluminöses Satteldach zu verschwenden, wurde einfach ein Voll-oder Mezzaningeschoss mehr aufgesetzt und ein Flachdach gebaut. Nach 1900 hat man die Bestimmungen allmählich geändert. Es durfte nun etwas höher gebaut, dafür mussten aber größere Abstands- und Freiflächen eingehalten werden, bspw. in den Höfen. Das sieht man dann an den inneren Ringen des Paulusviertels mit Satteldächern, die auch zuletzt entstanden sind, noch nach 1914.

    Einmal editiert, zuletzt von Saxonia (29. November 2017 um 23:42)

  • Hallo Stahlbauer,

    vielen Dank für die schönen Fotos. Ein begrünter Innenhof strahlt immer etwas Schönes aus.

    Im zweiten Bild sieht man über der Haustüre drei Bunt- bzw. Bleiglasfenster. Wäre es von mir unverschämt, wenn ich dich darum bäte, dort nochmal vorbei zu gehen, um diese Fenster von Innen, also vom Treppenhaus aus zu fotografieren? Vielleicht steht ja die Haustüre offen, oder es lässt dich jemand ein. Solche Bunt- bzw. Bleiglasfenster ist oft wunderschön und heutzutage gar nicht mehr so oft anzutreffen. Meistens begeistern sie mich. Es würde mich jedenfalls sehr freuen, diese Fenster ansehen zu dürfen. Für deine Mühe schon jetzt vielen herzlichen Dank.

    Einmal editiert, zuletzt von Villa1895 (30. November 2017 um 20:55)

  • Architektonische Rundschau 1907.

    Mittelschule an der Friedenstr. in Halle a. S. im Jugendstil:


    Westliches Portal:


    Südliches Portal:


    Erker:


    Seitenansicht:


    Aula gegen Westen:


    Flur:


    Rektorzimmer:


    Treppe zur Aula: